Beiträge von drosterman

    Ich war seh erstaunt als ich zum ersten mal darüber las, dass das Volk der sogenannten Rohingya in Burma von Buddhisten verfolgt und getötet wird. Ich frage mich ob es im Buddhismus bzw. im Palikanon tatsächlich Stellen gibt, mit der sich solche Gewalt rechtfertigen lassen könnte? Wie erklärt sich das sonst?

    sati-zen: Das hat man auch über Nietzsche gesagt, dass er der erste Psychologe war. Tatsächlich findet sich Nietzsche's Philosophie teilweise in Buddha wieder. In der Herz- und Diamantsutra finden sich wesentliche Aspekte der Philosophie von Sartre und Wittgenstein. Die westliche Philosophie zeichnet sich leider durch eine große Ignoranz des Buddhismus aus. Das ganze wurde zu lange leichtfertig als "Mystizismus" oder "Metaphysik" abgetan und somit ignoriert. Zum Glück gibt es heutzutage Philosophen, die sich zunehmend mit Buddhismus beschäftigen und ihn ernst nehmen (z. B. Graham Priest). Andererseits hat Achtsamkeit auch längst eingang in die Psychologie gefunden und die Wirksamkeit ist experimentell bestätigt.

    Ich lese derzeit das wundervolle Buch "Das Herz von Buddhas Lehre" von Thich Nhat Hanh. Meines Erachtens ist das was Hanh vermittelt die tiefe Lehre des Buddhismus, was mich unglaublich fasziniert (die meines Erachtens in seiner Gänze nur Menschen mit einem IQ von über 140 begreifen können, aber das sei dahingestellt).


    Jedoch fällt mir eines zunehmend auf.. es gibt:


    - 4 edlen Wahrheiten
    - 8 Pfade auf dem Weg
    - 7 Faktoren des Erwachens
    - 3 Körper des Buddha
    - 6 Vollkommenheiten
    - 12 Glieder des Entstehens in wechselseitiger Abhängigkeit
    - 5 Daseins-Aggregate
    - 3 Zeiten und 2 Ebenen von Ursache und Wirkung
    - 4 grenzenlose Geisteszustände
    - 3 Dharma-Siegel
    - 4 Zeichen (Diamant-Sutra)
    - 3 Juwelen
    - 84000 Dharma-Tore
    - etc. pp.


    Wie bekommt man das alles auf die Reihe?


    Eine "hevorragende Überlieferung" wäre sicher etwas anderes. Das menschliche Gehirn und vorallem Gedächtnis ist höchst fehlerbehaftet. Alles was wir erinnern ist irgendwie zu gewissem Grad verfälscht und gefärbt. Bei so deutlich komplexeren Zusammenhängen wie im Buddhismus würde ich es daher gewiss nicht als hervorragende Art Wissen zu erhalten bezeichnen, wenn dies über Jahrhunderte nur mündlich weitergegeben wurde.

    Der authentische Buddhismus ist das was Buddha gelehrt hat. Leider können wir nicht wissen was Buddha gelehrt hat. Wir haben nur das was Mönche erst mündlich über Jahrhunderte nach Buddha's Tod gelehrt haben und schließlich aufgeschrieben wurde. Da es erst Jahrhunderte nach seinem Tod niedergeschrieben wurde, muss man vorsichtig und vergleichend lesen. Denn vieles ist durch diese lange Zeit verzerrt und fehlerhaft. Letztlich erhält man eine Approximation an die authentische Lehre. Natürlich gibt es auf dem Weg dorthin viele Hindernisse, auch in Form von gewissen Schulen des Buddhismus, die gewisse Auffassungen haben, die eher weiter von der authentischen Lehre wegführen.

    accinca: Dann habe ich deine Position wohl falsch charakterisiert, weil missverstanden. Für dich ist Wiedergeburt also wie das Weiterleben von Tag zu Tag? Im Grunde bin ich schon auf diese Vorstellung eingegangen. Ich denke wir reden hier vielleicht ein wenig aneinander vorbei. Aber so wortwörtlich kann das Weiterleben von Tag zu Tag jedenfalls nicht stattfinden. Denn in der ersten Ebene der Realität entsteht alles bedingt (nach Buddha's eigener Aussage). Somit wäre ein "Weiterleben von Tag zu Tag" nach dem Tod nicht möglich, da alle Phänomene des Bewusstseins bedingt entstehen (vgl. meinen vorher verlinkten Artikel). Da nach dem Tod das Gehirn zerstört ist, wäre es somit auch in dieser Form nicht möglich. Sorry, falls ich deine Sicht wieder fehlcharakterisiert habe.


    Gestern habe ich lange und viel über buddhistische Logik gelesen. Auch über die zwei Ebenen der Realität. Was du als "Jenseits" bezeichnest, ist vielleicht die zweite Ebene der Realität, die man nicht mit Symbolen beschreiben kann? In einem Punkt hast du jedenfalls recht: Man sollte sich von diesen westlichen / christlichen Vorstellungen vom Jenseits und Konzepten wie "Seele" völlig befreien. Eines wird die tiefe buddhistische Leere niemals tun: Die eigenen naiven frommen Vorstellungen und Wunschträume von einem "Himmel", in dem man mit Verwandten weiterlebt, verwirklichen. Oder einfach nur die eigene irrationale Angst vor dem Vergehen und Sterben mit dem Trostpflaster irrationaler Glaubensvorstellung bessern. Das macht höchstens der weichgespülte, populäre Buddhismus mit Reinkarnation etc..

    accinca: Ich denke nun, nachdem ich mehrere verschiedene Übersetzungen online, sowohl deutsch als auch englische, gelesen habe, dass es die Kalamer Rede (Übersetzung) so wohl nicht gibt. Denn die Übersetzungen unterscheiden sich teils signifikant. Jedenfalls bezog ich mich auf folgenden Auszug (Quelle: http://www.dhamma-dana.de/buec…Hilf_Kalamasutta_hilf.pdf)


