Beiträge von Keine Ahnung

    Kann man so sehen. Aber bezieht sich der mittlere Pfad auf die Praxis? Ich dachte eher auf die Mitte zwischen Nihilismus und Ewigkeitsglaube. Aber es war nichts im Buddhismus unübliches. Mönch werden, 2-monatliches Sesshin, 3-jähriges Retreat, 100000 Niederwerfungen etc.. Sprach nicht Buddha von Bemühen unter Unterlass? Das wäre doch auch nicht die Mitte.

    Und ich muss mich ein wenig korrigieren, es waren nicht nur Inkonsistenz in der Lehre, sondern auch zwischen Lehre und Leben. Es ist also ein kruder Mix.

    - etwas Bedingtes (jede Übung, jedes Tun ist bedingt) kann nicht zum Unbedingten (nirvana) führen, denn dann wäre es bedingt, auch bedingt entstanden und somit vergänglich, somit nicht nirvana.
    - es gibt kein Ich, aber dieses hat einen freien Willen, soll sich bemühen
    - die Basis des Buddhismus sei falsch ("ich erkannte, dass ich seine Dukkhaphobie nicht teilte").
    - die Karmalehre würde der Wirklichkeit nicht entsprechen (guten Menschen geht es schlecht, schlechten gut)
    - Meditation und Praxis verstärkten die Ich Tendenz, lösten sie nicht auf (Ein achtsames Ich sei eben kein Nicht-Ich) Auch Shinrans "All mein Tun (all meine Praxis) führt mich nur in die Hölle" weist in die Richtung.
    - Buddhas Mitgefühl sei kein Mitgefühl, sondern lediglich das Verkünden seiner Lehre
    - sein Vinaya sei diskriminierend
    - Kensho sei nicht Produkt der Praxis
    - Kritik an einer willentlichen normativen Ethik, die Welt sei nicht durch Regeln zu fassen, Wille sei Ich
    - negative Tendenzen in der Lehre (man spricht von Vergänglichkeit, statt von Wandel)
    - Abwendung von der Welt
    - Annahme von etwas hinter den Dingen (Dharmadhatu, Buddhabereiche, ewiger Buddha, Dharmakaya), aus dem da ist kein Ich wird wieder etwas
    - Unwirksamkeit der Bemühungen - ("Ich hatte den Eindruck, dass mir eine Rolfing-(Tiefengewebs)Massage) mehr gebracht hat, als die 3 Jahre Retreat)".
    - die Erkenntnis, dass viele Lehrer ethisch schlechter handeln als der Ottonormalbürger, die Praxis also eher verschlechternd wirke
    - das Erleben von buddh. Strukturen als sektenartig (beim Diamantweg, NKT, Thich Nhat Hanh), eben als nicht befreiend
    - dem Weg eines anderen zu folgen, statt dem eigenen Weg, seine Erfahrung zu verallgemeinern
    - Verlust der spielerischen Dimension des Seins
    - Intoleranz zu anderen (auch zu anderen buddhistischen) Wegen
    - widersprüchliche Aussagen Nirvana beendet Samsara, vs. Samsara und Nirvana sind eins
    - Konstruktion von mehreren Wahrheitsebenen (etwas ist entweder wahr oder falsch, so etwas wie relative Wahrheit kann es also nicht geben)
    - ein Festhalten an Buddhas Lehre (obwohl doch an nichts festgehalten werden soll)
    - Erschaffung einer Metaebene in der Meditation (ein Ich, dass ein anderes Ich beobachtet, also auf einmal zwei Ichs)
    - Buddha verkünde einen Pfad, den er erst nach seinem Erwachen konstruiert habe, selber nie gegangen sei
    Ich hab bestimmt noch einiges vergessen.

    Ich kenne viele, bei denen Meditation o.ä. zu Schmerzen führt. Ich kenne kaum jemand, der schmerzfrei durch ein Sesshin kommt. (von körperlichen Problemen wie Hämorrhoiden und Meniskus-Problemen mal ganz abgesehen). Zudem ist Schmerz auch immer ein wichtiges Warnsignal. Und ich kenne auch Leute, die seit Jahrzehnten meditieren, aber immer noch unter Migräne leiden. (Und selbst von Buddha wird erzählt, dass er so unter Rückenschmerzen litt (Schumann vermutete sogar einen Bandscheibenschaden), dass er keinen Vortrag halten konnte).

    Ich kenne aber auch viele andersherum liegende Fälle: Leute, die intensiv (bis intensivst) praktiziert haben, und dann nach Jahren eine Inkonsistenz in der buddhistischen Lehre empfanden, und ihn daher verließen. (oder wie im Falle des säk. Buddhismus oder auch des Shin ihn modifizierten).

    Diese Stelle ist eigentlich ein guter Punkt. Ich sehe darin nur eben kein Alleinstellungsmerkmal des Buddhismus. Dass alles mit allem verbunden ist, sagt ja auch der Daoismus, die schamanistischen Traditionen, Pantheismus, einige Richtungen der Esoterik. Die Frage ist eher: Wie sieht man den Fluss des Lebens, das dynamische Lebensgewebe. Will man mit dem Fluss fliesen oder an ein anderes Ufer gelangen? Oder im Buddhistsprech: ist dieses Lebensgewebe Samsara, dukkha? Oder nur sich getrennt von diesem dynamischen Gewebe zu sehen? Da sehe ich im Daoismus eine viel positiveren Blick darauf als ich ihn im Buddhismus vermute. Zudem seh ich dann noch Unterschiede, ob es da noch etwas hinter dem Daseinsgewebe gibt (für manche Gott, für andere Dharmadhatu). Hier zieht der säk. Buddhismus (aber auch z.T. das frühe Ch'an und der Daoismus) eine deutliche Grenze. (Zu Fazhang: Es gibt eine sehr ähnliche Schilderung im Daoismus, ich weiß allerdings nicht, welche älter ist - und meine Verwunderung, dass es im Westen keinen Huayan zong/Kegon-Buddhismus gibt, weil er gerade in der Umweltkrise doch am passendsten wäre).

