Beiträge von Bebop

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    Es hängt von keiner Glaubensrichtung oder wissenschaftlichen Schule ab, dass immaterielle Prozesse keine materiellen Ursachen haben können. (...)

    immaterielle Prozesse sind alle geistigen Prozesse wie z.B Wahrnehmungen, unser Bewusstseinskontinuum, Empfindungen, Unterscheidungen, Geistesfaktoren usw.

    Natürlich gibt es Forscher, die all deine immateriellen Prozesse auf Funktionen des Hirnes zurückführen wollen oder schon können. Das habe ich gemeint und dass wird von der anderen Seite verneint, die dann wiederum von bestimmten Fraktionen im Buddhismus bevorzugt wird. Ich las z.B., dass mindestens ein Drittel bekannterer Philosophen das oben von Thorsten zitierte "hard problem" von Chalmers als nicht-existent betrachtet.


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    der Schmerz des Armbruchs existiert nicht, wenn es den Armbruch nicht gibt, und wenn der Armbruch besteht, existiert auch der Schmerz des Armbruchs.

    Selbst wenn ein Daumen schon vor einem Jahr abgeschnitten wurde, kann jedoch noch ein Phantomschmerz bestehen. Dazu kommen "somatofome Störungen": Der Patient bildet sich einen Schmerz ein, der gar keine bekannte physische Ursache hat (sondern offenbar eine geistige).

    Die Datenlage ist noch nicht hinreichend, aber die Tendenz m.E. klar. Ich hatte mal ein Buch von Günter Schüttler, wo auf die Veränderung der Hirnwellen bei Meditierenden schon in den 70er-Jahren hingewiesen wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob es einen Schwerpunkt auf shikantaza legte. Als ich das erste (und bisher einzige) Mal meine Hirnströme nach eigenen Erfahrungen mit shikantaza wegen seltsamer Symptome ("wie auf Watte laufen") vor Jahrzehten analysiert bekam, wurde mir ein tiefenentspannter, schlafähnlicher Zustand bestätigt. Später war es Wolf Singer, der in seiner Forschung das Belohnungszentrum getriggert sah. Ich hatte schon früh das Gefühl, dass Meditation bzw. Zazen so anziehend ist, weil es zu angenehmen Zuständen führt.


    Heute scheint mir der vor allem bei Rinzai-Lehrern wie Sasaki und Kobori Nanrei Sohaku geschulte Hirnforscher James H. Austin eine gute Adresse zu sein. In mehreren Werken hat er bis ins Kleinste die Erwachens-Erfahrung analysiert, sie mit mir weitgehend unverständlichen Fachtermini erläutert, aber auch gut nachvollziehbare Tipps für Meditierende daraus extrahiert. Ich kann da nicht umhin, in seinen Folgerungen bezüglich zunehmendem Altruismus und Hinwendung zur Welt evolutionsbiologisch belegte Vorteile zu sehen, die der Mensch durch Zazen gewinnt. Es ist also sozusagen egal, wie oft Sawaki und Co., um auf die Soto-Schule zurückzukommen, oder etwa Muho erwähnen, man sitze "für nichts", es handelt sich dabei für mich nur um eine weitere Selbttäuschung oder eine rein didaktische Maßnahme, um Erwartungen von Schülern zu zerstören. Es ist weder ein Muho noch ein Sawaki denkbar, der ohne diese Effekte immer wieder zum Zazen zurückkehrt. Da die Soto-Meditation (wie auch die sie umgebenden Rituale), wenn man da auf einen Unterschied abhebt, sogar die entspanntere ist (man muss ja nicht mal an einem Koan knabbern), vermute ich sogar, dass diese Effekte größer sind als in der klassischen Rinzai-Schulung.

    Prinzipiell stimme ich den letzten Beiträgen von void und Thorsten zu. Der Philosoph Chalmer ist interessant, vielleicht kann ich morgen mal mit jemandem aus der Hirnforschung solche Themen (wie das "hard problem") ansprechen und mich dazu nochmal melden. Im Moment sehe ich jedoch das verlinkte Zombie-Problem sogar als Beweis für die Minderwertigkeit eines hergebrachten buddhistischen Verständnisses, denn der Zombie ist hier ja das Wesen ohne Empfindungen und Erfahrungen. im Rahmen dieser Erörterungen wurden im Gegensatz dazu Tiere beschrieben wie die Fledermaus, die per Echolot Erfahrungen macht, die uns nicht möglich sind. Demzufolge kann abgeleitet werden, dass auch der Buddha nicht in der Lage war, die Erfahrungswelt anderer Wesen zu erfassen, weshalb es auch falsch war, etwa ein minderwertiges Tierreich zu postulieren. Der Buddha versteht die Lebenswelt solcher Wesen noch weniger als wir heute. Auch den Zombie konnte der Buddha nicht nachempfinden, weil er keiner war. Genauso wenig konnte er die Künstliche Intelligenz, die in diesem Zusammenhang diskutiert wird, kommen sehen, also Wesen, die uns gleich oder sehr ähnlich sein können, ohne zu leiden und damit auch ohne einen Weg aus dem Leiden heraus zu benötigen. All dies zeigt die Grenzen des herkömmlichen Dharma auf. Es ist deshalb auch kaum verwunderlich, dass Chalmers selbst weder Religion noch Spiritualität nahesteht.


    Desweiteren gibt es ja viele "heilspragmatische" Wege, und schon wenn man andere Angebote wie das Christentum anschaut, dessen Bedeutung ein Psychologe - und man darf wohl ijnzwischen auch sagen Philosoph - wie Jordan Peterson mehr und mehr hervorhebt, kann man sich fragen, ob einem in der nicht-personalen Sicht des Buddhismus nicht Entscheidendes entgehen könnte. Mit anderen Worten, beim Vergleich der Relgionen wird einem schnell klar, dass alle ihre Rädelsführer immer nur Teilaspekte erkannten. Auch der Christ wird einem sagen, erst wenn du betest, glaubst und dich der Gnade Gottes überlässt, wirst du verstehen, was dieser Weg bedeutet. Und weil ich auch diesen Weg einmal gegangen bin, ist mir klar, dass die fundamentalistische Behauptung, irgendeiner (Christus oder Buddha) habe alles vollkommen erfasst, nicht zielführend sein kann. Der ehemalige Betreiber von sweepingzen.com ging den anderen Weg, plötzlich war er Christ und die Seite wurde abgeschaltet. Es ist m.E. wichtiger, diese Religionsstifter als Leidensgenossen zu sehen, die wie wir (oder Chalmers und Peterson) darum ringen, mit dem Leben, Leiden und Sterben besser klar zu kommen. Höher sollte man dies nicht hängen.


