Wenn man glaubt, dass jegliche Sinnlichkeit zu überwinden bzw. aufzugeben sei, weil dies und nur dies der Weg zu einer wie auch immer gearteten "endgültigen Befreiung" sei, dann ist es nur konsequent, sich auch aus dem Beziehungsleben zurückzuziehen.
Aber das ist natürlich reine Theorie. Ohne jetzt auf grundlegende Fragwürdigkeiten einzugehen sollte nachvollziehbar sein, dass "Sinnlichkeit" - vom angenehmen Gefühl eines gesunden Körpers, über Geschmack am Essen, Freude an Freundschaft, Beziehung, Behaglichkeit in Kleidung und Wohnung etc. umfassend ist.
Die Entwicklung einer vollständigen Gelassenheit gegenüber angenehmen und unangenehmen Erlebnissen ist ja nun auch etwas, was nicht nur im Buddhismus angeraten wird. Unsinnig erscheint mir allerdings der Gedanke, man könne sich dem sinnlichen Leben gewissermaßen entziehen. Das scheint mir eine Verirrung, die ebenfalls nicht nur bei manchen Fraktionen des Buddhismus anzutreffen ist, sondern ihre Entsprechung in vielen anderen Religionen hat. Und zu Urteilen, dieser oder jemand könne gar nicht frei von sinnlichen Anhaften sein, weil er ja z. B. gerne isst oder in einer Beziehung lebt, ist für mich weder theoretisch stimmig noch praktisch-pragmatisch hilfreich.
Also mein Fazit:
Eine kritische Sicht auf Sexualität ebenso wie auf andere Sinnesvergnügen (und geistige Vergnügen) scheint mir damals wie heute sinnvoll, wenn man das Gefühl hat nicht im Gleichgewicht zu sein und/oder sein Dasein in eine bestimmte Richtung entwickeln will. Zu sagen, ohne totale Enthaltsamkeit gibt es keine Befreiung, oder wer ein bestimmtes Stadium der Entwicklung erreicht hat, hat von selbst kein Bedürfnis mehr nach allen Arten von angenehmen Empfindungen, scheint mir nicht sehr einsichtig.
(Wie mit Accinca natürlich schon diskutiert: Muss mir als Nicht-Buddhisten ja nicht einsichtig erscheinen, und wer es streng nach Vorschrift ohne Hinterfragen machen will, darf das natürlich gerne tun.)