    Ich denke, es ist ein üblicher Effekt. Als Shin- und Nichiren-Buddhismus neu aufkamen, wurden die Gründer ja verfolgt und mussten ins Exil. (Oder auch anders herum: In Mahayanasutren hat man ja beissende Kritik am "Hinayana"). Zen (und vor allem Ch'an) sind ja zum Teil viel radikaler als säk. Buddhismus, aber es ist halt eine etablierte Lehre. Ich denke, man sieht neue Entwicklungen oft als Bedrohung des eigenen Glaubenssystems (auch wenn es sicher bestritten wird, dass es das sei). Aber ein kritisches Hinterfragen der neuen Positionen finde ich in Ordnung. Ein Forum lebt ja von unterschiedlichen Sichtweisen. Es sollte nur nicht abwertend geschehen. Aber das ist wohl eher Wunschdenken. (Und es gab es ja hier nicht nur Kritik am säk. Buddhismus. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo für manche selbst Theravada ein Abfall von der reinen Lehre war. Ich wunder mich immer, wie wenig Toleranz es hier gibt. Und auch wieviel Dünnhäutigkeit.)
    Zudem beobachte ich etwas seltsames: Gerade die Leute, die immer darauf beharren, dass Buddhismus kein Glaube ist und man alles hinterfragen soll, haben Probleme damit, sobald jemand das macht.
    Ansonsten seh ich aber auch die Kritik an einer Stelle durchaus nachvollziehbar: Vielleicht wär es manchmal einfacher, anstatt etwas immer wieder zu reformieren, einen Cut zu machen, und etwas neues zu beginnen. Wär sicher auch eine Variante. (Im Nonbuddhismus sehe ich das zumindest im Namen so in die Richtung gehend). So mein Blick von aussen.

    Sicher ist Buddhas Lehre bedingt entstanden (durch seine Kultur, seine Lebensfragen, durch seine "Erfahrungen"), und hat sich durch Einflüsse von anderen Kulturen, auch durch Schwierigkeiten mit seinen Aussagen (und "eigenen" "Erfahrungen") immer wieder bedingt verändert. Was Buddha heute lehren würde, können wir nicht wissen. (Ich mag ja F. Julliens Ansatz, Religionen nicht als Wahrheiten, sondern als Ressourcen zu sehen. Dann ist es auch kein Problem, sie zu verändern).

    Was ist Determinismus? Ein Wörterbuch klärt uns auf: "Lehre, Auffassung von der kausalen [Vor]bestimmtheit allen Geschehens bzw. Handelns".

    "Die Unterscheidung zwischen Determinismus und Freiheit soll insofern überwunden werden, als ein lebendes System von seinen Organisationsmustern und seiner Struktur determiniert sei. Diese Struktur sieht er als ein Produkt früherer struktureller Übergänge, die durch Interaktion mit der Umwelt durch strukturelle Kopplung ausgelöst wurden. Auf welche Umweltreize in welcher Form der Organismus reagiert, entscheide er selbst, wodurch er selbst seine Struktur bestimme und auf diese Weise frei sei. Strukturelle Determiniertheit heißt demzufolge nur, dass die Struktur den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen sich das System bewegen kann."
    Aus dem Wiki Artikel zu F. Capra
    Zudem ist aus meiner Sicht auch die Leugnung eines freien Willens z.B. nicht Determiniertheit voraus. Es muss ja nicht alles vorbestimmt sein, es kann sich ja auch ohne Vorbestimmung einfach so ereignen.
    In einem wichtigen buddh. Text (Xin Xin Ming) heisst es zudem:
    "Der höchste Weg ist nicht schwer, nur ohne Wahl."

    Dieselbe Argumentation kenn ich auch von Taoisten, Esoterikern (z.B. The secret), Oshoanhängern, Satsangleuten etc. Ich habe nicht den Eindruck, dass es so ist. Selbst die Intelligent Design-Leute sehen durch die Wissenschaft ihre Gotteslehre bestätigt.
    Dass sich alles wandelt, alles keinen Kern hat etc. muss ja nicht zu einer Nirvana-Lehre führen. Man kann ja genauso gut Leiden und Freude als wichtigen Teil des Lebens sehen (So wie es Sonne und Regen braucht). Oder sieh dir H. Rosas Resonanztheorie an, der ja gerade Unterschiede zum Buddhismus und der Achtsamkeitsbewegung betont. (Capras Buch heisst ja auch nicht Dharma der Physik, er weist ja da schon vom Namen her eher Ähnlichkeiten zum Taoismus auf, und gilt eher als Urvater des New Age, was er aber nicht will - und hat zudem später ein Buch geschrieben Wendezeit im Christentum). Ich sehe nicht, wo die Wissenschaft auf eine Samsara-, Nirvana- oder 8-fachen Pfad-Lehre hinweist.
    Wenn Buddhas Lehre so unschlagbar ist, warum folgt ihr dann in Deutschland kaum jemand? (Meines Wissens sind die Zahlen eher rückläufig und auf recht geringem Niveau (0,33 %) und die meisten mit asiatischem Background).
    Bei Fearn werden ja auch die Ansätze der Neurowissenschaft, dass es vielleicht keinen freien Willen gibt, mit dem viele Buddhisten da eher ihre Schwierigkeiten haben, diskutiert. (Ich kenn da aus der säk. Buddhisten-Ecke eigentlich nur Glenn Wallis, der das vertritt)

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    Randy Rosenthal: Ich versuche zu sehen, wie das in der Welt aussieht. Bevor ich also dachte: Okay, ich handle spontan - oder als tzu-jan, ein Begriff, der normalerweise mit "Natürlichkeit" übersetzt wird, den Sie aber mit "aus sich selbst heraus erscheinende Erscheinung" übersetzen. Ist es das, was Sie meinen - Sie gehen einfach durch den Wald oder den Lebensmittelladen als eine Erscheinung, die aus sich selbst heraus entsteht?