    Etwas anderes sind die Ableitungen bezüglich von, ich breche es jetzt einmal vereinfacht herunter, Sinnesgenüssen. Wichtig ist hier nur, dass man in einem gewissen Rahmen überlebensfähig bleibt. Das Ausmaß der Sinnesgenüsse ist dann relativ bedeutungslos, z.B. ist Sex ja in erster Linie Potential, nicht Sucht. Demzufolge ist Abstnenz verschenktes Potential und nicht in erster Linie Gefahrenabwehr (solange man verhütet und nicht die Überbevölkerung betreibt). In Religionen geht es oft wesentlich um die Reduzierung dieses Spaßes (darum vermehren sich manche Gläubige zwar heftig, weigern sich aber, darüber hinaus den Spaß in den Mittelpunkt zu stellen). Dafür gibt es, wie ich lange ausführte, keine hinreichenden Gründe, weil gerade der Buddhismus das Instrumentarium liefert, eben nicht süchtig zu werden und den Spaß als vergänglich so ziehen zu lassen wie alle anderen Gedanken während der Geistesübung. Ziel ist nicht, keinem Gedanken zu folgen, was absurd wäre (denn man geht auch zur Arbeit, Einkaufen und zum Arzt und folgt ständig logischen Gedankenketten), sondern selbst die verwirklichten Spaßgedanken wieder ziehen zu lassen. Hier sollte man den Buddha psychologisch betrachten und mit Menschen, die man kennt, vergleichen. Da gibt es auch solche, die ständig von Dingen lassen wollen statt sie zu tun. Ich glaube, wenn man diese Menschen studiert, kommt man von selbst drauf, was da falsch läuft, sie wirken in der Regel unzufriedener als andere. Mag sein, dass einige Lehrer da einen anderen Eindruck machen (zumindest, bis irgendjemand ihr geheimes Intimleben aufdeckt).


    Unter "Anhaften" ist also nur dann als solches zu verstehen, wenn es tatsächlich leidhaft empfunden wird, aber nicht als etwas, das qua Prämisse schon als leidhaft definiert ist. Sollte man so den Buddha lesen, würde ich sagen, hätte er sich getäuscht. Ich verstehe über Zen aber das Problem so, dass ich im Umkehrschluss für mich als Leiden nur zu sehen habe, worunter ich tatsächlich leide (also nicht, was wer auch immer mir einreden will). Nehmen wir als Beispiel meinen Meniskusriss, für den mir ein Arzt deutliche Schmerzen in Aussicht stellte und insgesamt drei weitere Fachleute zur OP rieten. Ich habe sie nun seit zweieinhalb Jahren vermieden, weil ich Wege fand, nicht darunter zu leiden (durch enstprechende Gymnastik etc.). Natürlich fand ich nun auch Koryphäen auf diesem Gebiet, die in meine Richtung (konservative Therapie) argumentierten. Jedenfalls wäre es falsch gewesen, denen zu glauben, die meinen, mehr über mein Leiden zu wissen als ich. So ist das auch mit dem Buddha. Dessen Rat folgt zuweilen aus seiner begrenzten Sicht und Erfahrung, und wie ich psychologisch deutete, wohl aus dem Overkill seines sexuellen Vorlebens, das wie bei den von void erwähnten Prostitutierten zu Frigidität oder Lustlosigkeit führen kann.


    Nietzsche wurde wohl schon zitiert hier im Forum. Manche machen aus der Not (hier: verschenktes Potential bzw. eh nicht den Sex bekommen, den man ehrlicherweise gern hätte) eine Tugend.

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    er Punkt, den Bebop übersehen oder ignoriert hat, ist die Ursache dieser Hormonausschüttung: eben nicht Bedürfnisbefriedigung sondern das Fehlen von Bedürfnissen.

    Das ist leicht widerlegt, denn es besteht ein Bedürfnis nach Zazen. Man könnte in Einzelfällen sogar von einer Sucht sprechen.

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    vielleicht kann Bebop da einen konkreten Hinweis geben

    Links zu Studien z.B. hier: https://www.mindbodygreen.com/…ditation-balance-hormones


    und etwas detaillierter hier: https://eocinstitute.org/medit…nin_serotonin_endorphins/


    Ich lasse mal DeepL zwei Textstellen aus dem 2. Link übersetzen:


    "In einer 1995 im Biological Psychology Journal veröffentlichten Studie (Harte et al.) wurde die Freisetzung neurochemischer Substanzen bei zwei Gruppen - 11 Eliteläufer und 12 hochtrainierte Meditierende - nach dem Laufen bzw. der Meditation untersucht. Was haben sie herausgefunden? Bei beiden Gruppen war der Endorphinspiegel stark erhöht. Und was vielleicht noch erstaunlicher ist: Der "Wohlfühleffekt" der Meditation war sogar besser als der des Laufens!!


    "Wissenschaftler der Universität Montreal (Perreau-Linck et al.) haben gezeigt, dass Aktivitäten wie Achtsamkeit einen direkten Einfluss auf die Serotoninproduktion des Gehirns haben. Man geht davon aus, dass Meditation die Neuronen mit einer Reihe von Wohlfühlchemikalien "badet" und so den Stress, der zu einem niedrigen Serotoninspiegel und zu Depressionen führt, effektiv wegschmelzen lässt.


    Letztendlich schafft die serotoninauffüllende Wirkung der Meditation ein utopisches chemisches Umfeld für die Produktion neuer Gehirnzellen und macht Sie zu einem glücklicheren und gesünderen Menschen."

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    Aber ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass du eine wie auch immer geartete Zen-Schule tolerieren würdest.

    Das ist keineswegs so. Ich weiß aber ganz gut, was diese Schulen in China und Japan lehr(t)en, und was für ein Dünnpfiff bei den westlichen Adepten üblich ist. Deshalb entgeht dir mit deinem Pauschalurteil auch, selbst wenn ich Zenlehrer (wie Sasaki) namentlich nenne, was die Grundlage ist. Im Shurangama-Sutra heißt es z.B., das Sammeln der Gedanken bedeute die Gebote, daraus entstehe Versenkung (samadhi), daraus Weisheit. Gerne wird es jedoch so verstanden, als sei ein eher wörtliches Einhalten von Regeln vonnöten oder, wie hier argumentiert, irgendein "dauerhaftes" Nicht-Leiden durch Vermeidungsstrategien (z.B. des Auslebens von Begehren) zu erreichen oder durch Tilgen der lustvollen Antriebe/Gedanken an sich. Das ist ja tatsächlich die Hoffnung vieler Mönche bestimmter buddhistischer Schulen, und offensichtlch auch von Laien hier. Wenn es jedoch Konzentration ist, dann ist sie in diversen Lebenslagen anwendbar (und zwar immer wieder aufs Neue!), dann ist Buddhismus fortwährende Geistesübung und nicht zuerst Wertung ("dies ist leidhaft und darum zu unterlassen"). Das ist ein ganz anderer Ansatz, und m.E. entscheidend. Auf dieser Grundlage fußt das Plattformsutra und somit Chan/Zen: Man möge sich sener Gedanken klar sein, ohne an ihnen zu hängen (und nicht: man möge bestimmte Gedanken abwerten; und auch nicht: man halte eine bestimmte Form ein).