    "Mit einem derart von Haß und Übelwollen freien, also unbeschwerten, also geläuterten Geiste ist dem edlen Jünger noch bei Lebzeiten vierfacher Trost gewiß:
    „Gibt es eine andere Welt und gibt es eine Frucht, ein Ergebnis guter und schlechter Taten, so ist es möglich, daß ich beim Zerfall des Körpers, nach dem Tode, auf glücklicher Daseinsfährte erscheine, in himmlischer Welt“ - dieses ersten Trostes ist er gewiß.
    „Gibt es aber keine andere Welt und keine Frucht, kein Ergebnis guter oder schlechter Taten, so lebe ich eben hier in dieser Welt ein leidloses, glückliches Leben, frei von Haß und Übelwollen“ - dieses zweiten Trostes ist er gewiß.
    „Wenn nun einem Übeltäter Übles widerfährt, ich aber gegen niemanden Übles im Sinne habe wie kann da wohl mir, der ich nichts Übles tue, Unheil widerfahren?“ - dieses dritten Trostes ist er gewiß.
    „Wenn aber einem Übeltäter nichts Übles widerfährt, so weiß ich mich hier eben beiderseits rein“ - dieses vierten Trostes ist er gewiß.“


    Eigentlich bezog ich mich aber auf die Übersetzung in der englischen wikipedia von der Kalama Sutta, wo obiger Textauszug sich wieder recht deutlich unterscheidet.


    Jetzt frage ich mich, ob verschiedene Strömungen des Buddhismus vielleicht gewisse Arten der Übersetzung bevorzugen, weil es ihre jeweilige Sichtweise untermauert? Selektive Lesart dürfte auch dazugehören. So dürften tibetische Buddhisten, z. B. Dalai Lama (die, soweit ich weiß, ja eher stärker an Reinkarnation glauben) wohl deine Lesart bevorzugen accinca. Während Anhänger des frühen Buddhismus, wie etwa Tich nhat Hanh, die reine (oder vielmehr: tiefe) Lehre bevorzugen.


    Impermanenz impliziert, dass es soetwas wie das Überleben einer Seele nicht geben kann. Ich bin jedenfalls anderer Meinung als du accinca. Meines Erachtens macht der Buddhismus NUR Sinn ohne Wiedergeburt (wohlgemerkt: Ich meine hier Wiedergeburt einer "Seele", von etwas permanentem). (Aber ich respektiere natürlich deine Sichtweise trotzdem völlig!) Aus meiner Sicht gestaltet es sich so: Das ewige Rad des Daseins ist so zu verstehen, dass das Leid mit jedem Lebewesen immer wieder bis zu dessen Lebensende andauert. Danach entsteht neues Leben, mit Leid, das wieder bis an das Lebensende andauert usw.. immer fort. Was also den Tod immer überlebt ist zum einen Energie (nach dem Energieerhaltungssatz wird Energie nur konvertiert in andere Formen von Energie) und unsere Kapazität für Leid / die Tendenz uns eine bestimmte Art zu verhalten, was zu Leid führt. Auch kann es bedeuten, dass bestimmte Verhaltensweisen des eigenen Vaters / Mutter in einem fortleben. Den Zyklus durchbrechen heißt: Im eigenen Leben, d.h. noch zu Lebzeiten, das Leid überwinden.


    Ich bin allerdings gleicher Meinung wie der von Tich nhat Hanh in einem der vielen Videos auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=0pMYebbFUeo


    Nämlich, dass Respekt für alle Formen des Buddhismus entscheidend und wichtig ist. Weil auch diese Formen individuell heilsam sein können. Und es hat noch keinen heiligen Krieg zwischen den verschiedenen Formen des Buddhismus gegeben. Was zeigt, dass Toleranz und Respekt wesentlich sind.


    Dennoch muss ich zugeben, dass ich persönlich mich schon etwas ärgere über den Dalai Lama... Aber das liegt wohl einfach daran, dass ich noch ganz am Anfang oder nichtmal am Anfang meines Weges bin und noch nicht das nötige Geschick habe, sowie Anhaftung nicht überwunden habe, um einer Sichtweise des Buddhismus mit völliger Toleranz zu begegnen, die ich für inkorrekt halte.

    Das hier ist relevant für diese Diskussion: https://thebuddhistcentre.com/…rebirth-and-consciousness


    Der Autor dieses Artikels begründet warum er glaubt, dass Buddha nicht notwendig an die wortwörtliche Widergeburt "des" Bewusstseins glaubte (etwa, weil auch alle Aspekte bewussten Erlebens nur bedingt entstehen und daher von der Funktion des Gehirns abhängen). Über sowas kann man wohl streiten und jeder kann dann bestimmte Zitate von Buddha anführen und dann entweder für die eine oder die andere Seite argumentieren. Aber jedenfalls denke ich ist die Sache nicht so schwarz / weiß. Schließlich hat alles was Buddha gesagt hat viele Nuancen und gerade bei der Diskussion zu "Bewusstsein" gibt es mindestens zwei Ebenen auf denen man den Gegenstand diskutieren kann: die phänomenologische Ebene und die objektive / wissenschaftliche Ebene.


