Morddrohungen zu bekommen liegt nie am Thema.
Mögen wir alle Glücklich sein
In Metta🙏
Am liebsten würde ich sagen: "Ja und nein."
Einerseits hast Du Recht. Der, der eine Morddrohung ausspricht, ist ein gefährlicher Extremist. Diese Menschen würden ihr Leben für ihre Ansichten opfern. Es gibt für sie nur zwei Arten von Menschen: die, die so denken wie sie und die, die es nicht tun. Und diese werden mit allen Mitteln fertig gemacht. Bis zur Gewalt.
Aber es gibt einen anderen Aspekt. Es gibt Themen, die "vergiftet" werden, so dass zwischen Gruppen, die unterschiedliche Dinge denken, keine Diskussion mehr möglich ist. Wenn Du Dich umsiehst, werden Dir schnell einige Themen einfallen - denk z.B. an Maskenpflicht. Themen wie "gendergerechte Sprache" aber "LGBTQIA+" gehören dazu. Wenn dieses Gift wirkt, siehst Du es, dass es bei Diskussionen keinerlei Mitgefühl gibt - es gibt nur noch Hohn, Spott, Verachtung und Aggression. Und diese Aggression schlägt sehr schnell in Gewalt um, gegen Sachen und gegen Menschen.
Was will ich damit sagen? Wenn Du mit einem Thema wie "Queerness" und "Feminismus" an die Öffentlichkeit gehst, stehst Du in einem ständigen Shitstorm. Wenn diese Themen auf Facebook abgekündigt werden, gibt es Buddhisten (es sind eigentlich nur Männer), die sich getriggert fühlen. Praktisch niemand fragt nach: "Interessant, worum geht es Euch denn? Wie fühlen sich den queere Buddhistinnen und Buddhisten?" sondern die meisten haben eine Meinung - entweder positiv oder negativ. Die negativen Meinungsäußerungen bilden ein breites Spektrum:
- ostentatives (also besonders betontes) Unverständnis: "Ich weiß nicht, was das soll" oder "Ich kann da nur den Köpf schütteln."
- Ablehnung durch Hohn: "queere Buddhisten - da kann ich doch nur lachen."
- Ablehnung durch harte Abgrenzung: "Das ist Gendergaga!"
- Ablehnung durch harte Ausgrenzung: "Ihr macht Identitätspolitik. Das hat mit Dhama nichts zu tun!"
- Ausübung von Druck: "Hört sofort auf mit dieser Konferenz!"
- Drohungen gegen queere Monastics
- Morddrohung gegen queere Monastics
Du siehst hier eine Steigerung. Der erste Punkt ist harmlos. Ich persönlich finde ihn sehr ungeschickt. Ich nehme ihn aber auf, weil er eine bestimmte Funktion hat. Er trennt den Geist und somit Welt in zwei Gruppen: Diejenigen, die etwas tun, was die andere Gruppe nicht mehr nachvollziehen kann. Und es wird auch keinen Versuch mehr unternommen, das nachzuvollziehen. Das Urteil ist gefällt. Ab da steht die Welt fest: Es gibt zwei Seiten und ich positioniere mich. Und das Wichtigste: Ich will an dieser Position auch nichts mehr ändern und gebe es auf, die anderen zu verstehen, ernsthaft auf Argumente einzugehen usw. Die anderen sind eben "die anderen" und meine Äußerungen haben nur noch den Zweck, eine Abgrenzung zu zementieren. Diese Abgrenzung ist noch keine Ausgrenzung. Aber ich meine, es ist der Beginn einer sehr gefährlichen Tendenz. Die Welt ist durch einen tiefen Riss gespalten und man beginnt sich mit dieser Spaltung zu identifizieren. Die Frage nach einer Versöhnung von Gegensätzen gerät in den Hintergrund.