    Ich gebe dir mal ein besonders krasses Beispiel aus dem Buch eines der momentan hochrangigsten Caodong-Äbte in China, dem Äquivalent vom japanischen Soto (wenn ich auch nicht glaube, dass die Caodong-Linie besonders viel vom japanischen Soto hält). Shi Yong Xin wurde in einem anderen Thread von mir zwar schon kritisiert (vor allem, weil er zu wenig gegen die westlichen Zen-Scharlatane tut, die in seinem Namen operieren). Hier ist, was er in seinem Buch "The Shaolin Temple Story" erzählt:


    In einer seiner Existenzen war der Budddha auf einem Boot mit fünfhundert Händlern. Ein Dieb wollte sie ausrauben und töten. Der Buddha erkannte seine Absicht. Der Buddha tötete den Dieb. Dazu Shi Yong Xin: "Dies wird 'Töten eines Diebes und Retten von Fünfhundert Händlern' genannt, und weil es ein schwerer Verstoß gegen ein Gebot ist, würde es den Buddha in die Hölle bringen., Da es jedoch aus großem Mitempfinden geschah, verkörpert es den Bodhisattva-Geist. Schaut also nicht oberflächlich aufs Töten, sondern auf seine Motivation."


    Der Abt schließt mit den Worten, dass wir uns den weltlichen Gegebenheiten auch als Buddhisten zu stellen haben. Womit er m.E. unterstreicht, was ich eingangs sagte: Zuerst steht eben nicht das wörtliche Befolgen der Schriften. Das soll keine neue Diskussion aufmachen, sondern Dir nur zeigen, was tatsächlich gelehrt wird und was bei einigen hier im Forum ankommt, die sich dann auch noch erdreisten, für eine bestimmte Schule zu sprechen. Darum ist auch, um auf Tsonkhapa zurückzukommen, zu fragen, ob er sich denn tatsächlich mit seiner Lösung eher der Welt zu- oder von ihr abgewandt hat.

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    Bebop hat eine sehr schräge Ansicht, was Buddhismus, Zen und Geist sind. Was er für das Richtige hält, kann er nicht sagen.

    Die schräge Ansicht bestand gerade darin, dass sich einer, der Dogen-Zen praktiziert, zum Sprachrohr der Caodong-Tradition machen wollte. Diese starb beinahe aus, kaum das sie entstanden war, und überlebte nur mittels eines Linji-Lehrers und eines "Zeitsprungs" auf jemanden (Touzi Yiging), der zur Zeit des Todes seines Dharma-Vaters noch gar nicht geboren war. Vertreter wie Hongzhi hatten später kein Problem damit, zur ursprünglichen Erleuchtung und der Buddha-Natur zu stehen, Dogen hingegen rang damit sein Leben lang und kam später auf die Notwendigkeit der Karma-Theorie zurück, was nur ein weiterer Beweis für seine Wegwendung aus der Caodong-Tradition zum alten Buddhismus ist. Wenn Du das für schräg hältst, lies mal ein paar Aufsätze von Steven Heine etc., ich habe selbst nämlich gar nicht die Zeit, das alles rauszufinden, das wurde alles in der Buddhologie schon gemacht.


    Was so eine Hoffnung bedeutet, es gäbe einen stillen Seelenfrieden, der nicht vergänglich sei, findet man dann auch in Dogens potentiellen Quellen. Da gibt es eine Geschichte, wie König Virudhaka von Kosala eine Beleidigung aus dem Shakya-Clan rächen will. Also marschiert er mit seiner Armee gen Kapilavastu, der Hauptstadt von Buddhas Clan. Der weiß, wenn sich en Heiliger im Weg befindet, wird die Gegenseite die Aktion abbrechen, und setzt sich in den Weg. Virudhaka zieht sich zurück. Ein paar mal wiederholt sich das, bis der Buddha offenbar keine Lust mehr hat, er hatte seinen Clan eh schon als "toten Baum" bezeichnet. Nun wird dieser Clan vernichtet. Aber aufgepasst, es gibt natürlich schon einen Ausweg aus dem naheliegenden Vorwurf manelnder Empathie und übertriebenen Nichtstuns (Seelenfrieden) des Buddha. Denn natürlich wird später in einem fürchterlichen Gewitter auch die Kosala-Armee ertränkt. Der Buddha hatte das nämlich alles vorausgesehen, den Untergang seines und des gegnerischen Klans, denn das ist ja Karma.


    Wer sich für die Caodong-Tradition interessiert, sollte also auch mal auf anderen Pfaden als denen Dogens wandern, vor allem auf den früheren, denn Dogen war selbst zunächst Linji(Rinzai)-Meister, etwas anderes als ein Gemisch ist da sowieso kaum zu erwarten, vor allem aber sein selbstgebrautes Zeug. Und da finden sich neben Hochinteressantem tatsächlich "schräge Ansichten zum Zen". Die Dogen-Linie ist m.E. keine Caodong-Linie mehr, man sollte dieses Soto-Zen eher Dogen-Zen nennen, und in der Buddhologie gibt es Hinweise, dass Dogen - wenn er überhaupt eine Übertragung erhielt - seinen Lehrer bei einem seiner entscheidenden Sätze (shinjin datsuraku) mangels Chinesischkenntnissen falsch verstanden hatte.


    Peter, ich sage dir nicht, was das Richtige ist, weil du das für dich selbst herausfinden musst. Keiner kann dir das sagen. Auch das ist Zen.

    Sudhana handelt zunächst Glückshormone ab, vergisst aber zu erwähnen, dass sie auch bei der Meditation ausgeschüttet werden und diese Abhandlung also mein Argument stützt. Sogar Testosteron- und Östrogenlevel kann das Sitzen steigern, was im Zusammenhang mit unserer Ausgangsfrage zur Sexualität interessant ist. Hier auf die Schnelle ein Link und noch einer .

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    Nein, zumindest kein Zen, wie es in der Caodong / Sōtō - Tradition praktiziert wird

    (...)

    Dieses Glück ist nichts anderes als Bedürfnislosigkeit durch Stillung unserer Bedürfnisse. Eine Stillung, die stets nur momentan ist, da das Erlangte im Moment des Erlangens bereits zu schwinden beginnt, sich nicht ergreifen / festhalten lässt.

