Beiträge von Mabli

    Z.b. aus meinem Studium und durch eine Freundin, die dort Lehrerin war, kenne ich etwas dieses "outward bound": in einem sozialen Kontext (Gruppe) neue Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der natürlichen Umwelt machen, neue Stärken entwickeln oder vielleicht sogar schlummernde Talente entdecken, und tatsächlich sogar "die Persönlichkeit" entwickeln.

    Meine Frau ist Erlebnispädagogin, von daher kenne ich diesen Ansatz auch ganz gut. :) Das ist eine tolle Möglichkeit, wenn man sich aus der Komfortzone heraus begibt, sich nicht überfordert, aber neue Erfahrungen machen kann. Wir haben mal eine Hüttentour in einem sehr einsamen Gebiet der Alpen gemacht. Da denke ich gerne dran zurück. Im Grunde ist ja potentiell das ganze Leben Persönlichkeitsentwicklung.

    Jemand die ich gut kenne, fast immer ohne Partner, ohne Kinder, hat sich getraut und macht (seit ein paar Jahren) Leihoma

    Ich habe erstmal gestutzt, weil ich dachte Lei-homa sei vielleicht eine neue esoterische oder spirituelle Richtung aus Hawai oder so. Bis ich dann geschnallt habe: Ah Leih-Oma. :lol:

    Also, diese "Sitzen&Erkennen&Erleuchten" Sache ist a) nur *eine* Fahrtrichtung, die m.Mn.nach nur Leute unternehmen sollten, die auch eine natürliche Freude daran haben, und b) gibt es sie in so vielen Ausprägungen vor dem Buddha, nach dem Buddha und um den Buddha herum, daß man nicht bei jedem Meditationsstil Buddha drin findet, wenn auch Buddha drauf steht.

    Das sehe ich auch so. Ich habe neben Meditation auch noch andere Methoden für mich gefunden, um an mir zu arbeiten, weil es mir sonst zu einseitig wäre und bestimmte Aspekte zu kurz kommen.

    Upps, bei meinem vorigen Post vielleicht ein bißchen weit vom eigentlichen Thread abgekommen. Sorry... Ggflls löschen... (man kann anscheinend nach 1/2 Std nicht mehr editieren?)

    Ja, so wirklich passt es nicht hier. Vielleicht kann man es ja in den Thread Psychotherapie & Buddhismus verschieben oder in meine Chronik.

    Hi, Mabli .

    Das sind zwei absolut ! :!: verschiedene Ansätze. es könnte helfen, aber auch das könnte sehr schaden. Z.B, man benutzt doch MBSR-Methode , auch gegen die Depressionen, oder auch man kann das gegen die anndere Probleme erfolgreich benutzen. Im Arbor-Verlag es gibt genug davon. Aber ist kein echter, also authentischer Buddhismus, wie man Satipatthana nach Analayao oder Nyanaponika praktiziert.

    Das ist jetzt aber ein Argument nach dem Prinzip "Kein wahrer Schotte".


    Argument: „Kein Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei.“

    Antwort: „Aber mein Onkel Angus ist Schotte, und er streut sehr wohl Zucker auf seinen Haferbrei.“

    Widerlegung: „Kein wahrer Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei!“


    Ich kenne das Satipatthana Sutta schon und weiß welche Methoden dort beschrieben werden. Wobei die Methoden, wenn man sich auf das Sutta alleine ohne die Kommentare bezieht, in meinen Augen eher unterbestimmt ist.

    Und das :!: ist der echte Buddhismus, keine moderne Anpasung an die Leute mit den Problemen.

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso du jetzt eine solche Unterscheidung aufmachst und finde das auch ein bisschen ärgerlich. Auf der einen Seite der echte Buddhismus, auf der anderen Seite ein möglicher therapeutischer Nutzen. Sind nicht die Probleme, die der Buddhismus adressiert allgemein-menschliche? Das klingt bei dir aber eher nach elitärer Veranstaltung. Heißt es nicht wir sollten uns als Kranke betrachten mit der Diagnose "schwerer Fall von Samsara" und Buddha ist der Arzt und das Dharma die Medizin? Woher kommt dieses Abgrenzungsbedürfnis gegen Menschen mit Problemen? Wo ging es denn hier im Thread um die Vermarktung von Achtsamkeit? Der oben von mir erwähnte Film Someone beside you über Edward Podvoll und das Windhorse Project steht in meinen Augen für eine gelungene Verbindung von buddhistischer Theorie und Praxis und medizinisch-therapeutischem Nutzen und ist gerade keine sinnfreie Vermarktung. Podvoll hat eine Theorie der Psychose auf der Grundlage der buddhistischen Weltanschauung entwickelt. Ansonsten verstehe ich nicht auf welche Aussagen und Beispiele aus diesem Thread sich deine Argumentation bezieht. Vielleicht könntest du da ja etwas Klarheit rein bringen und erklären worauf du dich dabei konkret beziehst.


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    Die Frage die hier aufgeworfen wird ist letztlich spannend, denn ob Kursgebühr/Dana/Gehalt durch Organisation, hier bauen sich Abhängigkeiten auf.

    Die Frage der finanziellen Abhängigkeiten ist ja im Grunde genommen der Rahmen der Lehrer-Schüler-Beziehung, der wahrscheinlich auch von Bedeutung und zu beachten ist, aber ich glaube die Abhängigkeit-Unabhängigkeits-Thematik spielt sich wesentlich woanders ab. Und da ist es immer eine paradoxe Geschichte. Das spiegelt sich ja auch in der Formulierung: "Ein gute Lehrerin oder ein guter Lehrer führen die Schülerinnen und Schüler in die Unabhängigkeit" , wider.

    Kann man denn in die Unabhängigkeit geführt werden? Muss man sich nur führen lassen oder auch selbst etwas dazu tun? Wie viel Führung verträgt der Weg in die Unabhängigkeit? Kann man auch ohne jede Führung unabhängig werden?