    David Hinton: Ja, genau. Das ist es, was es sein könnte. Und das tut man, wenn man das scheinbar transzendente, identitätszentrierte Selbst losgeworden ist, mit dem wir die ganze Zeit herumlaufen und das uns von den Dingen getrennt hält. Diese Trennung ist größtenteils das Ergebnis der Sprache, insbesondere der Schriftsprache, die uns das Gefühl gibt, dass es dieses innere Reich gibt, das zeitlos und transzendent ist, völlig außerhalb der Welt der Veränderung. Das ist einer der Gründe, warum es bei der Meditation darum geht, Sprache und Gedanken zu überwinden. Von dort aus können wir uns durch den Tag bewegen, als "Ereignis, das von selbst erscheint". Und das fühlt sich ganz anders an - ein Gefühl von Isolation und Distanz zur Welt um uns herum, sondern von Zugehörigkeit, von Verweilen als integraler Bestandteil.


    Randy Rosenthal: Ich habe den Taoismus immer als das eine und den Buddhismus als das andere verstanden und sie parallel gehalten. Aber an einer Stelle in China Root schreiben Sie, dass Tao Dharma ist. Und dass Buddha Tao ist. Sollte ein Zen-Praktizierender diese taoistischen Konzepte als dasselbe verstehen wie ihre buddhistischen Konzepte?


    David Hinton: Dies ist einer der wichtigsten Punkte in China Root. Das amerikanische Zen sieht seine Tradition im Allgemeinen als einen Strom des Buddhismus, der in Indien begann, über China (mit einigen bedeutenden Entwicklungen), dann über Japan (wo er sich weiter entwickelte) und schließlich viele Jahrhunderte später nach Amerika gelangte, wo die Tradition vor allem von ihrem japanischen Vorläufer geprägt ist. In seinen Ursprüngen in China war das Ch'an jedoch im Wesentlichen ein Taoismus, der durch den aus Indien gekommenen Buddhismus bereichert wurde. Letztendlich war es ein Anti-Buddhismus.


    Der Taoismus ist die ursprüngliche spirituelle Philosophie Chinas und beginnt im sechsten Jahrhundert v. Chr. mit dem Tao Te Ching, aber eigentlich mit dem viel früheren I Ging. Ungefähr zu der Zeit, als der Buddhismus in China Fuß zu fassen begann, gab es eine neotaoistische Bewegung, die sich - wie es der Zufall so will - Dunkles-Rätsel-Lernen nennt. Das Dunkel-Enigma-Lernen konzentriert sich auf die tiefen kosmologischen und ontologischen Dimensionen des Taoismus. Wie die Konzepte, über die wir zuvor gesprochen haben - Tao als Kosmos, dieses generative Gewebe in ständiger Transformation. Als der Buddhismus aufkam, wurde er im Sinne des Dunkles-Rätsel-Lernen verstanden; einflussreiche Intellektuelle und Gelehrte kombinierten sie. Das ist der Beginn des Ch'an - des Zen - um 400 v. Chr.


    Wie wir bereits gesehen haben, verschwammen in diesen Tiefen des Dunkles-Rätsel-Lernen die grundlegenden Konzepte miteinander. Und dasselbe geschah mit den buddhistischen Konzepten, als sie in den taoistischen Rahmen aufgenommen wurden. Sie verschmolzen miteinander. Buddha als der große ursprüngliche Weise und Dharma als der wesentliche Körper der Einsicht - sie werden zu Tao.


    Das heißt, sie gehen vollständig in diesem taoistischen Begriffssystem auf, das die Begriffe auflösen will. Die Ch'an-Weisen sind also nicht an Buddha als historischer Figur oder Lehrer oder sonst etwas interessiert. Sie wollen ihn einfach zerreißen - den Buddha töten. Und dasselbe gilt für den Dharma, diesen heiligen Körper der Erkenntnis. Das interessiert sie nicht. Das ist genau das, was man abbauen und überwinden will.


    Das ist Teil des radikalen Individualismus des Ch'an. Was ich den Kern des Ch'an nenne, ist antiinstitutionell, anti-methodisch, anti-Konzept, anti-Antworten, anti-Gewissheit. Beinahe hätte ich dieses Buch so etwas wie "die Abrissbirne" genannt. So nenne ich die alten Ch'an-Meister, denn das ist es, worum es ihnen wirklich ging. Sie bauten nur Ideen auf, um sie zu demontieren. Nehmen Sie die konventionelle Idee der Meditation - am Ende wollten sie diese auflösen, weil Sie versuchen, die Bewegung der Gedanken zu stoppen, und das steht der Bewegung des Tao entgegen. Und Tao ist die absolute wortlose Lehre - der große wortlose Lehrer.

    Zitat

    Randy Rosenthal: Ihre einzigartigen Übersetzungen von Begriffen sprechen mich wirklich an. Zum Beispiel erinnere ich mich daran, wie ich nach der Lektüre des Hunger Mountains durch den Wald ging und mich fühlte, als wäre ich "die Entfaltung des Daseinsgewebes", denn das ist der Ausdruck, den Sie verwenden. Und anstatt den üblichen taoistischen Begriff "Mysterium" zu übersetzen, verwenden Sie "dunkles Rätsel". Können Sie mehr über diese Begriffe und Konzepte sagen?


    David Hinton: Ja, Daseinsgewebe ist der Begriff, den ich für den Kosmos verwende, der als ein einziges generatives Gewebe gesehen wird, das, was Taoismus und Ch'an Tao nennen. Und das Wort dunkles Rätsel - es ist mit vielen vagen Begriffen übersetzt worden, aber es bedeutet im alten Chinesisch etwas sehr Spezifisches. Es bedeutet, dass die Existenz - das Gewebe - der Kosmos ist, bevor wir ihn benennen oder ihm Konzepte zuweisen. Daher "Rätsel" und die Notwendigkeit der Demontage von Ideen, sogar der Sprache selbst. Sobald wir Worte verwenden, wird die Welt objektiviert und von uns getrennt. Es geht also darum, diesen dunkel-rätselhaften Kosmos ohne Trennung zu bewohnen. Zu verweilen.