    Dieser Irrtum ist geradezu tragisch. Es geht in allen Zen-Richtungen ja genau darum, nur im Moment zu sein. Ich habe in diesem Thread viel Mühe darauf verwendet aufzuzeigen, dass die Sichtweise, die nicht AUS dem Moment erwächst, sondern erst danach AUF den (vergangenen) Moment blickt, das eigentliche Problem ist. Darum sagt Joshu Saski mit anderen auch, beim Erwachen läge man schon daneben, nämlich dann, wenn man rückblickend zu fassen sucht, was Gegenwart war. Es ist unerheblich, dass das Erlangte irgendwann zu schwinden beginnt (weil dies eine unabänderliche Tatsache für alles ist), es wird erst dann zum Thema erhoben, wenn man als Gläubiger etwas Nicht-Schwindendes dagegensetzt - was man hier m.E. über die gleichen Mechanismen der Glückshormon-Ausschüttung erlangt. Genau deshalb fällt der Meditierende auch immer wieder aus dem Samadhi oder gar dem Kensho und Satori hinaus. Die Illusion besteht darin, dass diese oder die ihnen zugedachten Geisteszustände nicht der Vergänglichkeit und dem Schinden unterlägen. Am einfachsten ist der Beleg zu erbringen, wenn so genannte Zen-Meister wie Aitken oder Nakagawa dement werden. Aber so lange müssen die meisten nicht warten, es genügte ja schon, wenn Aitken sich z.B. in sein Shimano-Archiv reinsteigerte.


    Tragisch ist besonders, dass hier nicht auffällt, dass es in dem, was der Buddhismus oder zumindest Zen als diese im Hier-und-Jetzt-Sein versteht, nichts zu ergreifen und festzuhalten gibt. Im Umkehrschluss hat Sudhana damit also genau getroffen, warum auch sexuelles Glück Nirwana sein kann, nämlich genau deshalb, weil es dabei nichts festzuhslten gibt, und WENN man nichts festhält.


    Weiter unten sagt er es dann doch noch selbst.

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    der wichtigste, am schwierigsten umzusetzende und auch (insbesondere für Ungeübte) am schwierigsten zu verstehende Aspekt dabei ist das mu shotoku (無所得) - 'nichts zu erlangen'.

    Man muss einfach verstehen, dass dies selbst für einen Orgasmus gilt (und das würde sogar ein Therapeut raten): Es ist nichts zu erlangen, und es stellt sich normalerweise von selbst ein, wenn man es dem Lauf der Natur überlässt. Mushotoku hat sich nicht verwirklichkt, wenn man es nur beim Zazen betreibt.

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    Falls Du keinen Unterschied erlebt hast zwischen Bingewatchen und Meditation, stellt sich mir die Frage, welche Meditationsform Du verfolgst. Zen kann es jedenfalls nicht sein.

    Genau so ist es. Zen-Meditation ist eine Form der Lustbefriedigung, der Lust aufs Meditieren, das Vorüberziehenlassen von Gedanken,auf Stille, Nichts-Tun usw. Das ist die Lust darauf, sorglos zu sein. Das ist meine saloppe Formulierung dessen, was der Hirnforscher Singer ansprach mit dem Triggern des Belohnungszentrums bei Meditierenden. Natürlich vermag die Meditation andere Hirnareale als das Bingewatchen zu triggern, aber der Grund, warum sich jemand regelmäßig hinhockt, ist m.E. der obige. Ich sehe da auch kein Problem. Der Buddha tauschte die Lust an seinem Harem und Luxus, weil er angesichts der Vergänglichkeit in Melancholie und Grübeln verfiel, gegen eine Methode ein, die ihm wieder den Spaß am Leben und einen Sinn zurückbrachte.


    Bezüglich des anderen Beitrages ist die Sache vom Zen her klar: Wenn wir von Beginn an Buddha-Natur haben/sind, also erwacht sind, dann ist der rechte Blickpunkt der aus dem Erwachtsein. Von daher dürfen wir auch sagen, dass etwas wesentlich von unserer Bewertung abhängt, also z.B. ein leidhaftes Geschehen als "Unglück" aufgefasst wird, weil wir uns entscheiden, dies so zu benennen. Dazu gibt es ja auch eine schöne (wohl taoistische) Geschichte, nach der en Sohn zunächst ein Bein verliert (Unglück), dann deswegen aber nicht in die Armee eingezogen wird (Glück) usf.


    Ganz offensichtliches Unrecht und Leiden wird ja oft durch Machtgefälle ausgelöst, an denen ggf. auch der Erwachte nichts ändern kann, er wird - wie vlt. der Buddha - dann eben vergiftet. Oder vergewaltigt, gefoltert etc., weil er/sie nicht diese Macht hat. Diese Zustände kann der Buddhismus nicht per se beheben, sondern nur dem Einzelnen raten, wie man damit umgehen könnte. Selbst bei einigen psychischen Leidensformen wie Depressionen vermag der Buddhismus möglicherweise weniger zu leisten als Pharmazie, ganz sicher aber bei körperlichen Leiden. Für all dies reichen seine Rezepte ja gar nicht aus, sondern lediglich für eine prinzipiell andere geistige Einstellung zu diesen Phänomenen.


    Dieses prinzipielle Durst-Stillen (das dann natürlich zum Aussterben der Menschheit führt, wenn es alle praktizieren, da sie keiner Lust mehr frönen), wird also weder verhindern, dass zuweilen solche Arhats gefoltert werden, vor Krebsschmerzen schreien oder sich am Ende doch wundern, dass ihnen der Tod ihrer Mutter Tränen in die Augen treibt. Ich war vor einigen Jahren Zeuge davon, als mir auffiel, dass in einem thailändischen Dorf bei der Feuerbestattung einer jungen Bekanten, die mit gut 30 Jahren starb, einer der alten Mönche weinte. Wie sich herausstellte, war es der leibliche Vater der Frau (er hatte vor seiner Hauslosigkeit eine Ehe geführt).


    Ich denke, es ist weniger frustrierend für den eigenen Weg, wenn man sich anschaut, wozu Mensche und Mönche wirklich fähig sind und wozu nicht. Im Grunde kann es einem die Wesen sogar sympathischer machen.

    Wir kommen deshalb nicht zusammen, weil ich den Buddha aus dem Zen verstehe. D. h. auch der Buddha hat auf seine Weise recht, aber der alte Buddhismus hat den anderen Aspekt (hier: die Realität der Freude am Dasein) nicht hinreichend verstanden und diesen Dualismus noch nicht überwunden. Im Zen geht es weniger um das Aufheben nicht-aufhebbarer Leiden (die Illusion von Theravadin), sondern um das Annehmen dieser Leiden. Es geht letztlich darum, den Ansatz Buddhas weiterzuentwickeln und nicht bei alten Schriften stehenzubleiben.

