Beiträge von xiaojinlong

    Loslassen der Gedanken bedeutet für mich nicht, dass ich sämtliche Gedanken verwerfe, sondern dass ich sie weiterziehen lasse. Auch heißt das ja nicht, dass bewusstes Denken weggelassen wird. Gedanken die Aufkommen können genau in diesem Moment hilfreich und nützlich sind.


    Durch das Loslassen, stellt man sich letztlich den Ängsten auch. Viele Ängste, zumindest ist das bei mir so, will ich dann ganz reflexhaft durchdenken um alle Situationen abzudecken und somit eine Sicherheit zu schaffen. In dem ich den Gedanken vorbei ziehen lasse gehe ich diesem Durchdenken nicht nach. Mir bleibt also nichts anderes übrig als mich ganz in die Situation zu geben, intuitiv und bewusst - nicht reflexhaft / impulsiv - zu handeln. Mit jedem mal, in dem man etwas loslässt samelt man eine Erfahrung, und diese Erfahrung trägt man mit sich immer weiter.

    Dass man von Gedanken "gezielt" getäuscht wird würde ich nicht sagen. Da ein "gezieltes Täuschen" einen bewussten Akt mit Zielsetzung voraussetzen würde. Gedanken sind einerseits Teil von einem, andererseits aber auch nicht. Gedanken kommen unwillkürlich und auch das denken selbst ist sehr oft auch unwillkürlich. Man springt einfach auf den Gedankenzug auf und fährt in weiter. Die Ergebnisse dieser Prozesse sind - würde ich mal behaupten - in den allermeisten Fällen sinnlos. Jahrelang habe ich unter einer aktiven Depression gelitten. Die Gedanken aus dieser Depression waren den ganzen Tag über aktiv da und haben mich gelähmt. Dadurch konnte ich mich kaum um mich selbst und meinen Alltag kümmern. Diese Gedanken die dabei aufkamen haben keinerlei Sinn ergeben, aber haben mich so übermannt, dass ich nichts anderes tun konnte und ihnen komplett unterworfen war. Viele Gedanken dabei haben sich um ähnliches gedreht wie du in deinem Fitnessstudio-Beispiel genannt hast. Mittlerweile sehe ich, dass das wunderbare Beispiele für Ich-zentriertes denken ist. In vielen dieser Gedanken habe ich mich - ohne es bewusst zu wollen - in den Mittelpunkt gestellt, so als hätten die anderen Menschen nichts anderes zu tun als mich zu beobachten, zu bewerten und was weiß ich noch alles.


    Durch das Ausseinandersetzen mit dem Buddhismus konnte ich diese Denkmuster erkennen und durch das Zazen erfahren, dass eben nichts passiert, wenn man diese Gedanken einfach ziehen lässt. Zwar ist "mein Körper" die Quelle, aber es liegt auch an mir zu sagen: "Jap, lass ich so stehen ist eh nicht weiter relevant". Dieses Stehen-Lassen ist das Los-Lassen der Gedanken, ohne auf den Zug aufzuspringen und ihn anzutreiben. Somit lässt sich erfahren wie man zwar eins, aber auch nicht eins mit dem Gedankenprozess ist und es erstmal ok ist, wenn da etwas aufkommt. Was wir dann daraus machen ist die nächste Sache. Hierbei dann Recht zu handeln gibt uns das Dharma viele Mittel an die Hand.


    Auch jetzt sind solche Gedanken noch da und das ist auch vollkommen normal. Sie bekommen von mir nicht mehr aus Reflex heraus eine hohe Gewichtung und verweilen immer kürzer, bevor sie weg ziehen.

    Es gibt ja unterschiedliche Arten zu denken. Ich denke zum Beispiel kaum in Bildern, sondern eher abstrakt in Diskursen. Bei anderen ist es aber vielleicht eher bildhaft, gar Video-mäßig. Weil ich eher so abstrakt unterwegs bin, finde ich Visualisierungen eher schwierig, dafür, vermute ich, hilft es mir auf der Arbeit. Dort bin ich viel mit System Architekturen und abstrakten Problemen beschäftigt. Weil ich das nicht erst in konkrete Bilder umwandeln muss fällt es mir eben vielleicht leichter als anderen.


    Gedanken tauchen selbstverständlich auch während des Zazen (oder anderer Meditation) auf. Das ist ganz normal und ist eben so, wenn man am Leben ist. Dass man währenddessen aber die Aufmerksamkeit anders lagert und Gedanken ziehen lässt ist nochmal etwas anderes als die Tatsache des aufkommens selbst (und darum ging es in der Fragestellung ja auch gar nicht).

