"Zustand des Frisch-Verliebtseins"
"sanftmütig und tolerant, herzlich und offen"
"verschwindet diese Sichtweise auch wieder"
"Die liebende Haltung ist etwas anders"
"Diese Haltung weitet sich automatisch aus und wird zur Gewohnheit."
"sanftmütig, tolerant, herzlich, usw.“ Das erinnert mich an den Zustand der Arbeitslosigkeit. Nicht nur der Partnerschaft hat meine Arbeitslosigkeit immer sehr gut getan. Nur leider (oder glücklicherweise?) war das nie von langer Dauer. Verschwindet dann wieder... (Hat Fromm auch ähnlich beschrieben. Siehe weiter unten.)
Kein Wunder, dass Punkt 5 im Achtfachen Pfad „Vollkommener Lebenserwerb“ existiert. Die Arbeit beansprucht einen Großteil unserer Zeit und prägt uns entscheidend.
Man wird zu dem was man tut. Demnach sollte ich also so tun, als wäre ich ein frisch verliebter Arbeitsloser? Einen „Vollkommenen Lebenserwerb“ kann ich mir nicht leisten.
Kennt jemand eine(n) erleuchtete(n) Büroangestellte(n)? Wenn ja, wie lebt er/sie?
Die Liebe, von der Erich Fromm spricht, ist die unbedingte. Diese war mir schon vorher bekannt
Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst
Bekannt ist mir auch vieles, aber manches hilft mir dennoch nicht weiter.
Auch ein Eunuch weiß, wie‘s geht, sagt man. Zwischen Wissen und Können liegen oft Welten.
Es braucht immer einen Schnipser, damit’s bei mir funkt. Bin dankbar für jeden Schnipser, den ich hier erleben darf.
"Liebe" ist ein ganz schlechtes Wort.
die lästernde Frau die an der Wursttheke beim Rewe arbeitet und immer die Praktikanten schikaniert - kann "Liebe" im Sinn von Fromm einfach bedeuten, dass ich ihr gegenüber wohlwollend und freundlich gegenübertrete und darauf verzichte, sie zu verurteilen und zu verachten.
Ja, ein sehr schlechtes Wort. Und ja, das wäre das Ziel. Aber ihr Karma sorgt leider dafür, dass sie auf jemanden trifft, der sie z.B. verbal anspuckt.
Was die Definition betrifft, hat sich Fromm eh Mühe gegeben.
Fromm:
Der dritte Irrtum, der zu der Annahme führt, das Lieben müsste nicht gelernt werden, beruht darauf, dass man das Anfangserlebnis, „sich zu verlieben“, mit dem permanenten Zustand „zu lieben“ verwechselt. Wenn zwei Menschen, die einander fremd waren - wie wir uns das ja alle sind -, plötzlich die trennende Wand zwischen sich zusammenbrechen lassen, wenn sie sich eng verbunden, wenn sie sich eins fühlen, so ist dieser Augenblick des Einsseins eine der freudigsten, erregendsten Erfahrungen im Leben. Besonders herrlich und wundervoll ist er für Menschen, die bisher abgesondert, isoliert und ohne Liebe gelebt haben. Dieses Wunder der plötzlichen innigen Vertrautheit wird oft dadurch erleichtert, dass es mit sexueller Anziehung und sexueller Vereinigung Hand in Hand geht oder durch sie ausgelöst wird. Freilich ist diese Art Liebe ihrem Wesen nach nicht von Dauer. Die beiden Menschen lernen einander immer besser kennen, und dabei verliert ihre Vertrautheit immer mehr den geheimnisvollen Charakter, bis ihr Streit, ihre Enttäuschungen, ihre gegenseitige Langeweile die anfängliche Begeisterung getötet haben. Anfangs freilich wissen sie das alles nicht und meinen, heftig verliebt und „verrückt“ nacheinander zu sein, sei der Beweis für die Intensität ihrer Liebe, während es vielleicht nur beweist, wie einsam sie vorher waren.
Aber wie oben schon angesprochen: Auch ein Eunuch weiß, wie‘s geht.
Erich Fromm stammt ja aus einer Rabbinerfamilie und von viel von dem was er sagt wurzelt im Glauben.
Das war nicht immer leicht für ihn.
Kurzer Auszug aus:
Im Namen des Lebens.