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    Ergo wird er nie wirklich zufrieden sein...

    Aber darum geht es ja gar nicht. Vielleicht dem Buddha, wenn Du ihn so verstehst, und vlt. ist er Dir deshalb so nahe. Es geht darum, mit Zufriedenheit UND Unzufriedenheit klarzukommen, also Samsara zu Nirwana zu machen und nicht so zu tun, als könne man Samsara überwinden.


    Das es hier mangels lebenden Beispielen um Glauben geht, zeigt auch der erneute Hinweis auf ein Palikanon-Zitat durch Igor: Mann ersetze "Leiden ersteht" darin durch "Freude entsteht", lege diesen Satz dann einem Nicht-Buddhisten vor und sehe, wie er nickt. Denn das ist der Witz: Was der Buddha als Ursache des Leidens sieht (wobei man den Begriff erst genauer definieren müsste), ist ebenso die Ursache von Freude, empirisch zu belegen.

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    Setze bei "Zigarette" beliebig ein, was Dir einfällt,

    Da fällt mir nichts ein. Ich deutete ja schon an, dass mein Verdacht in Richtung Sucht geht, und die ist selbstverständlich in der Regel ein Hindernis, da könnte man natürlich viele Süchte aufzählen. Manche Menschen haben aber gar keine Süchte. Darum ist es auch nicht nötig, ein Bedürfnis ganz abzustellen, nur weil es sich wiederholt bemerkbar macht. Es ist nicht moralisch schleichter, das Bedürfnis - so es keine Sucht, sondern natürlich ist, wie der Sexualtrieb - einfach zu befriedigen. Wenn sich dieser Trieb irgendwann auf natürliche Weise erledigt, mag es sein, dass einen das gar nicht kratzt. Aber in dem von Tsongkhapa angesprochenen Bereich ist das nach meiner Erfahrung mit davon Betroffenen eher unwahrscheinlich. Es ist auch bei abstinenten Mönchen wahrscheinlicher, dass sie mit der Abstinenz ebenfalls ein Problem haben werden.


    Die von Dir beschriebene Verfassung ist nur vorübergehend und unterliegt ebenfalls der Vergänglichkeit. Das meinte ich zu dem User/der Userin, der/die hier sagte, in der Gegenwart sein kann auch unglücklich sein bedeuten. Wir bewegen uns ständig, wenn überhaupt, aus dem Idealzustand oder Erwachtsein wieder in den unerwachten Zustand der Dualität. Das ist bei ausnahmslos allen Menschen zu beobachten gewesen, denen ich begegnet bin. Von einem Stück beschönigender Literatur darauf zu schließen, dass es einem vor langer, langer Zeit mal gelungen sein könnte (und das, wohlgemerkt, nachdem er seinen Sexualtrieb heftigst ausgelebt haben dürfte), ist ungefähr so sinnvoll wie anzunehmen, dass David Carradine, weil er einen Shaolinmönch spielte, sich unmöglich aus sexueller Lust selbst stranguliert haben könnte.


    Es ist eben nicht nur "der eigene getäsuchte Blick", sondern auch "Buddhas getäuschter Blick", der überwunden werden muss. Der Begriff "Glück" ist wie gesagt auch nur behelfsweise eingeführt worden, das "Unglück" ist ebenfalls vonnöten. In der Gegenwart sein bedeutet, dass dieser Dualismus keine Rolle mehr spielt. Es wird also gar kein "Glück" (oder Unglück) erfahren, sondern auch dieses Glück oder Unglück nur nachträglich hineininterpretiert. Was erfahren wird, ist eher das, was im Zen die nackte Realität ist, die zweifellose Erfahrung eines Hier-und-Jetzt. Da aber niemand ständig nur nicht-reflektierend existieren kann, kommt irgendwann der Punkt einer Wertung, und er drängt sich bei "Unglücks-Erfahrungen" schneller auf, weil der Mensch sie tatsächlich als leidhaft erfährt, nämlich als schmerzhaft, und so bald wie möglich meiden will. Was als "Glück" interpretiert wird (die Ausschüttung von Glückshormonen etc.), das sucht er hingegen. So funktioniert der Mensch. In der Hirnforschung sagt man darum, dass Menschen zur Meditation zurückkehren, weil es ihr Belohnungszentrum triggert. Sie mögen sich was anderes einreden, aber sie ticken da wie die anderen, deren Zentrum vlt. durch Essen oder Bingewatchen getriggert wird. Das alles konnte der Shakyamuni natürlich nicht wirklich wissen, also machte er das, was damals noch beeindrucken konnte, er kreierte ein System, mit dem man diese Auf und Ab beenden können sollte und damit die damit einhergehenden Frustrationen. Ich kann nur aus dem Zen sagen, dass man dem offenbar nicht traute, darum "Samsara ist Nirwana" erfand und selbst der von mir im obigen Beispiel kritisierte Muho - neben anderen aktuellen Zen-Lehrern - in seinen lichten Momenten rät, statt all den Frust loswerden zu wollen. ihn anzunehmen.


    Die Anhänger des alten Buddhismus tendieren dazu, an eine endgültige Überwindung von Begierden zu glauben, also nicht nur von Süchten, sondern jeglicher Regungen, die sich immer wieder einstellen. Ich frage mich nur, auf welche lebenden Beweise sie sich stützen.

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    Nun, ich habe da andere Erfahrung. Ich kann auch komplett im Hier und Jetzt sein, gedanklich. Und mich trotzdem unglücklich fühlen.

    Das ganze Leben spielt sich doch so ab, wir fallen von der Einheit in zwei und wieder zurück. Also ist da auch Platz für Unglück.


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    Du übersiehst, dass nach Buddha das Diesseits/der Alltag und die Jagd nach den üblichen schönen Dingen leidbringend ist. Das klingt zunächst falsch, denn die guten Dinge (z.B. aber nicht nur Sex) fühlen sich ja so gut an.


    Das hat nicht nur mit Palikanon zu tun, sondern der ersten und zweiten der vier Wahrheiten.

    Das übersehe ich nicht, sondern sehe ich als unzureichende Erkenntnis an bzw. unzureichende Interpretation. Es ist nicht die Jagd leidbringend (frage einen Jäger, ob sie ihm Leid bringt), sondern eine bestimmte Art des geistigen Reflektierens darüber. Es geht einzig um ein Überwinden der falschen geistigen Einstellung zur Existenz.