    Die Frage ist also eher: Gibt es etwas permanentes / unveränderliches, das den Tod überlebt und in ein neues Leben übergeht? Da das Selbst ohnehin nur ein mentales Konstrukt ist, da das Bewusstsein als Erscheinung bedingt entsteht, werden lediglich die Atome und Moleküle und die Energien überleben, werden umgewandelt und das kann man dann neues "Leben" nennen. Mittlerweile also finde ich es auch wieder fraglich ob Buddha das gleiche unter Wiedergeburt verstanden hat wie viele, die sich heute als Buddhisten verstehen.

    mukti: Meinst du nicht eher, dass außer Zweifel steht, dass Buddha die Wiedergeburt gelehrt hat? Die Behauptung an sich (dass es sowas wie Wiedergeburt gibt) - als angebliches Faktum - steht schon im Zweifel. ;)


    xxx: Es wäre interessant zu wissen ob es eine offizielle Strömung im Buddhismus gibt, wo das so gesehen und gelehrt wird. Also Buddhismus ohne metaphysische Last. Ich kann mir natürlich vorstellen, dass es zwischen den verschiedenen "Denominationen" des Buddhismus starke unterschiedliche Meinungen gibt. Man weiß ja, dass es in der Religion schon bei Meinungsverschiedenheiten über kleinste Details zu Mord und Totschlag kommen kann...


    accinca: Ich sehe es eher so, dass unrechtes Handeln das Potential in sich trägt, dass es zu Leid führt.
    Weiterhin denke ich nicht, dass es politische Gründe waren, warum er die Wiedergeburt gelehrt hat. Ich denke er hat das selbst geglaubt. Er war ein genialer Philosoph meines Erachtens, weit seiner Zeit voraus. Aber eben nicht unfehlbar. Man kann es einem Mann, der vor 2500 Jahren gelebt hat durchaus verzeihen, dass er an Wiedergeburt geglaubt hat. Ob es heutzutage noch (intellektuell gesehen / jeder kann ja glauben was er will, zum Glück) verzeihbar ist, dass ein erwachsener, gebildeter Mensch des 21. Jahrhunderts sowas glaubt, ist eine ganz andere Frage...

    In der Tat hatte ich keine beleidigende Absicht mit dem was ich geschrieben habe. Es ist wohl eher Ausdruck meiner tiefen Enttäuschung. Denn andererseits hatte ich in der Lehre von Buddha soviel Weisheit und Klarheit gefunden wie bei keinem Philosophen vorher. Andererseits muss ich das dann in Einklang bringen mit diesen Vorstellungen von der Wiedergeburt...


    Danke jedenfalls für die ausführlichen Erklärungen, die ich auch nachvollziehen kann. Leider bleibt da noch mein Problem damit, dass für den, der an eine Möglichkeit der Wiedergeburt und Kamma glaubt, letztlich kaum eine Wahl bleibt als Buddhist zu sein. Dieser Glaube stellt halt für mich ein unnötiges Problem dar, das man sich selbst gibt. Wenn man nicht daran glaubt, dann hat man die Gewissheit, dass einen nach dem Leben nur der Tod erwartet, weil das Bewusstsein mit dem Hirntod nicht mehr existiert. Was ich persönlich als eine enorm beruhigende und begrüßenswerte Tatsache betrachte. Und ist auch im Einklang mit allen wissenschaftlichen Fakten. Ich denke Buddha hat diese Idee vom ewigen Kreislauf aus den zu dieser Zeit in Indien vorherrschenden Glaubenssystemen übernommen und an seine Lehre angepasst. Es ist vielleicht kein notwendiger Bestandteil seiner Lehre.


    Natürlich ist die Wissenschaft immer nur eine Approximation an die Wirklichkeit bzw. nur ein unvollständiges Bild. Es kann ja sein, dass das Universum zyklisch ist. Dass nach dem Ende des Universums es den großen Kollaps gibt und dann ein neuer Big Bang entsteht. Das ist zumindest eine Hypothese in der Kosmologie. Es kann auch sein, dass sich das eigene individuelle Bewusstsein aufspaltet in unzähligen Paralleluniversen, wie es eine Interpretation der Quantenmechanik aussagt. Es kann auch sein, dass Information immer erhalten bleibt und nur in andere Formen konvertiert wird, wie auch Energie. Aber solche Hypothesen würde ich jetzt nicht zu Rate ziehen um irgendwie nachträglich dem Validität zu verleihen was als Glaubenssatz im Buddhismus ausgesagt wird. Dafür gibt es eben keine rationale Begründung bzw. eher fast alles spricht dagegen. Es ist schlicht nicht denkbar wie komplexe Struktur wie das Bewusstsein in irgendeiner Form den eigenen Tod überleben sollte. Zumal man schon an hirngeschädigten Personen sieht, dass sie zwar noch leben, aber ihr Bewusstsein teilweise oder ganz zerstört / verloren ist. Dann soll dieses Bewusstsein nach dem Tod plötzlich wieder in takt sein? Schlicht nicht vereinbar mit heutigem Wissen über Neurologie. Gibt es auch eine Version des Buddhismus, die solches berücksichtigt? Oder ist es dann nicht mehr hinreichend religiös, dass sich Leute dafür interessieren würden?

    Im achtgliedrigen Weg sehe ich vorallem im ethischen Teil des Weges, also "rechtes Handeln" und "rechte Rede" einen eklatanten Widerspruch zum eigentlichen Ziel, nämlich Leid zu überwinden.
    Die Definition des Kamma führt doch letztlich zu immensem Leid auf Seiten desjenigen, der es verinnerlicht hat bzw. daran glaubt. Wenn man daran glaubt, dass das eigene Wirken garantiert in diesem oder einem anderen Leben auf einen zurückfällt, ist das eine sehr belastende Erkenntnis. Vorallem eine mit Ungewissheit verbundene. Sagen wir man begeht eine unethische Tat. Dann muss man quasi damit rechnen, dass dies garantiert in diesem oder in einem späteren Leben negative Konsequenzen haben wird. Dieser Glaube führt definitiv zu Leid.


    Das sehe ich auch bei der starken Abneigung von Buddha gegenüber bewusstem Lügen. Ich lese derzeit "Der edle achtgliedrige Heilsweg" und darin steht, dass ein Bodhisatta praktische alle ethischen Verfehlungen mal begehen darf, aber niemals bewusst lügen würde. Buddha selbst sagt sinngemäß, dass jemand der mal bewusst lügt praktisch seine gesamte spirituelle Errungenschaft in diesem Moment ausgeschüttet hat.


