"Alles ist verbunden" bedeutet, dass es in meinem Leben nichts gibt, das nicht von anderem und anderen abhängig ist und hervorgebracht wird. Weder meine Gedanken noch meine Gefühle, weder mein Körper noch Nahrung und Wasser, die ihn hervorbringen, gehören "mir", und sind auch nicht mein Produkt.
Das ist das Gegenteil von jenem Menschenbild, das mit dem Ich einen Geist in der Maschine sehen möchte, dem Sinnesorgane und Gehirn eine virtuelle Realität vorspiegeln. Nach diesem Menschenbild ist der Körper das Gefängnis der Seele, ist das Ich der einzige und ewig einsame Besucher in einem absurden Kino, der kontaktlos einem wirren und leidvollen Film zuschauen muss. Anders im Buddhismus, in dem es keine scharfe Grenze zwischen innen und außen, zwischen Körper und Geist zwischen Subjekt und Objekt gibt. Die Welt bring das Bewusstsein hervor, das Bewusstsein bringt die Welt hervor. Im Wahrgenommenen ist der Wahrnehmende, im Wahrnehmenden ist das Wahrgenommenen. Und das Wahrgenommene findet seinen Ursprung in einem (zeitlich wie räumlich) unendlichen Geflecht, in einem unermesslichen, fließenden, sich stets verändernden Meer von Energien und Strömen, Ursachen und Wirkungen.
"Alles ist verbunden" ist daher auch ein Hinweis auf die generelle Verantwortung für all mein Tun und Denken. Jeder Gedanke, jedes Wort, jede Tat hat einen verändernden Einfluss auf mich selbst und meine Umwelt. Ebenso verändern Bedingungen und Umstände, die andere schaffen, in jedem Augenblick auch "mein" Sein. Andere Wesen sind diesen Bedingungen und Umständen ebenso wie ich ausgeliefert und werden von ihnen bestimmt. Und allein schon diese Erkenntnis (Alle Wesen wollen Leid vermeiden und Glück erlangen) ist die Basis für Mitgefühl und dafür, an den Bedingungen und Umständen für mich und andere etwas zum Positiven (weniger Leidvollen) zu verändern.
Nicht zuletzt haben die meisten Menschen Angst vor dem Tod – der Tod als der ultimative Abgrund, das Nichts, die totale Vernichtung, die totale und ewige Isolation. Aber wie verändert sich der Blick in diesen Abgrund, wenn mir bewusst wird, dass dieser Abgrund mich und alle anderen Wesen hervorbringt wie das Meer die Gischt auf den Kämmen der Wellen, und dass der Tod eine Rückkehr aus der Differenz und dem Getrenntsein in die Einheit und unendliche Potenzialität dieses Meeres bedeutet?