Hallo, ihr Lieben,
heute würde ich gerne ein Thema zur Diskussion stellen, das mir schon länger am Herzen liegt.
Natürlich - davon gehe ich in diesem Forum mal aus - würden wir alle gerne Befreiung/Nibbana/Nirvana "erlangen", vom Leiden befreit, "glücklich" leben und praktizieren daher - mehr oder weniger intensiv/engagiert - den Buddhadharma.
Manche hier scheinen, soweit ich das überhaupt so von außen beurteilen kann, spirituell schon weit fortgeschritten zu sein, andere (dazu zähle ich auch mich) stehen noch relativ am Anfang des Weges oder befinden sich in einem mittleren Bereich...
Der Buddha äußerte sich, lt. Palikanon, über seine Lehre folgendermaßen:
.."‘Die von mir erkannte Lehre [21] ist tiefgründig, schwer ersichtlich, schwer zu verstehen, friedvoll, erhaben, beschäftigt sich nicht mit Logik [22] , ist feinsinnig, nur den Weisen verständlich. Denn am Wünschen haftet [23] die Menschheit, hat Freude am Wünschen, hegt Sympathie für das Wünschen. Darum ist für die am Wünschen hängende, Freude am Wünschen habende, das Wünschen sympathisch findende Menschheit diese Lehre schwer ersichtlich, nämlich gerade die Ursächlichkeit des von Bedingtheiten abhängigen Entstehens. .." (Maha Vagga 5)
Gar keine Frage (oder?), dass nur wenige Übende das Ziel erreichen werden, auch, wenn alle das Potenzial zur Erleuchtung (Mahayana: "Buddhanatur") in sich tragen...
Was tun, wenn man die Chance dieses einen, wertvollen menschlichen Daseins, ein sinnvolles, glückliches Leben zu führen, bestmöglich nutzen möchte?
Ayya Khema unterschied in einem Vortrag 4 Arten des Glücks:
1. Ebene (die "Gröbste"): Glück durch Sinneskontakte/-befriedigungen => nur kurzfristiges Glück, ständiges Suchen/Gieren nach Neuem -> keine Zeit für anderes => letztlich unbefriedigend, da unbeständig und Abhängigkeit erzeugend
2. Ebene: Glück durch die Entfaltung und Praxis der 4 Brahmaviharas/Unermesslichkeiten - "Himmlischer" Bewusstheitszustand
3. Ebene: Glück durch Meditation: - temporär - die leiderzeugende Ichbezogenheit loslassen ("Abfallen von Körper und Geist")
4. Ebene: Das höchste Glück: Einsicht in die absolute Wahrheit, Ablegen des "Ich-Wahnes", keine Persönlichkeit, nur noch Phänomene - "Nibbana/Nirvana"
Nun kann man im Palikanon diese seltsame Geschichte lesen, wo der "weisheitsmächtige" Ehrwürdige Sariputta (eher als abstrakt lehrender, nüchterner Denker bekannt) einem Sterbenden den Weg in den "Himmel" weist (mithilfe der 4 Brahmaviharas), statt ins Nibbana, wohl, weil er "erkannt zu haben glaubte" (wie ich finde, mit viel Empathie und Mitgefühl), dass der Mann sich eigentlich dorthin wünschen würde.
Vom Buddha erntete Sariputta dafür einen "milden Tadel" (was in mir die Frage aufwirft, ob Erleuchtete sich in bestimmten Fällen uneins sein können, "individuell" zu unterschiedlichen "Bewertungen" tendieren... ).
Majjhima Nikāya 97
An Dhānañjāni - Dhānañjāni Sutta
".....31. "Was meinst du, Dhānañjāni? Was ist besser - die Himmelswesen, die Macht über die Schöpfungen anderer haben, oder die Brahmawelt?"
"Meister Sāriputta sagte 'die Brahmawelt'. Meister Sāriputta sagte 'die Brahmawelt'."
Da dachte der ehrwürdige Sāriputta: "Diese Brahmanen sind der Brahmawelt ergeben. Angenommen, ich zeige dem Brahmanen Dhānañjāni den Weg in die Gesellschaft von Brahmā?"