    Das sind unrealistisch hohe Standards denen man dann versucht gerecht zu werden. Aber da man menschlich ist wird man dem nicht gerecht werden. D.h. man kommt zwangsläufig zu kurz. D.h. man wird sich zwangsläufig schlecht fühlen. D.h. man wird zwangsläufig leiden.


    Der ganze ethische Teil des achtgliedrigen Wegs bezieht seine Wirkkraft aus der einen metaphysischen Annahme, der eine Artikel des Glaubens:
    a) Die Behauptung, dass sich der Daseinskreislauf endlos dreht.
    b) Dass das individuelle Bewusstsein den Tod des Körpers überlebt.


    Dieser Artikel des Glaubens ist unendliche Quelle von Leid und führt das ganze Ziel des achtgliedrigen Wegs ad absurdum. Zum Glück gibt es keinerlei Grund warum man sowas glauben sollte.


    Ich kann es aus pragmatischer Sicht natürlich verstehen. Buddha lebte sicherlich in einer Community. Damit sich die Mitglieder dieser Community nicht gegenseitig belügen, bestehlen etc. ist es nötig einen ethischen Code einzuführen. Aber es reicht nicht den Leuten einfach zu sagen, dass es besser für sie ist sich gut zu verhalten. Ein bisschen Angst vor schweren Konsequenzen, in diesem oder im nächsten Leben, wirkt da weitaus besser.


    In dem vormals genannten Buch steht auch, dass der Weg seine Wirkung verfehlt, wenn man nur die Achtsamkeit und rechte Sammlung übt und den ethischen Teil ignoriert. Dafür gibt er aber keine schlüssige Begründung. Logisch erschließt sich mir nur, dass schlechte Taten potenziell auf einen zurückfallen können. Es daher der Verringerung potenziellen Leids zuträglicher ist, solche Handlungen zu unterlassen. Eine gute Handlung hat immer tendenziell weitaus eher einen positiven Effekt auf den so handelnden. Während eine schlechte Handlung entweder keinen Effekt hat (man kommt damit davon), oder man wird erwischt und bestraft.


    Ist der Buddhismus eurer Meinung nach auch ein "Angstsystem" wie das Christentum? Nur statt wie im Christentum die Angst vor der Hölle Menschen davon abhalten soll schlechtes zu tun, ist es im Buddhismus die Angst vor den unweigerlichen Konsequenzen in diesem oder späteren Leben (Buddha spricht auch von der Möglichkeit der höllischen Widergeburt). Ich bin kein Fan des Christentums, aber da hat man immerhin die Option zu beichten (im Katholizismus) und auf Vergebung zu hoffen...

    Ich lese zurzeit die Milindapanha. Dort ist in 4.7.1 die Rede von der "Aufhebung der Vielfalt". Wenn ich dieses in google eingebe (mit Anführungszeichen) bekomme ich gerade einmal vier Ergebnisse. In 4.7.1. sagt Nagasena: "Zwar mögen diejenigen, o König, die von Natur aus rein sind und im Besitz von früheren (vorgeburtlichen) Eindrücken, in einem einzigen Bewußtseinsaugenblick der Vielfalt Aufhebung erreichen." (Vorhebung meinerseits.)


    Folgende Fragen ergeben sich: I. Was ist mit Aufhebung der Vielfalt genau gemeint?
    Natürlich habe ich in Milindapanha selbst gesucht und gelesen. Die Erklärung (Erreichung der Niewiederkehr) erschließt sich mir aber nicht, da es nicht auf präzise Definitionen zurückzuführen ist, sondern eher auf meines Erachtens metaphysische Annahmen (ewiger Zyklus etc.).


    II. Wie weiß man, dass man die Aufhebung der Vielfalt erreicht hat? Nach jahrelanger Meditation und Achtsamkeit kann ich mich mittlerweile auch in einem "einzigen Bewusstseinsaugenblick" in einen anderen Zustand versetzen, in welchem mein Kopf frei ist von jeglichen Gedanken. Also das Loslassen der Gedanken gelingt mir sehr schnell. Aber das ist wohl nicht mit Aufhebung der Vielfalt gemeint, oder?

    Bakram:
    Zitat


    [...] Ganz im Sinne von "ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen" ist samma samadhi nur auf dem Boden der Sittsamkeit möglich


    So ganz überzeugen mich diese Beiträge nun nicht. Geht es im Grunde hier nicht letztlich um den naturalistischen Fehlschluss? Es gibt womöglich keine rationale Begründung warum man sich ethisch verhalten sollte.


    xxx: Was ist mit einem Menschen, der kein Gewissen hat? (z. B. Soziopath / Psychopath) Oder jemand, der einfach so nihilistisch eingestellt ist, dass ihn nichts belastet, weil ja eh - in Relation gesetzt zur Größe des Universums - letztlich alles unbedeutend ist, was wir hier auf diesem Staubkorn im Weltall tun oder nicht tun.


    Sunu: Wird man mit dieser Art von Selbstlosigkeit nicht zum "punching bag" für jederman? Das ist ähnlich wie die Aussage in der Bibel, halte auch die andere Wange hin... was ich mit völlig unterwürfigem Pazifismus gemeint habe. Wenn etwas schädigend und störend ist - wie die Mitmenschen - ist die beste Reaktion meines Erachtens nicht dies irgendwie durch Selbstlosigkeit zu überwinden. Auch, wenn man das Große Ganze sieht und die Illusion des eigenen Egos überwunden hat, dann ist man immernoch menschlich und leidensfähig. Verursachtes Leid hinterlässt Spuren in der Psyche. Genauso wie unbeantwortete Ungerechtigkeit. Es führt zu Disharmonie. Kann Katharsis nicht auch zur Widerherstellung von Harmonie führen? Meines Erachtens sind Gefühle wie "Gewissen" etc. höchst subjektiv, die von Mensch zu Mensch variieren. Wie man Erlösung erreicht ist meines Erachtens auch abhängig von der jeweiligen Person. Manche finden Erlösung durch Meditation, andere mithilfe einer Beziehung zu einem Menschen und wieder andere durch Katharsis.


    raterz: Da du keine Begründung lieferst warum schlechte Handlungen im "world-wide-web" irgendwann wieder auf einen zurückfallen, muss ich das als unbewiesene Auffassung betrachten. Was ist mit dem "Dämon", der in mir erzeugt wird durch einen Schaden, der mir ein anderer Menschen (oder mehrere) zugefügt haben? Hat hier schonmal jemand den Film "The Punisher" (2004) gesehen?
    Ist das Ende dieses Films nicht zutiefst befriedigend? Wer das anders sieht, möge das begründen!


