Beiträge von Dharma Buddy

    Hallo Zrebna,


    im koreanischen Zen kultiviert man die Meditation zu einem Hwadu (jap. Wato oder chinesischen Hua Tou). Ein Hawdu ist in der Regel ein Teil eines Koans, z.B. "Mu" oder "Was ist das?" aber auch "Was bin ich?" Das Hua Tou hat eine sehr alte Geschichte im Chan und auch im koreanischen Son.

    Ich habe nicht so viel Erfahrung mit Kontemplation, aber ich glaube, dass die Meditation zu einem Hwadu etwas anders ist. Wenn Dir Dein Geist eine Antwort auf diese Frage gibt, dann verwirfst Du sie. Sie sag mag geistreich sein, weise - aber es nicht, was Du suchst. Das, was Du suchst, hat keinen Namen, keine Farbe, keine Form - aber es ist immer da und und uns so nahe, dass wir es ständig übersehen. Die Frage ist: Was ist das?

    Ein Hwadu ist ein ganz einfacher Meditationsgegenstand, wie auch der Atem oder ein Mantra. Der Meditationsgegenstand ist wie ein Anker, der verhindert, dass Du von Gedanken weggetrieben wirst. Der Unterschied ist, dass dieser Anker im Gegensatz zum Atem nicht-gegenständlich ist.


    Wenn Du mit einem Hwadu meditierst, wirst Du vieles erfahren. Du Beginn wird Dein Geist Dir Antworten geben, aber darauf kommt es nicht an. Höre tief in Dich rein, suche keine Antworten. Das Hwadu ist immer da, manchmal wirst Du es leichter entdecken. Manchmal ist ein Staunen vor dem Wunder der Welt. Wenn es nach draußen "richtest", ist die ganze Welt ein großes Wunder. Wenn Du z.B. ein Bild an der Wand siehst, fragst Du, was sich dahinter verbirgt, was da versteckt ist. Es ist wie als Du jung warst und alles geheimnisvoll und abenteuerlich war. Wenn Du das merkst, richte Dich Aufmerksamkeit auf Dich, dreh es einfach um. Und dann spürst Du ein ein großes Gefühl des Nicht-Wissens - so als ob Du etwas verloren hast und Du kannst es einfach nicht finden. Je stärker Deine Konzentration ist, desto tiefer wird dieses Gefühl. Wenn ein Gedanke kommt, dann wird der uninteressant. Es ist nicht was Du suchst. Aber was ist es? Es ist dann so, als ob alle Gedanken, Wahrnehmungen usw. wieder zu Dir zurückkommen. Das ist manchmal ein sehr "ungemütlicher" Zustand - eben verwirrend. Und in diesem Gefühl -Neugier, Staunen, nicht-Wissen, "Zweifel"- verweilst Du. Wenn die Konzentration tiefer wird, kannst Du auch in Samadhi fallen. Aber das ist nicht das Ziel - eher ein ausgeglichenes Verhältnis von Sati und Samadhi. Wenn der Lehrer oder die Lehrerin mitbekommt, dass Du ins Samadhi fällst, wird er das Fenster öffnen, denn Du sollst den Kontakt zur Welt nicht verlieren.

    Ich hoffe, ich habe die Grundzüge der Hwadu-Meditation einigermaßen erklärt - jedenfalls so, wie ich sie empfinde. Und jetzt würde mich interessieren, ob Kontemplation so ähnlich ist.

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    Im koreanischen Zen singen viele den Morgengesang: Morning Bell Chant - YouTube Wenn man sich mit der Übersetzung beschäftigt, wird man feststellen, dass der Text eine Mischung aus verschiedenen Lehren ist. Es gibt Passagen aus dem Avatamsaka-Sutra (Huayan-Buddhismus), dem Amitabha-Buddhismus und dem Taoismus, wie der folgende Vers:

    Zitat

    In ruhiger Nacht, still sitzend in einem Bergtempel, äußerste Ruhe und Stille sind die ursprüngliche Natur. Warum schüttelt der westliche Wind die Waldbäume? Ein einziger Schrei der Wintergänse füllt den Himmel.


    Diese Passage ist auch ein Koan und die Fragen sind:

    1. In ruhiger Nacht, still sitzend in einem Bergtempel, äußerste Ruhe und Stille sind die ursprüngliche Natur - was bedeutet das?
    2. Warum schüttelt der westliche Wind die Waldbäume?
    3. Ein einziger Schrei der Wintergänse füllt den Himmel - was bedeutet das ?

    Das Nachdenken wird Dir hier nicht helfen. Wenn Du in der Natur wanderst, Dein Handy ausschaltest, der Natur zuhörst und Dich auf einen Stein setzt und meditierst, wirst Du es erfahren. Mir haben Spaziergänge in der Natur während der Pandemie sehr geholfen.

    Ich finde eine Gedicht von Seung Sahn sehr schön:

    "Good and evil have no self nature

    Holy and unholy are empty names

    In front of the door is the land of stillness and quiet
    Spring comes, grass grows by itself."


    Also: Gut und Böse haben keine eigene Natur, heilig und unheilig sind leere Wörter. Vor der Tür ist das Land der Stille und Ruhe. Der Frühling kommt, das Gras wächst von selbst.

    Der Hintergrund, dass die Precepts-Zeremonie im koreanischen Zen sehr religiös ist. Es gibt viele Mantren und Gebete, in denen man bereut usw. usf. Und darin liegt die Gefahr, dass viele Denken, durch heilige Handlungen könnte man frei vom Karma werden und Verdienste anhäufen. Und deswegen wird dann dieses Gedicht daneben gestellt. Und dann erscheint die ganze Zeremonie in einem ganz anderen Licht. In welchem? Ich glaube, das muss jede und jeder selbst herausfinden. Aber ist auch keine Mühe erforderlich, denn in einem Retreat wird man mit allen diesen Dingen (Scham, Schuld, Selbstvorwürfen...) konfrontiert werden. Und jeder dieser Gedanken und Gefühle ist eine Chance, Einsicht zu erlangen.

    @ThomZimm , dann wünsche ich Dir und Deiner Tochter alles Gute! Ich finde es toll, dass Du sie unterstützt.

    Du kannst im Übrigen auch an der IQBC teilnehmen - sie ist selbstverständlich für alle, die das Thema interessiert und die es unterstützen.

    Ob Dir die Vorträge in Deiner speziellen Situation helfen, weiß ich nicht. Ich glaube, in einem On-Site Event wären auch andere Diskussionen und Workshops möglich und es wäre auch einfacher, geschützte Räume zu etablieren.

    Oder vielleicht gewinnst Du dadurch neue Sichtweisen.

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    Auch wenn ich nicht zur queeren Community gehöre, finde ich klasse, was ihr da aufbaut! Ich hoffe, dass ihr breite Unterstützung erfahrt! Das nenne ich mal engagierten Buddhismus! :rainbow::heart::like:

    Vielen Dank. Und ja, es geht um engagierten Buddhismus. Shelley Anderson wurde für den Friedensnobelpreis nominiert. Ken Ireland hat zu den Hochzeiten der AIDS-Krise am vorderster Front gearbeitet und war einer derjenigen, die die Hospiz-Bewegung in den USA aufgebaut haben. Und es gibt noch viele andere, die sprechen werden. Ich freue mich auf Daigan Gaither, der so viel für Menschen mit Behinderungen gemacht hat und spezielle Meditationen anbietet.

