Beiträge von Thorsten Hallscheidt

    Normal wird oft mit angepasst, rational und leistungsfähig verknüpft. Wer all das nicht ist, gilt als unnormal. Nun leben wir in einer Zeit, in der viele Erkenntnisse und Gewohnheiten von gestern, heute ihre schädlichen Konsequenzen offenbaren. Wir sind als Gesellschaft gezwungen, wirklich neue Wege zu gehen und die meisten Gewohnheiten, mit denen wir aufgewachsen sind, zu hinterfragen. Unsere Kinder werden in einer sehr anderen Welt leben als wir. Darum ist jetzt vielleicht die Zeit der Unnormalen angebrochen, die Anpassung, Rationalität und den Leistungsbegriff generell infrage stellen.

    Anbei ein beeindruckendes Statement von Erich Fromm zum gesundheitlichen Status der Normalität:


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    Wieso ist es so schwer Dukka zu erkennen ?

    Weil Dukkha darin besteht, das zu machen, was Menschen eben so machen, was Eltern ihren Kindern beibringen, was Lebensratgeber empfehlen: Glück suchen, Leid vermeiden.


    Das wäre in einer beständigen Welt ja auch ein guter Tipp. So aber ist jeder Versuch in dieser Richtung mittelfristig zum Scheitern verurteilt. Der wirkliche Grund für dieses ständige Scheitern bleibt im Verborgenen. Man macht die eigene Unfähigkeit, die Umstände, die Wahl dessen, was glücklich machen soll, das Schicksal, die anderen, die Eltern, die Gesellschaft, die Angst vor dem Tod u.s.w. verantwortlich. Dabei übersieht man leider, dass, selbst wenn all diese Ursachen wegfallen würden, das Glück nicht beständig sein und Leid eintreten wird. Warum? Weil alles unbeständig ist und alles leidbehaftet. Da komme ich nicht raus, egal, was ich auch versuche. So aber kämpft man ein Leben lang gegen falsche Ursachen an, versucht alles so perfekt wie möglich zu gestalten, damit Glück eintreten und Leid fernbleiben kann. Es klappt nicht. Und es klappt deshalb nicht, weil meine Person an Glück wie Leid geknüpft ist. Und das ist der Kern. Ich muss in der Lage sein zu erkennen, dass alle Phänomene ohne Selbst sind, bedeutet: die Verknüpfung lösen, die Person aufgeben. Und das ist unglaublich schwer. Das kommt einem Sterben gleich. Wie sollte ich etwas sterben lassen, dass ich schon das ganze Leben hindurch beschütze und mit guten Gefühlen versorge? Wie sollte ich etwas sterben lassen, wenn ich es bin (ist), der (das) dann stirbt? Es bleibt etwas: Nirwana ist Frieden. Aber das ist schwer zu finden.

    Ganz praktisch äußerte das im jahrhundertelangen Streit (auch in Konzilen) zwischen 'Stufenweg zur Erleuchtung' vs 'plötzliche Erleuchtung' bzw. Lam Rim vs Chan/Zen-Koans. Er wurde nie eindeutig entschieden, wenn gleich die jeweiligen Anhänger das natürlich jeweils anders sehen. Beobachtbar ist aber, dass beide Linien bemerkenswerte Buddhisten hervorbrachten.

    Und bei beiden Linien spielen die Sila eine besondere Rolle. Auch im Zen haben und nehmen wir die Gelübde (Kai):


    Die zehn Kai sind:

    1. Nicht töten
    2. Nicht stehlen
    3. Nicht die Sexualität missbrauchen
    4. Nicht lügen
    5. Nicht maßlos sein mit Essen und Trinken
    6. Nicht selbstgefällig oder überheblich sein
    7. Nicht geizig oder habgierig sein
    8. Nicht wütend werden
    9. Nicht dogmatisch sein
    10. Nicht Buddha, Dharma oder Sangha missbrauchen

    Ich denke, dass diese Regeln auch deshalb grundlegend für die buddhistische Praxis sind, weil die meisten Menschen erst einmal grob Ordnung schaffen müssen in ihrem Leben, um Frieden genug zu finden, den Weg der inneren Einkehr zu gehen. Zumindest ging es mir so. Das Leben wird einfacher und friedlicher, je mehr die Sila mein Handeln motivieren.