    Helgo:

    Aber wenn zu der Ermüdung die Selbstanklage kommt, der leidhafte Selbst-zweifel: dann kann man versuchen, dieses unrealistische "Selbst"-Bild, die "Selbst"-Vorstellung (und deren Ideale) zu thematisieren. Ist meine körperliche, seelische, geistige Formation "mein Selbst"? Kann ich mich von dieser zusätzlich Leiden-schaffenden Identifikation meiner körperlichen, seelischen oder geistigen Schwäche mit (m)einem "schlechten" Selbst emanzipieren, mich von ihnen "abwenden"?

    Das ist genau der Punkt glaube ich. Da greift ja auch die Unterscheidung von falschem und wahrem Selbst an. Wobei diese Terminologie mit wahr-falsch natürlich auch wieder in Frage gestellt werden kann. Aber das "falsche" Selbst ist eben ein - wie du sagst - unrealistisches Bild vom Selbst. Das kann ein überhöhter Anspruch an sich selbst sein, immer fit und leistungsfähig sein zu müssen oder die Vorstellung immer der Beste und Größte sein zu müssen oder anderen immer gefallen zu wollen oder sich ständig schuldig zu fühlen und selbst anzuklagen und niederzumachen. Bei Welwood klingt das so:

    Kap. 3 Ichstärke und Egolosigkeit, S.64:

    Wenn uns die wahre Stärke, um mit schwierigen Lebensumständen umzugehen, fehlt, versuchen wir stark zu sein - indem wir uns anspannen und eng machen. Wenn und wahres Vertrauen fehlt, versuchen wir ganz vorne oder ganz oben zu sein - gewaltsam und mit Druck. Wenn uns unmittelbares Wissen unseres Wertes fehlt, versuchen wir, liebenswert zu sein - indem wir Kompromisse machen oder unsere Eltern zu retten oder Leuten zu gefallen zu suchen.

    Das sind in gewissem Sinn ja alles Kompensationsversuche eines erfahrenen Mangels oder einer "Wunde" die hinter diesen Verhaltensweisen und "falschen" Auffassungen des Selbst liegt. Welwood zitiert an einer Stelle im Zusammenhang mit Psychotherapie Robert Bly, der von einem "schrecklichen Abstieg in die Wunde" spricht. Wobei die Kernwunde, an der wir alle leiden, die Trennung vom eigenen Sein sei.

    Jemand wie Buddha ist, wäre nach diesem Wortgebrauch jemand mit einem besonders starken Ich ( Realitätsprinzip) das im Stand ist allen Formen von Es oder Über Ich zu wiederstehen.

    Ich weiß nicht, ob es erstrebenswert sein kann allen Formen von Über-Ich und Es zu widerstehen. Es gibt ja auch gesunde Formen des Über-Ichs im Sinne eines gut integrierten Gewissens. Aber auf jeden Fall kann ein rigides oder nicht gut integriertes Über-Ich viel Leid erzeugen und es ist sicher nicht einfach mit einem Fingerschnipsen aufzulösen.

    und man würde das entsprechen praktizieren, dann... man bekommt bestimmt sehr schwere "dissoziative" Störung, nehme ich an.

    Man sollte, wie mir ein sehr erfahrener Buddhist einmal ausdrückte, zuerst sehr stark verwurzeletes "Ich " haben, um dann ( danach) es zu "verlieren".

    Ich würde dem Satz, dass man zuerst ein Ich aufbauen muss, um es danach zu verlieren, zustimmen. Wobei ich tatsächlich auch denke, dass das Ich, das man aufbauen und stärken muss nicht dasselbe Ich ist, das man dann zu verlieren strebt. Die Äußerungen von Lama Tilmann sind ja so zu verstehen sind, dass der Pfad des Buddha auch eine Stärkung von Ich-Funktionen bedeutet, wenn er sagt, dass der Buddha ein starkes Ich hat.

    Wenn jemand wirklich unter Dissoziationen oder Ich-Störungen leidet, sollte er womöglich nicht an einem Vipassana-Retreat teilnehmen, bei dem 14 Stunden am Tag über Vergänglichkeit meditiert wird, aber pauschal zu sagen, dass Meditation in einem solchen Fall im Allgemeinen mehr Schaden anrichtet als zu nutzen, halte ich auch für fragwürdig.

    (Die Arbeit an den persönlichen Mängeln, an unethischen, unheilsamen, unweisen und/oder unsinnigen Verhalten/ Charakterzügen liegt dann auf einer ganz anderen Ebene) - - -

    Allerdings glaube ich schon, dass die Egolosigkeit im buddhistischen Sinn da ans Eingemachte geht. Und wenn man daran arbeitet, die eigene Selbstbezogenheit aufzulösen, kommt man wahrscheinlich auch in Kontakt mit allen möglichen Marotten des eigenen Charakters.

    Mabli ... Bitte, nimm es nichts persönlich.

    Nein, kein Problem.

    Wenn ich dem psychich leidenden Menschen das ganze einzuschärfen versuchen würde, aber genau das !, nichts anderes ist der Kern! der Buddha-Lehre, meine Güte, ich wollte auf seiner Stelle niemals landen.

    Ich denke das ist nicht so leicht zu sagen. Auch Menschen, die an einer Psychose erkrankt sind, können von Übungen der Achtsamkeit durchaus profitieren. Ich habe mal einen schönen Film darüber gesehen: Someone beside you. In dem Film kommt übrigens auch Lama Tilman vor. Daher kannte ich ihn auch. Er leitet dort ein Retreat, an dem die Hauptperson, der Psychiater Edward Podvoll, teilnimmt, und sagt ein paar Worte dazu wie psychische Erkrankungen aus buddhistischer Sicht gesehen werden können.

    Was Lama Tilmann auf eine Publikumsfrage dazu sagt, finde ich sehr interessant. Beginnt bei ca. 1:20 min (dauert nur ein paar Minuten).