    Randy Rosenthal: Der Begriff selbst scheint den Verstand zu überfordern, weil er ungewohnt ist - er versetzt meinen Verstand in den Zustand eines dunklen Rätsels. Können Sie das für diejenigen klären, die Ihr Buch nicht gelesen haben: Von den Ursprüngen des dunklen Rätsels sprechen Sie über die Abwesenheit und dann über die Gegenwart, ist die Abwesenheit also dasselbe wie das dunkle Rätsel?


    David Hinton: Ziemlich genau. Diese grundlegenden taoistischen/Ch'an-Begriffe operieren auf wirklich tiefen kosmologischen und ontologischen Ebenen. Am Ende verschwimmen sie miteinander, aber sie werden verwendet, um verschiedene Aspekte der grundlegenden Natur der Dinge zu betonen.


    Der erste dieser Begriffe ist Tao, das den gesamten Kosmos als ein einziges generatives Gewebe in ständiger Transformation darstellt - so ziemlich der physische Kosmos, wie ihn die moderne Wissenschaft beschreibt, obwohl die Wissenschaft nicht oft auf diese Weise darüber spricht. Das Tao ist unterteilt in Abwesenheit und Gegenwart. Die Gegenwart ist einfach der empirische Kosmos in all seiner Vielfältigkeit: die zehntausend Dinge, wie die Chinesen sagen. Und die Abwesenheit ist eine schwangere Leere, aus der die zehntausend Dinge hervorgehen und in die sie beim Tod zurückkehren. Nicht in dem Sinne, dass es irgendwo einen Pool der Leere gibt - das gibt es nicht -, sondern im Sinne dieses Existenzgewebes Tao, das als ein einziges generatives Gewebe gesehen wird, während die Gegenwart dasselbe Gewebe ist, das in die zehntausend Dinge aufgeteilt ist. Sie sehen also, dass die Abwesenheit dem dunklen Enigma ziemlich nahe kommt. Aber wie Lao Tzu im ersten Kapitel des Tao Te Ching sagt, ist das dunkle Enigma das Existenzgewebe Tao, bevor Konzepte wie Abwesenheit und Gegenwart entstehen. Es ist Tao, bevor es Tao genannt wird.


    Randy Rosenthal: Wie wirkt sich dieses begriffliche Verständnis darauf aus, wie wir uns der Meditation in der Zen-Praxis nähern? In China Root beschreiben Sie die Meditation als "das Scharnier des Tao" oder als "Handeln als Quelle". Wie sieht es aus, "als Quelle zu handeln"? Sie sprechen von dieser empirischen Realität, aber es klingt metaphysisch, als Quelle zu handeln".


    David Hinton: Es gibt keine Metaphysik im Ch'an. Radikal keine Metaphysik in der Welt oder im Bewusstsein - wie im Geist.


    Das ist natürlich auf eine ganz wörtliche und empirische Weise wahr. Denn wie die moderne Wissenschaft weiß, ist der Kosmos entstanden, und es haben sich Sterne entwickelt. Sterne werden geboren und sie sterben, und wenn sie explosionsartig sterben, säen sie den Raum um sich herum mit Elementen, und diese Elemente bilden dann wieder Sterne. Unsere Sonne ist ein Stern der dritten Generation. Es entstanden Planeten, und auf den Planeten entwickelten sich Lebensformen. Und in den Lebensformen entwickelte der Kosmos Augen und Wahrnehmung und Verstand und den Homo sapiens und das menschliche Bewusstsein. Es ist also buchstäblich wahr: Wenn wir denken, sind wir der Kosmos, der selbst denkt. Und wenn wir etwas ansehen, sind wir der Kosmos, der sich selbst ansieht, der sich selbst spiegelt.


    Es ist also keine Metaphysik. Es ist strenger Empirismus. Und im Taoismus und im Ch'an geht es bei der spirituellen Praxis darum, das Bewusstsein in die Entfaltung des Tao zurückzubringen, was in modernen Begriffen die Entfaltung des Kosmos ist. Denn wir neigen dazu, uns als außerhalb davon zu betrachten: Wir denken über ihn als ein Außen, schauen ihn "da draußen" an.


    Bei der Meditation im Ch'an geht es nicht darum, in einen Zustand der Nirvana-Ruhe zu gelangen. Für das Ch'an bedeutet das, die fortlaufende Transformation des Tao zu blockieren, sich von ihm zu trennen. Stattdessen geht es bei der Meditation im Ch'an darum, das Bewusstsein wieder mit dem Tao zu integrieren, mit der fortlaufenden Entfaltung des Kosmos. Wenn Sie zusehen, sehen Sie, wie Gedanken aus dem Nichts auftauchen, sich entwickeln und wieder ins Nichts zurückkehren, genau wie die zehntausend Dinge. Das Bewusstsein ist also in der Tat Teil desselben Gewebes wie die empirische Welt. Es gibt überhaupt keine Trennung.


    Und Quelle ... Sobald man den Kosmos als ein einziges generatives Gewebe sieht, als einen fortlaufenden Prozess der Transformation, der aus der Transformation hervorgeht, als Dinge, die aus sich selbst heraus neue Dinge hervorbringen - dann sieht man, dass alles Quelle ist.


    Randy Rosenthal: Ich liebe diese Idee - Meditation als Bewusstsein, das sich in die fortlaufende Entfaltung des Kosmos reintegriert. Zur Verdeutlichung: Ich praktiziere Vipassana, und die Lehre besteht im Wesentlichen darin, das Entstehen und Vergehen von Körperempfindungen zu beobachten. Für mich ist das sehr empirisch. Aber wenn Sie von "generativem Existenz-Gewebe" oder "Meditation am Scharnier des Tao" sprechen, versuche ich immer noch, diese Begriffe auf dieselbe empirische Weise zu verstehen. Wenn ich das Entstehen und Vergehen meiner Empfindungen beobachte, beobachte ich dann tatsächlich mein generatives Existenzgewebe?