    Zum Anderen sind die Sila aber auch die unmittelbare Konsequenz aus einer der grundlegenden Lehren des Buddha: Das Verständnis des Zusammenhangs von Ursache (meinen Handlungen) und Wirkung (der Art der Existenz, die ich erlebe), und aus dem Bewusstsein der Verbundenheit mit allen Wesen. Verbundenheit hier nicht oder nicht nur: Ich hab euch alle lieb. Sondern eher, wir sind aufeinander bis ins Kleinste hinein existenziell angewiesen. Alles, was ich anderen Wesen an Missbrauch, Gewalt oder Ausbeutung antue, kehrt wie ein Echo zuverlässig und sicher zu mir zurück.


    Das ist anders als beim Wecker, denn hier bin ich es, der etwas nicht tut (Nicht töten, stehlen, lügen, etc.), und damit weniger negative Ursache-Wirkung-Ketten in Gang setzt. Das verändert mich, meine Erfahrungswirklichkeit und meine Mitwelt.

    Diese Beobachtung habe ich auch schon gemacht, aber man muss aufpassen, wem man da was mitteilt.... ;)

    Wenn die "anderen Wege" rational nachvollziehbar sind (z.B. Fliegennetze, spez. Hautlotionen, etc.), finden sie sicher schnell Nachahmer, schwierig wird es, wenn man versucht, zu vermitteln, dass eine friedlich - wohlwollende, akzeptierende Haltung auch Effekte haben kann - schwupps, ist man von manchen als Esoteriker abgestempelt...

    Esoteriker? Na, warum nicht auch das... ? (:


    Es gibt aber für alles eine rationale Erklärung. Nur, dass wir in manchen Fällen noch zu wenig wissen, um die rational erklärbaren Ursachen für "esoterische" Phänomen zu finden. Vor 500 Jahren erklärte man sich die Pest mit dem bösen Blick, dem Teufel, den Juden oder giftigen Dämpfen. Heute wissen wir um Bakterien und Viren. Was werden wir in 500 Jahren alles wissen?


    Ich glaube, die Mücken stechen weniger, weil ich nicht mehr so viel rummfuchtel und ergo nicht mehr so viel schwitze, was dazu führt, dass weniger Milchsäure auf meiner Haut entsteht, die üblicherweise Mücken besonders anzieht. Antibrumm tut ein Übriges.


    Aber vielleicht ist es ja auch die Aura friedlicher Demut (kurz AfD), die die Mücken überzeugt, auch den Weg des Buddha einzuschlagen. :lies: :taenzerin: :party:  :P

    Wenn ein Nazi zu mir kommt und fragt, ist das ein Jude? Soll ich dann die Wahrheit sagen? Eins der vielfachen Beispiele, dass sich das "moralisch richtige" nicht in irgendwelchen Geboten einfangen lässt.

    Wie ich weiter oben schon schrieb: Es geht hier ganz und gar nicht um moralische Werturteile. Wenn Ethik, die eigentlich auf das Gedeihen und das Glück der Wesen ausgerichtet ist, mit Gier und Hass in Verbindung gerät, kommt oft Moral dabei heraus. Es gibt aber eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen dem Einhalten der Sila und dem Wohlergehen aller Wesen, einschließlich und nicht zuletzt meiner selbst.


    Die Sila sind keine blinden Gebote, deren Einhaltung einen Selbstzweck darstellt. Es geht dabei immer um das Wohl aller Wesen. Wenn ich also das Leben eines Menschen gefährde, indem ich nicht lüge, sind Schweigen und natürlich auch die Lüge möglicherweise notwendig und die bessere Wahl.


    Die Sila entheben mich nicht der Verantwortung. Aber es kann ein Zeichen der Verantwortung sein, wenn ich die Sila einhalte, sofern es dem Wohle aller Wesen dient. Ich sage absichtlich Wesen, weil ich das Leben von uns Menschen nicht trennen kann von den anderen Mitwesen, die die Basis unseres Lebens ausmachen.


    Zudem hat das Einhalten der Sila nicht zuletzt auch einen Effekt auf mein Leben. Es ist wahrscheinlich unerheblich, ob ich nun eine Mücke erschlage oder nicht (außer für die Mücke natürlich). Aber es macht für mich einen großen Unterschied, ob ich das tue oder nicht, denn ich verändere darin meine Haltung, und die wiederum verändert die Art und Weise, wie ich die Welt erfahre. Das ist meiner Ansicht nach der entscheidende verändernde Prozess, der das Einhalten der Sila so besonders macht.

    Ich habe mir vorgenommen direkter zu kommunizieren, heißt nicht des Friedens Willen mit Menschen Dinge zu reden, wo ich es anders meine. Es nervt mich mittlerweile nicht das sagen zu können, was ich denke nur um eine Harmonie aufrechtzuerhalten oder einen Kontakt.