    Lama Tilmann sagt, dass es Unfug sei, dass man erst ein stabiles Ich aufbauen müsse, bevor man es loslassen kann. Seine Begründung lautet, dass es sich um zwei verschiedene "Ichs" handelt. Die Psychologen meinten eigentlich Ich-Funktionen wie klare Wahrnehmung, Gedächtnis, Belastbarkeit, Geduld, Ausdauer, Entspannungsfähigkeit. Er vergleicht diese Fähigkeiten mit den Paramitas (Freigebigkeit, ethische Richtlinien, Geduld, Tatkraft, Meditation, Weisheit) im Dharma. Die Quelle dieser Fähigkeiten seien Liebe und Mitgefühl. Daher habe ein Buddha nach Lama Tilmann ein stabiles Ich im Sinne der Psychologie. Es gebe aber bei ihm keine Illusion, dass da ein Wesenskern sei, der diese Qualitäten individuell besitzt. Die Qualitäten der Buddhanatur setzt er gleich mit dem wahren Selbst. Bei Welwood findet sich ein ähnliche Argumentation:

    Zitat

    So wie spirituelle Sucher, die nur ein oberflächliches Wissen von der westlichen Psychologie haben, das therapeutische Ziel der Ichstärke oft missverstehen, so würden die meisten westlichen Psychologen die Vorstellung der Egolosigkeit als eine Einladung zur Psychose verstehen.

    Offenbar wird hier also häufig aneinander vorbei geredet. Der Begriff "Ich" bezeichnet anscheinend je nach Kontext ganz unterschiedliche Prozesse oder Dinge. Nach Welwood besteht in der westlichen Psychologe eine Hauptaufgabe des Ichs darin, dass wir überleben und geschützt sind. Es sorgt dafür, dass wir im Alltag funktionieren. Als eine Imitation des wahren Selbst (der Begriff ist eine Parallele zur Argumentation von Lama Tilmann) versucht das Ich aber auch Schwächen auszugleichen. Zum Beispiel wenn uns Stärke fehlt, um mit Schwierigkeiten klar zu kommen, versuchen wir stark zu sein, indem wir uns anspannen und eng machen.

    Zitat

    Wenn wir Ichstärke als die Fähigkeit definieren, wirksam in er Welt zu funktionieren, ohne von innerem Konflikt geschwächt zu werden, würde tatsächlich gewiss kein östlicher Lehrer daran etwas auszusetzen haben.

    Allerdings neigt die westliche Psychologie dazu, sich das Ich als eine verdinglichte feste Größe vorzustellen, die als begrenzte und getrennte Einheit existiert. Die Erfahrung, dass es da etwas gibt, das kontrolliert und funktioniert verleitet dazu anzunehmen, dass dieses Ich alles ist was wir sind.

    Welwood sieht in der buddhistischen Sicht ein Sein hinter dem Ich, das er als wahres Selbst bezeichnet und das sich erst erschließt, wenn wir den begrenzten Raum des individuellen Ich überschreiten.

    Zitat

    Wenn die westliche Psychologie das Ich vor allem als feste Struktur definiert, die auf Selbstrepräsentanzen und Prägung durch Interaktion von einem Selbst mit anderen (Objektbeziehungen) aufbaut, richtet die buddhistische Psychologie ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf ein Ich als eine Aktivität - eine wiederkehrende Tendenz, sich selbst zu etwas Festem und Definiertem zu machen und nach allem zu greifen und es festzuhalten, was diese Identität aufrecht erhält, während alles abgelehnt wird, was sie bedroht.

    Bei diesen drei Zitaten klingt bei mir etwas anderes an: die "Brandrodung" gegen sie/ihre Muster, ist tatsächlich einfach eine Wiederholung ihrer Kindheitserfahrung, wenn ich das richtig verstehe. Und daher kennt sie diese -nichtakzeptierende- Härte ... und läßt sich auf den Weg ein, weil er ihr vertraut erscheint.

    Ja, das ist auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt. Das glaube ich auch. Diese "Brandrodung" der Persönlichkeit ist sehr wahrscheinlich auch eine Reinszenierung der ursprünglichen Erfahrung von Nicht-Anerkennung.

    So wie die Haltung der Unabhängigkeit und (Schein-)Autarkie eine Reaktion auf einen erfahrenen Mangel und das damit verbundene vernichtende und existenzbedrohende Gefühl war, so ist die Identifikation mit der spirituellen Gemeinschaft auch eine Form der Selbstablehnung und -verleugnung, die aber eben nicht zur Auflösung der Abwehr führt, sondern eine neue Form der Abwehr gegen die Auseinanderstezung mit der eigenen Geschichte darstellt.

    Wir scheinen jedoch diesen wichtigen Unterschied zwischen dem vedischen/brahmanischen Konzept "Atman" und dem weltlichen Konzept "Persona" nicht zu kennen: diesen hypothetischen unvergänglichen "Splitter des Brahma" "Atman", den man im Laufe der Wiedergeburten herauskristallisieren und reinigen soll um den Kontakt zum allumfassenden "Brahman" (wieder-) zu finden - solch' einen unveränderlichen, ewigen Wesenskern (bzw deren Vorstellung im menschlichen Geist) nimmt der Buddha in den Fokus, und sagt: "ist nicht zu finden" und fordert: Leute gebt den Glauben daran auf! (Die Arbeit an den persönlichen Mängeln, an unethischen, unheilsamen, unweisen und/oder unsinnigen Verhalten/ Charakterzügen liegt dann auf einer ganz anderen Ebene) - - -

    Ja, das glaube ich auch. Da kommt es schnell zu Missverständnissen. Im nächsten Kapitel schreibt Welwood über den Unterschied von Ichstärke und Egolosigkeit. Das geht in eine ähnliche Richtung. So ganz schlau bin ich aus dem Kapitel allerdings noch nicht geworden. Vielleicht muss ich es nochmal lesen.

    Fallbeispiel aus Kapitel 2 " Persönlichkeit. Weg oder Pathologie?":

    Zitat

    Tara war eine Klientin, die als Kind unter extremem Mangel an Kontakt und emotionaler Nahrung gelitten hatte und als Folge eine harte unabhängige Haltung angenommen hatte, die im Wesentlichen die Botschaft vermittelte: "Ich brauche niemanden. Ich kann alleine für mich sorgen." Diese Identität hatte ihr ermöglicht, den Mangel an Liebe in ihrem Elternhaus zu überleben. Später in ihrem Leben wurde ihre übertriebene Unabhängigkeit jedoch dysfunktional, wie es alle Persönlichkeitsmuster an einem bestimmten Punkt tun. Sie war zu einer Weise geworden weiter im Mangel zu bleiben, was ein großes Hindernis dafür war, Liebe und Fürsorge anzunehmen, und eine große Quelle des Leidens.