    Ayya Yeshe ist ein Ally, eine Unterstützerin, und sie berichtet von ihrer Arbeit in den Slums von Indien. Wenn ihr das Projekt unterstützen wollt, könnt ihr es über Mitgefühl in Aktion tun: Indien: Mädchenheim - Mitgefühl in Aktion e.V. (MiA) Das sind alles Menschen, die sich dem Leid zuwenden, wo sie es finden.

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    Ich glaube, dass der Rat sehr divers ist. Der letzte Rat bestand nur aus Männern und alle kamen aus tibetischen Traditionen. Jetzt gibt es Männer, Frauen, es sind alle Richtungen vertreten, ebenso asiatische Gemeinschaften. Und es gibt auch selbstverständlich auch jemand aus der queeren Community.

    Aber ja, ich glaube, dass der deutsche Buddhismus sehr durch Menschen aus der Mittelschicht geprägt ist. Das ist schade. Ich glaube, dass gilt auch für die queere buddhistische Szene.

    Bei der IQBC wollten wir viele Gruppen repräsentieren und auch Speaker haben, die aufgrund einer Behinderung leiden und denen es deswegen auch wirtschaftlich schlechter geht. All das sind Perspektiven, die wir reinbringen wollen.

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    Problematisch wird es nur, wenn vor lauter special interests der Sangha zersplittert. In manchen Dojos treffen sich regelmäßig zwischen 10 und 20 Personen. Wenn man diese vergleichsweise kleinen Gruppen noch in unterschiedliche Untergruppen teilen würde, würden manche wahrscheinlich an manchen Tagen alleine sitzen. Insofern ist es eine Frage der Praktikabilität und des Gesamteffekts auf den Sangha, ob derartige Ansätze Sinn machen. Im Zenkloster in Weiterswiller, bei dem ich regelmäßig an Retreats teilnehme, gibt es auch verschiedene Angebote, die unterschiedliche Interessengruppen ansprechen. Die Sesshins aber sind nicht nach solchen Gruppen geteilt. Im gemeinsamen Praktizieren, sofern es sich um Meditation handelt, sollte es vielleicht keine Aufteilung geben, oder?

    Ich finde es sehr gut, dass Du den Aspekt des Pragmatismus reinbringst. Wir müssen uns überlegen, was zeitlich und räumlich möglich ist. Und ich würde es auch schade, finden, wenn es zwischen all diesen Gruppen keinen Austausch geben würde.

    Der Aspekt mit den Meditationsgruppen ist schwierig. Ich gebe Dir Recht, ich will aber neben den Aspekt des Pragmatismus noch hinzufügen, dass es sich um Angebote handelt, die ja nie verpflichtend sind, sondern für bestimmte Menschen hilfreich sein können:

    • Es gibt queere Menschen, die brauchen z.B. keine queere Meditationsgruppe. Sie praktizieren vielleicht in einer Sangha, die sehr inklusiv ist. Sie fühlen sich wohl. Vielleicht haben sie mal Interesse an einem queeren Retreat, vielleicht auch nicht. Es kommt vielleicht vor, dass sie in ihrer Sangha mal ein Treffen für queere Menschen anbieten. Das findest Du z.B. in Berlin, wo eine Sangha alle queere Buddhisten am Abend eines CSD zu einer gemeinsamen Meditation eingeladen hat, weil viele aus anderen Städten nach Berlin kommen, sich die Parade ansahen, und nun gibt es eine gemeinsame Abendmedition für diejenigen, die nach einem stressigen Tag mit lauter Musik meditieren wollen.
    • Dann gibt es queere Menschen, die finden hin und wieder eine queere Gruppe gut. Es gibt Menschen, die seit Jahrzehnten meditieren und überrascht waren, dass sie die Meditation in queeren Retreats als Vertiefung der Praxis empfanden.
    • Es gibt wiederum Menschen, die mir erzählt haben, dass sie klassische Meditationstechniken als problematisch empfinden. Manche Menschen mit Gender-Dysphorie haben Probleme mit Körper-betonten Meditationen, weil sie Körperlichkeit als problematisch empfinden. Das können Menschen ohne diese Kondition schwer verstehen, denn das geht hin und wieder viel tiefer als die übliche Unzufriedenheit mit unseren Körpern, die ja sehr oberflächlich ist (hier Muskeln zu wenig, da Fett zu viel...) Und manche finden es praktisch mit anderen zu reden, die diese Probleme kennen und wissen, wie mit speziellen Hindernissen in der Meditation umzugehen ist. Da kann ein spezieller Retreat neue Ansätze liefern.

    Ich könnte die Liste beliebig fortsetzen, aber ich höre mal auf, denn es ist klar, was ich meine. Es geht um Angebote, die manche nützlich finden, manche hin und wieder und manche nicht. Deswegen kann ich mit einem Vorwurf von "Separierung" auch nichts anfangen. Diese Angebote sollen ja nicht dazu führen, dass sich die buddhistische Gemeinschaften mit dem Thema Queerness nicht beschäftigt und das an queere Gruppen "auslagert" - ganz im Gegenteil. Ich meine, dass wir alle das Thema Inklusivität Wert legen sollten und man sich Fragen stellen sollte, wo es vielleicht Hindernisse gibt.

    🙏

    Die erste Frage war "Are you homosexual?" Yes/No...


    Well...ich oute mich mal... ja... Als ich dann weitergelesen habe, stand dort "Ausschließlich heterosexuelle Männer mit ethisch reinem Lebenswandel können in unserer Sekte ordiniert werden". Also, das hatte sich erledigt. Nun, heute weiß ich mehr und auch dass die Dhammakaya-Schule nicht nur auf diesem Gebiet nicht so ganz sauber ist. Sie wird ja deswegen sowohl in Thailand, als auch im Ausland stark kritisiert.

    Danke für dieses Bericht. Du sprichst hier ein Thema an, das sehr wichtig ist und bisher ausgespart wurde, und das sind Ordinationsverbote. Diese gibt es vor allem im Theravada aber auch in einigen chinesischen Richtungen. Das läuft dann so ab: Bei der Ordination wird gefragt: "Bist Du ein Pandaka?" und es wird erwartet, dass alle gemeinsam wie aus der Pistole geschossen "Nein!" antworten.

    Es ist aber nicht immer so, dass die Richtungen das offen gesagt. Ich habe mal mit einen Forscher gesprochen, der ein Experiment machte. Er schrieb einen Brief an eine Organisation und stellte u.a. diese Frage. Der Briefkopf war der einer westlichen Universität - und er bekam als Antwort, dass sie selbstverständlich nichts gegen queere Menschen haben und diese ordinieren dürfen. Dann gab er den Brief einer asiatischen Forschungsassistentin, die diesen Brief unter ihrem Namen verschickte - und da war die Antwort das komplette Gegenteil: "Natürlich dürfen Pandakas nicht ordinieren."

    Ich war perplex und fragte, wie sich das mit "rechter Rede" verträgt. Seine Antwort war, dass es in Asien kulturell bedingt hin und wieder ein anderes Verständnis von rechter Rede gebe. Diese finde nämlich immer in einem sozialen Kontext statt und unterliegt vielen Regeln z.B. gesellschaftlichen Positionen von Fragendem und Antwortendem und ebenso dem Bedürfnis, andere nicht vor dem Kopf zu stoßen. So wolle man Menschen aus einer anderen Kultur nicht vor den Kopf stoßen sondern will verbindende Elemente betonen. Als er dann mein völlig ratloses Gesicht sah, war die Antwort, dass in Asien Kommunikation ein hochkomplexes Thema sei und Aspekte enthalte, die uns oft fremd seien.