    Wenn Du Dir bewusst bist, dass Deine Sichtweise nur eine Mögliche unter vielen ist, und die Sichtweisen der Anderen auch ihre Berechtigung haben, so kannst Du mit Respekt und Wertschätzung mit der anderen Seite Argumente austauschen. Auf diese Weise wird Offenheit auch den Frieden nicht gefährden. Harmonie besteht ja gerade darin, Vielfalt aus Meinungen und Lebensentwürfen als Teile eines lebendigen Ganzen zu bewerten. Wenn ich allerdings der Auffassung bin, dass nur ICH die richtige Sicht auf einen Sachverhalt habe, und andere Sichtweisen nicht gelten lasse, so wird Widerstand und Streit die Konsequenz sein. Wenn ich anderen Menschen einfach meine Wahrheiten vor die Füße kotze, ohne mich darum zu scheren, ob ich sie damit verletze, ausgrenze, erniedrige, bloßstelle oder überfahre, hat das mit rechter Rede nichts zu tun. Eher mit Hybris.


    Meinungen sind allerdings keine Fakten. Die Bedeutung von Meinung nimmt radikal ab, wo sie beginnt Fakten entgegenzustehen. Darum ist es gut, faktische Argumente zu nutzen, um andere Menschen von einer Sichtweise zu überzeugen. Fakten haben eine große Schwerkraft. Mit ihnen kann man manche gefühlte Wahrheit auf den Boden bringen, ohne gleich einen Streit vom Zaun zu brechen. Es kostet hingegen Mühe und Arbeit Fakten und Meinungen immer sauber zu trennen.

    Hendrik

    Müssen, sollen implizieren ein moralisches Werturteil. "Wenn du die Sila nicht einhältst, dann bist du ein schlechter Mensch und hast als Strafe eine schlechte Wiedergeburt zu erwarten."


    Hingegen ist die Feststellung einer Ursache-Wirkung-Beziehung frei von den Kategorien Schuld und Strafe. Ursache und Wirkung beziehen sich einfach auf das Ergebnis, das ich zu erwarten habe, wenn ich mich auf eine bestimmte Weise verhalte. Beispiel: Wenn ich auf vergängliche Phänomene mein Glück baue, dann ist Leiden vorprogrammiert. Oder: Wenn ich ständig lüge, werde ich immer größere Probleme mit meiner Umwelt bekommen. Menschen werden mir nicht mehr vertrauen und meine Gesellschaft meiden.


    Das sind keine moralischen Beziehungen zwischen Tat und Ergebnis, sondern kausale.

    In Nuks verlinktem Text steht das Wort: Zwischenträgerei, ein alter deutscher Ausdruck, der folgendes bedeutet:


    Zitat

    in Zwischenträger ist ein solcher, der es mit zwei Parteien zugleich hält und zwischen beiden das, was er in Erfahrung gebracht, gewöhnlich ausspioniert hat, hin und her trägt. Auch wenn jemand das, was über eine Person in deren Abwesenheit Übles gesagt worden ist, dieser hinterbringt, so nennt man das Zwischenträgerei.


    Quelle

    Also jemand, der gerne zwischen Parteien Unfrieden sät, indem er oder sie Gerüchte oder unbedachte Worte der jeweils anderen Seite hinterbringt.

    Wenn Du in soziale Medien schaust, findest Du viele Beispiele für falsche Rede. :grinsen:


    Nachtragerei ist meiner Vermutung nach die Substantivierung von "nachtragend sein". Allerdings habe ich das Wort in Deiner Quelle aber auch im Duden nicht gefunden. Dafür folgende Passage in einem anderen Sutra:


    Zitat

    Falsche Rede gewahrt man als falsche Rede, rechte Rede gewahrt man als rechte Rede: das gilt einem als rechte Erkenntnis. Was ist nun, ihr Mönche, falsche Rede? Lüge, Verleumdung, barsche Worte, Geschwätz: das ist, ihr Mönche, falsche Rede. Was ist nun, ihr Mönche, rechte Rede? Rechte Rede, sag' ich da, Mönche, ist doppelter Art. Es gibt, ihr Mönche, eine rechte Rede, die wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist; es gibt, ihr Mönche, eine rechte Rede, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für eine rechte Rede, die wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist? Lüge vermeiden, Verleumdung vermeiden, barsche Worte vermeiden, Geschwätz vermeiden: das ist, ihr Mönche, eine rechte Rede, die wahnhaft, hilfreich, zuträglich ist. Was aber ist es, ihr Mönche, für eine rechte Rede, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist? Was da, ihr Mönche, im heiligen Herzen, im wahnlosen Herzen, das sich auf heiligem Wege befindet, heiligen Weg vollendet, eben den vier Arten übler Rede gegenüber sich abneigen, wegneigen, hinwegneigen, abwenden ist: das ist, ihr Mönche, eine rechte Rede, die heilig, wahnlos, überweltlich, auf dem Wege zu finden ist. Da ist man eifrig bemüht falsche Rede zu verlieren, rechte Rede zu gewinnen: das gilt einem als rechtes Mühn. Besonnen läßt man falsche Rede hinter sich, besonnen gewinnt und erreicht man rechte Rede: das gilt einem als rechte Einsicht. So haben sich einem diese drei Dinge um die rechte Rede aneinandergereiht, aneinandergeschlossen, nämlich rechte Erkenntnis, rechtes Mühn, rechte Einsicht.

    ist unangemessen, denn Fortschritt bezieht sich auf eine Relation - auf das, was war oder auf das was noch sein soll - . Auch wenn einer denkt, es zeige sich eine Verbesserung, so kann das schon im nächsten Moment alles wieder futsch sein, wegen des Dünkel z.B.

    Ich bezweifle das. Natürlich geht es im Buddhismus auch darum, Fortschritte zu machen, was bedeutet, unabhängiger von Gier und Hass zu werden. Wenn ich nirgendwo hin möchte, werde ich auch nirgendwohin kommen. Dieses Zen-Denken, dass alleine schon der Wunsch nach Fortschritt den Fortschritt verunmöglicht, halte ich für nicht zutreffend. Natürlich möchte ich, dass ich mich verändere, das sich mein Leben verändert, wenn ich den buddhistischen Weg einschlage. Ich habe die Erfahrung von Leiden in verschiedenster Art gemacht, und suche nach einem Ausweg daraus. Alles an der Lehre des Buddha weist in diese Richtung: Veränderung von Sichtweisen, Lebensweisen, Gewohnheiten zum Heilsamen hin.


    Als ich gerade im Netz nach den beiden Begriffen Fortschritt und buddhistische Praxis suchte, fand ich diesen Artikel, dessen Inhalt ich hilfreich für die Praxis finde. -> Klick

    Mir ist aufgefallen, dass wir hier im Forum oft über vergleichsweise theoretische Dinge schreiben. Gibt es ein Ich, gibt es die Wiedergeburt, wer ist erleuchtet und was bedeutet das? Fraglos interessant. Dabei sind nach meinem Eindruck die Skeptiker in der Überzahl... zumindest, was die angeht, die sich häufig äußern. Das ging in der letzten Zeit so weit, dass ich mich fragte, ob es eigentlich noch viele praktizierende Buddhisten hier gibt.


    Buddhismus ist eine unglaublich lebendige (nicht nur lebensnahe) praktische, an den Alltag gebundene Lehre. Da geht es um mein Verhältnis und mein Verhalten bezüglich der lebendigen Welt um mich herum. All die Theorien der verschiedenen buddhistischen Schulen, was denn die Welt oder der Geist sei, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Ich denke, das liegt daran, dass sie mein Leben nicht wirklich verändern können.


    Buddhismus ist auch nichts, das nur diffuse Tipps gibt, um mich fitter, erfolgreicher, konzentrierter zu machen. Ich denke, der Buddhismus ist in seiner Basis sehr rigoros, seine Forderungen an Selbst- und Welterkenntnis, vor allem aber an konsequentes Handeln, das sich daraus ergibt, sind keine Verhandlungsmasse auf Lustbasis.


    Die Sila habe ich lange unterschätzt, weil ich dachte, dass Meditation und Erkenntnis die eigentlichen Schlüssel zur Lehre des Buddha seien. Warum soll ich mich da mit den Grundlagen abgeben, die noch dazu so realitätsfern, lust- und lebensfeindlich erscheinen?


    Nicht lügen? Come on... im Alltag nicht umsetzbar. Nicht nehmen, was nicht freiwillig gegeben wird? Wie soll ich da noch konsumieren? Sexuelles Fehlverhalten? Was soll das denn sein? Gehören Pornos im Netz auch dazu? Nicht Töten... und die Mücken, die mich zur Weißglut bringen? Irgendwann muss auch mal Schluss sein.