"Dhānañjāni, ich werde dir den Weg in die Gesellschaft von Brahmā zeigen. Höre zu und verfolge aufmerksam, was ich sagen werde." - "Ja, Herr", erwiderte er. Der ehrwürdige Sāriputta sagte dieses:
32. "Was ist der Weg in die Gesellschaft von Brahmā? Dhānañjāni, da verweilt ein Bhikkhu, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen, erfüllt von Liebender Güte, durchdringt, ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Liebender Güte erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Dies ist der Weg in die Gesellschaft von Brahmā."
33. "Wiederum, Dhānañjāni, verweilt ein Bhikkhu, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Mitgefühl; ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Mitgefühl erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Auch dies ist der Weg in die Gesellschaft von Brahmā."
34. "Wiederum, Dhānañjāni, verweilt ein Bhikkhu, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Mitfreude; ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Mitfreude erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Auch dies ist der Weg in die Gesellschaft von Brahmā."
35. "Wiederum, Dhānañjāni, verweilt ein Bhikkhu, indem er eine Himmelsrichtung mit einem Herzen durchdringt, das erfüllt ist von Gleichmut; ebenso die zweite, ebenso die dritte, ebenso die vierte Himmelsrichtung; auch nach oben, nach unten, in alle Richtungen und überall hin, und zu allen wie zu sich selbst, verweilt er, indem er die allumfassende Welt mit einem Herzen durchdringt, das von Gleichmut erfüllt ist, unerschöpflich, erhaben, unermeßlich, ohne Feindseligkeit und ohne Übelwollen. Auch dies ist der Weg in die Gesellschaft von Brahmā." .......
.....
38. Dann ging der ehrwürdige Sāriputta zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt hatte, setzte er sich seitlich nieder und sagte: "Ehrwürdiger Herr, der Brahmane Dhānañjāni ist krank, leidet, ist ernsthaft erkrankt; er bringt Huldigung mit dem Kopf zu den Füßen des Erhabenen dar."
"Sāriputta, nachdem du den Brahmanen Dhānañjāni im Weg zur minderwertigen Brahmawelt gefestigt hattest, warum erhobst du dich von seinem Sitz und nahmst Abschied, obwohl es noch mehr zu tun gab?"
"Ehrwürdiger Herr, ich dachte: 'Diese Brahmanen sind der Brahmawelt ergeben. Angenommen, ich zeige dem Brahmanen Dhānañjāni den Weg in die Gesellschaft von Brahmā.'"
"Sāriputta, der Brahmane Dhānañjāni ist gestorben, und er ist in der Brahmawelt wiedererschienen
[2].”
Folgende Fragen stellen sich mir jetzt:
1. Da es Wiedergeburt der Person (!) ja nicht gibt, war doch der (Brahma-) Himmel für Dhananjani eine erfreuliche Lösung, eine neue Chance für ein Leben in Freude, ansonsten wäre er einfach nur "weg" gewesen? Sariputta handelte also letztlich empathisch, liebevoll und mit Mitgefühl?
2. Ein "Bewusstseinskontinuum" könnte - unter üblen Umständen - nach Dhananjanis Ende im Brahmahimmel, in einem niederen Daseinsbereich wiedergeboren werden - ist dies das einzige Argument des Buddhas für die "Ermahnung" Sariputtas?
3. Sollten WIR - heute - nicht viel stärker die 4 Brahmaviharas/Unermesslichkeiten üben, praktisch und engagiert in der Welt wirken und darin unser Glück finden, statt so viel Zeit "auf dem Kissen" zu verbringen und nach Erleuchtung zu "gieren"?
4. Erwachte sind ernüchtert, von allen Anhaftungen befreit (Sinnesgenüssen also nicht mehr zugeneigt), Freude, Liebe (und zum Glück auch Hass) sind zugunsten von Gleichmut/innerem Frieden verschwunden...
Möchte jemand einen Erleuchteten als (Ehe-)Partner?? (Da muss die Liebe des unerleuchteten Partners aber wirklich echt, tief und nicht anhaftend sein... )
Liebe Grüße, Anna
P.S. Ich hoffe, ihr seid gnädig und bezichtigt mich nicht der Häresie.....Ich zieh' mich schon mal warm an.