    In ihren späten 20ern war Tara einer spirituellen Gemeinschaft beigetreten, zu deren Methode es gehörte, das Ego ihrer Mitglieder zu brechen, das als Barriere gegen spirituelle Realisierung angesehen wurde. Die Gemeinschaft praktizierte eine kollektive Form der spirituellen Umgehung, indem sie versuchte ein Ideal "spiritueller" Identität in ihre Mitglieder zu implantieren, während sie persönliche Bedürfnisse und Interessen entwertete. Die Führer der Gemeinschaft verfolgten gegenüber Taras unabhängiger Haltung einen aggressiven Ansatz, den man mit einer Brandrodung vergleichen kann. Sie akzeptierte das, denn sie war überzeugt, dass ihre alten Persönlichkeitsmuster ihren spirituellen Fortschritt blockierten. Indem sie die Härte ablegte, verlor sie aber auch Kontakt mit ihrer Kraft, ihrem Willen und ihrem Gefühl von Sinn. Als sich die Gemeinschaft schließlich auflöste, war sie unfähig, mit dem normalen Leben umzugehen und musste viele Jahre damit verbringen, zu heilen und sich zu erholen.

    Das Fallbeispiel verdeutlicht, dass schwierige Persönlichkeitsmuster oft mal einen Sinn hatten als eine Bewältigungsstrategie. Sie sind daher, auch wenn sie heute nicht mehr angemessen erscheinen, auch eine Ressource. Wenn diese schwierigen Muster nun abgeschnitten oder ausgemerzt werden wird diesem Aspekt ihrer ehemaligen Sinnhaftigkeit die Anerkennung verweigert. Mit möglicherweise fatalen Folgen wie der Fall von Tara zeigt. Die kollektive spirituelle Umgehung, dieser Gemeinschaft bestand in einer vorzeitigen Transzendierung der schwierigen Persönlichkeitsanteile und einer Implantierung einer neuen Identität. Es ist wohl eine zentrale wie man mit schwierigen Anteilen auf dem Pfad arbeiten kann. Inwieweit schwierige Anteile vielleicht auch gerade ein Sprungbrett für eine Entwicklung darstellen.


    Man könnte sicher auch den Fall den pano in dem Thread "Wie es ist als amerikanischer Buddhist großgezogen zu werden"

    eingebracht hat unter diesen Aspekten lesen und käme zu einigen aufschlussreichen Parallelen.

    Helmut


    Ja, das leuchtet mir schon ein, dass der Lamrim als eine systematisierte Form der Lehre seine Vorteile hat. Wenn die Menschen im Westen verschiedene Versatzstücke der Lehre hier und dort mitbekommen, aber nicht wissen wie sie im gesamten Lehrgebäude einzuordnen sind, dann bringt das sicher Probleme mit sich. Mir ging es ja ähnlich mit der Tonglen Meditation. Als ich dann erfahren habe, dass sie im Stufenweg eher am Ende steht und für sehr fortgeschrittene Praktizierende vorgesehen ist, hatte ich eine andere Perspektive auf diese Praxis und habe mich weniger unter der Druck gesetzt.


    Ich mache mal einen gewagten Vergleich. In der Schule gibt es in Mathematik einen Lehrplan, der vorsieht, dass bestimmte Themen in einer bestimmten Reihenfolge durchgearbeitet werden. Erst die Grundrechenarten, dann Flächenberechnung und dann der Satz des Pythagoras. Das ist als Lehrgebäude mit verschiedenen Ebenen / Plateaus mit Exposition von neuen Themen, Übungsphasen und Wiederholungen so festgelegt. Jetzt kommen aber die Reformpädagogen und sagen, ich mache schon in der fünften Klasse eine Unterrichtseinheit, in der die Kinder sich forschend mit dem Satz des Pythagoras auseinandersetzen. Das kann für einige Kinder das Verständnis für Geometrie vertiefen und ihre Begeisterung für Mathematik wecken. Aber die Lehrer, die nach dem Lehrplan vorgehen, schlagen wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammen und sagen, das könne man auf keinen Fall machen.

    Deine Schlussfolgerung könnte ja nur gelten wenn gesagt wird :"Nur wer an Allah und das Jüngste Gericht glaubt ..." Aber das "Nur" steht nicht an der Wand der Moschee

    Das erscheint mir kleinkrämerisch. Aber nun gut.

    Meine Beteiligung an diesem Thema ist abgeschlossen.

    Von der Logik her gesehen ist das der Unterschied zwischen einer einfachen Wenn-Dann-Beziehung und einer "Genau dann, wenn"-Beziehung. Ich würde Helmut da zustimmen. Das "Nur" macht da einen entscheidenden Unterschied und ist nicht bloß Wortklauberei.

    "(3) Denjenigen, der mit irgendwelchen Methoden den eigenen Vorteil nur im Glück des Samsara sucht, den erkenne als Menschen mit niedriger Motivation.


    (4) Denjenigen, der dem Glück des Samsara den Rücken kehrt und sich von schlechten Handlungen abwendet, jedoch nur den eigenen Frieden im Sinn hat, den nenne einen Menschen mit mittlerer Motivation.


    (5) Derjenige, der alle Leidend er anderen vollständig und in jeder Hinsicht beenden möchte, weil ihre Leiden Bestandteil des eigenen Bewusstseinsstroms sind, der ist ein Mensch mit höherer Motivation."

    Ich frage mich, ob man diese Stufen in der Praxis wirklich scharf voneinander abgrenzen kann. Ich könnte mir vorstellen, dass da auch oft ein fließender Übergang passiert oder auch wie bei der Echternacher Sprungprozession (ein Schritt vor und zwei zurück) kein linearer Fortschritt statt findet.

    Ich habe tatsächlich bevor ich mit dem Lamrim-Studium und den Meditationen dazu angefangen habe auch schon mal versucht Tonglen zu praktizieren, was ja eigentlich mit die höchste Praxis der Praktizierenden mit höherer Motivation ist. Und ich hatte obwohl ich schon meine Schwierigkeiten damit hatte, trotzdem das Gefühl, dass ich dadurch weiter gekommen bin. Wie streng meinst du sollte man sich an die Abfolge der Schritte auf dem Pfad halten? Bauen die Schritte wirklich immer sinnlogisch aufeinander auf? Oder kann auch eine andere Reihenfolge beschritten werden?