    In der Praxis gibt es aber tatsächlich nichts, was mein Leben mehr verändern würde. Nicht, dass ich es schaffen würde, die Regeln konsequent einzuhalten. Aber schon die geringen Fortschritte erzeugen ein enormes Potenzial an Veränderungen zum Positiven hin – mehr als jedes Buch über buddhistische Philosophie oder jeder 10-Tages-Retreat.


    Nicht Lügen... das habe ich völlig unterschätzt. Es ist eine Übung, die viel Mut und Mühe erfordert. Sie macht das Leben nicht gerade leichter... vor allen auch das Lügen vor sich selbst oder die Notlüge, die Massen von kleinen Lügen, die man tagtäglich nutzt, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. Wenn ich weniger lüge, bin ich zu viel konsequenterem und durchdachterem Handeln gezwungen. Menschen beginnen mir auf neue Weise zu vertrauen. Ich bekomme mehr Verantwortung.


    Nicht töten. Das hat auch viel damit zu tun, die eigene Wut und Aggression oder die eigene Ignoranz und Gleichgültigkeit zu sehen. Warum eine Mücke erschlagen? Klar, jetzt kommen die Argumente mit übertragbaren Krankheiten etc.. Es gibt auch andere Wege. Mich stecken kaum noch Mücken, seit ich sie nicht mehr erschlage. Ich habe andere Wege gefunden und die Tiere lassen mich in Ruhe. Nicht mehr zu töten heißt für mich vor allem, andere Wege zu finden, mit meiner Wut und der Natur, mit den Mitlebewesen umzugehen. Das ist mir als Mensch vorbehalten... Tiere haben diese Wahlmöglichkeit gar nicht. Apropos Wahlmöglichkeit: Ich empfinde es heute häufiger als Akt der Freiheit, mir selbst Regeln geben zu können. Das war früher sehr anders, weil ich jede Regel als Zumutung empfunden habe.


    Sexuelles Fehlverhalten. Wie viel von meinem Denken und Handeln macht einen anderen Menschen zum Objekt für meine Begierden? Ich habe mir früher nicht sonderlich viele Gedanken darüber gemacht. Auch ich werde ja zum Objekt für andere. Aber auch hier: Ich habe eigentlich die Wahl, es anders zu machen. Sexuelles Fehlverhalten beginnt für mich da, wo ich aufhöre, den Menschen im Gegenüber zu sehen, hat also nichts mit irgendwelchen Sexualpraktiken zu tun. Da ist sicherlich gut und richtig, was allen Beteiligten guttut, ohne in Abhängigkeit oder Ausbeutung zu geraten. Die Gleichberechtigung ist eine Konsequenz aus dem Abstehen von sexuellem Fehlverhalten.


    Verzicht auf Drogen und Alkohol. Das war für mich anfangs fast undenkbar. Die Spaßbremse auf jeder Party, puritanische Genussfeindlichkeit. Wie soll ich ohne ein gutes Glas Rotwein, ohne das Bier am Lagerfeuer je ein gutes Leben führen. Und immer nüchtern? Tagein, tagaus, Woche für Woche, Monat für Monat? Grauenvolle Vorstellung und nicht auszuhalten. Und auch dieser Schritt verändert das Leben in für mich vorher kaum erwartbaren Maße. Und jetzt, nach fast 15 Jahren vermisse ich Alkohol und Drogen nicht mehr. Meine Bekannten kennen diese Schrulle mittlerweile, und ich muss mich nicht mehr dauernd rechtfertigen.


    Aber das Leben ist nicht nur besser, es ist auch in manchen Facetten etwas strenger, vielleicht auch eintöniger geworden. Sex, Drugs und Rock'n'Roll habe schon eine betörende Leichtigkeit. Ein Ich, das sich gedankenlos über alle Grenzen hinweg ausbreitet, bedingt zugleich auch eine vielleicht besonders der Jugend eigene, berauschende Lebendigkeit, die Teil des Lebens sein muss, damit man zumindest weiß, was man hinter sich lassen möchte und warum. Ein Buddha wäre vielleicht auch kein Buddha geworden ohne vorher sich an Weib, Wein und Gesang völlig gesättigt zu haben. ;)

    Bitte nicht vergessen. Bud. Ethik ist ein Übungsweg. Kein „Du musst!“, „Du sollst!“, „Du darfst nicht!“, sondern „Mögest du…“

    Mögen, sollen, dürfen... Wie steht es mit Ursache – Wirkung? Wenn keine Sila, dann kein Fortschritt in buddhistischer Praxis – wertfrei, so wie: kein Licht – kein Pflanzenwachstum.


