Zitat Also die von dir zuerst verlinkte Quelle reicht nicht bis S.294
Das Lexikon ist komplett als PDF online, mit über 1600 Seiten, aber wohl nicht stringent eingescannt.
https://media.voog.com/0000/0037/7838/files/Pali-English%20Dictionary%20Free.pdf-----
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Wahrscheinlich war es richtig, dass Hendrik den Thread zu Leben und Wiedergeburt, den nuk startete, geschlossen hat. Ich fand jetzt zwar nicht die Verschiebung, aber ich nutze das mal zu einer generellen Analyse, nachdem andere bereits mehrfach angekündigt hatten, sich auszuklinken, und es dann doch nicht schafften.
1) Es gibt eine Art, Texte zu lesen, die ich nicht teile. Ich würde das beispielhaft als die von Metta bezeichnen (aber er ist hier nicht allein), die dazu führt, dass der Originaltext durch die eigenen Augen (und ohne "Kommentare von Kommentaren" usw.) zu einem bestimmten Verständnis führt. Die Vorgehensweise ist, wie man sah, anders, als wenn man von der Literaturwissenschaft oder der kritischen Religionswissenschaft kommt (womit ich einige Semester verbrachte). Meines Erachtens trifft auf die von mir kritisierte Art der Vorwurf des "Schriftgläubigen" zu, denn der meint "das steht da nicht" und ist sich nicht im Klaren darüber, dass das, was da steht, das ist, was er meint, dass da steht. Es erinnert mich an meine eigene Zeit bei den Baptisten, bevor ich zum Buddhismus kam. Da ging man ähnlich mit Texten um. Es war nämlich gewünscht, dem Text zu glauben und ihm zu folgen und nicht gleich mit einem kritischen Blick heranzugehen.
Ich lese z.B. ein Wort wie "Wiedergeburt" sofort als "körperlich". Für diejenigen, die diesen "Zoff" verwundert betrachtet haben, ergibt das vielleicht eine Erklärung. Man wird bei den Schriftgläubigen dementsprechend wenige Zitate und Hinweise auf Buddhologen oder Kritiker finden, außer auf solche, die Wörter definieren. Dogen z.B. wird also weitgehend ohne die Erkenntnisse von Steven Heine et al. gelesen oder geübt. Wobei nicht vergessen werden darf, dass von diesen Akademikern etliche selbst meditieren.
2) Was dann schon zur "Praxis" überführt, die beim Schriftgläubigen das bedeuten muss, was ihm die Schrift vorgibt, wenn er Dogen folgt, also vor allem intensives Zazen. Er meint dann vielleicht, wenn er 8 Stunden sitzt, sei das angebrachter, als wenn jemand 4 Stunden durch die Welt läuft, mit Menschen kommuniziert, eine Stunde "vom Sofa aus" andere Zennies kommentiert und drei Stunden andere Autoren als Dogen liest oder sogar Dogen selbst übersetzt. Die kritisierte Person hat hier in diesem Forum nie wesentlich anders auf "Praxis" rekurriert als Dogen oder der Palikanon, während ich schon sehr, sehr lange einen viel umfänglicheren Lebensweg beschreibe, ggf. auch unter Rückgriff entsprechender Autoren (Zen ist in erster Linie Geistesübung, siehe Huineng, nicht Sitzen usw.).
Ich selbst habe so viel Zazen gemacht, dass ich noch heute mit einem mehrfach gerissenem Meniskus ohne jegliches Kissen mit beiden Knien am Boden den vollen Lotus sitzen kann. Aber, wie ich neulich sagte, ich habe momentan keinen Grund dafür. Nicht, weil ich nicht dauernd Gedanken im Hirn hätte, sondern weil ich das Kardinalproblem von Dogens Lehre (bzw. eines davon) erkannte, nämlich dass er meint, sich dabei irgendwie nicht in Ordnung fühlen zu müssen (und das kommt vom Palikanon und den geistigen "Befleckungen"/klesha, die jeder im Alltag bei sich feststellen wird). Und das hat etwas mit dem Umgang unter 1. zu tun, es genügt absolut nicht, nur den Text zu sehen, sondern es geht unmittelbar um die Praktibilität, die Sinnhaftigkeit, insbesondere im Buddhismus (also wo wäre ich denn z.B. ohne mein Gedankenchaos, mein Brainstorming, wo wäre meine Kreativität usw.?). Darum ist es wesentlich, aus dieser Erfahrung auf den Text zurückzublicken. Dann kann man, wie Muho kürzlich, erkennen, dass man auch als Buddha lamentieren darf. (Jetzt lese man nochmal genau SN36.6 und frage sich, ob man da zum selben Schluss kommt.)