    Man kann den Aspekt des Fortschreitens auf dem Pfad ja mit unterschiedlichen Bedeutungsakzente verstehen. So klingt "Stufen" schon anders als "Schritte" auf dem Pfad.

    Zu der Anhaftung an Lob und Anerkennung und der Ablehnung von Kritik habe ich mir einige Gedanken gemacht:


    Ich hafte an, wenn ich die Erwartungen von Anderen übererfüllen möchte, um deren Anerkennung zu erlangen. Ich bin in der Ablehnung, wenn ich die Erwartungen anderen brüsk zurückweise und gegen den Strom schwimme. Es sind zwei Seiten einer Medaille. In der Erfüllung der Erwartungen steckt die Ablehnung, da ich mit so einer Haltung nicht wirklich bereit bin von anderen etwas anzunehmen. Insgeheim halte ich mich für schlauer und möchte meine Unabhängigkeit in der Abhängigkeit bewahren. In der Ablehnung steckt der Wunsch nach Anerkennung, da ich mich mit meinem heroischen Stemmen gegen den Strom besonders hervor tue und über andere stelle.

    Der Wunsch nach Anerkennung und die Ablehnung von Kritik sind ein Paar der acht weltlichen Dharmas. Ich möchte diese Haltungen, die so tief in meinen Charakter eingegraben sind, loslassen und einen mittleren Weg finden. Es entsteht so viel Leid dadurch für mich selbst und für Andere. Ich möchte meine Zeit nicht in diesem Hamsterrad auf der Jagd nach einem scheinbaren Glück vergeuden, sondern sinnvoll einsetzen.

    Bei der Vase geht es dich was an, bei der Blume, Pflanze oder jeden erdenklich anderen lebenden Wesen geht es dich nichts, absolut nichts an, wie es erscheint oder wie du glauben könntest, wie es erscheint. Du hast schlicht und einfach keine Ahnung wie Leben entsteht, bei einer Vase ist das ganz was anderes. Jedes Lebewesen hat seine individuellen unergründlichen Ursachen, eine Vase nicht.

    Die Blume geht mich etwas an, da ich mich über ihre Schönheit freue, wenn ich sie betrachte. Oder da ich aus ihren Blüten einen Tee koche, der sich auf meinen Organismus und meine Psyche in einer bestimmten Weise auswirkt. Vor der Erhabenheit des Bergs kann ich in Respekt und Ehrfurcht stehen. Ich kann versuchen ihn zu erklimmen in mit einer respektvollen oder einer größenwahnsinnigen Haltung oder mit der Seilbahn hoch fahren.

    es scheint so zu sein, dass die acht weltlichen Dharmas auch in den ausführlichen Lamrimschriften nicht besonders behandelt werden, aber indirekt sind sie natürlich angesprochen, wenn es darum geht, was aufzugeben ist.

    Den einzigen direkten Bezug auf die acht weltlichen Dharmas im ersten Band des Lamrim Chenmo habe ich hier gefunden (Band 1, S.350):


    Zitat

    Moreover, the four cravings for gain, fame, praise and pleasure and the dislike for their opposites are quick to occur and difficult to get rid of. Strive to remedy this, and stop these eight worldly concerns by meditating on the faults of cyclic existence in general and by cultivating the mindfulness of death in particular. Eliminate pride, as it is the chief obstacle to the development of the path in this lifetime and causes future rebirth as servant and so forth.

    Meine Übersetzung:


    Darüber hinaus treten die vier Anhaftungen an materiellen Besitz, Ruhm, Lob und sinnliche Annehmlichkeiten und die Ablehnung von ihrem jeweiligen Gegenteil schnell auf und sind schwer loszuwerden. Bemühe dich dem abzuhelfen und beende diese acht weltlichen Dharmas, indem du über die Unvollkommenheit zyklischer Existenz im Allgemeinen meditierst und die Erinnerung an die Vergänglichkeit im Besonderen kultivierst. Beseitige Stolz, der ein Haupthindernis bei der Entwicklung auf dem Pfad in dieser Lebenszeit darstellt und eine zukünftige Wiedergeburt als Diener und so weiter bewirkt.

    Im Zusammenhang mit dem Zitat sprichst du von zwei Bedeutungen des Begriffs Dharma. Der Begriff Dharma hat aber noch eine Reihe weiterer Bedeutungen.

    Ja, das war mir bewusst. Es ging mir vor allem darum, auf die unterschiedlichen Bedeutungen in dem Zitat hinzuweisen und nicht um eine erschöpfende Erklärung des Bedeutungsfelds von "Dharma".

    Hallo Qui-Ran,


    Ich würde da sogar einen Schritt weiter gehen und sagen, dass die Ursache für eine Vase (oder eine kreative Schöpfung an sich) immer der Mensch, also der Schöpfende ist. Die Ursache im Menschen für diesen Prozeß ist sein Schöpferwunsch. Also entsteht die Vase als Ursache aus dem Schöpferwillen des Menschen heraus. Denk ich mir zumindest.

    Bei der Vase stimme ich dir zu. Die Vase ist ja ein Kulturprodukt und damit etwas menschengemachtes. Und die Welt wirkt nicht nur auf den Menschen ein und prägt ihn, sondern umgekehrt wirkt der Mensch auch auf die Welt ein und formt sie nach seinen Vorstellungen, z.B. in künstlerischer Tätigkeit oder als Ingenieur. Wenn der Mensch auf die Welt einwirkt ist der Grund für sein Einwirken eine Idee oder ein Willen, die Welt zu verändern. Und das ist eine Form der Bedingtheit, die ich ganz klar von einer naturwissenschaftlichen Kausalität unterscheiden würde. Es ist der Raum der Gründe, in dem eine Begründung wirksam werden kann. Das ist aber etwas anderes als zu sagen: Dann feuern die Synapsen im Hirn von X, X bewegt daraufhin seinen Arm und malt mit dem Pinsel einen Kreis auf die Leinwand. Bei der Begründung kann die Vorstellung von dem Ziel der Handlung der Grund für die Handlung sein.