    David Hinton: Ja. Der Kosmos des Existenzgewebes ist auf geheimnisvolle, magische Weise und ohne jeden Grund generativ. Das ist die grundlegende Natur der Dinge. Man kann nicht weiter gehen, kann nicht fragen, wie oder warum. Es ist einfach so. Und das ist genau das, was man sieht, wenn man das Bewusstsein während der Meditation beobachtet. Und sobald die Gedanken verstummen, fängst du an, die leere Quelle der Gedanken zu sehen, die dasselbe dunkle, rätselhafte Gewebe ist, das die Quelle der zehntausend Dinge ist. Wieder die Quelle.


    Aber Ch'an geht noch weiter. Wie ich schon sagte, will Ch'an, dass wir unser tägliches Leben am Ursprung leben, dass wir als diese Quelle handeln. Das funktioniert in der Meditation, aber in der Koan-Praxis ist es noch deutlicher vorhanden. Das Ziel der Koan-Praxis im frühen Ch'an ist es, zu lernen, wie der Kosmos zu handeln, der sich aus der Quelle entfaltet. Dem Schüler werden Rätsel oder Fragen gestellt, und er muss lernen, darauf zu antworten, nicht durch abstraktes Denken und Analysieren, sondern aus dem Nichts heraus, aus dem leeren Geist, indem er direkt aus dieser Quelle handelt. Bei der Koan-Praxis geht es also darum, das Bewusstsein zurückzubringen, um es zu bewohnen, um als Teil dieser Entfaltung des Kosmos oder des fortlaufenden Prozesses des Tao zu verweilen.


    Zurück zur Meditation: Wenn die Gedanken vollständig aufhören und du als diese generative Leere, diese generative Quelle verweilst, dann kannst du als Kosmos handeln. Denn dann bist du an der Quelle, und was auch immer geschieht, kommt direkt aus der Quelle. Das ist der Moment, in dem sich die Meditation in eine unverwechselbare Ch'an-Form verwandelt, und das ist der Punkt, an dem die Koan-Praxis stattfinden kann.

    Zitat

    Randy Rosenthal: Sie schreiben seit Jahrzehnten über taoistische Konzepte und übersetzen klassische chinesische Texte, aber dieses Buch scheint wie eine Wende zu sein - eine Hinwendung zum Buddhismus im Besonderen. Mit welcher Absicht haben Sie China Root geschrieben?


    David Hinton: Es ist Teil meiner fortlaufenden Erforschung der chinesischen Kultur und meiner Übersetzung dieser kulturellen Erkenntnisse ins Englische. Zuerst übersetzte ich eine Menge Gedichte, dann Philosophie. Und in letzter Zeit habe ich eine Reihe von Prosa-Büchern geschrieben. So war es nur natürlich, dass ich mich dem Ch'an zuwandte, denn das Ch'an ist ein wesentlicher Bestandteil der chinesischen Kultur. Ch'an, nur zur Erklärung, ist die ursprüngliche chinesische Aussprache des Ideogramms, das in Japan als Zen ausgesprochen wird. Wir nennen es Zen, weil es aus Japan nach Amerika kam.


    Jedenfalls hat das Ch'an den Geist all dieser Menschen, die ich übersetzt habe, wirklich geprägt. Als ich sie übersetzte, lebte ich auf einer tiefen Ebene in ihrem Geist, was mich erkennen ließ, wie Ch'an von innen heraus funktioniert. Schließlich wurde ich in die Ch'an-Texte hineingeführt. Das ist eine Möglichkeit, ganz tief in die chinesische Philosophie einzutauchen. Es ist die tiefste und destillierteste Form dieser Einsicht. Und es ist auch die tiefste und genaueste Darstellung der Realität, die ich kenne, des Bewusstseins und des Kosmos und der Beziehung zwischen ihnen. Und was mir wichtig ist: Es gibt uns nicht nur ein abstraktes philosophisches System, sondern eine Lebensweise.


    Meine Absicht ist es also, dieses Erkenntnissystem in englischer Sprache für jeden zugänglich zu machen, und auch für die Kultur im Allgemeinen - neue Ideen, die die westliche Geistesgeschichte voranbringen können. Ich denke dabei besonders an Künstler und Denker, die damit ihre Arbeit in interessante neue Richtungen lenken können. Auf diese Weise entwickeln sich Kulturen weiter, indem sie Ideen aus anderen Kulturen aufnehmen. Das geschah in den fünfziger und sechziger Jahren in großem Stil mit Zen und der alten chinesischen Kultur - auch wenn das Zen nur teilweise verstanden wurde. Und für Zen-Praktizierende soll China Root viele ursprüngliche Ch'an-Einsichten erschließen, die irgendwie verloren gegangen sind, als das Ch'an nach Japan und schließlich in den Westen abgewandert ist.


    Ich stolperte darüber, als ich Hunger Mountain schrieb, ein Buch über eine Wanderung auf einen Berg in der Nähe von hier [in Vermont], um alte chinesische Einsichten als unmittelbare Erfahrung zu beschreiben. Die Berglandschaft steht im Mittelpunkt der chinesischen Kultur: die Künste und auch das Ch'an. Jedenfalls begann ich über das wichtigste aller Koans nachzudenken, das so genannte Mu-Koan: "Hat ein Hund die Buddha-Natur?" In den englischen Übersetzungen lautet die Antwort immer "Mu", und so bleibt sie nur auf Japanisch. Und als ich den chinesischen Text las, wurde mir klar, dass Mu in der Tat ein großes philosophisches Konzept ist. Seine ursprüngliche chinesische Aussprache ist Wu, und ich übersetze es mit Abwesenheit - aber nicht in einem metaphysischen Sinn. Es gibt keine Metaphysik im Ch'an oder in der alten chinesischen Kultur. Es ist zu umfangreich, um es hier wirklich zu erklären, aber Abwesenheit bedeutet so etwas wie der Kosmos als ein einziges generatives Gewebe: also der Kosmos als eine "Abwesenheit" von individuellen Formen. Das verändert natürlich das Koan völlig.


