Es hat auch manchmal, aus eigener Erfahrung weiß ich das, daß man es sich in seiner Opferrolle ganz gemütlich einrichten kann, denn dann sind ja alle anderen Schuld, und man selbst muß nicht bei sich schauen.
Ich verstehe das, möchte aber darauf hinweisen, äußerst vorsichtig mit solch einer Aussage zu sein. 
Im Bezug darauf, dass man nur noch das Negative sieht, mag das stimmen. Gleichwohl kann es sein, dass der ein oder andere tatsächlich nicht einmal etwas dafür kann und so erzogen wurde. Er IST in dem Fall das Opfer.
Um konkret zu werden.... Achtung, ab hier Triggerwarnung:
Ich wurde 10 lange Jahre gemobbt inkl. physischer Gewalt. Angefangen mit 5 Jahren und es endete mit 15, als die Schule beendet war (Schweizer System, mit 15 ging man in die Lehre, also nicht wundern
). Währenddessen hatte ich eine lieblose Mutter, die selbst Kindesmisshandlungen erlebte in ihrer Familie, einen trockenen Alkoholiker als Vater, der ebenfalls als Kind von seinen Eltern misshandelt wurde und gleiches mit meiner Schwester und mir tat. Ich wurde dann während der Ausbildung gemobbt, auf der Arbeit sexuell belästigt, dann einen narzistischen Ehemann, inklusive sexuellem Missbrauch, meine Tochter geschüttelt und später missbraucht von diesem. Neuer Ehemann und auch dieser wurde von seinen Eltern schwer misshandelt.
Trigger Ende.
Ich BIN das Opfer und kann gar nicht anders, als das Negative zu sehen und hinter jeder Person etwas Böses zu vermuten. Das Problem bei der Sache ist nämlich, dass in all den 36 Jahren mein Mann und meine Kinder die einzigen Menschen waren und sind, die mir nichts böses angetan haben und mir das Gefühl gegeben haben, geliebt zu werden. Es ist nicht so, als fänd ich das toll, ein Opfer zu sein. Ich habe nie darum gebettelt, dass mir all diese schlimmen Dinge angetan wurden. Und ich habe mich auch ganz sicher nicht wie ein A-Punkt verhalten, so daß ich das verdient hätte. Ich habe einfach nur existiert. Ja, in diesem Fall sind tatsächlich die anderen Schuld. Ich kann tatsächlich nichts dafür. Und gerade für Traumaopfer ist genau DAS wichtig. Zu erkennen, dass man selbst nichts dafür kann und absolut keine Schuld trägt.
Irgendwann kommt ein Opfer hoffentlich zu dem Punkt, sagen zu können, überlebt zu haben. Und das ist wirklich verdammt schwierig. Ich bin jetzt erst an dem Punkt angekommen, zu sagen, ich möchte nicht mehr das Opfer sein. Das ist mit verdammt viel Kraft verbunden. Und eben auch mit der Einsicht, dass man selbst nichts hätte anders tun können und dass die Vergangenheit für immer Vergangenheit bleibt. Und zu erkennen, dass unter 8 Milliarden nur etwa 50 Menschen mir etwas böses antaten. Es eben auch verinnerlichen. Das ist schwierig.
Lange Rede kurzer Sinn: Ich finde solche Aussagen äußerst schwierig und kontraproduktiv.
Ich behaupte mal, dass Misanthropen überwiegend dazu gemacht wurden. Keiner wird dazu geboren. Folglich dürften die meisten darunter Opfer von Gewalt sein. Ich musste das hier an der Stelle einbringen, für den Fall, dass andere Gewaltopfer hier mitlesen. 
Um zum Thema zurückkehren, "der Weg zu Mitgefühl" beginnt also damit, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Also im Hier und Jetzt ankommen. Ich denke, die Vipassana Meditationen, aber auch die Praxis den ganzen Tag lang, hat mir hier ganz gut getan. Ich habe große Fortschritte gemacht und konnte hier meine Traumata niederschreiben, ohne zu weinen. Also mit einem gewissen Abstand. Als wäre das eine andere Person gewesen. Ich muss dazu sagen, ich denke, je öfter die Praxis, desto schneller das Ergebnis. Ich habe wirklich versucht nonstop achtsam in den Tag zu leben. Falls sich einer wundert, wie ich bitte in so kurzer Zeit zur Einsicht komme 
Als zweites halte ich Metta Meditation nur für sich selbst in erster Linie und für die Menschen aus der näheren Umgebung, für heilsam. Als ich zum Punkt kam, alle Menschen einzubeziehen, wurde es schwierig. Ich aber die Selbstliebe war enorm hilfreich. Ich habe sogar davon geträumt, wie ich aufzählen, was toll an mir ist.
In der Gruppentherapie bin ich fast in Tränen ausgebrochen, weil ich kaum positive Eigenschaften an mir sah. Es hilft also wirklich. Und wenn es noch so sinnlos erscheint, einfach tun. Einfach machen und genießen. Du hattest Recht, Aravind 
Hat jemand einen Tipp für mich, wie man das in den Alltag integrieren kann? Beim Einkauf habe ich mich jetzt erstmal überwiegend auf die Umgebung konzentriert und wenn es mir nicht gelang, auf meinen Atem. Das war sehr hilfreich. Man könnte das aber vielleicht steigern? Ich könnte die Menschen bewusst anlächeln? Und innerlich sagen, mögest du glücklich sein? Was denkt ihr? Vielleicht kann ich so diese "Dunstwolken" neutralisieren?
Liebe Grüße. Ach, und ein großes Dankeschön an euch an dieser Stelle
Ihr habt mir bisher allesamt sehr geholfen. 