    🙏

    Wenn es eine queere Gruppe geben sollte, warum dann nicht auch eine für Farbige, für alleinerziehende Mütter oder Väter, für Hochbegabte, für Rentner, für Studierende, für Arbeitslose, für ehemalige (und aktive) Alkoholiker, Drogenabhängige, Rollstuhlfahrer, Professoren, Künstler, reiche Menschen, arme Menschen u.s.w. ? Jede dieser Gruppen hat ein spezielles Dukkha-Profil und könnte so auf die jeweiligen milieuspezifischen Probleme und Herausforderungen zugeschnitten den Dharma praktizieren. Wäre das ein Ziel?


    ...im Grunde, warum nicht?


    Ich fände es schade, weil gerade durch die Vielfalt an Menschen in Dojos und Tempeln sehr viele unterschiedliche Blickwinkel auf den Dharma und die Wirklichkeit zusammenkommen. Austausch und Erfahrung des Anderen finde ich besser als Separierung.


    Du sprichst zwei unterschiedliche Themen, die man meiner Ansicht trennen muss.

    Das erste ist ein Sangha-Leben. Wenn Du Dir asiatische Gruppen z.B. aus dem chinesischen Raum anguckst, wirst Du feststellen, dass es dort immense soziale Aktivitäten gibt: Es gibt Jugendgruppen, Kalligraphie-Gruppen, Frauengruppen usw. Und in der Women's Dharma Talk Gruppe wollen sich eben nur Frauen austauschen. Und ja, es gibt tatsächlich auch Gruppen für Studierende. Warum nicht? Wenn jemand eine Gruppe gründen will, wird das als Bereicherung angesehen. Im chinesischen Buddhismus spricht man von den 84.000 Dharma-Toren. Das ist ein sehr synkretistischer Ansatz. Für viele reicht es, die Precepts zu nehmen, sich vegetarisch zu ernähren, einen Tempel zu unterstützen und sie haben eine (oft an Guan Yin) angelehnte Praxis. Die anderen besuchen Chan-Retreats und wieder andere engagieren sich und leisten einen Beitrag zum Tempel-Leben, empfangen Besucher:innen oder kochen, andere schließen sich den vielen Gruppen an oder gründen selbst eine usw.

    Das zweite Thema ist das Thema "Special Interest Sanghas". Hast Du Dich mal damit beschäftigt? In den USA gründete sich mit den Dharma Punx als Gruppe für Menschen mit schwerem Karma: Drogenerfahrungen und all den verbundenen Problemen wie z.B. Beschaffungskriminalität, Straßengangs usw. Sie orientieren am Theravada, bieten aber auch sehr effektive Programme für Süchtige an. Sie sind auch authentisch, da viele genau dieselben Erfahrungen gemacht haben.

    Das zugrundeliegende Konzept ist etwas, was ich "Einigkeit in Vielfalt" nennen würde und ja auch dem entspricht, was es im westlichen sowieso gibt.

    Es gibt aber noch einen anderen Aspekt und das ist tatsächlich das Bedürfnis des Austausch. Special Interest Sanghas sind oft auch Richtungs- und Traditionsübergreifend. Ich kenne sehr viele, die das gerade schätzen und es spannend finden, sich mit Menschen, die ganz andere buddhistische Praxis haben, auszutauschen. Dabei stellen viele fest, dass es bei allen Unterschieden der Buddhismen auch viele Gemeinsamkeiten gibt, aber eben nur die Schwerpunkte und Sichtweisen anders gesetzt werden.

    🙏

    So, so. Weil die beiden Label "Mann" und "Frau" also zu eingrenzend sind, ist es sinnvoll, einfach noch ein paar neue zu erfinden? Gerade die Label, die Vorstellungen und Kategorien sind es doch, die uns eingrenzen, unfrei machen und determinieren. Lies mal "Sexualität und Wahrheit" von Michel Foucault.

    Es geht nicht um "Erfindung" sondern es geht um die Realität. In dem Heft schreiben 4 Menschen, die sich als nicht-binär identifizieren. Das sind Menschen mit Jahrzehnte-langer Meditationserfahrung und ich gehe davon aus, dass sie Aspekte von Geschlechtlichkeit und Körper sehr gründlich reflektieren.

    Wir verstehen das Phänomen der sog. Gender-Dysphorie nicht gut. Die Wissenschaft dachte, alle Menschen, die dieses erfahren seien transgender und so wurde die Transition empfohlen, die rechtlich nur als "große Lösung" möglich war: Totaloperation, Zwangsscheidung, Zwangssterilisierung. Das ist zwar verfassungswidrig aber das Gesetz gibt es immer noch, auch wenn seit 2011 nicht mehr so verfahren wird. Ich kenne mich mit Foucault nicht gut aus, aber ich glaube, er würde das so interpretieren: "Die Gesellschaft hat ein binären Bild von Mann und Frau und zur Wiederherstellung der gesellschaftlichen Normalität werden die Betroffenen vor eine unmenschliche Wahl gestellt. Entweder sie müssen ihren Zustand weiter ertragen oder sie müssen die Autonomie über ihren Körper aufgeben und sich einem Kontrollregime unterziehen. Die Sterilisierung ist eine der radikalsten Maßnahme, aber nur eine. Sie dürfen nicht entscheiden, welche Operationen sie vornehmen und welche nicht. Und die Änderung des Personenstandsregisters erfolgt nach gesetzlich vorgeschrieben Operationen - nicht davor und nicht auf Probe und nur zur Wiederherstellung der binären Kategorie."

    Das ist wirklich ein Problem. Wieso lässt man nicht Änderung des Personenstandsregisters zu und die Menschen selbst entscheiden, welche Operationen sie angehen. Und die binäre Sichtweise und die Sicht auf "transgender" als "Korrektur" in die binäre Normalität ist auch deswegen schlimm, weil es Menschen gibt, die Gender Dysphorie erfahren und für die die Transition der falsche Weg wäre. Das Label "nicht-binär" ist für sie entscheident. Es ist ihre Kondition mit der sie leben müssen. Es geht hier nicht um Erfindungen sondern menschliche Konditionen, die ihr Dukkha und eine Gesellschaft, die teilweise unmenschlich damit umgeht. Für diese Betroffenen ist die Selbsterkenntnis kein "Label", sondern extrem wichtig, zumal sie teilweise von Psychologen zur fragwürdigen Entscheidungen gedrängt werden, was mit dem falschen Verständnis von Gender-Dysphorie zusammenhängt.

    Das war übrigens mit den Intersexuellen genauso. Die wurden bei der Geburt zwangsoperiert und nicht wenige verstarben - was eine der dunkelsten Geschichten der Medizin ist.

    Deswegen würde ich Dich bitten, nicht von "Erfindungen" zu sprechen. Es geht um Menschen, besondere menschliche Konditionen und Dukkha und den Wert er Erkenntnis. Und sie erzählen ihre Geschichten in dem Heft.


    🙏

    Vielen Dank für das, was Du schreibst. Und ich sehe die Punkte genau wie Du. Und genauso wie Du ist die kritische Auseinandersetzung mit Identitäten teil meiner Praxis - auch einiger schwuler Identitätskonstruktionen, die ich unheilsam für mich finde.


    Das hat mit dem Label "Ehemann" nichts zu tun, sondern damit, mit einem anderen Menschen in eine Beziehung zu treten, bei der die sogenannte "Identität" vor dem In-Beziehung-Sein in den Hintergrund tritt. Sich also immer wieder wieder neu in der Beziehung mit dem anderen verändern lassen.