    Die Trennung der eigenen Praxis und dem was wir selbst nennen ist das was uns von unserer Natur wegführt. Am Anfang hatte ich eine starke Trennung zwischen Alltag und Praxis. Das hat z.B. auch dazu geführt, dass ich davon genervt war das während dem zazen immer wieder Gedanken und Gefühle aus meinem Alltag rein kamen. Aber wie sollte das auch anders sein? Schließlich war ich ja auch beim zazen der selbe Mensch. Umso mehr ich das akzeptiert habe umso ruhiger wurden und werden die Gedanken - ganz von alleine. Dadurch wird erkennbar, dass da eine tiefe Ruhe hinter den Gedanken und Gefühlen liegt. Diese tiefe Ruhe ist der Hintergrund des Alltags und genauso natürlich wie der Alltag selbst. Diese Erfahrung nehme ich mit wohin ich auch gehe. Selbst, wenn ich gerade nicht aktiv zazen praktiziere habe ich damit ein Echo, dass als Grundlage dient meine Handlungen zu überdenken. Dieses Echo wird leiser je länger es her ist, dass ich das letzte mal durch die aktive Praxis den Klang erneuert habe. Das ist wie mit einem Kind und einer Herdplatte. Es fasst darauf, verbrennt sich und lässt es dann erstmal sein. Sobald die Erinnerung verblasst fasst es wieder hin und es geht von vorne los. Solange bis die Erfahrung und Erinnerung tief genug sitzt, dass die durch das Kochen am Herd von alleine erneuert wird. Dieser Vorgang ist ganz natürlich und jeder von uns ist da bereits durchgegangen.

    Mir hilft es allerdings schon bei der Beobachtung meines eigenen Geistes wenn ich weiß, wie Technik ansatzweise funktioniert .

    Dann verstehe ich besser warum auch mal technische Fehler passieren. Bei den meisten Fehlern bin ich allerdings total überfordert und verstehe den Zusammenhang nicht.

    Genau das ist letztlich was ich mit Gewahrsein meine. Der Ansatz ist da. Mal versteht man es, mal nicht - beides hat seine eigene Schönheit und einen eigenen Nutzen. Stattdessen steht man immer wieder wie ein Anfänger davor um dann eine neue Erkenntnis zu erelangen.

    Ich meine damit nicht, dass man nicht nach Verständnis streben sollte. Nur ist eben das Wissen um die Existenz des Abhängigen Entstehens nicht mit dem Wissen und Verständnis der Vorgänge und Wirkungen gleich zusetzen. Ein Beispiel:


    1. Ich kann mir Gewahrsein, dass es Funkwellen gibt. Somit sind sie keine reine Magie mehr. Es ist hilfreich und ich kann damit erste Vermutungen aufstellen, aber nur in einem sehr eingeschränktem Rahmen


    2. Ich kann Wissen, dass es Funkwellen gibt und habe daher eine hilfreiche Erklärung wieso Smartphones funktionieren. Das hilft mir ein besseres Bild der Realität zu bekommen und ich kann in einem eingeschränkten Rahmen mit diesem Wissen arbeiten um Dinge abzuleiten / vermutungen aufzustellen.


    3. Ich kann ein Verständnis für Funkwellen haben und in der Lage sein damit richtig zu arbeiten. So nutze ich das Verständnis um eigene Signale zu schicken und lese Signale, die für andere nicht bemerkbar sind.


    Echtes Verständnis umfasst einen gesamten (Teil-)Bereich. Dazu gehört also sehr viel. Ein Buddha ist wohl hier zu finden. Wissen ist nicht ganz so viel und beinhaltet noch einiges an Vermutungen, die sich aber häufiger als wahr herausstellen. Sollte das bei mir der Fall sein, würde ich dennoch versuchen es nicht als Wissen anzusehen, da es dazu verleiten kann sich auf die Vermutungen zu sehr zu verlassen. Also bleibt das Gewahrsein: Es gibt das Abhängige Entstehen, es ist sehr komplex. Ich behalte es im Kopf, handel nach besten Wissen und Gewissen, ohne dabei aber zu sagen "dies hier führt zwangsweise zu jenem". Damit behalte ich mir quasi eine gewisse Offenheit vor, die helfen soll einen Tunnelblick zu vermeiden.

    Die moderne Technik ist, finde ich, ein guter Lehrer, wenn es um das Abhängige Entstehen geht. Um eine Nachricht von einem Handy auf ein anderes zu schicken benötigt es viel 100-tausende, wenn nicht sogar Millionen, technische Komponenten. Angefangen bei Akkus über Halbleiter bis hin zu Gehäusen und Software. Jede Komponente steht für sich allein in der jeweiligen Funktion. Fehlt aber eine oder hat einen Defekt, gibt es Fehler oder gar einen Totalausfall.


