Beiträge von Schmu

    Um die Diskussion auf den Boden zu holen: Was ist denn für euch absolut wahr und was ist relativ wahr ?

    Relativ wahr ist für mich, dass ich "etwas" bin, das eine Art Anfangspunkt hat, den wir "Geburt" nennen, und eine Art Endpunkt, den wir "Tod" nennen.


    Absolut wahr ist für mich, dass das eine verdammt eingeschränkte Sicht ist. Alleine schon, weil ständig etwas Verändertes geboren wird und stirbt, und ich das die ganze Zeit mit demselben Wort bezeichne: Ich.

    Damit erschaffe ich die Illusion von etwas Fassbarem / Substanziellem, das sich in Wahrheit in ununterbrochener Transformation befindet.

    Das, was Alexander Berzin hier sagt:


    Zitat

    Aber es erfordert sehr, sehr lange Übung, sich mit der Realität vertraut zu machen und die geistigen Blockaden zu durchbrechen. Dafür gibt es die Meditation.


    ... halte ich für sehr wichtig.


    Ohne Meditation ist das nicht machbar. Wer keinen großen Wert auf Meditation / Zazen usw. legt, braucht sich mit "letztendlicher Wahrheit" nicht großartig zu beschäftigen. Das ist dann nicht so wichtig. Sich dem alleine durch Lesen und intellektuelles Verstehen zu widmen, kann nur bis zu einem gewissen Punkt reichen.

    Nur die Kombination mit Meditation macht letztendlich wirklich Sinn. Das liegt daran, dass der Geist selber Teil der relativen Wahrheit ist. Ein Geist, der nicht zur Ruhe kommt und still wird (soweit das möglich ist), bleibt in der relativen Wahrheit "hängen". Das ist nicht weiter schlimm. Nur wird diesem Geist "letztendliche Wahrheit" wie "heiliges Geschwafel" vorkommen.

    Ich finde es gut, dass bei deinem zweiten Zitat steht, dass die Gemütsruhe / Geistesruhe der Einsicht vorangeht. Ich finde auch das Wort Gemütsruhe gut. Ohne Gemütsruhe gibt es keine vernünftige Geistesruhe. Das geht Hand in Hand.


    Ohne ein gewisses Maß an Gemütsruhe kommt es nicht mal dazu, dass ich mich zur Meditation hinsetze. Wenn mein Gemüt "große Wellen schlägt", sagt mein Geist: Meditation hat jetzt keinen Sinn. Mein Geist kommt dann eher zu dem Schluss: Ich lege mich ein bisschen aufs Sofa, ausruhen.


    Es braucht also ein gewisses Maß an Gemütsruhe, aber auch Wachheit.

    Wenn ich mich dann hinsetze und meine Aufmerksamkeit entweder bei meiner Haltung oder meiner Atmung ist, dann bin ich schon mal einen ganzen Schritt weiter.

    Ob es ab da in Richtung weiter zunehmender Geistesruhe geht, wird sich dann zeigen. Mal ja, mal: na ja, hält sich in Grenzen. 🙂

    Schließlich kann sogar Einsicht aus der Geistesruhe hervorgehen. Muss aber nicht. Ich finde das nicht schlimm, ich muss es nicht bedauern, wenn sich nicht irgendeine Einsicht ausgebreitet hat.

    Das häufigere Üben von Geistesruhe begünstigt langfristig sowieso zunehmende Einsicht. Es gibt da nichts zu "forcieren".

    Ok, so hört es sich jetzt insgesamt schon etwas seriöser an.


    Trotzdem bleibt es merkwürdig. Wenn ich Paartherapeut, Traumatherapeut, Verhaltenstherapeut oder Gestalttherapeut bin, dann gehe ich also zu Dr. Matthias Ennenbach für 10 Tage, und danach darf ich mich dann zusätzlich "buddhistischer Psychotherapeut nennen. Das schreibe ich dann auf mein Schild und auf meiner Website in den Werdegang.


    Na ja. Macht bestimmt einen guten Eindruck auf potenziell interessierte Patienten. Willkommen im 21. Jahrhundert. Ein Hauch Buddhismus kann nicht schaden.

    Also, über das Buch kann ich nichts sagen, ich habe es nicht gelesen.


    Aber es kann niemand in 10 Tagen Menschen zu Psychotherapeuten machen. Ist denn der Begriff "Psychotherapeut" derart ungeschützt, dass jemand so eine Ausbildung anbieten darf?


    Da fällt mir nur noch ein: Was darf Satire?

    Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen Rüpel. Aber ich finde, es gibt nicht viele, die auch tatsächlich gut sind in ihrer Rüpel-Rolle.


    Ich kann von einem Rüpel nur etwas lernen, wenn ich nicht nach kürzester Zeit das Gefühl habe, dass er sich vor allem selber verdammt gut gefällt. Es muss auch Substanz haben, was es zu meckern gibt. Sonst unterscheidet sich das nicht großartig von Smalltalk mit meinem Nachbarn, der über alles und jeden gestenreich "ein bisschen was" zu erzählen hat.

    Ich kann mit Guido Keller nichts anfangen.


    Ich habe immer wieder versucht, mir seine Videos anzuschauen. Ich habe keines zu Ende geschafft.


    Was er gut kann, ist, über andere zu reden. Das ist ein bisschen wenig auf Dauer.


    Für mich ist der nichts. Für andere vielleicht schon. So ist für jeden was dabei auf dem großen Wühltisch... 🤓

    Wäre das ein Buddha für dich, dessen Worten du vertrauen könntest? Für mich wäre das eher eine Witzfigur.


    Nein das stimmt nicht.


    Mitleid kommt mir gegenüber einem Menschen auf, der es dem einen so, und dem nächsten aber so erklärt.

    Wichtig ist nur, dass es keine Widersprüche erzeugt, wenn ich unterschiedlichen Menschen gegenüber unterschiedliche Worte verwende.


    Dass Buddha verschiedene Ausdrucksweisen verwendete, ist ein Zeichen großer Klugheit. Das nennt sich heute Empathievermögen und emotionale Intelligenz.


    Sudhana war schon ganz zu Anfang dieses Threads differenzierter darauf eingegangen, dass Buddha sich nicht immer völlig identisch, sondern einfühlend je nach Zusammenhang und Situation geäußert hat:

    Trotzdem ist diese Wahrheit nicht völlig unkommunizierbar. Was sich kommunizieren lässt, sind dṛṣṭi: Ansichten. Ansichten basieren immer auf einer Perspektive (einer Subjekt-Objekt-Beziehung) und diese Perspektive wiederum ist die Relation des Ansehenden auf etwas Angesehenes. Diese Relation lässt sich sprachlich ausdrücken - und wenn das 'Angesehene' die Wahrheit, paramārthasatya, ist, dann haben wir im Ausdruck eine relative Wahrheit, saṃvṛtisatya. Wenn.


    Festzuhalten ist, dass in beiden Traditionen beide Wahrheiten nicht als widersprüchlich angesehen werden - aber zu beachten ist bei relativen Wahrheiten eben die Relation. Wobei ein nicht unwichtiger Teil dieser Relation das Eingehen auf den Empfänger der relativen Wahrheit ist. Übrigens ist das auch der Grund, warum zur Einleitung einer Sutte standardmäßig die Einführung in die Situation gehört, in der sie gesprochen wurde. Insbesondere die soziale Funktion und damit der Verständnishorizont des oder der Belehrten (Bhikkus, Brahmanen, Adlige, Kaufleute, Jäger, Holzfäller usw. usf.) ist für die Gestaltung der 'Botschaft' von Belang - was dem Leser oder Hörer Hier und Jetzt (idR kein Bhikku, Brahmane, Adliger ...) auch ein gewisses Einfühlungsvermögen abfordert. Genau da liegt die Fallgrube des Fundamentalismus. Diese Notwendigkeit der 'Gestaltung' ist übrigens auch der Ansatz, aus dem im Saddharma Puṇḍarīka Sūtra das didaktische Konzept der 'geschickten Mittel' (upāyakauśalya) entwickelt wurde.

    "Absolute Wahrheit" entzieht sich weitgehend dem Denken und der Sprache.

    Unser Denken ist viel zu komplex und dualistisch dafür.


    Das Verstehen mit Hilfe des Denkens wird (besonders im Westen) völlig überbewertet. So entstehen dann unsere philosophischen Richtungen. Das sind alles jeweils Überbetonungen einzelner Aspekte. Nette geistige Spielereien, die mal mehr, mal weniger das Ganze aus den Augen verlieren.


    Relative und absolute Wahrheit fließt schlussendlich auch wieder zusammen. Was nicht heißen soll, dass diese Trennung nicht hilfreich sein kann.

    Ja, das meine ich, die Wirkungen.


    Alles wirkt gegenseitig aufeinander. Wirkungen enden nicht, bloß weil der Wirkung-Auslösende stirbt.