    Das ist richtig. Es setzt aber voraus, dass man bereit ist, sich auf eine Beziehung erst einmal einzulassen und das sich für sich als wichtig und relevant betrachtet. Und ich muss feststellen, dass viele meiner Bekannten das nicht sind, was sie selber beklagen. Das hat viele Gründe und ein Grund der etwas älteren Generation ist, dass sie in Zeiten aufwuchsen, in denen die Gesellschaft ihnen einredete, Schwule dürfen so etwas wie eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft nicht besitzen und sie wollen und können es auch nicht, da sie "von Natur aus" ja ziemlich wahllos in der Wahl ihrer Sexualpartner sind. Bei vielen erwuchs ein Trotz gegen die Normen der Gesellschaft und viele versuchen auszubrechen aus den starren Normen. Es gibt z.B. sog. aromantische Menschen, für die die klassischen Modelle mit all ihrer Idealisierung von Liebe und Verbundenheit tatsächlich nichts taugen. Aber es gibt auch andere, die in stabilen Beziehungen ihren Weg gefunden haben - ihn aber erst finden mussten. Diese werden erzählen, dass der Akt der Vermählung, dieses seltsame Ritual, das wir eingehen wohlwissend, dass das, was wir anstreben, vergänglich ist, für sie eine immense Bedeutung hatte. Ich kenne sogar Menschen, wo die buddhistische Segnung sehr wichtig war und auch für den Partner, der nicht buddhistisch ist, und einen wichtigen Punkt im Leben darstellte, der neue Perspektiven eröffnete. Wie das genau funktionierte, verstehe ich auch nicht. Ich glaube aber, dass buddhistische Sichtweisen auf solche Dinge sehr wichtig ist, weil sie neue Perspektiven eröffnen weil sie realistisch sind und die Verbindung nicht zum Sakrament überhöhen. Von dem, was ich gehört habe, steckt in den Segnungen und damit verbundenen Ritualen z.B. in Korea, Taiwan oder Japan viel Weisheit. Und ich habe noch nie mitbekommen, dass der Sunim dann dem Ehemann zuwinkert: "Bloss nicht anhaften - auch die Identität als Ehemann ist eine Illusion". Nein, das ist es nicht. Es die konventionelle Realität mit all ihren Problemen und Kompromissen, in der wir tief mit unserem Karma stecken.

    Dieser seltsame Ring war und ist für viele ein Zeichen eines Gelübdes und einer neue Lebensphase, von der man zuerst nicht weiss, was sie nun bringt - aber es ist ein sichtbares Zeichen, dass man nun zu den "Verheirateten" gehört - auch eine Form von Identität. Unverständnis kam in den wenigen Fällen eher aus heterosexueller Seite, die scherzhaft Tolkien: "Ein Ring ihn zu knechten, ins Dunkel zu werfen und ewig zu binden." Aber ihnen war auch klar, dass die Schwulen nicht vorhaben, spießige Rollenmodelle der 50er Jahre zu konservieren.

    🙏

    Ich habe mir nun alle Beiträge durchgelesen und ich möchte eine Frage in die Runde stellen, die mich wirklich interessiert: Wieso werden queere buddhistische Gruppen beurteilt (und sogar kritisiert), während niemand das bei einer Frauengruppe machen würde?

    Und mich interessieren jetzt nicht die Argumente und Urteile, die hier in diesem oder auch anderen Threads zu dem Thema stehen, sondern die Intention dahinter. Das können auch Befürchtungen und Ängste sein. Ich weiß, dass dieses Forum kein geschützter Raum ist. Ich weiß auch, dass dies kein geschützter Raum ist sondern dass es in diesem Forum hin und wieder Diskussionen gibt, wo ideologische Positionen polemisch aufeinandertreffen. Ich hoffe, dass dies nicht der Fall sein wird, sondern dass wir uns auf unsere Praxis besinnen und sie nutzen, tief in uns zu schauen. Und ich möchte diese Intentionen auch nicht kommentieren. Und mir geht es nicht um rationale Argumente, es ist mir klar, dass Gruppen von Frauen haben im Buddhismus eine Tradition haben, aber auch wenn in den letzten Jahren Frauen z.B. einen rein weiblichen Retreat machen, sich in Organisationen wie BuddhistWomen oder Sakyadhita organisieren, wird das selbstverständlich akzeptiert. Wo ist der Unterschied? Wieso wird das eine gelassen in Kauf genommen und dem anderen teilweise abgesprochen, etwas mit Buddhismus zu tun zu haben?

    Und um die Spannung zu erhöhen, will ich sagen, dass diese Frage zwei Vorgeschichten hat, die teilweise etliche Jahre zurückliegen. Diese sind sehr interessant und ich in meiner Naivität nie ernst genommen habe. Wenn es interessiert, werde ich diese im Anschluss posten, denn sie sind sehr erstaunlich.

    🙏

    Die Identifikation mit einem Label (ich bin der und der, ich gehöre zu dieser oder jener Gruppe, ich bin anders als die anderen) ist ebenfalls Ausdruck von Dukkha.

    Die "Identifikation mit einem Label" ist keine Frage von Lifestyle sondern für die meisten queeren Menschen das Ergebnis eines oft schmerzhaften Prozesses der Selbstakzeptanz. Es ist sogar die Voraussetzung für eine Lebensgestaltung, von Liebe und Partnerschaften. Ich glaube, Du wirst in dem Heft einige Artikel finden, die sich damit beschäftigen.

    Ich persönlich halte es für völlig unrealistisch zu glauben, wir Menschen seien frei von Identitäten oder könnten sich davon befreien. Das würde ja im Endeffekt auch bedeuten, große Teile unserer Kultur zu transzendieren. Wir uns vielleicht als "aufgeklärt", "demokratisch", "Buddhist:in", "hetero", "schwul", "Ehemann", "Vater" usw. Eine Identität z.B. als "Ehemann" bedeutet, sich zu einer Beziehung zu bekennen, Verantwortung zu übernehmen, das Leben auf eine langfristige Beziehung zu zweit auszurichten. Dafür steht "Ja, ich will" und "Von nun sind sie.."


    Aber ist das eine Form von Leid? Leid beginnt doch, wenn sich Menschen verändern und auseinanderleben, wenn man Single und Ehemann zugleich sein will oder man eigentlich ein monastisches Leben anstrebt usw. Ja, Identitäten sind immer problematisch, deswegen sollte man nicht an ihnen haften. Ich sehe auch hier einen mittleren Weg, der sie nicht leugnet (oder glaubt sie überwinden zu können) aber auch nicht an ihnen haftet.

    Das ist auch der Grund, warum das Bild des Regenbogens genutzt wird: Es steht von einem Kontinuum statt Polaritäten. Und das Wort "queer" steht in der Community auch dafür, sich nicht in Schubladen nicht stecken lassen zu wollen. Sie sind nützlich, aber sie passen in den meisten Fällen nicht.

    Wir können aber nicht auf die Label verzichten. In dem Heft schreiben vier Menschen, die sich als nicht-binär definieren, u.a. ein Monastic. Was würde denn passieren, wenn wir auf die Label verzichten? Gerade dieser Aspekt wird unsichtbar. Zurück bleiben nur die Kategorien unser Kultur, die christlich geprägt ist: "Gott schuf den Menschen als Mann und Frau". Für alles andere hat unsere Kultur noch nicht mal Begriffe. Selbst das Wort Homosexualität wurde vor 200 im angelsächsischen Raum erfunden und übernommen, weil wir nichts hatten. Das ist auch die Antwort auf die Frage, was denn eigentlich Norm ist. Es sind ziemlich genau die Dinge, für die wir in unserer Kultur Begriffe haben. Das Heft geht ziemlich gut darauf ein, was in dieser Kultur bekannt ist, etwas bekannt und weitgehend unbekannt. Streichst man Worte, macht man Dinge unsichtbar. Ist das nicht auch eine Form von Verblendung?

