Es ist ein Irrtum zu glauben, wenn man hilft, dann löst man Karma auf. Wobei das Verständnis von raterz ja eher ein Schuldenkonto ist. Das ist sicher nicht gemeint, dieses "buddhistische" Auge um-Auge.
Man hilft, weil es notwenig ist. Weil es ein Erfordernis ist. Weil Menschen Hilfe benötigen und andere diese geben können. Nicht um irgendwelche Karmaschulden abzuzahlen. Man hilft aus Mitgefühl. Wer sich zurücklehnt, weil er meint sollen doch die anderen mal, man selbst hätte schon genug getan, dem fehlt das Mitgefühl. Er ist in Bequemlichkeit, Berechnung und Arroganz verstrickt.
Wenn ich auf der Straße liege und bin verletzt und die Leute gehen vorbei, weil "sie haben ja schon genug geholfen", wie soll ich so was nennen?
Ich bin stolz auf dieses Deutschland, dass nach so viel Unrecht aus der Geschichte etwas gelernt hat. Ich bin stolz darauf, dass in diesem Land die humanistischen Werte noch etwas gelten und sich die Mehrheit der Bewohner daran orientiert. Ich bin stolz darauf, dass wir uns nicht einfach zurücklehnen, dass wir auch die Verwerfungen aushalten, die die momentanen Entwicklungen mit sich bringen und darauf, dass die meisten Menschen sich der Komplexität der Probleme bewusst sind und nicht nur nach vermeintlich einfachen Lösungen schreien. Ich bin stolz darauf, dass man in unserer Gesellschaft um Lösungen für Probleme ringt und diskutiert, auch wenn das länger dauert als per ordre mufti.
Und noch was: Das ist nicht "das deutsche Wesen", das sind die humanistischen Werte, die es in ähnlicher Form in allen Kulturen der Erde gibt. Auf diesen Werten beruhen nicht nur das Deutsche Grundgesetz, darauf beruhen die Menschenrechte. Das ist genau der Kern der sog. Christlichen Werte und Kultur, auf die sich gerade einige so sehr berufen und die einige so bedroht sehen.
Und niemand kann mir erzählen, die Blauen seien keine Braunen …