    Aber wie verhält sich im Gegensatz zu der Vase bei einer Blume oder einem Berg. Die sind ja nicht vom Menschen geschaffen und doch durch Ursachen und Bedingungen entstanden.

    Einfaches Beispiel: Wie kann es sein, dass ich mich immer noch in der misslichen Lage befinde, die mich unglücklich macht?

    Ich forsche nach der Ursache und stelle fest, dass ich der Grund bin. Jetzt gefällt das meinem Ego aber nicht, und ich suche nach einer angenehmeren Alternative. Man findet auch oft eine.
    Diese ist dann aber nur ein Alibi und ein Verschieben der eigentlichen "Problematik".

    Es ist ja auch die Frage, was es genau heißt, dass "ich" der Grund bin. Ist es meine Persönlichkeit, mein Charakter, sind es meine Verhaltensmuster oder meine Unwissenheit. Und was wäre die Alternative zu Verdrängung und Verleugnung? Kann ich meine Persönlichkeit einfach so ändern oder muss ich mich zehn Jahre beim Psychoanalytiker auf die Couch legen oder zehn Jahre über die Leerheit meditieren?

    Ich habe auch mal die Fühler ausgestreckt nach dem Abhidhamma, insbesondere dem siebten Band Paṭṭhāna:

    Paṭṭhāna, Bedingungszusammenhänge. Über die Entstehung und Zusammenhänge der materiellen und geistigen Phänomene nach 24 Abhängigkeitsbedingungen, wie: Wurzel, Objekt, Prädominanz, zeitliche Kontiguität, Co-Existenz, Kamma, usw.

    Da geht es um eine systematische Darstellung der Ursachen.

    Ich weiß auch nicht, wieso der ausgesprochene Vorwurf angesichts meiner konkret vorausgegangenen Äußerung als so gewichtig betrachtet wurde, dass er - zunächst unkommentiert von der Moderation - in einen eigenen Thread eingestellt wurde.

    Ich glaube, dass so eine Verschiebung eines Beitrags in neuen Threads vor allem dazu dient off-topic Diskussionen auszulagern.


    Ich habe vor allem auf die Ausführung von kristallklar zu seiner Sicht auf eine koloniale Mentalität, die sich in einer selektiven Aneignung von Versatzstücken einer fremden Religion ausdrückt.

    Es ist eine koloniale Mentalität, in das Gebiet eines anderen einzudringen, sich zu nehmen, was sie wollen, und das zu verwerfen, was sie für nutzlosen, primitiven, rückständigen Aberglauben halten. (Leugnung von Karma, Wiedergeburt, Ritualen, traditionellen Praktiken.)

    Dazu habe ich einen anderen Aspekt, der aus meiner Sicht Ausdruck einer postkolonialen Mentalität sein kann, angeführt. Ich habe mich eigentlich gar nicht auf deinen Beitrag aus dem Ursprungsthread bezogen Yoshikind

    Von daher finde ich es durchaus sinnvoll, sich mit dem Begriff zu befassen. Insbesondere seine Implikationen zu prüfen. Ohne eine scharfe definitorische Abgrenzung, was "Aneignung" ganz konkret bedeutet, steht auch der "Austausch über die Lehre Buddhas" in einem deutschsprachigen Forum implizit mit unter dem Generalverdacht moralisch verwerflicher kultureller Aneignung.

    Soweit ich das verstehe wird kulturelle Aneignung immer in einem Kontext eines asymetrischen Beziehung zwischen einer dominanten und einer Minderheitenkultur gedacht. Die Aneignung impliziert in einem solchen Kontext auch eine Enteignung. pano hat ganz zu Beginn auch schon auf diese Aspekt hingewiesen.


    Der Begriff der Kulturellen Aneignung ist vielschichtig und kommt natürlich erstmal aus einem Kontext, in dem angeeignete Kulturgüter oder -merkmale für ihre ursprünglichen Kulturträger zu Diskriminierung führen. Also, solange die Kleiderordnung in amerikanischen High-School das tragen von Dreadlocks verbietet (was erstmal nicht das Problem der privilegierten Schüler ist), solange muss man sich nicht wundern, wenn BIPOC (black / indigeneous people of color) es nicht cool finden, wenn eine weiße Person diese Frisur trägt (mit der wiederum eine BIPOC ggf. den Job nicht erhalten würde). Dazu braucht auch die weiße Person überhaupt nicht rassistisch zu sein, es geht da um den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang.

    Aneignung kann ja auch ein positiver Begriff sein, gerade im Bereich der Bildung bedeutet Aneignung eine selbsttätige Beziehung des Subjekts zur Welt. Bei Humboldt heißt das:


    Zitat

    "Die letzte Aufgabe unsres Daseyns: dem Begriff der Menschheit in unsrer Person, sowohl während der Zeit unsres Lebens, als auch noch über dasselbe hinaus, durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so grossen Inhalt, als möglich, zu verschaffen, diese Aufgabe löst sich allein durch die Verknüpfung unsres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung

    Das ist aber mit kultureller Aneignung wohl nicht gemeint.

    Dazu ist Religion ist per Definition keine Privatsache, und inwieweit man eine säkuläre Kultur auf deutschem Boden sehen mag ist nunja, wie man es eben sehen und behaupten will ...

    Wie kommst du jetzt von Jodeln auf Religion? Oder übersehe ich da gerade etwas?

    Kulturelle Aneignung im engeren Sinne wäre es nur dann, wenn die Bajuwaren als mürrisches Bergvolk eine unterdrückte oder benachteiligte Minderheit wären und die Vermarktung der Kulturtechnik des Jodelns in einer falschen oder verzerrten Form und als Ware stattfände. Zudem müsste der Interpret mangelndes Verständnis und fehlenden Respekt gegenüber der bajuwarischen Kultur zum Ausdruck bringen.

    Da die Bajuwaren die Vermarktung ihrer volkstümlichen Musik als Volksmusik schon selbst erledigen und mit ziemlicher Sicherheit auch keine unterdrückte oder benachteiligte Minderheit sind, kann es sich per Definition nicht um kulturelle Aneignung handeln.