    Ich habe darüber ein wenig in Hunger Mountain geschrieben. Aber diese überraschende Entdeckung brachte mich dazu, mir die Koan-Sammlung anzusehen, die das Mu-Koan enthält: das Tor ohne Tor (Wu-men Kuan; Jpn., Mumonkan). Es ist die am weitesten verbreitete Koan-Sammlung. Ich entdeckte, dass sie voll von grundlegenden Ch'an-Konzepten ist, von denen keines übersetzt worden war. Es gibt mindestens ein halbes Dutzend Übersetzungen, drei oder vier von Zen-Lehrern, und keine von ihnen erwähnt diese Konzepte, die gesamte konzeptionelle Struktur des Ch'an.


    Um also auf Ihre Frage zurückzukommen: China Root soll auch diesen konzeptionellen Rahmen aufzeigen, der im heutigen Zen zu fehlen scheint. Der Rahmen, der die Praxis des alten Ch'an geprägt hat: das, was ich im Titel als "ursprüngliches Zen" bezeichne.


    Randy Rosenthal: Zen gab es in Japan weit über ein Jahrtausend lang, bevor es in die USA kam. Was also soll ein zeitgenössischer Zen-Praktizierender mit diesem neuen Verständnis der Geschichte des Zen anders machen? Erwarten Sie zum Beispiel, dass die Zen-Zentren ihre Übersetzungen einiger dieser Konzepte oder die Meditationspraxis des Zazen ändern?


    David Hinton: Nun, es braucht das ganze Buch, um wirklich zu beschreiben, wie das alles funktioniert. Aber um es kurz zu machen: Dieses Buch begründet die Zen-Praxis in der Landschaft und im natürlichen Prozess. Das kommt vom Taoismus, Chinas ursprünglicher spiritueller Philosophie, die sich zum Ch'an entwickelte. Die Absicht der Ch'an-Praxis war es, als integraler Bestandteil der fortlaufenden Entfaltung des Kosmos zu verweilen. Davon, mit all seinen Implikationen, ist im Zen nicht wirklich die Rede.


    Es geht darum, unsere Ideen und Gewissheiten abzubauen, die mentale Maschinerie, die uns von der Welt um uns herum isoliert. Das ist eine ziemliche Herausforderung. Und wie ich am Anfang des Buches schreibe, braucht es einen wilden und furchtlosen Geist, um dies zu versuchen.


    Ich bin kein Evangelist. Es ist mir eigentlich egal, was andere tun. Für mich geht es um das Abenteuer der Ideen. Es ist nicht so, dass dieses Buch die Abläufe in den Zen-Zentren völlig verändern wird; es fügt nur diese Ideen in den Mix ein, all die tiefen philosophischen Grundlagen, die der Meditation und der Koan-Praxis zugrunde liegen. Und das kann die Art und Weise, wie man diese Dinge versteht, mit Sicherheit verändern.

    Von RANDY ROSENTHAL und DAVID HINTON|
    Hab das Interview für mich mit deepl übersetzt und leicht angepasst. Vielleicht ist es für noch jemand interessant. Das Original war leider die letzten Tage nicht mehr erreichbar.

    Zitat

    Seit Jahrzehnten übersetzt David Hinton die alte chinesische Kultur ins Englische. Er begann mit den großen Dichtern - wie Li Po und Tu Fu - und übersetzte dann die vier Klassiker der chinesischen Philosophie: das Tao te Ching, das Chuang Tzu, die Analekten des Konfuzius und Mencius. Er war der erste Mensch, dem dies seit über einem Jahrhundert gelang, und wurde dafür von der American Academy of Arts and Letters mit einem Preis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Außerdem wurde er mit dem PEN-Preis für Poesie in Übersetzung ausgezeichnet und erhielt Stipendien der Guggenheim-Stiftung und des National Endowment for the Arts. Das heißt, er ist als nationaler Schatz anerkannt.


    Die Lektüre seiner Neufassungen klassischer Poesie und Philosophie ermöglicht einen zutiefst kontemplativen Geisteszustand - sie bewahren die dichte Zweideutigkeit des alten chinesischen konzeptionellen Denkens und wirken dennoch zeitgemäß. Doch seine neueren Prosabücher wie „Existence“ und „Hunger Mountain“ sind wahre Offenbarungen. Ganz gleich, ob er sich auf ein einzelnes chinesisches Landschaftsgemälde oder eine Wanderung auf einen Berg in der Nähe seines Hauses in Vermont konzentriert, Hinton öffnet den Kosmos und nimmt Sie mit in die Tiefen des Geistes.


    In seinen Büchern (die alle unter davidhinton.net zu finden sind) fügt Hinton oft alte Piktogramme und Ideogramme ein, um zu zeigen, wie sich ein chinesisches Schriftzeichen entwickelt hat, so dass wir das Wort als Konzept im Kontext des chinesischen Denkens verstehen können. In seinem jüngsten Buch, China Root, erklärt er beispielsweise, dass das Ideogramm für ch'an - die Transliteration des Sanskrit-Wortes für Meditation, dhyana - ursprünglich "Altar" und "Opfer für Flüsse und Berge" bedeutete. Meditation ist also ein Ort, an dem man die Landschaft - die Wildheit außerhalb und innerhalb - ehrt.


    Ein wichtiger thematischer Faden, der sich durch Hintons Bücher zieht, ist das chinesische Konzept von Abwesenheit und Präsenz als grundlegende Aspekte unserer Realität. In seiner Einleitung zum Tao te Ching schreibt er: "Lao Tzu sagt, dass die Gegenwart und die Abwesenheit einander gebären: Sie sind ein und dasselbe, aber sobald sie entstehen, unterscheiden sie sich im Namen. Und dort, bevor sie entstehen, wo sie ein und dasselbe Gewebe bleiben, ist der Weg jenseits aller Unterscheidung." Für Hinton geht es bei der Meditation darum, zu dieser undifferenzierten Bewusstseinsebene zurückzukehren, zum "generativen Existenzgewebe" des Universums. So wie Gebirgszüge entstehen und verschwinden, tun dies auch die Gedanken, und ein Meditierender beobachtet diesen Prozess der ständigen Entfaltung nicht nur, sondern nimmt daran teil. Diese geistige Aktivität, so argumentiert Hinton in China Root, ist die grundlegende Praxis des Ch'an-Buddhismus, der nach Japan kam und sich zum Zen entwickelte.