    Zitat

    Aber vielleicht gibt es auch noch viele Formen der Diskriminierung, die ich nicht wahrnehme, so dass die öffentliche Demonstration einer von der Norm (welche eigentlich?) abweichenden sexuellen Orientierung oder Identität in Deutschland noch notwendig ist. Kannst Du dazu was sagen?


    Vor ein paar Jahren hätte ich gesagt, dass es queeren Menschen gut geht, wenn sie in einer größeren Stadt leben, schwul oder lesbisch sind, weiß, und mindestens der Mittelschicht angehören. Heute sehe ich das anders. Alle paar Tage liest Du von massiver Gewalt. In den Großstädten werden queere Menschen jedes Wochenende zusammengeschlagen. Wenn Du z.B. als Transgender durch Frankfurt gehst, ist es wahrscheinlich, dass Du auf der Zeil zusammengeschlagen wird. Wenn Du Glück hast, wird Dir nur hinterhergeschrien: "Dich mach ich kalt". Das gesellschaftliche Klima ist rauer geworden. Ich kenne sehr viele Männer- und Frauenpaare, die sich nicht mehr trauen, Hand in Hand durch die Straße zu gehen.

    Es sind die vielen kleinen Reaktionen, deren Verletzungspotenzial uns selbst nicht bewusst ist, die wir aufdecken müssen, damit wir es ändern können.

    Oder z.B. die oft wiederholte Darstellung in den Medien: z.B. Homos in der Regel als etwas durchgeknallte, reichlich bunte Vögel darzustellen.. So was prägt sich einfach ein und führt zur entsprechenden Bewertungen.

    Danke für den Zuspruch.

    Die Idee, zusammen mit anderen queeren Menschen zu praktizieren, entstand ja 2018 nach einer Meditationskurs. 2019 fanden sich dann einige zusammen, die den Gedanken weiter trugen und im Februar 2020 startete das erste Treffen vor einem bundesweiten Einzelmitgliedertreffen der DBU. Und an dem ganzen Projekt sind ja so viele Menschen beteiligt. Und ich glaube, dass allen, die Teil dieser Graswurzelbewegung sind und diese Unterstützen, Dank gebührt. Und das werde ich allen ausrichten.

    Das, was Du schreibst, ist ein sehr wichtiger Punkt. Es sind die vielen kleinen Dinge, mit denen Menschen anderen Menschen das Gefühl geben, nicht dazu zu gehören. Aus "anders sein" wird der "das Andere" - und das ist ein großer Unterschied. Im Englischen ist das deutlicher, denn das heißt es "being different" und "the other". Und das machen wir ständig, wenn wir z.B. die dunkelhäutige Kellnerin, die in Deutschland geboren ist, fragen: "Wo kommst Du denn her?" Und wenn sie sagt "Ich lebe hier" dann kommt die Frage "Wo kommst Du denn eigentlich her?" Das ist harmlos, aber wenn man so etwas ständig, Tag für Tag, hört, dann hat es eine Wirkung.

    Meiner Ansicht ist das Problem, dass wir alle, selbstverständlich mich eingeschlossen, Vorurteile, Vorbehalte haben und verletzten gegenüber anderen handeln. Die Dinge, die Teil unserer kulturellen Prägung sind. Und diese umgibt uns wie die Luft: sie ist unsichtbar aber wir atmen sie mit jedem Atemzug. Wir reproduzieren diese Dinge unseren Handlungen, in unserer Sprache, die für Vieles ja noch nicht mal Worte hat. Und deswegen sehen queere buddhistische Gruppen sich nicht als "die anderen", sondern eher als einen Teil eines engagierten Buddhismus, den es um das Bilden inklusiver Gemeinschaften geht. Das hat Alan Lessik vom Zen Center San Francisco beschrieben. Nicht zu diskriminieren ist ein Teil der Gelübde für Viele - und sie praktizieren das auch im Leben. Ich finde diese Menschen so eindrucksvoll und es zeigt auch, dass die Praxis wirkt.


    Und ich wollte auch Ken aus dem Zen Center San Francisco zu Wort kommen lassen. Für mich waren die Zennies, die zur Zeiten der AIDS-Katastrophe die Hospiz-Bewegung in den Staaten gründeten, immer Helden, die an vorderster Front kämpfen, als das große Sterben begann, die Angst vor Krankheit die Gesellschaft erfasste, Menschen ausgegrenzt wurden. Aber es blieb ja nicht bei ihnen. Was mich so gefreut hat, war, dass auch so viele Dharmalehrende aus Deutschland Beiträge schrieben. Das sind die wirklichen Menschen, die die wichtigen Beiträge geliefert haben. Und ihnen möchte ich danken.

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    Ein buddhistisches Thema wäre dies, wenn es in der Sangha Diskriminierung gäbe - aufgrund welcher Merkmale auch immer. Darüber muss und soll man einen Diskurs führen, Sangha ist inklusiv und wo sie das nicht ist, trägt sie ihren Na,men zu Unrecht. Aber Diskriminierung 'queerer' Menschen nehme zumindest ich nicht als ein Problem insbesondere westlicher buddhistischer Gemeinschaften wahr - und eben dies wird, soweit ich bislang gesehen habe, in dem Heft auch gar nicht thematisiert. Falls doch, bitte ich Ichbinderichbin um einen Hinweis. Jedenfalls - eine Aufteilung in eine Cis - Sangha und eine LBSTQIA+ - Sangha (womöglich eine L-Sangha, B-Sangha, S-Sangha ...) scheint mir ein besonders ungeeigneter Ansatz. Die Werbung für 'queere' buddhistische Gemeinschaften (Sanghen) in dem Heft löst bei mir nur Kopfschütteln aus ...


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    Leider gibt es diese und einiges findet sich im Heft und zwar in den Artikeln "Würdigung statt Diskriminierung" sowie "Sichere Räume schaffen". Und es gibt weltweit noch viel drastischere Beispiele: Bhante Akaliko erhielt z.B. Todesdrohungen, wie er auf Sutta Central schrieb.

    Warum ist dies nicht bekannt? Eine Mehrheit wird niemals die Probleme mariginalisierter Gruppen wahrnehmen, weil sie die Lebenswelten nicht kennt. Das können sie nur selbst und sie werden nur Ernst genommen, wenn sie sich als Gruppe äußern. Das war aber schon immer so: Für Themen wie Nonnenordination muss es ja auch erst Konferenzen von Sakyadhita geben. Und genau das Thema gibt es bei der Ordination queerer Menschen: Im Theravada wird oft teilweise abgelehnt, da man queere Menschen als "Pandaka" identifiziert.


    Aber ist es allein deswegen ein buddhistisches Thema? Die queeren Sanghas haben sich nie primär gegründet, weil Menschen Diskriminierung erfuhren, sondern weil sie mit Menschen mit ähnlichen Lebenssituationen (lass es mich ruhig ähnliches Karma nennen), zusammen praktizieren wollen. Das ist gar nicht mal so etwas Besonderes. Niemand käme auf den Gedanken, die Junge Buddhistische Union, eine Frauengruppe oder was auch immer zu hinterfragen. Bei queeren Gruppen ist das aber die erste Reaktion, die genauso sicher kommt wie das "Namo Tassa" im Theravada.