    @Monikadie4: Das ist nicht richtig. Das Ziel Buddha's war es nicht das Leid der Welt zu verringern! Es ging darum individuelles Leid zu bewältigen. Dass dazu der richtige Weg ist selbst keine Gefahr für andere darzustellen, halte ich für falsch. Es stimmt, dass vor 2500 Jahren sicher viel Elend geherrscht hat. Es gab keine moderne Medizin, viel Armut und Elend. Aber im Vergleich zu heute muss man dennoch festhalten, dass es Umstände sind, die Buddha nicht vorhersehen konnte. In der heutigen Gesellschaft gibt es gute Ernährung, moderne Medizin und viel weniger Armut. Auf der anderen Seite leben wir in einer Gesellschaft der völligen, extremen Individualisierung. Ohne den Halt einer größeren Familie in vielen Fällen. In der Anonymität von Großstädten. Die Folge sind Einsamkeit, Entfremdung, Zivilisationskrankheiten und verschiedene psychische Probleme, wie etwa Depressionen.


    jianwang: Ich verstehe deinen Punkt. Natürlich gibt es da nichts was man "erlangen" könnte. Oder nichts, was nicht letztlich eine Illusion darstellt. Aber lebenspraktisch betrachtet stimmt das nicht ganz. Es kann einen Unterschied machen, ob man mehr Geld in der Tasche hat, weil man gut manipulieren und lügen kann.


    fotost: Der Sozialstaat ist in der Tat etwas gutes. Aber schon seit längerer Zeit stark im Abbau begriffen. Aktuelle Pläne der Politik (wie von Macron kürzlich vorgeschlagenen "vereinigten Staaten von Europa") werden dazu beitragen, dass die Amerikanisierung des Arbeitsmarktes in Europa fortschreitet. Bisher wurde diese Amerikanisierung hier durch die Hintertür durchgeführt: Leiharbeit, Stellen zweiter oder dritter Klasse, neben den eigentlichen regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen. Ich finde das sogenannte "ehrenamtliche Engagement" ist eher fragwürdig. Wenn es Aktivismus ist, der oft für die Gesellschaft nicht gerade förderlich ist oder eher destruktiv. Gerade ursprünglich liberale Massenbewegungen haben sich in neuester Zeit zunehmend radikalisiert und zeigen zunehmend antidemokratische Tendenzen.
    "Echte innere Bindung" sucht man in der Anonymität von Großstädten auch vergeblich. Überhaupt denke ich, dass die "Echtheit" zwischenmenschlicher Beziehungen eher stark abgenommen hat, wenn Menschen vorallem über soziale Netzwerke in Kontakt treten und oft zunehmend oberflächliche Beziehungen suchen und führen (Tinder etc.).


    @accina: Diese Erklärung finde ich wie gesagt unzureichend. Denn es lässt den Fall außer Acht, dass jemand einer Person psychisches Leid zugefügt hat, was zu einer Disharmonie bei dieser Person geführt hat. Und es geht um die Frage wie die Harmonie am besten wiederherstellt werden kann.


    Doris: Was ist, wenn die Katharsis nicht blind, sondern bewusst und gezielt ausgeübt wird?


    @Monikadie4: Durch Überwindung von Anhaftung und Verlangen verhält man sich automatisch "ethischer"? Auch diese Folgerung erschließt sich mir nicht. Es hängt natürlich davon ab was man unter "ethischem Verhalten" genau versteht. Und das ist ja auch Änderungen unterworfen, abhängig vom Zeitgeist. Ob der spirituelle Erwachte immer unbedingt automatisch mit dem Zeitgeist geht, wage ich zu bezweifeln. Aber das geht wohl eher in den Bereich sozialer Normen und Gesetze. Warum fühlt sich ein spirituell erwachter Mensch automatisch mit allen anderen Menschen verbunden? Warum fühlt er sich nicht viel eher mit der Natur verbunden und allen Wesen, die vom Menschen meist geschädigt oder beeinträchtigt werden?

    Was ist, wenn man sich der Illusion des Ich zwar völlig bewusst ist, aber dennoch lügt und täuscht und manipuliert, einfach aus dem Grund heraus, dass man durch dieses Verhalten das eigene Leid verringert? Darum geht es doch vornehmlich im Buddhismus. Ich sehe einfach nicht warum das nicht situationsabhängig ist, wann welches Verhalten zur Leidminimierung zu bevorzugen ist. Nehmen wir an ich bin in Gesellschaft von Menschen, die mir nichts gutes wollen. Ist es da immernoch eher angebracht "gut" zu diesen mir feindlich eingestellten Menschen zu sein? Das wäre für mich sehr analog zu dieser christlichen Version von Nächstenliebe, die eine totale Selbstaufgabe beinhaltet und einen völlig unterwürfigen, irrationalen Pazifismus. Die gleiche Frage stellt sich im Bezug auf die Gesellschaft. Buddha konnte nicht vorhersehen, dass wir in über 2000 Jahren Zukunft mal in einer westlichen Zivilisation leben und in einer doch sehr kalten, egoistischen Gesellschaft in der man absolut gar nichts geschenkt bekommt und man - wenn man keine Familie mehr hat z. B., weil alle verstorben sind - auf sich alleine gestellt ist.
    Zweite Frage: Was ist mit dem in der Psychologie wohlbekannten positiven Effekt der Katharsis? Das Ausleben einer Emotion wie Wut, Aggression und Rachegedanken mit dem entsprechenden reinigenden und befreienden Effekt den das haben kann. Wer garantiert, dass jeder Mensch es schafft Rachegedanken (nachdem ihm großes Unrecht durch andere angetan wurde, als Beispiel) einfach durch meditiatives Training zu überwinden?

