Erstmal vielen Dank für Eure vielen Einsichten und Anregungen! Auch jetzt gilt natürlich wieder: Sollte ich vergessen haben, auf etwas einzugehen, was Euch wichtig war, weist mich bitte darauf hin.
Ich würde sagen, in Zusammenarbeit, ja. Mal aus der Vipassana-Perspektive betrachtet: Wenn ich meine Konzentrationsfähigkeit und Achtsamkeit verbessere, oder gar Einsichtserfahrungen mache, wird mir das dabei helfen, mich ethisch zu verhalten. Weil ich mich nicht so schnell in Gefühlen verliere oder mir klar ist, dass gewisse Konstrukte, wie Nationen, persönlicher Stolz oder das Foul vom gegnerischen Fußballer nicht wirklich substantiell und nicht sooo wichtig sind.
Das gilt aber nur, wenn ich auch daran arbeite, die Ethik zu verwirklichen.
Dann gibt es noch die psychologische Ebene: Manche Dinge kann man nicht ohne Hilfe erkennen - man braucht die Rückmeldung von anderen. Das ist besonders bei verehrten Lehrern problematisch, wenn sie niemanden mehr haben, der auf Augenhöhe steht und auch mal sagt stop, da läuft was falsch.
Und manches kann man nicht allein überwinden, auch wenn man es noch so sehr möchte. Da braucht es dann zum Teil medizinische Hilfe oder Psychotherapie.
Diese Dinge: Sich um Ethik bemühen, kritische Rückmeldung erhalten, gegebenenfalls Hilfe in Anspruch nehmen, kann man nicht durch Meditation ersetzen. Meditation allein wird diese Probleme nicht bewältigen, egal, wie gut man ist. Aber eine Meditationspraxis kann unheimlich hilfreich dabei sein, an diesen Dingen zu arbeiten.
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Ja, die von Dir angeführten (und von mir der Deutlichkeit halber, auf was ich mich beziehe, unterstrichenen) Punkte halte auch ich für notwendige Fähigkeiten einer reifen Persönlichkeit. Aber ist eine 'Meditationspraxis' wirklich hilfreich dabei, diese Ziele zu erreichen? Ich we iß es wirklich nicht! Ich tendiere dazu, es für 'hilfreich', aber unnötig kompliziert zu halten: Um ein Loch zu graben, ist ein Suppenlöffel hilfreich, aber ich erreiche das Ziel zweifellos besser, sicherer und leichter, wenn ich eine Schaufel benutze.
Es wird in diesem Zusammenhang oft darauf verwiesen, dass ein 'rein intellektuelles Verstehen' nicht ausreicht, und deshalb Meditation notwendig ist. Aber wäre es da nicht vielleicht hilfreicher, das 'rein intellektuelle Verstehen' in die Praxis umzusetzten, was ja z.B. durch die Kognitive Verhaltenstherapie, das von mir sehr geschätzte (und vom Buddhismus beeinflusste) Constructive Living oder Übungen aus dem Repertoire des Stoizismus auch (und vielleicht besser und verlässlicher) zu erreichen wäre? Hält uns die Chimäre der 'Erleuchtung' (mit dem 'Mehr' als die von Dir angeführten Ziele) nicht vielleicht davon ab, das erreichbare Gute und Wichtige zu erreichen? Ganz praktisch: Ich denke z.B. nur an die endlosen Diskussionen darüber, wie wichtig eine 'korrekte' Sitzposition angeblich ist: Da wird endlos das Messer gewetzt, ohne je zum Schneiden zu kommen.
Ich bin nich Grashuepfer, aber wenn ich von mir selber ausgehe (also ich rede jetzt wirklich nur von mir), dann ging es nicht ohne jhana-Beschreibungen, dh. was richtig (samma) ist. Meine Konzentrationsfähigkeit war zwar sehr hoch, aber auch mindestens genauso oft falsch. Im Alltag bedeutet das, dass parallel zur Konzentrationsfähigkeit auch genauso stark die Verpeilung sein kann. Verpeilung wiederum kann ein Haufen Effekte mit sich ziehen.