Und ich gehe da weiter: Man kann sich mit seinem Denkapparat so arrangieren, dass man keine Auszeiten wie Sesshin mehr braucht, um, wenn es darauf ankommt, loslassen zu können. Oder, um es noch verschärfter zu sagen: Man kann selbst dann, wenn man NICHT loslässt, erkennen, dass es (oder man) völlig in Ordnung ist. Und diese Erkenntnis (und Praxis) wirft ein ganz anderes Licht auf Dogens Denken. Zum Beispiel auch auf sein (in meinen Augen und denen einiger Buddhologen) Missverständnis, Körper und Geist fallenlassen zu müssen. Und sie knüpft an die frühere Chan-Tradition an, wo die Dualismen im Vordergrund standen und das größte Problem nicht war, dass man dachte, sondern dass man in Dualismen dachte, u.a. dem, es stimme etwas schon dann nicht, wenn man gerade Lust hat, ein Tier zu töten oder (eine/n Verheiratete/n) zu vögeln, also z.B. in Widerspruch mit der "Schrift" (dem achtfachen Pfad etc.) zu geraten. Damit hat Zen bzw. Chan Schluss gemacht, Dogen aber nicht. Und von dieser Erfahrung inklusive einer Praxis, die Dogen selbst betrieb (Zazen), wäre selbst ohne jede religionskritische Vorbildung oder literarische Vorlieben ein solcher Umgang mit Texten, wie ihn Schriftgläubige üben, mir nicht mehr möglich. Der Text des Palikanon falsifiziert sich in meinem Leben sozusagen täglich. Was da bliebe, würde in eine Kurzgeschichte passen oder einen Gedichtband.
Bei den Schriftgläubigen mache ich mir darum die Mühe, diejenigen herauszusuchen, die von einer breiten Fraktion geschätzt werden, selbst wenn ich sie nicht schätze. Damit wir mal sehen, dass es sich nicht um die Meinung eines einzelnen Buddhaland-Mitgliedes handelt, wie der Schriftgläubige gern in seiner Abwehrhaltung unterstellt. Es geht nicht darum, ob ich deren Ansicht teile, sondern um ein verbreitetes Verständnis von Begriffen und Texten.
Dann folgt natürlich meine Wertung. Wenn Leonie also schreibt
Zitat aber du zitierst hier nur die halbe Wahrheit und das finde ich unverschämt
übersieht sie, dass ich Goenka nicht zitiere, weil ich ihn schlau finde, sondern weil der andere Diskutant keine verbreitete Lesart des Textes lieferte, sondern bloß seine eigene, allerdings mit der Weigerung, sie als Interpretation zu sehen (was ich mit meiner tue).
Dass Goenka selbstvertändlich meine Kritik am Palikanon nicht teilt, ist doch klar, warum würde er ihm sonst auf seine Art folgen? Dass der von Leonie eingebrachte zweite Teil ebenso falsch ist nach meiner Ansicht, ist doch ebenso klar. Ich habe hier und anderswo mehrfach betont, wie Zen dieses Problem gelöst hat: Indem der Adept sich vollkommen in der Gegenwart verankert. Du hast keine Probleme mit Anhaften an Lust (darum geht es in der anderen "halben" Wahrheit von Goenka bzw. der Textstelle), wenn du sie losgelassen hast (oder in der Zen-Anekdote, die Frau, die du über die Straße trugst, bereits abgestellt). Die Parallele bei Dogen war sein Lichtblick, Leben und Tod z.B. seien jeweils getrennte Zustände, nur hat es wenig Sinn, wenn ich mir nur die Perlen von ihm herausblicke, denn er hat auch Dinge gesagt, die vermuten lassen, dass er das nicht völlig durchdrungen hat (z.B. Karma in drei Zeitabschnitten).
Also hier geht es einfach darum, dem Schriftgläubigen klarzumachen, wie andere den Text verstehen, und das genau darum, weil diese Lesart verbreitet ist, auch meine Kritik an dem Text verbreitet ist, der, um es nochmal zusammenzufassen, von Buddhisten im Allgemeinen so verstanden wird, dass sie mit entsprechender Geistesübung nur noch den Schmerz wahrnehmen, ohne dass ihr Geist verwirrt würde (und das ist "mein Punkt", nach dem Metta fragte). Ich wette, dass manche jahrzentelang daraufhin üben (meditieren, sich Einweihungen holen etc.) und dann im Alter, wenn es wirklich zur Sache geht, dumm aus der Wäsche gucken. Oder, wie der Komiker Jim Jefferies, nach drei Spritzen Morphin sich mental so geil fühlen, dass sie sogar den immer noch spürbaren Schmerz des wandernden Nierensteines ertragen (und diese Anekdote, auf Youtube in einer Jimmy Fallon-Folge zu finden, erwähne ich, weil Metta auch beim Morphin nach Formulierungen suchte, dessen gleichzeitigen Einfluss auf Körper UND Geist herunterzuspielen). Das ist eine der Illusionen, die es m.E. auszuräumen gilt. Und ich habe sogar Gedanken angebracht, warum der Buddha das geglaubt haben könnte (nämlich aufgrund mangelnder Schmerzerfahrung).