    Da ich gerade Dhammapada lese hat sich für mich eine Frage ergeben zu Kamma / Karma (auch wenn das Konzept da gar nicht direkt erwähnt wird). Ich finde vieles in der Lehre ja erstaunlich logisch und kohärent. Aber mir erschließen sich einige Behauptungen zu Kamma einfach nicht. Was konstituiert einen "guten Geist" und was einen schlechten, wie in den ersten beiden Versen erwähnt? Sind das nicht höchst subjektive Kategorien? Sagen wir ich verschaffe mir durch Täuschung, Manipulation und Lügen Vorteile. Inwiefern ist das hinderlich für meine sprituelle Entwicklung? Solange ich dabei keine Reue empfinde. Diese und andere Fragen beschäftigen mich, wenn es ethische Aussagen Buddha's betrifft. Es klingt natürlich immer schön, wenn eine Religion "predigt" man sollte möglichst nett und lieb zu seinen Mitmenschen sein. Aber für mich verlangt das nach einer rationalen Basis WARUM es bitte dem spirituellen Weg hinderlich sein sollte, wenn man kein guter Mensch ist. Ich sehe auch nicht den Zusammenhang zwischen Achtsamkeit, Meditation, das Überwinden von Anhaftung und Verlangen auf der einen Seite und sogenanntem ethischen Verhalten auf der anderen. Wäre an Erklärungen interessiert.

    void:
    drosterman:

    Ich stehe solchen Threads zwar skeptisch gegenüber, aber so kann ich besser prokrastinieren.


    Nur zur Erinnerung. Die Rubrik heißt "buddhistische Bücher" und es geht nicht um Bücher die man zur Unterhaltung, gegen die Langeweile oder zur Prokrastination liest.


    Sorry, das war mein Fehler. Ich habe nur den Threadtitel gelesen und den Rubriktitel überlesen... Schade, dass es keine Editierfunktion für Beiträge gibt.


    Buddhistisches Buch, was ich definitiv noch nicht beendet habe:
    The Middle Length Discourses of the Buddha, A Translation of the Majjhima Nikaya, Translated by Bhikkhu Nanamoli and Bhikkhu Bodhi.


    Wurde sicher vom Inhalt her schon genannt, aber vielleicht nicht diese spezifische Ausgabe.

    Ich stehe solchen Threads zwar skeptisch gegenüber, aber so kann ich besser prokrastinieren... Ich hab immer mehrere Bücher gleichzeitig am Start.. wenn das eine langweilig wird kann ich zum anderen switchen :D


    1. Matt Haig: How to Stop Time (guter Zeitvertreib für Zugfahrten)
    2. Alexander Gauland: Anleitung zum Konservativsein
    3. Aleksandar Janjik: Lebensraum Universum - Einführung in die Exoökologie (zufällig in irgendeinem Bücherladen aufgegriffen... erstaunlich, dass der Autor noch Student(!) ist)
    4. Noberto Bobbio - Democracy and Dictatorship (darauf bin ich gestoßen, weil ich mich für das Konzept der revolutionären Diktatur interessiert hatte)


    Das ist wohl etwa alles was ich noch nicht beendet habe aktuell.

    Gibt es im Buddhismus soetwas wie Begleitung, wenn jemand im Sterben liegt? So was analog zur letzten Ölung bei den Katholiken? Wir alle wissen ja, dass in deutschen Krankenhäuser an jeder Ecke eine Nonne lauert. Konkret gefragt: Wenn jemand im Krankenhaus im Sterben liegt könnte diese Person einen buddhistischen Mönch kommen lassen?

    Danke für diese sehr interessanten Beiträge, die ich alle aufmerksam gelesen habe. Ich sehe es mittlerweile auch so, wie die meisten geschrieben haben. Dass die Art der Praktik und die zugrundeliegende Motivation es zu etwas machen können, was letztlich dem spirituellen Weg eher förderlich sein kann. Für mich ist die Mathematik zunehmend eine spirituelle Praktik. Es ist eine Form der Versenkung ("flow-Zustand"). Teilweise eine Form der Kontemplation. Sowie eine Form der Meditation (meditatives Schreiben). Vielleicht sollte ich erwähnen was mich zu der Frage geführt hat.. Dies war die Biographie des berühmten Mathematikers Alexander Grothendieck. Er hat in der Mathematik große Entdeckungen gemacht und sich praktisch 30 Jahre lang täglich etwa 20 Stunden mit dem Neuaufbau der algebraischen Geometrie beschäftigt. Bis er mit etwa Mitte 40 der Mathematik den Rücken gekehrt hat (meine Vermutung: aus schierer Erschöpfung...), um in einem kleinen Dorf in Frankreich tausende von Seiten von sogenannten "Meditationen" zu verfassen, über Philosphie und Religion und manchmal auch noch Mathematik. Was mir besonders in Erinnerung blieb ist, dass Grothendieck selbst von sich sagte, dass seine aktive Zeit in der Mathematik eine Zeit der "spirituellen Stagnation" darstellte. Auch, wenn Grothendieck sich selbst am Ende nur noch dem Christentum zugewandt hatte, sehe ich in seiner Mathematik und seiner mathematischen Denkweise starke Analogien zum buddhistischen Denken. (Unter anderem das Konzept des Topos ist etwas sehr buddhistisches... ermöglicht es doch die aristotelische Logik gänzlich zu überwinden (Auflösung des Dualismus). Sein "relativer Blickwinkel", d.h. die Methode die "Pfeile", also Beziehungen zwischen mathematischen Objekten als wichtiger anzusehen als die Objekte selbst ist analog zur buddhistischen Auffassung, dass die Substanzhaftigkeit der Dinge nur eine Illusion ist und das einzig Wahrhaftige die Wechselwirkungen zwischen den Dingen sind. Aber ich bin in der Hinsicht noch Laie, also überbewerte ich diese vermeintlichen Analogien vielleicht.).