Ich glaube es gibt verschiedene Ansichten darüber ob jhanas nötig sind oder nicht, aber ich selber kann es mir aufgrund meiner Erfahrung (also mit mir selbst) nicht vorstellen, dass das ohne klappt.
'Säkular' ausgedrückt halte ich die 'jhanas' für eine notwendige Stufe des Flow-Erlebnisses. Die Diskussionen über die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Erreichens von 'jhanas' sind endlos (ich vermute mal, auch durch die Erkenntnis ausgelöst, dass sich ein erfolgreicher serial killer ebenfalls in einem Flow-Zustand befinden kann - siehe Samurai!). Ich weiß, dass Du das Problem siehst ('Verpeilung'), aber diese Diskussion würde wohl einen eigenen thread verdienen.
OK, gelesen. Im Schnellverfahren, zugegeben. Bin etwas verwirrt, denn der Artikel ist ja großteils auf die moderne Mindfulness-Bewegung bezogen, die ja gerade nicht buddhistisch sein will.
Es ist die Frage, ob die 'moderne Mindfulness-Bewegung' nicht buddhistisch sein will, oder nur ihren Buddhismus nicht so offen zeigt, um ein größeres Publikum anzusprechen. Es gibt dazu ein interessantes Buch.
Der gute Dalai Lama. Hast du mal von seinem unheimlich weitgehenden Vorschlag was gelesen?
Die Botschaft des Dalai Lama an die Welt: Ethik ist wichtiger als Religion
Was sagst du dazu?
Habe ich gelesen. Gutes Buch. Ich mag den Mann überhaupt und frage mich oft, wie und viel von seiner Weisheit (und ich halte ihn wirklich für einen weisen Mann) er seiner Meditations-Praxis verdankt und nicht seinen Hobbies wie Uhren zu reparieren, Katzen zu mögen und mit einem offenen Geist viel rumgekommen zu sein.
Ich würde mir wünschen, dass 'Ihr Buddhisten' einmal etwas bescheidener seid. Diskutiert gerne darüber, wen Ihr für 'erleuchtet' haltet, aber akzeptiert bitte, dass Euer Konzept von 'Erleuchtung' (und seiner Wichtigkeit) im Moment gerade nicht ganz oben auf der Agenda von denen steht, die versuchen, den Planeten zu retten.
Hm. Das ist in einem buddhistischen Forum natürlich schon eine starke Ansprache . Es gibt wohl in so ziemlich allen Weltsichten, die an etwas glauben, das man als Jenseits sehen kann, die Tendenz, das Diesseitige stark abzuwerten. Ob das Christen sind, für die dieses Leben nur eine Prüfung ist, welche sonst keine Relevanz hat, oder Buddhisten, für die Samsara einfach nur Leiden ist und ein Sprungbrett, um schnellstmöglich ins Nirvana zu kommen - es ist wohl zutiefst menschlich, dass man manchmal an der Welt verzweifelt und etwas anderes an diese Stelle setzt.
Bescheidenheit ist natürlich immer gut. Dennoch behaupte ich als modern denkender Buddhist: Es gibt, wie in vielen anderen Strömungen auch, ein großes Potential im Buddhismus, und wenn wir es hinkriegen, mehr Leute erleuchtet werden zu lassen, wird der Planet durchaus davon profitieren. Natürlich hat der Buddhismus eine lange Tradition von Genügsamkeit, Hilfe für andere und ein sich-nicht-zu-wichtig-nehmen. Alles Qualitäten, die für die grundlegende Transformation, welche die Menschheit durchlaufen muss, um eine nachhaltige Existenzform zu entwickeln, durchaus wertvoll sind.
Insofern finde ich, braucht sich ein moderner und dialogbereiter Buddhismus wahrlich nicht verstecken in den Debatten darum, wie es weitergehen soll. Hast du mitbekommen
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Auch hier wieder unterstrichen, aus was ich mich beziehe.