    Die ersten beiden Wahrheiten konstatieren lediglich: a) es gibt Leiden, b) das Leiden hat Ursachen. Sie sind an sich nutzlos oder eine Binsensweisheit, wenn es nicht c) eine Möglichkeit des Überwindens gäbe. Und die besteht in der richtigen Sicht, ohne die überhaupt kein Verständnis von irgendinem d) "Weg" möglich ist. Über diese rechte Sicht sollte sich jeder klar werden, statt nur nachzubeten, was als vierte Wahreit gesagt wird. Das wird nicht funktionieren, weil auch ein Erleuchteter nur irgendetwas von sich geben kann, wenn er den rechten Durchblick hat (zumindest seiner Meinung nach). Jeder muss für sich diesen Durchblick bekommen, und das wird nicht ohne eine rechte Sicht auf Leiden gehen, die in ihrer entscheidenden "äußeren" Ursache (Vergänglichkeit) von absolut niemandem aufgehoben werden können, weshalb auch der Buddha schlicht verging. Selbst der Buddha konnte sich nur geistig mit der Vergänglichkeit arrangieren, und sein persönlicher Trick bestand darin, möglichst wenige Situationen zu suchen, in denen Leiden unvermeidlich ist (darum kene Familie mehr, wenig Besitz etc.). Buddhas Lösung bestand im Nicht-Tun und Vermeiden, aber eine andere Lösung besteht im Tun und Nicht-Vermeiden mit der rechten Einstellung. Das heißt den Ansatz Buddhas verbessern, modernisieren. Nicht nur muss sich heute ein Leprakranker nicht mehr so kratzen wie damals, auch einer, der den Sex tut statt ihn zu lassen kann dabei geistig etwas anderes erleben als offenbar der Buddha oder später Leute wie der erwähnte Aryadeva.

    Hier werden eine Menge Prämissen gesetzt, die sich m.E. nicht einmal im Leben der meisten hier Schreibenden tatsächlich so darstellen dürften. Eher drehen sie sich in Zirkelschlüssen, die aus dem Wunsch, der wörtlichen Lehre Buddhas aus dem Palikanon gerecht werden zu wollen, gespeist sind.


    1) Ist Sex für die meisten Menschen m.E. nicht in erster Linie Leiden, sondern in erster Linie Freude, und genau aus diesem Grund praktizieren sie ihn. Es wäre also besser, man würde langsam verstehen, dass der Buddha in seinen umständlichen Analogien sich da getäuscht hat. Das kann aber sehr wohl daran gelegen haben, dass ausgerechnet er selbst in seinem Palast-Harem (s.u.) es so übertrieb, dass er schließlich im Alter nur noch Ekel vor Sex empfand.


    Im Übrigen: Wenn es ein so seltenes Glück ist, als Mensch geboren zu werden, wieso sollte es dann falsch sein, sich aus Begierde fortzupflanzen, denn nur so ist das ja möglich und kann die Buddha-Lehre überhaupt praktiziert werden.


    2) Wenn man das allgemein verbreitete Verständnis von Leiden zugrundelegt, also eine buddhistische Prämisse, soll es nicht möglich sein, Nirwana beim Sex zu erfahren, Sex MUSS leidhaft sein. Tatsächlich erfahren die Menschen aber genau dies beim Orgasmus, sie sind vollkommen im Hier und Jetzt und beglückt (Zen: Samsara ist Nirwana). Nur die nachträgliche Uminterpretation unter Zuhilfenahme einer Prämisse statt der tatsächlichen Erfahrung verzerrt dieses Erlebnis. Die Schlussfolgerungen sind also unehrlch.


    3) Dabei bemerken die so Argumentierenden offenbar nicht, dass sie selbst dieses "Glück" als nicht von Dauer betrachten, weil sie es eben gar nicht in seiner reinen Gegenwart erleben und bewerten, sondern immer nur retrospektiv (als bereits vergangen und damit leidhaft). Wenn man dies tut, wird man auch nie Nirwana erleben, denn wenn nur die retrospektive Sicht gilt, würde man gar nicht bemerken, wenn man im Nirwana ist: Nirwana ist nur Gegenwart oder die Abwesenheit des Retrospektiven, und wer nicht "nur Gegenwart" erfahren kann, kann offensichtlich auch kein Nirwana erfahren.


    4) Als weitere Kategorie des Leidhaften - neben der Vergänglichkeit - wird die "Anhaftung" genannt. Ohne Anhaftung ist aber fast nichts ethisch Wertvolles von Dauer möglich, weder eine stabile Ehe und Familie noch die Zugehörigkeit zu einer Ordiniertensangha. Der Begriff schwebt hier ohne konkretere Erklärung im Raum. Die meisten Menschen empfinden nämlich auch Anhaften als glückbringend und wertvoll, z.B. in diesen Bereichen. Gemeint ist wahrscheinlich Sucht.


    5) Interessant bei einigen Palikanon-Zitaten ist, dass sie belegen, wie der Buddha selbst keine Lösung hatte. Den sich kratzenden Leprakranken heilte ja nicht der Buddha, sondern die Medizin. Der Buddha vermischt hier selbst eine Krankheit mit einer Sucht, das zwanghafte Jucken und Kratzen mit einem eher geistigen Problem der Begierde (denn wenn dieses in erster Linie körperlich wäre, müsste der Buddha sich ja eher fragen, warum er in seinem früheren Palastleben einen Harem hatte und er ihn nicht einfach auch den anderen als Lösung gönne, er müsste also das Problem der ungleichen Verteillung und Verfügbarkeit ansprechen und erklären, warum das Ganze eben doch zumindest zeitweise körperlichen Spaß gemacht hat).


    Ich sage es noch einmal: Das Glück ist so lange nicht von Dauer, wie ihr nicht in der Gegenwart seid, wenn ihr es erlebt. Dann ist da nur Glück. Und wenn es nicht mehr ist, ist da eine andere Gegenwart, aber kein Grund, die Vergangenheit zu bedauern. Euer Leiden entsteht aus einem Mangel an Gegenwart, nicht aus der Unbeständigkeit an sich. Das Leiden kann nicht unter Umgehung von Unbeständigem (wie einem Orgasmus) aufgehoben werden, sondern indem man nicht mehr an der Vergänglichkeit leidet, also in der Gegenwart verankert bleibt. Die meisten Ansätze der buddhistischen Praxis scheitern deshalb, sie gehen an den wahren Bedürfnissen von Menschen vorbei, weil sie etwas aus einer falschen Sicht als vergänglich bewerten, dass es in der rechten Sicht gar nicht mehr ist - weil der Übende sich in der Gegenwart befindet und seinen Geist so ausgerichtet hat, statt die Phänomene in erster Linie in einer Zeitachse wahrzunehmen und zu bewerten. Das ist gemeint mit dem oben erwähnten "wenn wir die Leiden samt ihren Ursachen in unserem Geist vollständig aufgegeben haben".