    Wenn diese Grundlage im Grunde zu vernachlässigen, nicht verbindlich ist, warum spielt sie im Buddhismus so eine große Rolle?

    Oder ist das nur Produkt einer moralinsauren Grießgrämigkeit?


    Das steht im Palikanon dazu: ->Klick


    Zitat

    Zuerst gibt da ein edler Schüler das Töten lebender Geschöpfe auf und tötet nicht mehr. Indem er das tut, gibt er unzähligen Lebewesen die Gabe der Freiheit von Furcht, Feindschaft und bösem Willen. Und auch er selbst genießt grenzenlose Freiheit von Furcht, Feindschaft und bösem Willen. Das ist die erste Gabe, die ein großes Opfer ist, ursprünglich, lange bestehend, herkömmlich und alt. Sie ist unbefleckt, wie sie von Anfang an war, sie wird jetzt und in Zukunft nicht befleckt werden. Sie wird von vernünftigen Asketen und Brahmanen nicht verachtet. Das ist die vierte Art von überfließendem Verdienst …

    Dann gibt da eine ein edler Schüler das Stehlen auf und stiehlt nicht mehr. … Das ist die fünfte Art von überfließendem Verdienst …

    Dann gibt da ein edler Schüler das Begehen sexueller Verfehlungen auf und begeht keine sexuellen Verfehlungen mehr. … Das ist die sechste Art von überfließendem Verdienst …

    Dann gibt da ein edler Schüler das Lügen auf und lügt nicht mehr. … Das ist die siebte Art von überfließendem Verdienst …

    Dann gibt da ein edler Schüler das Trinken von Alkohol auf, der nachlässig macht, und trinkt keinen Alkohol mehr. Indem er das tut, gibt er unzähligen Lebewesen die Gabe der Freiheit von Furcht, Feindschaft und bösem Willen. Und auch er selbst genießt grenzenlose Freiheit von Furcht, Feindschaft und bösem Willen. Das ist die fünfte Gabe, die ein großes Opfer ist, ursprünglich, lange bestehend, herkömmlich und alt. Sie ist unbefleckt, wie sie von Anfang an war, sie wird jetzt und in Zukunft nicht befleckt werden. Sie wird von vernünftigen Asketen und Brahmanen nicht verachtet. Das ist die achte Art von überfließendem Verdienst …


    Ich denke, auch ein Fortschritt in der buddhistischen Praxis bleibt ohne Sila aus.

    Ich denke, die Frage nach dem Freien Willen ist ungefaehr so in ihrer Art, wie jemand behaupten koenne, 'sie lebe', obwohl sie im Kern aus Molekuelen, also 'toten Teilchen' besteht. Wer das abstreitet, mh, der macht sich was vor. Ja sicher, jede/r fuehlt sich wohl als was Besonderes - in Abgrenzung zu einem Stein etwa.

    Auf der kleinsten Ebene (jenseits noch von Molekülen und Atomen) findet sich nur noch Energie und Bewegung. Und was anderes ist das Leben? Tot ist da nichts. Und die Kausalität? Selbst da ist auf kleinster Ebene nicht alles so eindeutig, dass man von einem hermetischen Determinismus ausgehen könnt


    Physik: Kausalität in der Quantenwelt
    In unserer Welt ist ein Ereignis stets entweder die Ursache oder die Wirkung eines anderen, doch auf Quantenebene trifft das nicht immer zu
    www.spektrum.de