Und auch hier möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es mir nicht um ein 'Buddhismus-Bashing' geht. Viele von Euch halte ich für Menschen, die ich auch abseits der 'virtuellen Welt' gerne zu Freunden hätte, von denen ich bedauere, dass unser Kontakt nur 'virtuell' ist, die eine Bereicherung für die Welt sind und von denen ich auch dort gelernt habe und lerne, wenn ich anderer Meinung bin (und auch manchmal - wegen Beiträgen von Euch - meine Meinung geändert habe!).
Für mich gibt es einige 'Alleinstellungsmerkmale' des Buddhismus:
- dukkha
- anatta
- paticca sammuppada
- Meditation als unverzichtbare Praxis, diese Einsichten nicht nur intellektuell zu verstehen, sondern auch umzusetzen
Was 'dukkha' angeht, halte ich es nicht für ein hilfreiches Konzept, mein Leben auf ein derartig monistisches Konzept zu begrenzen. Ja, es ist richtig: Irgendwann sterben wir alle, irgendwann sterben unsere Liebsten, das leckere Essen von heute ist unsere Arteriosklerose von morgen. Na und? Macht diese Erkenntnis unser Leben (und die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen umgehen) wirklich besser? Ich sehe das nicht. Muss ich deshalb die Augen davor verschliessen, dass es 'dukkha' gibt? Natürlich auch nicht.
Es gibt ('anatta') kein unwandelbares festes Selbst. Trotzdem können wir anscheinend an unserem Charakter arbeiten und damit uns und die Welt etwas besser machen.
Alles hängt mit allem zusammen (paticca sammupada)? Ja, aber hier wird größtenteils darüber diskutiert, ob sich das auf ein Leben bezieht, oder wegen des kamma auf mehrere. ielleicht würde diese Erkenntnis ja mehr bringen, wenn wir darüber in einem nicht-religiösen Zusammenhang nachdenken und diskutieren.
Die von der Wissenschaft festgestellten positiven Auswirkungen der Meditation kann ebenso verlässlich erreicht werden durch Lesen eines Romans, Spazierengehen in der Natur, Sorge um Zimmerpflanzen und Haustiere.
Das klingt ja, als hättest Du das Gefühl, missioniert zu werden. Kann ich nicht so ganz nachvollziehen, aber vielleicht magst Du das ja konkretisieren?
Nein, das Gefühl habe ich nicht.
Ansonsten frage ich mich, wie Du beurteilen kannst, was Menschen hier in diesem Forum tun, um den Planeten zu retten.
Das tue ich nirgends. Was Buddhisten tun, kann sehr stark abweichen von dem, was sie tun, weil sie Buddhisten sind.
Wenn das Dein Anspruch an eine Lehre und eine Praxis sind, verstehe ich, dass Du nicht zufrieden bist. Aber welche Lehre und welche Praxis sollte diesen Anspruch einlösen?
Darüber würde ich ja gerade gerne reden...
Da musst du Leute fragen, die nicht mit buddhistischen Methoden oder Philosophie in Kontakt waren.
Wer selbst Jahrzehnte buddhistisch praktiziert, kann z.b. nicht ernsthaft behaupten, das sei alles überflüssig gewesen. Warum? Ist doch immanent! - dieses heutige Individuum ist entstanden mit und durch die Lehren. Es kann nichts darüber aussagen, wie es sich ohne die Lehren entwickelt hätte.
Menschen können auch ihre bisherige Praxis hinterfragen. Sorry, aber den Einwand (wenn ich Dich richtig verstehe?), jahrzehntelang buddhistisch Praktizierende könnten nicht einen Schritt zurücktreten und ihre Erfahrung reflektieren, halte ich so ziemlich genau für das Gegenteil von dem, was die buddhistische Praxis verspricht. Aber ich finde interessant, dass das anscheinend Deine Erfahrung ist.