    void:


    Das hiesse dann konkret, bei der Arbeit so zu arbeiten, dass man nicht das tut, was man "so persönlich will" sondern das was "zu tun ist". Man wird also zu einem "Diener des Werkes". Und zwar zu so einem "Diener des Werkes" der dann auch ohne Murren abtritt, wenn jemand anderer besserer dient. Zusammengefasst vielleicht "Arbeite so, dass es nicht um dich selbst geht, sondern um die Sache". Was ja gut funktioniert, so lange die Sache selbst etwas ist, was anderen hilft.


    Warum ist es wichtig, dass es etwas ist was anderen hilft? Das wurde auch in anderen Beiträgen erwähnt. Spielt die Motivation also eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ob eine kreative Tätigkeit förderlich oder hinderlich ist für das Erreichen der Erleuchtung?


    Übrigens.. also rein subjektiv ist für mich die Motivation hinter meiner Arbeit ganz und gar nicht, ob es anderen nützt. Die erste Motivation ist wohl, dass ich mich an der Schönheit erfreue (die für mich in meiner Arbeit eine Reflektion der Schönheit der Natur ist), Neugierde und wenn ich ehrlich bin ist ein bisschen Ego auch dabei.


    Danke jedenfalls für die Beiträge. Vieles davon muss ich noch genauer durchdenken, bevor ich darauf eingehen kann.

    Alle Menschen, gerade in der westlichen Zivilisation, sind zumindest "potentielle" Buddhisten. Alle im Hamsterrad gefangenen, von unkontrollierten neurotischen Gedanken geplagte und unstillbarem Verlangen ausgelieferte sind potentielle Buddhisten. Was sie letztlich zu Buddhisten machen kann ist die Entscheidung sich auf einen anderen Pfad zu begeben, ihr Leben zu ändern, neu auszurichten. Wer definitiv kein Buddhist ist: Jeder Erleuchtete. Denn wer Erleuchtung erlangt hat braucht keinen Buddhismus mehr.

    Um auf die Ausgangsfrage des Threads einzugehen: Man weiß von Menschen, die Teile ihres Gehirn durch einen Unfall oder Schlaganfall geschädigt haben, dass genau die Hirnfunktionen beeinträchtigt oder nicht mehr vorhanden sind, die in den Teilen des Gehirns gesteuert werden, die geschädigt sind. Auch das subjektive Bewusstsein kann beeinträchtigt oder verändert sein, sowie auch die Persönlichkeit verändert oder gar ganz ausgelöscht. Daran erkennt man ganz klar, dass dieses Phänomen was wir etwas schwammig unter dem Begriff "Bewusstsein" subsummieren absolut auf die Funktion des Gehirns angewiesen ist. Mit anderen Worten, es ist ein physikalisches Phänomen.


    Hier ist ein Gedankenexperiment: Nehmen wir an man könnte das Gehirn eines Menschen scannen bis in die kleinsten Einzelheiten, bis auf jedes einzelne Neuron und auch den elektrischen Zustände, die gerade im Moment des Scans vorherrschen präzise erfassen. Nun baut man dieses Gehirn Eins-zu-Eins nach mit Bauteilen, die zwar künstlich und nicht biologisch bzw. organisch sind, aber genau die gleiche Funktion erfüllen und genau so gut funktionieren wie die biologischen Entsprechungen. Jetzt schaltet man diese künstliche präzise Kopie des Originalgehirns ein. Hat dieses Ding ein Bewusstsein?
    Meine Antwort: Definitiv!

    Hallo Forum.


