Eine näherungsweise Authentizität könnte dann aber doch genauso auch bei den Dharma-Linien der "klassischen" Traditionen angenommen werden - oder was spricht hier in deinen Augen dagegen?
Ich denke, dass man das nicht vergleichen kann.
Auf der einen Seite haben wir einen Haufen alter Texte und man kann durch geeignete wissenchaftliche Methoden zeigen, aus welchen historischen Schichten die einzelnen Textteile stammen und welche möglicherweise zu Buddha selbst zurückreichen. Man weiß zudem, dass es bis zur Verschriftlichung immerhin eine müdliche Überlieferungstradition gab, so dass davon ausgegangen werden kann, dass mit ihr nicht nur später Entstandenes, sondern auch Buddhawort übertragen wurde.
Dann gibt es da eine Genealogie, die eine lieare Entwicklung zeigen soll. 'Erfunden'(!) 1.500 Jahre – in einer anderen Kultur (China) als der ursprünglichen – nach dem Ereignis, auf die sie zurückzeigen möchte. Es gibt meines Wissens keinen Hinweis, dass zuvor in Indien auf Übertragungslinien Wert gelegt wurde und damit der Weg der Übertragung in irgendeiner Weise dokumentiert wurde. Deshalb kann man tatsächlich von 'Erfindung' sprechen.
Man kann daher, meine ich, nicht von einer näherungsweise Authentizität der Dharma-Linien sprechen.
...und dennoch hat Sakyamuni seinen Nachfolger bestimmt. Eine Geste, ein Lächeln hat das tiefe Verständnis der Lehre bezeugt.
Denn nur weil man der Lehre zuhört und einen Teil versteht, bedeutet das nicht, dass man weder a) die Einsicht des Buddha realisiert, noch b) wirklich Lehren kann. Hätte Sakyamuni damals die Blume nicht an Mahakasyapa, sondern an Fritz Fischer weitergegeben, hätte dieser durch sein mangelndes Verständnis die Lehre verfälscht. Und das obwohl er oberflächlich vielleicht das richtige vermittelt hätte (wie z.B. keine Ziegen zu opfern..)
Es tut mir leid, Horin, es weist alles darauf hin, dass dieser Gründungsmythos auch erst nachträglich geschaffen worden, um die besondere Lehrinterpretation des Zen, Praxis statt Scholastik, zu rechtfertigen.