    Hierzu sagte ich kürzlich: Man soll nicht in sexuellen Dingen Ratschläge von Asexuellen, Zölibatären und Mönchen annehmen. Man frage da lieber Fachleute wie Urologen, Sexualwissenschaftler, sexuell Aktive usf.

    Das ist nicht zu viel verlangt, wenn Wikipedia z.B.Kritiker des Nobelpreisträgers Luc Montagnier zitiert, er solle sich nicht außerhalb seiner Expertise zu Covid äußern - wo Montagnier doch ausgerechnet Virologe war.Tsonkhapa war jedenfalls überhaupt nicht vom Fach, nicht mal auf dem Stand des Kama Sutta, das es ja schon lange vor ihm gab.


    Man kann das auch nicht einfach mit einer vergangenen Zeit wegerklären, denn schon bei den alten Griechen gab es Epikureer und Hedonisten, aber auch Enthaltsame. Jeder hatte so seine Gründe.


    Meine Ansicht ist schon sehr lange, dass ohne eigene sexuelle "Befreiung" auch kein umfängliches Erwachen oder Befreien im buddhistischen Sinn möglich ist. Die Ursache dafür, dass dies nicht funktioniert, sehe ich vor allem in zwei Traditionen und ihren Irrungen: a) die Theravada-Tradition will Schluss mit allen derartigen Regungen machen; b) die tibetische Tradition versucht über krude Umwege (tantrische Rituale) bestimmten Machthabern ihrer Tradition Sex zu gönnen, der auf hierarchischen Gefällen gründet.


    Im Zen habe ich die Lösung darin gesehen, Sex zugespitzt als eine Form des völligen im Hier-und-Jetzt-Seins zu praktizieren. Das ist sozusgagen Ziel der Übung, damit gibt es keinen Widerspruch zur Kernlehre des Zen und keine Notwendigkeit, Hierarchien zu etablieren oder in alte Dualismen von heilsam und unheilsam zu verfallen (wobei das auch den meisten Nicht-Zennies gelingen dürfte). Man gründet sein Sexualverhalten auf einem ehrlichen Eingeständnis der eigenen Erfahrungen.


    Wer also nicht über seine Zeit hinauskommt mit seinen Erkenntnissen, darf nicht als besonders weise gelten. Zumal es wie gesagt in jeder Zeit schon Casanovas usw. gegeben haben dürfte.


    Aktuell ist mir da wieder aufgefallen, dass Dogen-Anhänger (wohl aufgrund dessen Nähe zum alten Buddhismus) dazu neigen, ebenfalls den Überblick zu verlieren. In einem Video von Muho, dem ehemaligen Abt von Antaiji, sagte er einem User, der ihm von seiner Impotenz mit 39 Jahren schrieb, er würde sich da nicht weiter Sorgen machen und diesen Zustand annehmen. Hätte Muho einen Überblick über a) die medizinische Aussagekraft, die Impotenz haben kann (Verweis auf mögliche Erkrankungen wie Diabetes oder drohende Komplikationen wie Infarkt oder zumindest Testosteronmangel), und b) das tatsächliche Ausmaß des realen menschlichen/männlichen Leidens darunter (ein Besuch in einer urologischen Praxis kann da schon genügen), dann wäre ihm dieser Ratschlag nicht so leicht entfleucht. Wie steht es da mit "die Wirklichkeit so sehen, wie sie ist"? Gehört das nicht auch dazu?


    Man darf also zumindest nicht nur von sich oder seiner Ideologie (Annehmen, lieber Nichtstun als Dagegenwirken etc.) ausgehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Asexueller oder gar Impotenter mit dem Leben besser zurechtkommt als sein Gegenteil, ist nicht besonders groß, dazu lese man Bücher über die Leiden der katholischen Priester, die damit klarkommen sollten. Darum gehen auch diese Versuche der "geregelten, zurückgenommenen" Sexualität im Zen-Umfeld ständig schief. Die Natur des Mannes sieht, das gilt wohl für die meisten, so aus, dass er im Grunde nie genug Sex bekommt. Und da in den meisten Fällen auch Frauen dazugehören, gllt das offensichtlich auch für sie.


    Tsongkhapa ist jedenfalls das Beste entgangen. Bedauerlich.

    Ich habe also vor etlichen Wochen nachgefragt und erwartungsgemäß keine Antwort von dem Japaner bekommen.

    "Dear Reiko Mukai,

    there are people who doubt your inka from Oi Saidan Roshi, so I have two requests.

    1) Could you please send a copy (scan) of your inka document to dissolve our doubts?

    2) Did you officially give inka to Mr. Polenski and is it registered in Japan?

    Gassho, (...)"


    Eine Antwort kam aus einem osteuropäischen Dojo, wo man (nur) Hatlapa und den dortigen Leiter für einen regulären Dharma-Nachfolger von Oi Saidan hielt, aber auf meine Kritik das Ganze nochmal überprüfen wollte. Dann kam aber nichts mehr.

    Diese vier Wahrheiten sind insgesamt schlecht formuliert. Wir hatten hier schon Diskussionen, in denen immer wieder klar wurde, dass die genannten Leidensarten per se gar nicht aufgehoben werden können, auch nicht vom Buddha. In der klassischen Formulierung werden Erwartungen geweckt, die nicht eingehalten werden können. Der Buddha wurde geboren, alterte, wurde krank und starb. Wie wir dann feststellen, geht es also um die Beseitigung des "Leidens am Leiden", also der geistigen Identifizierung mit dieser Vergänglichkeit bzw. mit einem Ich, das sich im Widerstand zu diesen Erfahrungen sieht. Dazu kommt, dass wir primär am Altern und der Krankheit nur selbst leiden, an Geburt und Tod nicht (aber ggf. an der Geburt und dem Tod anderer), diese Reihung passt also auch nicht. Besser hätte es also z.B. geheißen:


    Da sind Dinge, AN denen wir leiden, wie Schmerzen, Liebeskummer, Altern und Krankheit. (Erkenntnis A)


    So könnte man dann auch die Gründe umformulieren: Da ist ein Anklammern an ein fiktives Ich, dass für das Leiden an diesen Umständen verantwortlich ist. (Erkenntnis B)


    Hier ist schon die Frage, ob es überhaupt nötig ist, bestimmte Charaktereigenschaften wie Wut oder Begierde als Ursache zu nennen, denn auch andere machen ja Sinn (wie Eitelkeit).


    Jedenfalls kann man, wenn man einen speziellen Weg vorschreibt, leicht in ein fixes Konstrukt von Vorgaben geraten, die so auch wieder keinen Sinn machen (man braucht sich nur die Bio von Shakyamuni anzusehen, um zu verstehen, dass es diesen Weg nicht braucht, um zu erwachen bzw. vom Ich zu lassen).


