Aus dem Daseinstraum Erwachen
Der Atem fließt: Ein, aus. Der Blick wird immer differenzierter, nimmt immer mehr wahr, wie alles miteinander verknüpft ist. Ein Gewoge von sich gegenseitig hervorrufenden Prozessen: Dieses ist, weil jenes ist. Dem klaren Blick entgeht keine der Bedingungen und nichts kann als getrennt von irgendetwas anderem gesehen werden, weil dieses nur ist, weil jenes ist. Von allen Dingen, die erscheinen, können plötzlich genau die Ursachen / Bedingungen erkannt werden.
Dort ist pure, reine Bedingtheit, ohne jemanden, der etwas tut. Da ist kein Macher, kein Verursacher, kein Wille. Diese Begriffe verschleiern nur das wahre „Sein“ der Dinge, die So-heit. Diese Begriffe sind Illusionen, Wahnbilder, die wir auf die Dinge projizieren. Da ist kein Platz für ein Ich, eine Seele oder einen Beweger.
Aber auch zu sagen „Das alles bin ich“ ist falsch, ist nur eine geringe Verbesserung zur üblichen, völlig verzerrten und verdrehten Sicht der Dinge. Denn da ist kein Ich.
Da ist kein Ich! Überraschung! Alles ist erkennbar so wie immer: die Formen und Farben und sämtliche sonstige Bewusstseinsinhalte, aber ein einziges fehlt: Die Ich-Ansicht / Identifikation. Und damit ist alles wie immer und doch alles völlig anders.
Das ist erst einmal sehr ungewohnt, aber da die Erfahrung so klar und anschaulich ist, können sich da keine Zweifel erheben. Das ist es, was das Ziel der spirituellen Suche nach dem wahren Selbst ist: Nichts. Es gibt nichts und niemanden zu finden und man gewinnt nichts. Rein gar nichts. Wer den Vorhang wegzieht sieht niemanden. Da ist nur das klare Verstehen, dass alles seelenlos und bedingt ist und niemand ist da, der dies versteht, also keine selbstständige Person.
Alles wird losgelassen, denn das Anhaften funktioniert nur über ein Ego/Ich. Gibt es keine Identifikation, dann gibt es kein Anhaften mehr. Wenn niemand mehr da ist, der sich mit dem Leid identifiziert, dann hat das Leid keine Basis mehr und erlischt.
Das ist die totale Freiheit. Man verliert alles, die gesamte Wahnvorstellung von einem „Ich“, das in einer „Welt“ lebt, man verliert alle Ambitionen, jegliche Hin- und Abneigung aus denen Gier oder Hass erwachsen könnten. Da ist aber keine Glückseligkeit und da ist auch niemand, der diese vermissen könnte. Keine Erwartungen ohne ein Zentrum möglich!
In diesem Moment fängt der wahre Läuterungsprozess des Herzens an, indem man so deutlich erfährt, dass da niemand ist, nirgendwo!
Die Ursünde des Menschen ist die Identifikation mit einem Ich. Die Ich-Ansicht verschmutzt und verpestet die Welt, macht aus ihr eine Hölle. In der eigentlichen, unverblendeten Welt gibt es all das nicht, was von einem Ich abhängt: Freude, Leid, Tod, Geburt, Schmerz, Verlangen, Kommen und Gehen. No Way!