Aber alle weiteren Äußerungen sind Steigerungen. Die Spaltung ist vollzogen und es kommt immer mehr Gift ins Spiel. Das Thema "Was sagt Buddhismus zu Queerness?" oder "Gibt es buddhistische Unterdrückung von Frauen und Queers?" tritt mehr und mehr in den Hintergrund. Stattdessen tritt das Gift, das in gesellschaftlichen Diskursen verspritzt wird, immer mehr in den Vordergrund. Es geht nicht mehr um Menschen mit ihren Erfahrungen, Meinungen und ihrem Dukkha, sondern sie sind Akteure in einem (weltweitem) Kampf: "Gendergaga" oder "Identitätspolitik" gegen die "Vernunft" oder "natürliche Ordnung". Dass das so ist, kann man sehr gut erkennen, da die Kritik vor der Konferenz stattfindet. Man wartet ja überhaupt nicht, was auf der Konferenz gesagt wird und ob die Buddhist:innen dort nicht vielleicht einen "mittleren Weg" finden, der die Extreme von Nihilismus (also Nivellierung aller Unterschiede) oder Identitätspolitik (also Zementierung von Unterschieden) umgeht. Allein diese Frage spielt keine Rolle mehr: Es ist egal, was die anderen sagen, sie sind nur noch Zielscheibe der eigenen Argumente.
In den letzten beiden Punkten entsteht eine echte Zielscheibe. Die Identifikation mit der eigenen Haltung, dem eigenen Verständnis des Dharma, ist so groß geworden, dass sie alles überschattet. Das Andere ist nur eine Bedrohung, die aufgehalten werden muss.
Ich muss mich jetzt für diese langen und oberlehrerhaften Ausführungen entschuldigen und ich bin auch nicht die richtige Person, so etwas zu erklären, aber das ist Wahrnehmung von einem Shitstorm, indem man ständig steht, wenn man dieses Thema öffentlich anspricht. Ich sehe nicht nur die beiden extremen Enden dieser Eskalation (also den ersten und den letzten Punkt), sondern ich sehe die Übergänge. Es ist ein Spektrum, das sich immer mehr steigert. Und es steigert sich, weil in allen Menschen Verblendung und Hass schlummern und weil gesellschaftlich diese Themen gezielt "vergiftet" werden.
Klar sind (Mord-)Drohungen schlimm und unakzeptabel und man muss dies anzeigen. Aber aus meinen Erfahrungen sind sie die Spitze einer Eskalation, die eher harmlos beginnt, aber einem gewissen Zeitpunkt des Geist vergiftet. Und ab einem gewissen Zeitpunkt ist so viel "Gift" im Geist, dass man es nicht mehr schafft es, davon frei zu werden. Ich glaube, dass vielleicht Dharmafreund:innen helfen können oder Dharmalehrende, aber allein kommt man nicht mehr raus. Und wenn dann extremistische Dharmalehrende (wie z.B. oben genannte Mönch in Myanmar) diesen Hass öffentlich unterstützen, dann sind wir bei den letzten beiden Punkten der Liste.
Ich hoffe, dass jetzt klar ist, was ich meine und dass ich es nicht zerredet habe. Du hast Recht: Es liegt nie am Thema. Der Grund ist unser Verlangen nach Trennung der Welt und der in uns schlummernde Hass und die in uns schlummernde Verblendung, die uns hindert, das zu erkennen. Aber dann liegt es doch am Thema, weil es Themen gibt, die gezielt "vergiftet" werden. Das Gift dringt in Form in uns ein. Es sind verzerrte Positionen, überpointierte Positionen, Spott, Hohn bis hin zu reinen Fehlinformationen. Du kannst die ganze Bandbreite sehr gut sehen bei Themen wie Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare - die Themen der Kampagnen in Deutschland, Frankreich aber auch Taiwan waren fast identisch. Zum Schluss geht es gegen die Wahrheit und es werden nur noch erfundene Horrorszenarien gemalt, die im krassen Gegensatz zur Realität und allen Untersuchungen stehen. Aber sie sollen bewirken, dass sich Menschen von der Realität völlig abwenden: "Vielleicht ist das falsch, aber warum sollte es nicht so kommen?" Spätestens dann bekämpft der Geiste keine echten Missstände, sondern nur noch (von außen) konstruierte Feindbilder, die man man selber kultiviert.