    Ich lernte den Buddhismus zuerst durch Zen kennen, durch Bücher von Shunryu Suzuki und Alan Watts und durch Besuche im Zen-Zentrum in Los Angeles. Aber nach Jahren der Vipassana-Praxis und des Studiums von Theravada-Texten kam mir der Verdacht, dass Zen viel mehr mit dem Taoismus als mit dem Buddhismus des Pali-Kanons gemein hat. Hintons China Root bestätigt diese Ansicht. Darin argumentiert er, dass der Buddhismus, als er im dritten bis fünften Jahrhundert n. Chr. nach China kam, "vom taoistischen Denken so verändert wurde, dass er, abgesehen von einigen institutionellen Merkmalen, kaum noch als Buddhismus erkannt wird". Weiter schreibt Hinton: "Letztendlich ist der Buddhismus nur ein Fetzen auf der Oberfläche des Ch'an".


    Da die amerikanische Zen-Tradition letztlich aus dem Ch'an hervorgegangen ist, was bedeutet diese Einsicht für einen heutigen Zen-Praktizierenden? In den Tagen der Unsicherheit nach den Wahlen rief ich Hinton an, um diese Frage zu erörtern und mehr über China Root zu erfahren. Ich hoffe, dass Ihnen das Gespräch ebenso viel Spaß gemacht hat wie mir. -Randy Rosenthal

    Der Hauptstreitpunkt müsste aus meiner Sicht nicht so sehr sein, ob es Karma und Wiedergeburt gibt, sondern eher, ob Buddhas Erwachen etwas transzendentes, überweltliches, oder etwas Immanentes, säkulares ist. Christoph Kleine scheint mir in seinem Vortrag

    Ganz richtig. Was ist Erwachen, Nirvana? Das ist Befreiung von Dukkha. Was ist Dukkha, die Irritationen die unsere Existenz mit sich bringen. Mit ihnen lernen wir durch Geistestraining klar zu kommen und erreichen immer mehr Momente ohne Dukkha. Daran ist nichts überweltliches.


    Keine Ahnung: An anderer Stelle schriebst Du noch, dass Du von einem sB eine konsequentere Dekonstruktion des Buddhismus erwartest. Was hast Du damit gemeint?

    Ich sehe es schon so, dass für Buddha Samsara, die Welt, die er überwinden wollte, als Kreislauf der Wiedergeburten gedacht war. Wenn es diesen nicht gibt, da muss ich Samsara auch nicht entkommen. Aber letztlich wurde das ja auch schon im Buddhismus kritisiert. Das Samsara und Nirvana eins sind, war dann eine Antwort darauf. Auch das frühe Ch'an geht in eine ganz andere Richtung.
    Buddhas "Es gibt aber etwas ungeborenes" könnte man schon in Richtung Überweltliches interpretieren.

    Ich denke, eine konsequentere Dekonstruktion darf der säkulare Buddhismus nicht leisten, wird mehr geleugnet (wie man z.B. bei Dietrich Roloff, der sie ja vollzieht schön sehen kann, dann hat man eben keinen Buddhismus mehr). So gesehen geht er halt so weit, wie er gehen kann. Auch seh ich im Buddhismus ganz andere Wege als den des Geistestrainings. Zazen, Nembutsu etc. Auch eine ganz andere Sicht auf den achtfachen Pfad, Ethik etc.
    Ich weiß auch nicht, ob Buddhas Analyse von Leben ist Dukkha einer wissenschaftlichen Analyse standhält.
    Letztlich hab ich so einen ähnlichen Eindruck, wie Ellviral zu Batchelors "Buddhismus für Ungläubige" schrieb: "Der säkulare Buddhismus ist noch viel zu viel Traditioneller Buddhismus und schmeißt mit Begriffen und Erklärungen um sich, damit der grundlegende Glaube nicht untergraben wird."

    David Hinton: "China Root - Taoism, Ch'an and the original Zen"

    Mich hat lange kein Buch so sehr beeindruckt. Vieles seiner Überlegungen erinnert mich an die Bücher von Francois Jullien über Chinesisches Denken. Aber leichter zu lesen. Schade, dass es das nicht auf deutsch gibt.

    Der Hauptstreitpunkt müsste aus meiner Sicht nicht so sehr sein, ob es Karma und Wiedergeburt gibt, sondern eher, ob Buddhas Erwachen etwas transzendentes, überweltliches, oder etwas Immanentes, säkulares ist. Christoph Kleine scheint mir in seinem Vortrag

    Zur Universalität der Unterscheidung religiös/säkular: Eine systemtheoretische Betrachtung dem Buddhismus gerade diese transzendente Ebene zuzusprechen, er sieht sie sogar überhöht, dass alles, was in anderen Religionen transzendent ist (Götter, Geister) für ihn immanent, säkular ist.
    Zum Bezug auf Wissenschaft schreibt er:

    Zitat

    Die Unterscheidung laukika/lokottara hat dem Buddhismus dabei einen Anpassungsvorteil an die Modeme gebracht. Allgemein kann man wohl folgende These formulieren: Je mehr eine Religion einen Bereich absoluter Transzendenz markiert, desto immuner wird sie gegen die fortschreitenden Erfolge der Kontingenzbearbeitung in anderen sozialen Systemen, namentlich der Wissenschaft. Die Wissenschaft mag vieles, was bislang als unbestimmbar galt, bestimmbar machen und damit scheinbar zu einem Bedeutungsverlust der Religion beitragen. Hat eine Religion sich jedoch einmal auf letzte Fragen, auf die Eschatologie, eingestimmt und einen absoluten Transzendenzbegriff entwickelt, der eine prinzipielle Unverfügbarkeit voraussetzt, wird sie unangreifbar, denn die absolute Transzendenz bleibt per Definition auch für die Wissenschaft unverfügbar. Man kann dann von religiöser Seite her behaupten, dass eine grundlegende und endgültige Lösung des Kontingenzproblems nur von der Religion angeboten wird, Religion und Wissenschaft sich aber nicht widersprechen.