Ein Porträt im Gespräch mit Hans Jürgen Schultz
(1974b)
Fromm: Ich könnte vielleicht einiges erwähnen, was mir selbst wichtig erscheint. Dass ich einziges Kind von zwei überängstlichen Eltern war, das hat natürlich zu meiner Entwicklung nicht eben positiv beigetragen; aber ich habe im Laufe der Zeit versucht, die Schäden einigermaßen zu reparieren.
Etwas anderes dagegen hat positiv beigetragen oder zumindest war es sehr entscheidend für meine Entwicklung, und das ist meine Herkunft. Ich komme aus einer streng orthodoxen jüdischen Familie mit lang zurückreichenden rabbinischen Ahnen auf beiden Seiten. Ich bin im Geist dieser alten Tradition, das heißt einer vorbürgerlichen, vorkapitalistischen, sicherlich mehr mittelalterlichen als modernen Tradition aufgewachsen. Diese war für mich viel realer als die Welt, in der ich gelebt habe, die Welt des Zwanzigsten Jahrhunderts. Ich bin natürlich auf eine deutsche Schule, aufs Gymnasium gegangen; ich habe studiert und ich habe intensiv teilgenommen an den Ideen, die ich aus der deutschen Kultur geschöpft habe.
Mein Lebensgefühl aber war nicht das eines modernen Menschen, sondern das des vor-modernen Menschen. Das wurde auch dadurch gefördert, dass ich Talmud studiert, dass ich reichlich die Bibel gelesen und viele Geschichten von meinen Vorfahren gehört habe, die alle in einer Welt gelebt haben, die vor dem Bürgertum existierte. Ich erinnere mich jetzt gerade an eine Geschichte, die mir einfällt: Ich hatte einen Urgroßvater, der ein großer Talmudist war. Er war aber nicht irgendwo Rabbiner, sondern [XI-617] er hatte einen kleinen Laden in Bayern, und er verdiente sehr wenig Geld. Eines Tages bekam er ein Angebot, dass er, wenn er etwas reisen würde, etwas mehr verdienen könnte. Er hatte natürlich viele Kinder, und das machte das Leben nicht leichter. Da sagte ihm seine Frau: Würdest du nicht doch vielleicht daran denken, diese Gelegenheit zu nutzen, du wärest ja nur drei Tage im Monat fort, und wir würden etwas mehr Geld haben. Da sagte er: Meinst du, ich sollte das tun und mehr als drei Tage im Monat versäumen zu studieren? Sie sagte: Um Gottes willen, nein, was denkst du! Und es kam nicht in Frage. So hat er den ganzen Tag in seinem Laden gesessen und den Talmud studiert; kam ein Kunde, fuhr er etwas ärgerlich auf und sagte: Gibt es denn keinen anderen Laden? Das war die Welt, die für mich real war. Die moderne Welt fand ich merkwürdig.
Schultz: Wie lange?
Fromm: Bis heute. Ich erinnere mich, als ich zehn Jahre alt war oder zwölf, wenn jemand sagte, er sei ein Kaufmann oder ein Geschäftsmann, dann fühlte ich mich immer verlegen, denn ich dachte: Gott, der muss sich doch schrecklich fühlen, dass er zugeben muss, sein ganzes Leben nichts anderes zu tun, als Geld zu verdienen. Dass das seine einzige Beschäftigung ist! Inzwischen habe ich gelernt, dass das ganz normal ist; aber ich bin immer noch überrascht. Ich bin nach wie vor ein Fremder in der Geschäftskultur oder in der bürgerlichen Kultur in diesem Sinne. Dieses Fremdsein ist eine wichtige Quelle auch dafür, dass meine Einstellung zur bürgerlichen Gesellschaft und zum Kapitalismus äußerst kritisch wurde. Ich wurde Sozialist. Diese Gesellschaft und diese Interessen schienen mir nicht dem zu entsprechen, wofür das Leben da ist. Dies war aber kein großer intellektueller Entschluss, keine Entscheidung. Ich fand das immer schon befremdlich und wunderte mich, wie das eigentlich möglich ist.
[und weiter unten im Text]
Dann war äußerst einflussreich der Buddhismus. Er lehrte mich zu sehen: Es gibt eine religiöse Haltung, die ohne Gott auskommt. Als ich den Buddhismus kennen lernte – das war etwa 1926 – war das für mich eines der größten Erlebnisse. Mein Interesse am Buddhismus ist auch bis heute geblieben. Es wurde später noch bereichert durch das Studium des Zen-Buddhismus, vor allen Dingen mit Doktor Suzuki, aber auch durch viel Lektüre.