    Im Alltag erkennt man Ergebnisse von komplexen Vorgängen in der Natur. Obwohl man sie nicht richtig greifen kann ist man sich dieser komplexen Natur intuitiv bewusst und es wertschätzend darauf geblickt. In der Technik wird das schnell vergessen. Viele Menschen mutieren zu Experten der Technik und jeglicher komplexer Zusammenhang mit trivialisiert.


    Zwar ist es wichtig, sich des abhängigen Entstehens gewahr zu sein, aber dieses Gewahrsein sollte nicht mit Wissen und erst recht nicht mit Verständnis der Abhängigkeiten und Zusammenhänge verwechselt werden.


    Ein Wichtiger Grundsatz im Umgang mit Technologien ist für mich:

    Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.

    Bachelor, Master, etliche Jahre Berufserfahrung und noch immer ist vieles davon Magie - und das wichtigste dabei: das ist ok so.

    Anfangs war ich mit Brille gesessen, weil ich das Gefühl hatte leichter abzuschweifen, wenn ich nichts habe auf das ich meine Augen scharf fokusieren kann und auch schneller müde werde. Irgendwann habe ich sie einfach weg gelassen, weil ich gemerkt habe, dass ich etwas zu sehr Muster in der Raufasertapete suche. Während der Maskenpflicht im Dojo hat das aktuell auch den Vorteil, dass es schlichtweg angenehmer ist.

    Ich habe das auch, ist bei mir aber nicht immer der Fall. Bei mir, vermute ich, hängt das auch damit zusammen, dass ich während des Zazen keine Brille auf habe. Entsprechend arbeitet die Augenmuskulatur dann etwas anders und sobald ich die Brille wieder auf habe ändert sich das wieder. Bei mir selbst sehe ich das, weil es sich in grenzen hält und schnell weggeht, für nichts schlimmes. Es ist wie das eingeschlafene Bein, dass beim Aufstehen kurz seine Zeit braucht.

    Sei dir aber bewusst, dass dies nur eine Herangehensweise ist. Es gibt auch andere. Hier gibt es einen Faden zur Rechten Anstrengung, da wird deutlich, dass nicht generell gilt "es darf sein wie es ist". Und die rechte Anstrengung ist im Achtpfad der Praxisschritt vor der Meditation.

    Das ist aber nichts, das sich gegenseitig ausschließt, sondern sich sogar gegenseitig ergänzt.


    Dinge sein zu lassen wie sie sind, heißt auch, dass man nicht auf diese reagiert sondern sie vergehen lässt. In dieser "passiven Haltung" steckt also durchaus eine Anstrengung. In dieser Anstrenung kann man zur Erkenntnis gelangen, dass unheilsames aufsteigt, wieder vergeht und umso weniger man darauf reagiert, umso weniger davon kommt auf. Gleichzeitig kann man erkennen, dass heilsames aufsteigt und sich das heilsame manifestiert. Jede(r) der mal länger auf dem Kissen gesessen hat kann bezeugen, dass das kein leichter Akt ist und ein "Kämpfen" dabei notwendig ist um das auszuhalten und sitzen zu bleiben, obwohl der Boden unter einem weggezogen wird.

    Unsere alltägliche Sprache - und erst recht unsere Kommunikation im Allgemeinen - ist nicht auf ein wortwörtliches Verständnis ausgelegt. Wir nutzen Redewendungen oder auch "Kommunkation zwischen den Zeilen". Daher verstehe ich nicht, wieso gerade bei religiösen / spirituellen Texten auf einmal der Anspruch kommt, dass alles wörtlich zu verstehen sei. Zum einen war die Sprache / Kommunikation zum Entstehen der jeweiligen Schriften nicht strikt wörtlich aufgebaut und zum anderen hat sich der Kontext (also z.B. das gesellschaftliche Gefüge, oder auch moralische [ethische? - ich verwechsel das immer..] Verständnis) geändert. Entsprechend sind unterschiedliche Textpassagen auch unterschiedliche zu interpretieren.


    Auch in der Wissenschaft ist ein "wörtliches Verständnis" nur bedingt gegeben. Zahlen und Daten werden in Relationen und Kontexten betrachtet. Erst im Rahmen der Kontexte und Relationen ergibt sich die letztliche Interpretation und auch diese wandelt sich. Ein wörtliches Verständnis ist also selbst in der Wissenschaft nicht mit absoluter Wahrheit gleichzusetzen. Häufig wird aber leider so getan, als würde ein wörtliches Verständnis eben jene Wahrheit nahelegen.

    Was bei mir ein "Abschnitt" ist, hängt ganz vom Kapitel ab. Im Bendōwa ist häufig eine Frage und eine Antwort recht abgeschlossen. Bei anderen Kapiteln sind es dann mehrere Seiten.