    Ich habe versucht im Titel möglichst genau zu schreiben worum es mir geht. Aber die Frage ist zu komplex, um es in einem Satz ausdrücken zu können. Ich möchte gerne ergründen inwiefern es mit der buddhistischen Lehre vereinbar ist, dass ein Mensch mit entsprechender Veranlagung dazu kreativ schöpferisch tätig ist (Künstler, Wissenschaftler, Mathematiker, Schriftsteller etc.). Denn wenn diese Person Buddhist ist, so ist seine Tätigkeit ja etwas in das er nicht stark investiert sein "darf". Denn die ganze meditative, achtsame Praxis ist doch gerade darauf ausgelegt alle Gedanken loszulassen und gehen zu lassen. Der zweite Widerspruch, der sich auftut ist, dass bei vielen kreativen Tätigkeiten eine gewisse Methodologie zugrundeliegt, die auch der buddhistischen Praxis direkt widerspricht. So ist ein Mathematiker drauf bedacht stets Objekte zu definieren und zu untersuchen, die wohldefiniert und wohlunterscheidbar sind. D.h. es werden, wie auch allgemein in der Physik, klare Definitionen getroffen, die oft in gewisser Hinsicht die Realität approximieren sollten. D.h. real existierende Objekte werden abstrahiert in den mathematischen Formalismus und man operiert unter der Grundannahme, dass die beste Erklärung der Welt sich begründet im scharfen Abgrenzen von Objekten, was schon sich aus den Grundgesetzen des logischen Schließens ergibt (Gesetze des Denkens). Dies ist nur ein denkerisches Hilfsmittel, was mit der Realität nicht eins zu eins übereinstimmen kann. Denn die Möglichkeit des scharfen Abgrenzens ist in der Realität nicht gegeben. Die gegenteilige Vorstellung, dass eben auf fundamentaler Ebene "alles eins" ist, ist ja eigentlich auch eine buddhistisch geprägte (und realistische) Vorstellung. Objekte der Wirklichkeit sind so geartet, dass bei tieferer Betrachtung immer Ähnlichkeiten gefunden werden können. Selbst zwischen zwei scheinbar völlig verschiedenen Dingen. Die Gesetze der klassischen, aristotelischen Logik (auf denen die Mathematik und damit fast alle Wissenschaft beruhen) sind: 1. Ein Objekt X hat eine eindeutige Identität, d.h. X = X. 2. Ein Objekt kann existieren und nicht existieren. 3. Tertium non datur: Ein Objekt existiert oder es existiert nicht, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Dem direkt im Widerspruch steht ein berühmter Ausspruch Buddha's (Tetralemma): 1. Alles ist wirklich. 2. und unwirklich. 3. sowohl wirklich, als auch unwirklich. 4. weder wirklich noch unwirklich. Man kann diesen (klugen) Spruch verallgemeinern: 1. Ein Objekt existiert, 2. und existiert nicht, 3. sowohl existiert und nicht existiert, 4. weder existiert noch nicht existiert. Wer hat Recht? Die meisten (westlichen) Denker würden schlicht sagen Buddha's Aussage ist ein perfektes Beispiel für religiösen Schwachsinn. Aber tatsächlich hat Buddha recht: Stellen wir uns vor wir geben ein ganz klein wenig Zucker in den Kaffee, sodass man es kaum schmeckt. Dann kann man mit fug und recht sagen, dass der Kaffee 1. süß ist, 2. nicht süß ist, 3. sowohl süß, als auch nicht süß ist und 4. weder süß noch nicht süß ist. D.h. Buddha hatte die große Weisheit zu erkennen was die westliche Wissenschaft nicht verstanden hat, dass das Leben nicht nur schwarz und weiß ist, sondern es viele Nuancen und Zwischentöne gibt. Da ich Mathematiker bin, muss ich aber der Mathematik noch die Ehre retten: Man kann Buddha's Tetralemma mit mehrwertiger Logik (einem mathematischen Objekt, dass sich Topos nennt) auch mathematisch formulieren.


    Dennoch sind dies meines Erachtens Widersprüche von buddhistischer Praxis und jedweder Tätigkeit, die einerseits kreativ schöpferisch und andererseits wissenschaftlich / denkend ist. Was ist eure Ansicht dazu? Ist ein Mensch, der einen brennenden Drang in sich verspürt kreativ in seinem Gebiet tätig zu sein und alle seine Zeit durch unbändige Schaffenskraft aufbringt, per se ungeeignet ein Buddhist zu sein bzw. zur Erleuchtung zu gelangen? Gibt es die Möglichkeit Erleuchtung _durch_ kreative Tätigkeit zu erlangen? Ist diese Art der "Erleuchtung" aus Sicht des Buddhismus überhaupt erstrebenswert? Ist es vergleichbar mit der Erleuchtung durch die man durch meditative Praxis und Achtsamkeit gelangt?

    Hallo! Ich bin ganz neu hier und muss gleich mit einer komplizierten Frage einsteigen.
    Seit einigen Jahre interessiere ich mich stark für den Buddhismus und Achtsamkeit, sowie Kontemplation. Nun hat sich etwas in meinem Leben ergeben auf das ich keine angemessene Reaktion weiß. Ich bin jetzt 30 und seit meinem 20. Lebensjahr kämpfe ich mit Depressionen, teilweise auch Ängsten. Mit Meditation und Achtsamkeit konnte ich meine Ängste schließlich völlig bezwingen. Diese Ängste waren so allgemeiner Natur, also nicht auf etwas bestimmtes bezogen. Mir half auch die buddhistische Philosophie dabei. Nun allerdings hat sich etwas sehr ungutes in meinem Leben zugetragen mit dem ich einfach nicht umgehen kann. Dieser Vorfall war am Montag letzte Woche. Merkwürdigerweise passierte das genau wenige Stunden nachdem ich gerade einen Termin bei einer Therapeutin ausgemacht hatte. Denn ich hatte gerade, nach längerer Zeit voll Liebeskummer und Depressionen beschlossen mein Leben radikal zu ändern, eine Therapie zu machen und glücklich zu werden. Gerade hatte ich auch einen Umzug hinter mir und einen neuen Job, sozusagen ein neues Leben angefangen. Jedenfalls erfuhr ich dann plötzlich am Montag, dass mir vielleicht schwere Probleme bevorstehen (strafrechtlich, wobei ich hier jetzt nicht in Details gehe). Leider habe ich immernoch die Tendenz mich schnell in Ängste reinzusteigern. Diese neue Sache stellt eine Bedrohung dar für meine berufliche Zukunft und meine Lebensträume. Weiter leide ich an der
    Ungewissheit wie alles ausgeht, was in den Akten drinsteht etc.., weil ich das eben erst in Wochen oder gar Monaten erfahre.


    Daher die konkrete Frage: Wie geht man mit solch einem konkreten Fall von Bedrohung und Ungewissheit um? Welche buddhistischen Lehren oder Meditationstechniken gibt es?
    Andere, religiöse Freunde, raten mir "auf Gott zu vertrauen". Auch Floskeln wie "es wird schon alles gut" helfen wenig. Sowie der blinde Glaube, dass alles gut ausgeht (was ja wenig rational ist, denn das kann man nicht wissen). Hat der Buddhismus bessere Antworten?


    Bisher wusste ich nur wie ich abstrakt mit Angst umgehe. Und Angst, die recht diffus ist und keinen konkreten Auslöser hat. Aber jetzt gibt es eine ganz konkrete Bedrohung und totale Ungewissheit was auf mich zukommt. Danke schonmal für die Beiträge!