    Weiter- (nicht wieder-)geboren wird das Geisteskontinuum, in dem immer wieder die Illusionen von Welt, Person, Geburt und Tod mit allen darin befindlichen Formen von Leiden, Glück und sonstigen Verstrickungen entstehen und vergehen. Diese Wolken sind so dicht und gewohnt, dass wir sie für die Welt halten, sie können aber auch kleine Lücken aufweisen, hinter denen das Erwachen kurz aufscheint, oder im Erwachen ganz vergehen. Das Geisteskontinuum selbst hat weder Anfang noch Ende. Die Person und die Vorstellungswelt eines "Gottes" in einer "Himmelswelt" entspricht einer besonders dichten Bewölkung: Das sinnliche Glücksempfinden ist so umfassend, dass ein Zweifel oder ein Wunsch nach Befreiung aus diesem Zustand gar nicht erst entstehen. Im Vergleich zu früheren Jahrhunderten, leben viele von uns in einer solchen "heilen" Welt. Auch in der Welt der Hungergeister sind die Wolken sehr dicht. Das Elend ist so groß, dass kein Gedanke an Befreiung, jenseits von Wünschen und Wollen, aufscheinen kann, denn alles ist von Leid, Mangel, Begierde und Hass bestimmt. Auch diese Form von Schicksal gibt es in unserer Menschengegenwart. Auf der Basis der Sila kann ich zu einer Existenz finden, die Raum lässt, sodass sich Lücken zwischen den Wolken auftun können. So eine Lücke ist entscheidend, um die Wolken (meine Vorstellungen von Ich und Welt, meine Wünsche und Begierden, das ganze Samsara eben) überhaupt erst als etwas zu erkennen, das etwas anders verbirgt, und diese Wolken eben nicht für die letztliche Wirklichkeit zu halten. Allerdings sind diese Lücken nicht verfügbar. Diese Unverfügbarkeit ist der Grund dafür, dass Wollen diese Erfahrung sogar völlig unmöglich macht. Ich kann die Wolken nicht aufreißen wollen, weil dieses Wollen nur eine weitere Verdichtung der Wolken erzeugt. Ich kann lediglich alles Wollen und Wünschen loslassen, und so die Voraussetzungen schaffen, dass sich irgendwann vielleicht der Himmel öffnet. Das kann Jahre dauern – oder nie geschehen. Das Nicht-Wollen ist sehr einfach und extrem schwierig zur gleichen Zeit. Wenn es nicht gelingt vor dem Tod, ist ein Weitersein in himmlischen Gefilden vielleicht eine kleine Erlösung. Das Erwachen ist unter zu positiven Lebensumständen aber nur schwer zu finden. Daher wahrscheinlich auch der milde Tadel des Buddha.

    Was gibt es anzustreben, zu behalten, wenn in der Menschenwelt schon alles ist.

    Auf der Höhe des Überflusses wird deutlich, dass alles auf tönernen Füßen steht. Je größer der Wohlstand, desto größer die (meist unbewusste) Angst und auch die Wut, dass nichts bleiben wird. Darum fangen wir auch umso mehr an zu nörgeln, je "besser" es uns geht. Die Stimmung derzeit in Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür. Die Befriedigungen der (Menschen-) Welt sind Schaum. Brauche ich wenig, habe ich nicht viel zu verlieren, bis ich irgendwann nichts mehr zu verlieren habe: Dann habe ich hier nichts mehr verloren.

    Das Bewusstsein der Wandelbarkeit zeigt auch, dass alles, was zurzeit gut und hilfreich ist, auch ganz anders sein könnte. Ich gehe zum Wasserhahn und trinke ein Glas Wasser. Das bedeutet, ich kann gehen und bin nicht schwer krank oder gelähmt. Es gibt einen Wasserhahn, und ich muss nicht weit laufen zu einem Bach oder Brunnen. Das Wasser ist trinkbar, dass ich nicht krank werde, wenn ich es trinke. Ich kann trinken, meine Speiseröhre und mein Mundraum sind funktionsfähig und nicht z.B. von Krebs zersetzt. Das ist alles sehr gut und keinesfalls selbstverständlich, Produkt guten Karmas, Produkt von unzähligen positiven Ursachen und Umständen, basierend auf der Mühe und der schieren Existenz unzähliger Wesen. Das Bewusstsein von Unbeständigkeit kann zu tiefer Dankbarkeit führen, tut es hingegen nur selten, weil all das Gute zu sehr schon das Gewohnte ist, das zumeist Leere und Unzufriedenheit hinterlässt. Wie nutze ich den Reichtum und all die positiven Ursachen und Umstände für mich und andere? Nutze ich all das überhaupt?


    Mir ist aufgefallen, bei mir und anderen, dass es den meisten, die ich kenne, zumindest bezüglich der äußeren Umstände nur wenig besser gehen kann, als es ihnen und mir zurzeit geht. Das wird deutlich, wenn ich mir im Vergleich zu den Möglichkeiten der Verbesserung die potenzielle Masse dessen bewusst mache, was alles deutlich schlechter sein könnte – in meinem privaten Leben, aber auch in unserer Gesellschaft oder in der Welt. Wie mag diese Relation sein? Ein zu Tausend? Eins zu einer Million? Es gibt im Vergleich zu all dem, was an Schlimmem, Schmerzhaftem und Traurigem möglich ist, nicht viel, was noch besser sein könnte. Und dennoch überwiegen bei weitem die negativen Bewertungen unsere Gegenwart. Wenn ich online-Zeitung lese, um mich über das Geschehen in der Welt zu informieren, lese ich so gut wie nie von Dankbarkeit über das Bestehende, denn das würde gute Nachrichten hervorbringen. Stattdessen lese ich nur von Gefahren, Missständen, Bedrohungen, Unzufriedenheiten, etc.. Es gibt keinen verbrieften Anspruch auf Glück, Wohlstand und Gesundheit, für niemanden. Wie nutze ich dieses unglaubliche Potenzial? Wie komme ich dazu, auch nur einen Augenblick zu jammern?