    Zu manchen Kapiteln bzw. zu Ausschnitten daraus habe ich ja auch schon andere Texte gelesen / gehört (z.B. Realizing Genjokoan, Don't be a Jerk, ...). Ganz eigene Meinungen bilde ich mir daher eh nicht mehr. Und für einiges fehlt es mir an "Buddhismus Vokabular" um es ordentlich einordnen und einen richtigen Hardcore Ansatz fahren zu können. Das finde ich aber auch nicht schlimm.

    Ich lese, zumeist, erst einmal den Text / Abschnitt bevor ich in die Fußnoten schaue. Sollte ich mal an einem Begriff grundsätzlich hängen, dann eben auch schon direkt beim ersten Lesen. Dass es durch das Vorgehen länger dauert stört mich nicht. Ich bin mir eh sicher, dass ich das Shobogenzo noch viele male lesen und immer wieder etwas "neu finden" werde, wie es auch bei anderen Texten der Fall ist - das gehört einfach dazu.

    Die Körperhaltung ist wichtig. Allerdings gibt es neben dem Lotus auch andere Möglichkeiten sich hinzusetzen. Beim kinhin ist es genauso, die Körperhaltung ist wichtig, aber auch hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten.

    Hauptaugenmerk liegt darauf stabil zu sitzen bzw. zu gehen. Die Haltung sollte nicht auf Muskelkraft aufbauen sondern soweit es geht "selbsttragend" sein. Dabei ergibt sich meist ein Mittelweg zwischen Entspannung und Anspannung.

    Körperhaltung und Pose würde ich daher trennen.

    Wenn wir hingegen viele Fehler in unserem Geist wahrnehmen,so ist das ein gutes Zeichen,eine Qualität,denn wir kultivieren so die Fähigkeit,uns von Fehlern zu befreien und sie zu reinigen.

    Hier liegt doch die Krux von der auch im Eingangs-Artikel gesprochen wird. Aus so einem "ich sehe bei mir die ganzen Fehler und das ist eine Qualität" kann auch zu einem neuen Antrieb für das Ego werden. Das ganze in Waage zu halten ist schwer. Einerseits braucht es gerade am Anfang die Ermutigung eigene Fehler und Probleme zuerkennen und vorallem auch anzuerkennen. Mit der Zeit aber brauchts dann doch auch das Gegenteil - also die Fehler nicht mehr als "eigen" anzusehen sondern einfach als Fehler dastehen zu lassen und einen gesunden Umgang damit zu finden. Man baut also letztlich eine Fehlerkultur auf.

    Ich finde es gar nicht so schlecht nochmal darauf hinzuweisen, dass das westlich (psychologische) Verständnis sich vom Begriff des Ego wie es im Buddhismus gemeint ist unterscheidet. Häufig nutze ich mittlerweile einfach die Begriffe wie sie 'für mich normal' sind und damit stark buddhistisch geprägt. Durch so einen Hinweis aber bietet sich nochmal die Möglichkeit, sich dem bewusst zu werden. Wenn man diese Unterschiede nicht auf dem Schirm hat und zum Beispiel die Buddha-Lehre rein aus dem "westlichen Denken" heraus versucht zu verstehen, kann ich mir schon erahnen wie es zu mancher Verirrung kommt. Denn, es macht ja doch einen Unterschied ob man Egoismus nur als "selbstnützliches" oder "selbstzentriertes" Verhalten versteht, oder alles was auf einem "ich" als solchem aufbaut.


    Ich finde das Ego Problematisch wenn es sich in den 3 unheilsamen Wurzeln zeigt.

    Was sind die 3 unheilsamen Wurzeln?

    Interessant finde ich, dass die buddhistische Praxis das Potential hat den Menschen von diesem Denken weg zu führen ohne mit den Vorschlaghammer drauf zu hauen. Genau das ist für mich auch einer der herausragenden Punkte beim Buddhismus. Es werden verschiedene Dinge kombiniert, die sich ergänzen. Gerade die individuelle Praxis in der man den Blick nach innen wendet, zusammen mit der Gemeinschaft in der man auch lernen muss sich zurück nehmen, aber trotzdem mitwirkt.


    Das mit den vielen Angeboten um sich abzuheben könnte evtl. auch (etwas?) die kritischen Haltung gegenüber säkularen Ansätzen erklären. Diese Ansätze sehen (auf dem ersten Blick) zumindest für mich häufig nicht so anders aus als ein 0815 Yoga- oder Achtsamkeitsangebot welches eher das Ego verstärkt (und den Geldbeutel der Lehrer füllt). Der alten, lange existierenden Tradition vertraut man da vielleicht eher.