    Es gäbe kein kollektives Gedächtnis ohne diese Wirkungen.

    Das ist nicht so ! Meine Festplatte ist ganz privat, sie ist persönlich. Da speichert niemand anderes etwas ab, da hackt sich niemand ein, die gehört nur zu mir. Was ich bin und werde bestimmt die Festplatte.

    Das sage ich ja auch gar nicht, dass da irgendwer außer dir irgendwelche Rechte oder irgendeinen Zugang hat.


    Worauf ich hinaus will, ist die immer selbe Frage: Was ist denn dieses "Ich", von dem du redest, als sei es eine in sich abgeschlossene Angelegenheit mit einer ebenso ganz für sich stehenden Festplatte?

    Ich würde das nicht wie Rinzai ausdrücken, einfach weil es hervorragend geeignet ist, jede Menge Gegenwehr hervorzurufen, die auch nicht hilfreich ist.

    Ich denke, man muss das mit Abstand sehen und realisieren, in welcher Zeit er lebte, und was da gerade los war. Eine unmissverständliche Positionierung war da wahrscheinlich notwendig, weil sie sich mal wieder total uneinig waren. Wie alle paar Jahrhunderte.


    Wenn ich das heute lese, kann ich trotzdem viel damit anfangen. Auch wenn ich das heute nicht mehr notwendig finde, es so auszudrücken.


    "Töte Buddha, töte die ganzen Meister und Weisen, töte den ganzen Scheiß!"


    Das ist ja im Grunde genau der Weg. Freilich sehr drastisch formuliert.

    Es gibt so etwas wie eine Festplatte, die kann nur ich abrufen und sie wird mit dem Tod unwiederbringlich gelöscht.

    Eine Überlegung:

    Diese Festplatte legst du in deinem Leben an. Du legst sie nicht alleine an, denn die Art wie du sie anlegst, welche Daten du darauf speicherst, hängt außerdem von anderen Menschen in deinem Leben ab. Viele Daten sind durch Wechselwirkung / Interaktion mit anderen entstanden.

    Manche sehr feinen Informationen stehen sogar in einem Zusammenhang mit Phänomenen / Ereignissen, als du noch gar nicht da warst.


    Du sagst, sie wird unwiederbringlich gelöscht. Gilt das für alle Daten? Was ist mit den Daten auf deiner Festplatte, die wiederum die Daten anderer (zum Beispiel deiner Kinder) beeinflusst und mitgeformt haben? Ist es korrekt zu sagen: Die habe ich "geschaffen" und wenn ich tot bin, sind die "gelöscht"?

    Tja, Sili , es ist ein vielschichtiges Thema. Wo man sich verdammt viele Gedanken machen kann.


    Ich sag mal so: Ich war früher so ähnlich, wie ich es bei dir herauslese. Vor einer Anzeige wegen sexueller Belästigung brauchte ich keine Angst haben. Du sicher auch nicht.


    Aber es gibt einige Menschen, die sehr übergriffig werden können. Teilweise sehr subtil und von langer Hand vorbereitet.


    Das heißt nicht, dass nicht auch ich bedenkliche Seiten habe. Aber in dem Bereich mache ich mir keine Sorgen.;)

    Die Sache ist eben (so verstehe ich @S-Mater), dass sich die Frage stellt:

    Wie viel Sinn macht es, nach Gemeinsamkeiten bei Opfern zu suchen?


    Oder bezogen auf die #metoo-Debatte bei Twitter, wo es natürlich viel um sexuelle Gewalt von Männern gegenüber Frauen ging. Da wurde es oft auf die twittertypische Weise zusammengefasst (sinngemäß):


    Lehrt nicht eure Töchter, wo sie aufpassen und wie sie sich verhalten müssen.

    Lehrt eure Söhne, was anständig und akzeptabel ist.

    Festus


    Bei deiner Geschichte weißt du dann aber auch, dass es Zeit, Zeit, Zeit braucht.

    Und der Rahmen muss stimmen. Es muss ein geschützter Raum da sein. Das ist dieser Thread nicht.


    Wenn ich mir die Dunkelziffer bei Missbrauch jeglicher Art überlege, dann wundere ich mich nicht, dass "Kommt alle her, wir reden hier jetzt mal über das Thema Missbrauch!" nicht funktioniert.


    Gerade bei deiner Geschichte würde mich wundern, wenn du kein Verständnis dafür hättest, dass dieser Rahmen hier nicht wahnsinnig einladend wirkt.