    Auch ich kenne Angst und Trauer besser als ich mir wünschen würde... :|


    Ich las letzthin bei Ṭhānissaro Bhikkhu: Sowohl Glück als auch Leiden sind Tätigkeiten. Nicht schön zu hören, vor allem bei Leiden, da ich mich lieber als Opfer des Leidens denn als Täter begreife. Die Erkenntnis, dass mein Leiden (meine Angst, meine Frustration, meine Langeweile) Taten sind (und nicht nur das Ergebnis meiner Taten), hat meinen Blick auf diese Zustände verändert.


    Durch das, was und wie ich es tue, färbe ich mein Erleben. Mein Erleben motiviert mein Tun. So kann ich mich langsam aber stetig an den Haaren aus dem Sumpf ziehen – oder mich tiefer in den Sumpf verstricken. Angstzustände und düstere Gedanken sind auch Gewohnheiten, die sich nur langsam ändern lassen (aber sie lassen sich ändern!), indem ich bewusst (achtsam) den trägen Kahn meines Geistes motiviere, andere Dinge anders zu tun (z.B. zu konsumieren -> Medien, Speisen, Menschen, Gedanken, Bewegungen, Nachrichten, etc.) und zu lassen. Was, von dem, was ich tue, sage, denke, ist heilsam, was ist unheilsam für mich und die Wesen um mich herum.


    In meinem Leben ist es hilfreich, jeden Morgen buddhistische Texte zu lesen, wenn die Düsternis mal wieder überhandnimmt – uns auch sonst. Das gibt dem Tag grundsätzlich eine andere "Farbe".


    Hier übrigens eine Seite mit kostenlosen Texten von Ṭhānissaro Bhikkhu

    Also zu Deiner Frage im Titel:


    Hier ist was aus dem Dhammapada:


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    Es gibt an dem, was Du erzählt hast, nichts schönzureden. Und es gibt wahrscheinlich auch keine Möglichkeit, dem Schmerz zu entgehen. Es ist eine namen- und trostlose Sauerei, auch wenn und weil es eine alltägliche Sauerei ist: Alter, Krankheit und Tod. Verlust, Schmerz und Verlassenheit.


    Zitat

    Ich schwanke zwischen Empörung und Apathie. Gefangen in so einer überaus beschissenen Lage als fühlender, liebender und erkennender Geist in einer brennenden Hütte, in einem Schlachthaus, einem Irrenhaus, einem faulenden Haufen Fleisch.


    Höchste Zeit, sich davon abzuwenden – eigentlich – wenn nicht daran noch immer so erstaunlich viel Schönes wäre. Das ist Dukkha: Wider besseres Wissen dem Schönen, dem Begehrenswerten wieder und wieder in den Schmerz und die Angst folgen. Festhalten wollen, was zwischen den Händen zu Staub zerfällt. Aus Schaum Perspektiven des Glücks zimmern.


    Aber ist es nicht undankbar? Ich muss für alles Schöne mit Verlust bezahlen. Aber nur, wenn ich es festhalten will. Wie sollte ich nicht?


    Manchmal tut sich eine Tür auf in eine Wirklichkeit abseits aller Antizipationen des Elends. Denn die Antizipation gibt dem Pfeil seinen Schrecken, das Lamento gibt ihm den empörenden Schmerz.

    Möchte nicht unhöflich sein, aber bitte verschone mich künftig mit solchen Plattitüden, ich weiß, du kannst das deutlich besser.

    :grinsen: Leider nicht.


    Aber Spaß beiseite. Das ist keinesfalls eine Plattitüde, sondern meiner Ansicht nach das Zentrum des buddhistischen Weges.: Sich durch das Dickicht der Theorien, Vorstellungen, Begriffe und Ansichten in die Wirklichkeit kämpfen. Die Scheiben zerschlagen. Wieder Luft atmen. Ins Leben finden. Es gib keine richtigen Ansichten, weil Ansichten per se schon in die Irre, ins Gefängnis, die Leblosigkeit, in den luftleeren Raum führen.