    Aber für mich hieße säkularer Buddhismus in letzter Konsequenz gerade die Leugnung des Transzendenten, und die Schaffung einer immanenten Religion (so etwas Ähnliches sehe ich auch bei Laozi und Zhuangzi). Religion als Rückkehr zum Immanenten. (So verstehe ich das, was sie als Ablehnung der Metaphysik meinen - auch im Zen seh ich eine steten Hinweis auf das Immanente).

    Es wird gesagt, dass Hanchu Daoren der daoistische Name von Hong Yingming ist, der "Ein Wanderer zurück zu den Anfängen" heißt. Und dass der ursprüngliche Name seines Werkes Gemüsewurzel-Gespräche bedeutet. (Übersetzung von Cleary)
    Bei der Caigetan-Ausgabe steht auch steht als Verfasser vorn auf dem Buch Hong Zhicheng, aber es steht da auch in Klammern Hung Yingming. (Übersetzung von Yamada/Keller) Großdruck
    Wenn man die Übersetzungen vergleicht, sieht man, dass es sich um das selbe Werk handelt.Buchtitel werden meist vom Verlag gegeben. Auch das Original von Cleary heisst "Back to Beginnings".
    Eine weiter Übersetzung von Bödicker heisst: Yingming Hong - Gemüsewurzelgespräche - Über ein Leben in Balance.

    Hanchu Daoren - Zum Anfang zurück
    Hong Zhicheng - Caigentan (Saikotan): Weisheiten eines Vegetariers

    Auch wenn es nicht danach klingt, zwei verschiedene Übersetzungen des selben Buches. Gemüsewurzel-Gespräche.
    Der Autor bewegt sich so zwischen Konfuzianismus, Buddhismus und Daoismus. Mit der konfuzianischen Ebene hab ich manchmal meine Probleme. Aber insgesamt ein sehr inspirierendes Buch. Egal in welcher Übersetzung. (Es gibt sogar noch eine dritte).

    Ich mache mir um die Natur keine Sorgen, sie wird uns überleben, vielleicht verändert als jetzt; es ist m.E. der Wandel des Menschen deren Art welche ausgerottet wird.

    Auch wenn alles platt ist, das Pflänzchen wird sich schon durchgraben, schaffte es ja auch durch die Betonsteine aber wir bzw. der

    Mensch wird irgendwann nicht mehr da sein und die Natur wieder erblühen.

    Der alte Witz:
    Unterhalten sich zwei Planeten.
    Sagt der eine: "Ich habe Homo Sapiens".
    Sagt der andere: "Hatte ich auch mal. Das geht vorüber."

    Aber ich denke, wenn die Regenwürmer ausgestorben sind, wird es auch für die Pflanzen schwieriger. Aber irgend etwas wird schon weitergehn.
    Vielleicht ist es eines der Probleme, dass der Mensch sich nicht als Natur begreift, sondern als etwas jenseits, über der Natur, am liebsten wär ihm noch etwas Absolutes, zu dem er sich hocharbeiten kann. Aber ich denke, die Erfahrung ist, wenn der Mensch nicht mehr eingreift, sich die Natur erholt.

    „Buddhismus für Ungläubige“, Stephen Batchelor


    Der säkulare Buddhismus ist noch viel zu viel Traditioneller Buddhismus und schmeißt mit Begriffen und Erklärungen um sich, damit der grundlegende Glaube nicht untergraben wird.

    Dem kann ich nur zustimmen. Nur wenn man weiter geht (wie z.B. Dietrich Roloff) ist die Frage, ob es noch säkularer Buddhismus ist.

    Das ganze Problem ist ja nur gesellschaftlich zu lösen, und da seh ich noch wenig in Sicht. Sicher, wichtige neue Ansätze kommen von Nico Paech und Ulrike Herrmann, jedenfalls müssen wir weg von aller Wachstumsideologie, es braucht letztlich einen Systemwechsel. Kurzfristig braucht es aber auch eine finanzielle Hilfe für die ärmeren Schichten. Politik handelt aber leider erst dann, wenn das Kind schon lange im Brunnen liegt, und denkt zu viel in 4-Jahres-Zyklen. Und ob Buddhisten wirklich die Lösung zu bieten haben, da bin ich mir nicht so sicher. Zudem sie gesellschaftlich eher eine nicht relevante Gruppe sind. Ich kenne viele Buddhisten, die noch Auto fahren, Fleisch essen, mal nach Asien fliegen etc.

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    Dürckheim war beeinflusst von und verbandelt mit der traditionalen Schule (von denen er auch heut noch verehrt wird) und pflegte engen Kontakt mit Evola (sein ganzer Initiatischer Ansatz ist ja stark geprägt von Evolas Denken). Ich habe von ihm zwei Bücher gelesen "Hara - von der Erdmitte des Menschen". Dies schien mir sehr stark vom Neokonfuzianismus geprägt zu sein, weniger vom Zen. Seine Unterscheidung in Leib und Körper fand ich aber interessant (der Körper, den ich habe, der Leib, der ich bin). In "Vom doppelten Ursprung des Menschen" geht er davon aus, dass wir einen irdischen und einen himmlischen Ursprung haben. Das seh ich nicht so. Das ganze dann noch versetzt mit psychologischen Ansätzen.
    Man kann sich fragen, wieviel sein Werk mit Buddhismus zu tun hat. Zum Einstieg in den Buddhismus ist er für mich eher zweifelhaft. Aber von der traditionalen Schule mag er der sein, der am ehesten noch in Richtung Buddhismus tendiert. Aber sein Fixpunkt scheint mir eher Meister Eckhart als Buddha oder Bodhidharma zu sein.

    Kleiner Kommentar zum Buch: Aus meiner Sicht den Ansatz eines säkulares Buddhismus aus einer Zensicht konsequent weitergedacht. Wenn ich ihn auch nicht an allen Stellen folgen würde, dennoch ein inspirierendes Buch. Zuletzt bleibt da nur ein säkulares Zen übrig, jenseits vom Buddhismus.