Der Schriftgläubige versucht aber stets, den Text zu retten. Ich hatte tatsächlich die gleiche Erfahrung mit einer Zeugin Jehovas, die ich beim Schwimmen traf. Das funktioniert in allen Religionen ähnlich. Statt sofort die eigene Erfahrung und Beobachtung einzubringen. Oder: Vielleicht gibt es die einfach nicht. Dann redet man also von unterschiedlichen Ergebnissen der "Praxis", sprich genauer, des eigenen Lebens. Da kann man dann nichts ändern. Jeder guckt wie gesagt mit seinen eigenen Scheuklappen aus seiner Wäsche.
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Und hier noch ein Beispiel, wie sich Text/Schrift falsifiziert.
Zitat
Zitat
Es soll kein Kummer, Klagen, Schmerz, keine Trauer und Verzweiflung über uns kommen!' Aber dies bekommt man nicht durch Wünschen, und nicht bekommen, was man sich wünscht, ist
Dukkha. (MN141)
Und genau das ist tanha und nur das daraus resultierende Dukkha ist (ausschließlich) zu Lebzeiten aufhebbar
Dies ist wieder ein Versuch, den Text zu retten. Aber nicht zu bekommen, was man sich wünscht, stellt sich im Leben oft gar nicht als dukkha heraus, sondern als etwas anderes, wie in der Geschichte von dem Farmer-Sohn, der ein Bein verliert, was seinen Vater bekümmert, dann aber nicht ins Militär eingezogen werden kann - und schon wird der Vorteil zum Nachteil. Also wo ist in dieser These das Verständnis von Vergänglichkeit, die anderswo zentral ist? Wieso wird das nicht zusammengebracht? Wieso braucht man Zen, um zu verstehen: Da der Wunsch leer ist, kannst du dir gern was wünschen, mach dir aber seine Vergänglichkeit klar. Wer aber nicht nur Text liest, und das muss auch Metta, der wird daraus einen Schluss ziehen, und der wird bei obiger Stelle wahrscheinlich lauten: "Besser, ich wünsch mir nix. Ich bin wunschlos glücklich (weil ich mir sonst Leiden einhandle)." Denn der Wunsch wurde bereits abgewertet, da er zu dukkha führen kann.
Und das kann sehr schnell gehen. Ich wurde gestern von einer Frau angelächelt, bin deshalb umgedreht, obwohl ich eine 4 kg schwere Hantel schleppte, ihr nachgelaufen, um was auszuhandeln, und als ich sie dann von Näherem sah und hörte, ihr Tattoo über der Brust, ihre Stimmlage, da war ich plötzlich froh, dass sie es nicht schaffte, mir ihre Nummer zu geben.
Diese Festlegungen sind also ein Problem. Jemand will dir sagen, was Leiden ist und worunter du leidest. Zunächst leuchtet es ein, aber du brauchst nur ein bisschen genauer zu schauen, was sich tatsächlich in deinem Leben abspielt. Es ist gar nicht der unerfüllte Wunsch, der dich leiden lässt, sondern die Vorstellung, er solle sich besser erfüllen.
Gestern sah ich eine halbseitig im Gesicht Deformierte auf Tictoc. Sie heulte in die Kamera, das sei alles nicht fair, sie sprach in der Mehrzahl (vielleicht waren mehrere Opfer eines Unfalls geworden?), niemand solle ihnen mit billigem Trost kommen usw. Sie wollte natürlich wieder ein normales Gesicht haben. Aber nicht dieser unerfüllte oder unerfüllbare Wunsch lässt sie leiden, sondern die Tatsache, dass sie tatsächlich glaubt (meinetwegen sogar zurecht), dass es sich hierbar um eine Ungerechtigkeit handle und es gefälligst anders sein solle.
Das ist der Fehler bei all diesen Betrachtungen auf Grundlage solcher Texte bzgl. Lust, Wünschen etc., der Aufbau von unnötigen Dualismen. Wie es bei Harvey zitiert wurde
Zitat finding delight now here, now there
und ironischerweise in dem Screenshot von Metta das zweite "now" noch kursiv aussieht, zeigt sich der Unterschied zum Zen, denn da ist das delight, das Entzücken, genau hier oder genau jetzt, und es ist NUR genau hier und genau jetzt, und genau deshalb gibt es auch kein "rise to rebirth", keinen Anlass zum Wiederentstehen.
Auch hier wieder ist die Kritik am Text unmittelbar möglich, und das Erkennen des Unterschieds zum Zen-Weg, wenn man entsprechend "praktiziert" und den Text als solchen sieht, nicht als heilige Glaubensformel. Während der Buddha im Palikanon tanha, diese Gier, diesen Durst durchschauen, dann aber weghaben will, kann der Zen-Adept, indem er sich geistig auf die rechte Weise positioniert, mit dem Durst leben. Und dennoch ein Buddha sein.