    Für mich entsteht die Komik des Videos daraus, dass eigene Stereotype und Vorurteile maximal frustriert und konterkariert werden. Aufgrund des Aussehens des Mannes erwartet man eben dem eigenen Stereotyp entsprechend nicht, dass in fast perfekten bayrisch und mit gerolltem rrrr losgejodelt wird.

    Es ist interessant sich da die Ursachen bei Aristoteles anzusehen:

    Während Aristoteles noch Stoff-, Form- und Zweckursache gelten ließ, verstehen wir nur die Wirkursache als Ursache .

    In der Übersetzung des Mulamadhyakakarika von Geldsetzer findet sich im Vorwort die These, dass Nagarjunas Werk eine Kritik an Aristoteles Lehre von den vier Ursachen sei:

    Zitat

    Setzt man dies voraus, wird deutlich, daß er seine eigene Theorie vom »Entstehen im Zusammenhang« (pratitya-samutpada) in der Kritik an der aristotelischen Vier-Ursachen-Lehre entwickelt und dieser gegenübergestellt hat. Ebenso wird die Bedeutung der Benennung dieser vier Ursachen sowohl im Sanskrit wie im Chinesischen als Übersetzung der griechischen Bezeichnungen der »Form- und Materieursache sowie der Wirk- und Zweckursachen« überhaupt erst verständlich.

    Der Gang seiner Analysen der einzelnen Ursachen aber zeigt, wie er drei dieser Ursachen, nämlich die materiellen und die Wirk- und Zweckursachen als wiederum »unvorstellbar« destruiert und nur die Formursache in einer neuen und originellen Deutung für seine »Kausaltheorie« der Entstehung in Abhängigkeit

    Demnach gilt für die buddhistische Schule des Mittleren Wegs anscheinend allein die Formursache also die Idee oder der Begriff als Ursache.

    Ich denke, es hat unglaublich lange gedauert und viel Disziplin erfordert, die Beziehung zwischen Sprache und Welt zu klären. Man hat ja sehr lange Sachen, die rein Fragen der Benennung sind "wie lange nenne ich etwas Samen, ab wann nenne ich es Sprößling" mit dem auf was sich die Benennungen bezieht vermischt. Eben gerade weil Unterschiede in der Benennung ja ein Weg sind um sich auf Unterschiede in der Wirklichkeit beziehen und man selber als Mittel die Sprache benutzt.

    Sprache und Namen wurden auch als eine Art magische oder mystische Form der Erkenntnis der Welt verstanden bevor die Sprache und die Wörter zu willkürlichen und zufälligen Zeichen wurden, deren Bedeutung alleine auf Konventionen beruht. Diese religiöse Vorstellung von Sprache hat Benjamin beispielhaft in seinem Essay über Sprache ausgedrückt:

    Ich kann mir auch vorstellen, dass Sprache aus Lautmalereien und Nachahmung von natürlichen Lauten entstanden ist und zunächst zum Zweck der Beschwörung von Naturmächten und -geistern gebraucht wurde.


    Ich frage mich aber auch, ob die strikte Trennung von Zeichen und bezeichnetem Ding wirklich als eine Errungenschaft zu betrachten ist oder vielleicht auch etwas damit verloren gegangen ist. Die Sprache als reine Mitteilungsfunktion hat keinen wirklich erkennenden sondern nur noch einen zufälligen Bezug zur Welt.

    Bei der Geschlechterdiskriminierung wie bei der leider noch nicht ganz überwundenen Sklaverei handelt es sich im wahrsten Sinn des Wortes um eine menschliche Kulturschande und nicht um schützenswertes Kulturgut, da bin ich ganz bei Yoshikind . Und ich kann mir vorstellen, dass auch Mabli das so sieht.

    Auf jeden Fall verurteile ich Geschlechterdiskrimierung und Sklaverei. Ich weiß tatsächlich wenig über Tibets Geschichte und Gesellschaft und beginne gerade erst mich damit zu beschäftigen.


    Yoshikind Ich wollte mit meinem Einwurf ein Engagement für mehr Gerechtigkeit nicht schlecht reden. Es tut mir leid, falls ich das wider bessere Absichten doch getan haben sollte.


    Sudhana Danke für die vermittelnden Worte!

    Mabli. Bitte. Glaubst du, dass eine tibetische Nonne aus Tibet einfach zur Ordination nach Taiwan reisen kann? Aus einem annektierten Land, dessen Besatzer die Reisefreiheit massiv einschränken, die Tibeter schon ins Gefängnis werfen, wenn diese ein Bild des Dalai Lama besitzen und dessen Einwohner anderswo auf der Welt als "Staatenlose" gelten?

    Wie schon gesagt, kann ich hier nichts fundiertes zu dem Thema sagen. ich kann nur die Aussage von Pema Samten wiederholen, der selbst für zwei Nonnenklöster verantwortlich ist. Ich sehe momentan keinen Grund, warum er sich das ausdenken sollte.

    Ich kann ja nur für die Klöster sprechen, für die ich mich verantwortlich fühle – unter anderem zwei Nonnenklöster. Diese Nonnen sind in ihren Entscheidungen recht autonom, und niemand würde sie hindern, die Ordination bei zum Beispiel chinesischen Nonnen zu nehmen. Aber sie tun es nicht, und ich glaube, sie müssen dieses Bedürfnis erst noch entwickeln.


    Nutze bitte nicht ein random in den Raum gestelltes Schlagwort wie "kulturelle Aneignung", um die Behauptung aufzustellen, man dürfe nicht über die Rechte tibetischer Nonnen reden.

    Das habe ich nirgendwo getan, weder habe ich das Schlagwort "kulturelle Aneignung" benutzt, noch behauptet man dürfe nicht über die Rechte tibetischer Nonnen reden.

    Darüber hinaus ist mir nicht klar, welche Vorstellung du davon hast, inwieweit Diskussionen, die im Westen über die emanzipatorischen Rechte der Nonnen in Tibet geführt werden, überhaupt bei diesen ankommen. Ich persönlich gehe davon aus, dass sie so gut wie gar nichts davon mitbekommen.