    Was bedeutet nun "ähnliche Lebenssituationen"? Queere Menschen haben oftmals andere Lebenswelten. Sie haben oft keine Kinder (das Recht zur Adoption gibt es erst seit Kurzem), viele sind einsam manche haben mit der Familie gebrochen usw. Aus diesem Grund gibt es in der queeren Community oft Wahlfamilien. Und hier geht es um spirituelle Freundschaften. Ich staune immer noch darüber, wie sich in dieser schlimmen Zeit der Pandemie queere Menschen online gefunden haben, immer noch gemeinsam praktizieren, Freundschaften entstanden und sich gegenseitig unterstützen. Dies führte zu vielen Aktivitäten wie das Sonderheft, der IQBC, der Gründung von Meditationsgruppen und bald hoffentlich auch einem bundesweiten Treffen. Es geht um ein lebendiges Sanghaleben. Die wichtigsten Themen sind meiner Erfahrung Anwendung des Dharma im Alltag und Engagement - z.B. in sozialen Projekten der queeren Community aber auch allgemein.

    Aber wieso funktionieren die spirituellen Freundschaften eigentlich? Es ist eben so, dass Menschen in ähnlichen Situationen besser zusammen finden, weil sie einfacher Verbindungen spüren. Deswegen gehen meiner Ansicht viele Asiat:innen in asiatische Sanghas, deswegen bilden sich auch Frauengruppen usw. Hier gibt es noch einen Grund und das sind geschützte Räume. Ich will mal zwei Beispiele nennen. Wenn ein nicht-binärer Mensch kommt und bittet, dass das Pronomen "dey" benutzt werden soll, dann schüttelt niemand den Kopf, startet niemand eine Diskussion um "Gendersprache" oder "Identitätspolitik". Wir machen das einfach aus Respekt. Ein anderes Beispiel: Jemand ist intersexuell und sagt, dass er deswegen kommt, weil er nicht ausgefragt wird und sich nicht rechtfertigen muss. In der Sangha, die er sonst besucht, kommen, wenn er das erwähnt, die nächsten 20 Minuten totale Quatschaussagen ("Das ist ja praktisch, dann brauchst Du ja keinen Partner zum Kinderkriegen") oder sehr intime und als unangenehm empfundene Fragen über seinen Körper. In einem sicheren Raum passiert so etwas nicht - es wird niemand ausgefragt, in Frage gestellt und auch nicht der Kopf geschüttelt. Das heißt jetzt nicht, dass in Sanghatreffen über diese Dinge gesprochen wird, aber manche Menschen schätzen es einfach, in einem Raum zu sein, wo dies möglich ist.

    Das größte Missverständnis, dass ich immer wieder erlebe, ist die Befürchtung, es käme zu einer Aufspaltung der buddhistischen Sangha. Es ist immer als ein Angebot für spezielle Menschen. Unter denen gibt sehr viele, die weiter in ihren Sanghas praktizieren und es toll finden, einmal im Monat mit anderen queeren Menschen zu praktizieren. Es gibt wiederum andere, die in ihren Sanghas schlechte Erfahrungen gemacht haben mit Diskriminierung und sich freuen, eine Gruppe gefunden zu haben, in der nicht über sie geurteilt wird. Und dann gibt es wieder andere, die so zum Buddhismus gekommen sind und sehr dankbar sind, dass sie Anschluss gefunden haben und denen wir helfen, eine Richtung zu finden, die ihnen zusagen könnte.

    Interessanterweise war das dem Rat der DBU klar, weswegen er die Regenbogensangha immer unterstützt hat. Er sieht es als eine Bereicherung für Menschen in speziellen Lebenswelten. Ebenso ist es auch eine Chance, dass sich Menschen artikulieren, die sonst nicht vernommen werden. Und es war immer klar, dass sich die Regenbogensangha als Teil der buddhistischen Gemeinschaft sieht und nicht für sich im eigenen Saft köcheln will, sondern sich artikulieren will. Und ich freue mich, dass neben dem Rat der DBU, den Einzelmitgliederversammlungen es so viele Organisationen gibt, die die "Buchstabensanghas" willkommen heißen.


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    Ich habe mir nun das eBook gekauft, dem die ganze Konferenz zugrundeliegt: Secularizing Buddhism


    Ich fand es so spannend, dass ich mich sofort darauf gestürzt habe. Es ist wirklich faszinierend, weil so viele unterschiedliche Stimmen zu Worte kommen. Wir finden vehemente Gegner wie Bhikkho Bodhi aber auch sanfte Befürworter wie Gil Fronsdal. Es gibt tolle Beiträge die den ganzen Säkularisierungsprozess reflektieren und auf Fallen hinweisen. Diese sind versteckt in den ganzen polaren Kategorien modern - traditionell, religiös - säkular, östlich - westlich, authentisch - modern usw. befinden. Es gibt Artikel die sie sehr kritisch mit Stephen Batchelors Werken auseinandersetzen aber auch kritisieren, dass die "traditionelle" Community überhaupt nicht auf seine Kritik einging.

    Ich finde es ein tolles Buch, das ich jetzt gründlich lese. Aber eines kann es schon sagen: Es ist ein sehr akademisches Buch, das einen Aspekt leider nicht reflektiert: Die "Bewegung" säkularer Buddhist:innen entstand ja nicht nur, weil einige Menschen buddhistische Schriften und aus einer religionskritischen / protestantistischen oder wie auch immer gearteten Brille sehen. Viele sind ja lange Zeit in seit "traditionellen" Sanghas gewesen und haben Probleme mit Dogmatik, Hierarchien und teilweise Missbrauch usw. und suchen deswegen eine Alternative. Diese konkreten Bedürfnisse einer anderen Praxis nehmen in dem Buch aber keine Rolle ein.

    Jay Garfield fragte, ob nicht die reine Hilfe ohne Hoffnung auf Verdienste oder eine bessere Wiedergeburt nicht auch eine Motivation sein, die selbstloser sei.

    so hat er das gesagt? Das würde heißen, ein bodhisattva hofft auf Verdienste und bessere Geburt??


    hat jemand vielleicht die Stelle zum nachhören?

    Es geht um dieses Interview: Reincarnation - A Debate With Stephen Batchelor and Robert Thurman Dort sagt Robert Thurman über dem großen Eid des Mahayana, dass er ohne den Glauben an Wiedergeburt unrealisisch sei: "The vow becomes unrealistic, completely unrealistic, and says nothing."


    Jay Garfield widersprach und unterstrich den Wert etwas zu tun, auch wenn man nicht davon profitiert oder weiß, ob das, was man tut, Erfolg hat. Und genau dieser Wert wird durch Robert Thurman leider nicht gesehen.

    Den Vortrag mit Jay Garfield fand ich gut: The Question of Rebirth in Modern Buddhism with Roger Jackson and Jay Garfield - YouTube Er kritisiert Robert Thurman, der sagte, ein säkularer Buddhist könnte kein echter Bodhisattva sein. Jay Garfield fragte, ob nicht die reine Hilfe ohne Hoffnung auf Verdienste oder eine bessere Wiedergeburt nicht auch eine Motivation sein, die selbstloser sei.

    Der Vortrag von Bhikkhu Bodhi war auch bemerkenswert. Was meint ihr?

    Mir ist gerade dazu eingefallen, dass es vor ein paar Monaten oder länger Menschen gab, die verbieten wollten, dass ihre Kinder in der Schule über die Diversität der Menschen unterrichtet werden sollten. :x

    Aber gerade in der Schule müsste man doch - altersgerecht- damit anfangen , aufzuklären, dass es eben nicht nur Mann oder Frau gibt ! Oder nur weiße , nur Nichtbehinderte etc.