    Dann folgte allgemeiner: Es gibt WegE, diese Ich-Fixierung zu überwinden. (Erkenntnis C)


    Ein Weiser hätte daraufhin gut daran getan zu sagen: Hier ist mein Vorschlag, hier ist mein Weg (aber es dürfte noch andere brauchbare geben).

    Gerade bin ich im Zusammenhang mit meiner oft gemachten Anmerkung, der Shakyamuni sei ja aus einem Kriegergeschlecht gekomme, nochmal auf zwei Quellen gestoßen, die eine (darum nahe liegende) Verbindung von Gewalt/Kampfkunst und Buddhismus nahelegen. Die eine ist das Lalitavistara-Sutra (Übersetzung von Lefmann1902), das Shakyamunis kriegerische Fähigkeiten beschreibt. Die andere ist die Jataka-Geschichte vom "Fünf-Waffen-Prinzen": "

    "Es war einmal ein Prinz, der in der Anwendung der

    fünf Waffen sehr geübt war. Eines Tages kehrte er von sei-

    ner Übung nach Hause und traf ein Monster, dessen Haut

    unverletzlich war."

    Das Monster ging auf ihn los, aber nichts schüchterte

    den Prinzen ein. Er schoss einen Pfeil auf es, der, ohne es

    verletzt zu haben, herunterfiel. Dann warf er seinen Speer,

    dem es jedoch nicht gelang, die dicke Haut zu durchdrin-

    gen. Dann warf er eine Stange und einen Wurfspieß, aber

    es misslang ihnen, das Monster zu verletzen. Dann be-

    nutzte er sein Schwert, aber dieses zerbrach. Der Prinz

    griff das Monster mit seinen Fäusten und Füßen an, aber

    es war zwecklos, denn das Monster umklammerte ihn mit

    seinen riesigen Armen und hielt ihn fest. Dann versuchte

    der Prinz, seinen Kopf als Waffe zu benutzen, aber es war

    vergebens.

    Das Monster sagte: „Es ist zwecklos für dich, dich zu

    widersetzen. Ich werde dich verschlingen.“ Der Prinz ant-

    wortete: „Du magst glauben, dass ich alle meine Waffen

    benutzt habe und hilflos bin, aber ich habe noch eine Waf-

    fe. Wenn du mich verschlingst, werde ich dich aus deinem

    Mageninneren heraus zerstören.“


    Die übliche Entgegnung, eine frühere Existenz als Bodhisattva sei ja noch nicht der eines Buddha gleichzustellen, hilft da nicht weiter, denn offensichtlich hat diese Gewaltbereitschaft das Buddha-Werden ja nicht verhindert.


    Interessant ist auch, dass Simhavikrîtita im Hinduismus eine Tanz-/Bewegungsform beschreibt, die man mit "Löwenspiel" übersetzen kann (und die wohl in den Löwentanz der Chinesen mündete). Sie wurde von den königlichen Ksatreya-Kriegern praktiziert.


    Im Mahayana steht derselbe Ausdruck für samadhi!

    Danke, Ellviral. Wir haben es hier mit dem typischen Missverständnis unterschiedlicher buddhistischer Schulen zu tun - und einer Unkenntnis des Vinaya, den einige ja nicht lesen zu dürfen meinen, weil sie nicht ordiniert sind. Natürlich ist die Kritik der anderen berechtigt - aber auch eine Steilvorlage.


    Ich erkläre es mithilfe eines Essays von Shogo Watanabe.


    Der Pali-Vinaya spricht von zerdrückten Pflanzen als 'lebenden Wesen mit einer Sinnesfähigkeit' (ekindriya-jiva), im Vinaya der Dharmaguptaka-Schule heißen sie 'Pflanzen mit einer Lebenskraft'. Darum sollten Mönche ihnen nicht unnötig schaden.


    Sandalen aus Palm- oder Bamusblättern zu machen (Vin I.189.12-15) oder Bäume zu fällen (Vin III.155.33-156.2) sowie Löcher in der Erde zu graben (Vin IV.32.25-28) wurde ebenfalls in die Kategorie 'Leben mit einer Sinnesfähigkeit schädigen' eingeordnet. Im Vinaya der Mahasaghika-Schule kam noch das Verbrennen von Bäumen/Holz dazu.


    Als der Buddha in Alavi weilte, fällte ein Mönch einen Baum. Dies erzürnte die Gottheit, die im Baum lebte [ja, Götter sind sowieso Teil der buddhistischen Vorstellungswelt und der Daseinsbereiche]. Sie wollte de Mönch sogar töten, ging stattdessen aber zum Buddha und ließ sich in einen anderen Baum umsiedeln. Der Buddha akzeptierte die Ansicht der Menschen, dass Bäume lebende Wesen (jivasannin) seien und schuf die Regel, eine Pflanze (bhuta-gama, 'Verweilort von Geistern') zu verletzen sei ein Vergehen, das Wiedergutmachung (pacittiya) erfordere [es gibt insgesamt 92 pacittiya-Regeln im Mönchskodex]. Die Regel wird erläutert mit Namen von Pflanzen, ihren Bestandteilen (Samen usf.) (Vin IV.33-34) und ergänzt, dass außerdem noch andere Lebewesen in Bäumen leben, die geschädigt werden könnten.


    ***


    Nun komme ich auf eine alte Leier von mir zurück: Nicht alles im Palikanon macht Sinn, es gibt Widersprüche, schon angefangen bei den vier Wahrheiten. Auch hier: Pflanzen sind eindeutig als lebendig charakterisiert, selbst wenn man sie nur als Wohnorte der anderen Wesen (wie Geister, Götter), die ja reinkarnieren können, betrachtet. Folglich scheinen sie in der Reinkarnationskette vergessen worden zu sein, wie sie logischerweise hingehörten, denkt man die zitierten Textstellen weiter.


    Man könnte aber auch argumentieren - und selbst das ist eine alte Leier von mir -, wie es hier schon angerissen wurde: Man hat halt damals nicht gewusst, dass sie auch empfindungsfähig sind (was aber durch den Vinaya widerlegt scheint, wenn auch die Vorstellung dahinter etwas unmodern ist). Bei solch wesentlichen Einsichtslücken eines Erleuchteten würde ich dann halt fragen, was man dagegen tun kann, und folglich habe ich einfach schon unterstellt, dass Pflanzen genauso moralisch begutachtet werden könnten wie andere Lebewesen.


    Wie auch immer, es gab zudem zig Milliarden pflanzenfressende Tiere, die hochanständig waren, verglichen mit uns. Auch die hätten sich ja "hochinkarnieren" müssen, es sei denn, sie wären gleich Buddha geworden, aber das hieße ja wiederum, sie seien erleuchtet - und das behaupte ich ja selbst gern von Tieren ;)