    Es ging mir hier generell um eine bevormundende Haltung vom globalen Norden gegenüber Ländern des globalen Südens nach dem Motto: Wir wissen schon, was das beste für Euch ist. Das westlich-europäische Lebensmodell wird damit auch als stillschweigende Standardnorm gesetzt.

    Kannst du bitte mal ausführen, wie es genau aussieht, dass tibetischen Frauen Gleichberechtigung "aufoktroyiert" wird und wer ein Problem damit hat?

    Derlei Unsinn wird immer aus den Reihen der Privilegierten geäußert.

    Das ganz große Problem besteht darin, dass Entrechtete ignoriert und ausgebeutet werden, nicht dass ihnen Rechte "aufoktroyiert" werden.

    Ich möchte an einem anderen Beispiel versuchen das zu verdeutlichen, was ich damit meine. Koloniale Bestrebungen werden nicht selten als Befreiung von Unterdrückung legitimiert, obwohl mit Sicherheit auch andere Interessen eine Rolle spielen. So hat China den Einmarsch in Tibet auch als Befreiung von Feudalherrschaft und Sklavenhaltung im alten Tibet legitimiert. Die Tibeter hatten sie aber nicht um diese Befreiung gebeten.


    Wenn es stimmt, was Pema Samten sagt, und bei den Nonnen in seinen Klöstern das Bedürfnis nach einer Ordination (noch) nicht besteht, dann wäre es auch aufgezwungen, ihnen zu sagen, sie müssten sich ordinieren, um freier zu sein. Eventuell müsste dann erstmal ein Bewusstsein für die Möglichkeiten, die damit einhergehen könnten, entstehen oder die Hindernisse, die dem Im Weg stehen, beseitigt werden.

    Es besteht meiner Meinung nach zumindest auch eine Möglichkeit, die man untersuchen sollte, ob hier aus dem Westen nicht auch Vorstellungen vom eigenen Lebensmodell auf das so "andere" Tibet projiziert werden.

    Mabli, ich sehe deine Selbstkritik, aber ich kann deiner Herangehensweise nicht folgen. Frauen und ihre Körper werden seit jeher von Männern kolonisiert, und zwar in einem Maße, das es mit sich bringt, dass ein Ausdruck wie "kulturelle Aneignung" viel zu wenig ist.

    Ich wollte mit meinem Einwurf sicher nicht leugnen, dass es in Tibet und anderswo Geschlechterungerechtigkeit gibt. Das Zitat von Geshe Pema Samten kann vielleicht so ausgelegt werden, dass er die Unfreiheit der Nonnen in Tibet in der Frage der Ordination zurückweist, d.h. er sagt, sie könnten sich in Taiwan ordinieren lassen. Zugleich führt er an, dass Mädchen oft bessere Bildung erhielten. Das Phänomen gibt es bei uns übrigens auch. War vor einiger Zeit das katholische Arbeitermädchen vom Land das Sorgenkind, sind heute eher Jungen mit Migrationshintergrund in urbanen Gegenden die Bildungsverlierer.

    Ich würde auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit und kulturelle Aneignung nicht gleichsetzen. Ich bin nicht ganz sicher, ob du mir diese Ansicht mit dem letzten Satz zuschreibst. Aber das sind für mich zwei verschiedene Fragen.


    Ich wollte mit meinem Einwurf lediglich darauf hinweisen, dass neben den patriarchalen Strukturen in Tibet auch noch andere Abhängigkeits- und Unterdrückungsverhältnisse bestehen, durch welche die Frauen in Tibet "doppelt im Schatten" stehen. So gibt es eine internationale wirtschaftliche Arbeitsteilung und eine Kolonialherrschhaft durch China. Der Westen wiederum neigt dazu durch Projektionen von eigenen Sehnsüchten Tibet zu romantisieren und zu verklären. Aus der Abgrenzung des Westens von Tibet als einer hierarchisch und feudal geprägten Gesellschaft folgt dann die Frage wie eine Modernisierung möglich erscheint.


    Ich möchte auch daran erinnern, dass Rechte für Frauen auch in unserer Gesellschaft noch eine recht junge Errungenschaft sind. Meine Vermutung ist, dass solche Entwicklungen ihre Zeit brauchen und nicht von außen aufoktroyiert werden können.

    Wenn du nicht im Thema bist, wieso führst du dann die Diskussion um die Ordination tibetischer Nonnen als Beispiel für den Verlust der eigenen Stimme an?

    Ich habe mich auf die Aussage von Geshe Pema Samten bezogen, dass die Diskussion über Nonnenordination und die Gleichberechtigung in Tibet, die von außen kommt, in der Sache nicht viel nützt.

    Nun habe ich - wie ich ja schon gesagt habe - selbst keinen blassen Schimmer von der gesellschaftlichen Situation in Tibet und lediglich diese Aussage assoziert mit der kolonialen Mentalität, um die es in der Diskussion ging. Wahrscheinlich ist meine nicht-wissende Einmischung in diese Diskussion nicht weniger Zeugnis einer kolonialen Mentalität.


    Zum Thema der kulturellen Aneignung habe ich noch einen schönen Artikel in der jungle world entdeckt, mit dem ich mich sehr gut identifizieren kann.


    Zitat

    Wer sich auf die Debatte über kulturelle Aneignung einlässt, wird geistig nicht unbeschadet daraus hervorgehen. Sie nötigt, auf Platitüden mit Platitüden zu reagieren – und kritische Energie in Endlosdiskussionen zu vergeuden, zu Fragen, die man vor wenigen Jahren noch als infantil oder scherzhaft aufgefasst hätte. Doch drängt die Aneignungskritik unter progressiver Flagge jeden Einspruch in die Defensive und zur Rechtfertigung, ihn nicht rassistisch oder prokolonial zu meinen. Doch wer sich rechtfertigt, so weiß man, der hat schon verloren.


    Über den vernünftigen Kern der Aneignungskritik redet kaum mehr jemand: der Kritik von kulturalisierender Aneignung als Romantisierung der Kultur Diskriminierter und von kultureller Enteignung als Definitions- und Vermarktungsmacht über diese Kulturen.