    Ich glaube, dass die Kulturministerkonferenz sich mit dem Thema theoretisch auseinandersetzt. Ein Ziel ist gerade der Demokratieerziehung sind "Ambiguitätstoleranz" und "wertschätzender Umgang". Mit Ambiguitätstoleranz ist gemeint. dass Menschen nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien denken. Ich nenne mal ein paar Beispiele für mangelnde Ambiguitätstoleranz:

    • Manche Menschen haben Probleme, sich einen Deutschen mit dunkler Hautfarbe vorzustellen und fragen: "Ok, Du bist Deutscher, aber wo kommst Du wirklich her?"
    • Manche meinen, ein etwas femininer Junge müsse immer schwul sein. Ich kenne Mitschüler, die sehr darunter gelitten haben.
    • Manche meinen, jeder Deutsche mit türkischen Wurzeln und islamischer Religion sei automatisch Vertreter eines konservativen Islams.

    Ich glaube, dass die Freiheit vom Denken in Sterotypen ein wichtiges Erziehungsziel ist. Die Welt ist komplexer als unsere Vorstellungen. Und wir sind es auch. Wenn wir an festen Rahmen hängen, engen wir uns ein.

    Die anderen Themen sind schwieriger. Ich glaube, dass das Thema z.B. in den Biologieunterricht kommen sollte. Manche Dinge sind wirklich wichtig. Ein Dharma-Freund, der intersexuell ist, hat mir mal erklärt, dass er so etwas in der Regel nicht erwähnt (auch nicht in der Sangha), weil dann die nächsten 20 Minuten kommen Fragen wie: "Das ist ja praktisch, dann brauchst Du zur Fortpflanzung keinen Partner..." usw. All diese Dinge muss man mit Feingefühl erklären - und auch in der Schule sollte das der Fall sein. Bzgl. nicht-Binären Menschen ist es schwierig, denn die Wissenschaft weiß wenig darüber.

    Ich glaube, dass am Wichtigsten aber der Respekt ist. Wenn jemand "anders" ist, muss man den Menschen das nicht spüren lassen. Wieso kann man nicht sagen, die Person ist anders, gehört aber dennoch zu uns. Und ja, manchmal gibt es auch Probleme, aber diese Dinge muss man ansprechen. Ich will also sagen, dass meiner Ansicht die Werte das Wichtigste sind bei der Erziehung. Unsere Welt ist so komplex geworden, da müssen wir lernen, mit jeglicher Vielfalt umzugehen, sonst zoffen wir uns nur. Das Thema sehe ich also viel weiter als "nur" sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.

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    Auch von meiner Seite, Dharma Buddy, danke für den Einblick in Deine Sichtweise. Ich kann nicht alles nachvollziehen, muss ja auch nicht sein. Wo mein 'Problem' (kein persönliches, sondern ein Akzeptanzproblem im Kontext buddhistischer Praxis) liegt, wurde vielleicht auch ein Stück weit deutlich - in erster Linie bei der Selbstidentifikation mit Rollen; zugewiesenen und selbstgewählten. Dass das in der 'Szene' auch problematisiert wird, hast Du ja deutlich gemacht, zumindest das war neu für mich.


    Auch, wenn es OT ist - Du hast ja nun selbst deutlich gemacht, dass bei dem von Dir erwähnten 'animitta-samādhi' von einer isolierten Praxis im Rahmen eines Stufenweges (die ich nicht kenne) die Rede war. Eben darum war ich irritiert, dass so etwas von jemandem kam, der sich dem Zen zugehörig fühlt, was ja nun erklärtermaßen eben kein Stufenweg ist. Weil hier OT will ich nicht allzu tief darauf eingehen, aber den Bezug zum Zazen zumindest andeuten. Er leitet sich aus der Übung der tiefen Prajñāpāramitā des Bodhisattva Avalokiteśvara ab (Kanjizai Bosa gyō shin hannya haramita) - es ist ja kein Zufall, dass dieses Sutra im Zen ständig rezitiert wird. Wenn man die Überlieferung eben dieser Übung studiert, findet sich da natürlich auch etwas zum animitta-Aspekt dieser Übung. Speziell aufschlussreich für mich war da das Astasāhasrikā-prajñapāramitā-sūtra, Abschnitt XIX und XX. Muss man aber nicht unbedingt wissen, um Zazen zu üben ... :grinsen:


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    Ich muss mich auch bedanken, dass Du mein langes Geschreibe gelesen hast und auch so gnädig warst, einige von mir blöd oder missverständlich formulierten Dinge gnädig zu übersehen.

    Und ich kann Deine Sichtweise schon verstehen: Wenn man die Community von außen betrachtet, kommt sie einem durchaus seltsam vor mit eigenen Ritualen und Eigenschaften einer typischen Subkultur wie den Fußballfans. Aber das sehe ich nur als einen Teil der Wahrheit.

    Und sollte ich irgendwann das Astasāhasrikā-prajñapāramitā-sūtra lesen, dann komme ich vielleicht auf Dich zu. Aber erst mal sind noch andere Dinge auf meiner Leseliste.

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    Doch kein notwendiges Ergebnis. Dass Selbstakzeptanz - zu lernen, sich selbst liebevoll anzunehmen - ein schwieriger und oft auch schmerzvoller Prozess ist, ist natürlich richtig. Aber es ist ein Unterschied, ob man es bei einem "so bin ich - damit kann und will ich arbeiten" belässt oder ob man daraus ein "ich bin ein Opfer der gesellschaftlichen Umstände" oder auch ein "ich bin queer und stolz darauf" macht.

    Mir ist nicht klar, warum Du lauter Widersprüche aufmachst. Wieso kann man "nicht so sein, wie man ist" und gleichzeitig "Opfer gesellschaftlicher Umstände" sein? Viele Transgender haben sich akzeptiert, wurden aber auch wegen des TSG zwangsgeschieden, zwangssterilisiert und man hat ihnen die Möglichkeit genommen, selbst über ihren Körper und vorzunehmende Maßnahmen zu entscheiden. Beides ist wahr: Man kann Opfer von Umständen sein und sich selbst lieben.

    "Stolz" wird meiner Ansicht in der Community nicht im Sinne von "White Pride" verwendet sondern als Gegenteil von "Scham" und betont Selbstwert. Ich persönlich finde es auch ungeschickt, so etwas so kritisieren. Menschen mit Erfahrung von Marginalisierung müssen meiner Erfahrung diesen Selbstwert erst aufbauen - und das ist dann auch die Basis auf der eine spirituelle Entwicklung möglich ist.


    Sudhana:

    Ich halte von dem Verorten nicht viel. Das mit dem Regenbogen ist ja ein schönes Bild - aber gerade weil es, wie Du richtig schreibst, ein "Kontinuum" ist, welchen Sinn soll da das säuberliche scheiden machen? Zwischen rot und blau, grün und gelb usw. Zwischen "wir" und denen die anders sind. Ist nicht genau das die Wurzel der Probleme, die Menschen so miteinander haben?


