Lieber Andi, Liebe Liili, liebe Diskutierenden,
ich denke schon das jede Kultur, jede Religion ihre ganz pers. Sichtweise und Anforderungen an die Trauer hat. In manchen Kulturkreisen werden Tote jahrelang aufbewahrt um sie in einem Großereignis zu bestatten, mit einer Fülle an Ritualen. In manchen Kreisen muss es sehr schnell gehen. Manchmal tanzen und lachen die Menschen weil sie sich freuen, das derjenige nun erlöst ist bzw. zu den anderen Fam. Mitgliedern gegangen ist. Manche trauern Monatelang. In einigen Kulturen sind laute Wehgeschreie "gern gesehen" weil sie die Trauer und den pers. Verlust gegenüber der Außenwelt darstellen. Das Gegenteil ist die Stille Trauer und es wäre nicht gern gesehen, wenn man dann laut weint oder schreit. Manchmal ist die Kleidung egal, oft wird jedoch auf korrekte Kleidung wert gelegt. In kleinen Dörfern oder Gemeinden in Deutschland sollte man wohl ein halbes bis zu einem Jahr schwarz tragen, es wird eine gewisse Regelmäßigkeit am Grab verlangt. Die Aufzählung lässt sich soooo lang fortführen.
Nur eins ist trotzdem fakt: Innerhalb einer Gruppe gibt es schon Erwartungen wie man sich zu verhalten hat, welche Riten zu befolgen sind etc. Da wird im Vorfeld bewertet, im Nachhinein Monate oder noch länger "nachbearbeitet" ob und wie sich alle verhalten haben. Daraus ergeben sich nicht selten neue Konflikte.
Bei uns und da hat Andi schon recht, wird erwartet das man sich sehr trauernd verhält und je nachdem wo Andi und seine Fam. eingebunden war eben vermutlich noch andere Riten und Verhaltensweisen. Alle trauern, wie kann da jemand lächeln?
An sich ist das alles ein Teil des Sozialen Zusammenlebens und der Zugehörigkeit. Ein Verbindendes Teil der Gemeinschaft.
Was doch jetzt die Frage ist, wie sich alles im Rahmen der Globalisierung und des Auseinander Driften von Familien und Kulturen darstellt. Wie kommen die vielfältigen Sichtweisen zusammen? Weltgewandtheit vs. Zurückgezogenheit? Die eigene Identität: wo gehöre ich eigentlich hin, welche Wurzeln habe ich? Mit welchen Kulturen habe ich Kontakt zu denen andere aus der Gemeinschaft / ehem. Gemeinschaft keinen Bezug oder Kontakt haben. Bin ich wo anders "neu verordert", habe ich "das Alte" hinter mir gelassen und komme doch zurück?
Wo jeder steht, welche Identität, welche Wurzeln, welche Sichtweise? Wo ist die pers. Toleranzgrenze gegenüber dem "anderen / Fremden" Wer mag das schon noch sagen können. Daher finde ich es pers. sehr schwierig einen Rat oder so zu geben. Ich vermag auch keine Vermutungen anstellen können. Einzig, wahrhaft bei sich selbst zu sein scheint mir ein gangbarer Weg zu sein. Ist das möglich kann man sicher in dem ein oder anderen Fall auch Kompromisse zu Gunsten anderer eingehen Je nach dem wie die eigene Kraft und die Möglichkeiten es hergeben.
Begleite ich einen Menschen im beruflichen Kontext, dann kann ich den Angehörigen manchmal sagen, das Ihr Angehöriger nicht allein war in seinen letzten Stunden. Ev. konnte ich sogar noch ein Gebet sprechen (nur wenn ausdrücklich gewünscht und unabhängig von der Religion) oder ihn Erinnern an die guten Taten in seinem Leben. Wenn sie das erfahren, ist es oft ein großer Trost für sie. Auch Wünsche können dem Angehörigen statt einem "Beileid" ausgesprochen werden. Ganz so wie wir es in der Meditation tun: Mögest Du viel Kraft haben, oder ich fühle mit Dir. Wenn unser Herz nicht sprechen kann, dann ist auch möglich die Hände der Angehörigen zu umschließen und damit einfach unser Dasein zu bekunden.
Lieber Andi und alle denen es eventuell gerade ähnlich geht: Seid von Herzen Umarmt.
Daniela
PS: als mein Vater vor über 10 Jahren verstarb, waren alle in schwarz auf dem Friedhof, es hat geregnet, es war kalt. Die Halle war kalt. Die Hände meines Vaters waren kalt. Wer mir damals was gesagt hatte oder nicht, ich weiß es nicht mehr. Ich fand alles nur furchtbar. Trost fand ich keinen. Es hat auch im Nachhinein nie jemand mal gefragt, ob ich mit dem Tod des Vaters zurecht komme. Ich war erwachsen und man verlangte das wohl von mir, man verlangte das von allen. Punkt. Und ich kam tatsächlich lange Zeit nicht zurecht, weil das ein Tabu Thema war über das man selbst innerhalb der Fam. nicht sprach. Nur ein Wort fiel dabei: es ist furchtbar. Wie soll man da was verarbeiten können? Ich wünsche Euch allen von Herzen das es bei Euch nicht so ist. Die Liebe und die Tränen habe ich erst im Dharma wieder gefunden. Und das ist wundervoll.