    Die Verortung ("Coming Out") ist für sexuelle und geschlechtliche Minderheiten schon wichtig, denn sie ist Voraussetzung für Selbstgestaltung. Ich bringe mal zwei Beispiele: Wenn jemand sich als "schwul" definiert, dann bedeutet das z.B.: "Ich bin nicht krank. Ich habe auch nicht sporadische gleichgeschlechtliche sexuelle Anfälle, sondern ich will emotionale Bindungen zu Männern aufbauen. Ich will eine Partnerschaft, vielleicht sogar eine Familie. Ich will ehrlich mir gegenüber sein, meinen Freunden, meiner Familie, meinen Arbeitskollegen. Mir ist klar, dass dies ein schwieriger Weg werden kann. Aber ich will diesen Weg gehen. Ich will ehrlich sein zu mir und anderen." Wie wichtig das ist, kannst Du z.B. an Menschen beobachten, die das Konzept dieser Identität nicht kennen. Schwule Geflüchtete erzählen mir, dass dies in ihrer Heimat völlig abwegig ist. Es gibt dafür keine Lebensentwürfe, noch nicht einmal einen Namen. Es wird eher wahrgenommen als eine krankhafte sexuelle Energie, die vielleicht etwas wie eine diffuse Bisexualität im Rahmen einer Ehe mit vielen Lügen ist. In so einer Situation müssen sie viele Dinge lernen: "Ich bin OK, wie ich bin. Ich kann meine Entscheidungen treffen und muss das Leben nicht von Unwerturteilen beeinflussen lassen."

    Ich bringe noch ein weiteres Beispiel. Die Wissenschaft nennt das, was transgender, nicht-binär, gender-fluid etc. zugrunde liegt "Geschlechtsdysphorie". Bis vor kurzem dachte die Wissenschaft, dass dies nur bei transgender vorkommt. Nun lernt die Wissenschaft, dass das nicht so ist. Das hat erhebliche Auswirkungen, denn bei der Diagnose "Geschlechtsdysphorie" ist dann die Geschlechtsangleichung (Transition) nicht die richtige Entscheidung. Was nun einem Menschen hilft und was nicht und sogar schädlich ist, müssen die Betroffenen sehr gut verstehen, sonst entscheiden sie sich z.B. für Operationen, die sie später bereuen. Das erfordert auch Stärke, denn sie müssen sich mit Psychologen auseinandersetzten, die das Phänomen teilweise nicht verstehen und ihnen ggf. widersprechen.

    Ich sehe die Verortung deswegen nicht als Problem, sofern sie auf Selbsterkenntnis und Selbstakzeptanz beruht. Und Du kannst auch davon ausgehen, dass die Betroffenen in diesem Prozess viel über sich lernen u.a. Selbstbild als internalisiertes Fremdbild ggf. um Familien- oder Gesellschaftserfahrungen zu entsprechen usw. Und jetzt gibt es noch was zu sagen. Sobald in der Community die Frage nach "Identität" und "Label" gestellt wurde, kam sofort die Gegenreaktion: "Wenn wir sowieso nicht in Schubladen passen, wieso schaffen wir uns neue?" Diese Position ist derjenigen, die sich "queer" nennen das oben beschriebene Vorhaben von sich weisen.

    Diese Diskussion tobt nun seit Jahrzehnten in der Community. Ich persönlich meine, dass beide Seiten gute Argumente für ihre Position nennen - also in beiden Positionen steckt Weisheit. Ich persönlich möchte sie deswegen aber nicht gegeneinander ausspielen. Beide haben ihre Berechtigung und sie müssen sich nicht widersprechen, wenn man z.B. eine Positionierung nicht als endgültig betrachtet, sondern bereit ist, sich diese Fragen immer wieder und wieder zu stellen.

    Es ist geht meiner Ansicht nicht um Abgrenzung, sondern der CSD hat andere Aussagen: Queere Menschen sind gerade nicht die "Anderen", sondern Söhne, Töchter, Onkel, Arbeitskollegen usw. Und wir sind auch keine "Besonderheiten", sondern eben eine Konsequenz der unendlichen Vielfalt, zu der alle(!) gehören. Wir sind doch nur "anders", weil die Gesellschaft in Polaritäten wie Mann - Frau oder heterosexuell - heterosexuell denkt. Natürlich gibt es auch die Polaritäten in der Realität, aber auch das Kontinuum dazwischen.

    Sudhana:

    Das wundert mich jetzt etwas, bei jemandem, der Zen als seine "Richtung" bezeichnet. Ist Zazen nicht die Übung des Weilens im Zeichenlosen? Und gibt es da Anfänger und Fortgeschrittene? Wenn du den Weg gehst, ist es weder nahe noch fern ...


    Ich habe von einer Samadhi-Praxis geschrieben, von der mir Buddhologen gesagt haben, dass sie jenseits der Jhanas liegen soll. Ich habe aber nur kurz gegoogelt und geschlossen, dass es eine stufenweise Praxis ist und wohl völlig außerhalb meiner bescheidenen Praxis liegt. Mir ist jetzt nicht klar, warum Du eine Verbindung zu Zazen ziehst. Kennst Du eine?

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    P.S.: Sorry, dass ich so lange geschrieben habe. Ich komme mir sehr oberlehrerhaft vor.

    Wenn eine Person in einem Retreatzentrum etwas ständig thematisiert, dann hat sie vielleicht ein Problem. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Du kannst helfen oder nicht. Wenn Du es nicht kannst, dann wäre vielleicht ein spezieller Retreat sinnvoll, wo Menschen sich in komplexen Findungsphasen damit beschäftigen. Das ist sinnvoll, denn diese Dinge sind schwierig und die Menschen oft verwundbar.

    Es gibt Möglichkeiten, den Menschen zu helfen. In einem Retreat saßen z.B. Männer auf der einen Seite und Frauen auf der anderen. Als eine nicht-binäre Person ratlos da stand, merkte das der Lehrer sofort und sagte, dass wir heute keine zwei Reihen machen sondern ein U - und alle, die sich nicht auf die Reihe setzen wollen, können die untere Seite wählen. Das war ein starkes Signal: "Du gehörst zu uns und wir sind bereit, die Regeln zu ändern". So etwas ändert dann alles und gab der Person die Möglichkeit, sich sicher und akzeptiert zu fühlen.

    Es ist auch möglich, dies Teil der Praxis werden zu lassen. Im Jodo Shu gibt es Rituale, die Männer und Frauen unterschiedlich ausführen: Die einen gehen mit dem linken Fuß zuerst und die anderen mit dem Rechten. Ein guter Lehrer oder Lehrerin macht das zur Praxis und fragt: Kannst Du im Moment wissen, als was Du Dich fühlst. Dann spüre es uns handle. Aus einem Konflikt wird dann eine Achtsamkeitsübung und letztendlich Akzeptanz des Bestehenden, um Wissen und geistige Freiheit bei inneren Konflikten zu erlangen.

    Zu dem Zitat des Lama bin ich ratlos. Meinte er das wirklich so? Sollten Buddhist*innen sich nicht des Urteils enthalten? Was ist denn schon "normal"? Ich halte das nicht für weise, weil es immer zu Diskriminierung führen kann. Als der Buddha mit Mönchen und Nonnen konfrontiert wurde, die wir heute wohl "transgender" nennen würden, hat er nicht geurteilt. Er hielt auch keinen Dharma Talk über "gutes Karma". Er hörte zu und entschied, dass sie in den Orden des Geschlechts wechseln dürfen, dem sie sich zugehörig fühlen.

    Wir haben alle unser Karma. Wichtig ist, wie wir es nutzen. Ich meine, dass andere Diskussionen ("Frauen sind in diesem Leben Frauen, weil sie schlechtes Karma haben", "Schwule sind schwul, weil sie in einem früheren Leben Ehebruch begangen haben") schädlich sind. Ja, es sind Positionen in manchen asiatischen Traditionen, aber sie führten leider zu Diskriminierung und Leid - und damit zu unserem Karma. Deswegen wäre ich da sehr vorsichtig.

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