Beiträge von namenlos

    Hallo Nadine,


    vorweg: Ich bin keine Buddhistin, habe aber die Ansätze der buddhistischen Lehre kennen und schätzen gelernt. Meine Antwort ist also recht laienhaft, trotzdem:


    nadine66:

    Ich sehe den Buddhisten als ausgeglichener Mensch der Fair ist gegenüber anderen, Neid nicht kennt, gönnerhaft ist, positiv denkt etc.


    Die positiven Eigenschaften, die Du da im Kopf hast, sind das Resultat eines Übungsweges, ein Etappenziel sozusagen.


    nadine66:

    Ich wäre auch gerne ein solcher Mensch, bin aber eher sehr Emotional, und werde auch mal wütend auf andere Menschen :evil: . Ich kann nicht immer positiv denken was dann auch dazuführt das ich negativ über mich denke. :(


    Du sagst selbst, dass Du Anfängerin bist. Erwarte bitte nicht, dass Du das alles schon kannst – Du musst es ja erst lernen. Du kannst auch nicht gleich Fahrradfahren, nur weil Du die Beschreibung eines Fahrrades gelesen hast.


    nadine66:

    Dann denke ich wider an den Buddhismus und versuche meine Wut oder die negativen Gedanken wegzuschieben und positiv zu denken. Dies gelingt mir aber nicht.


    Natürlich nicht, weil Du versuchst zu verdrängen, was in Dir ist. Das gilt es aber erst mal anzuerkennen und dann zu bearbeiten. Es funktioniert nicht, einfach nur zu sagen: Das darf nicht sein.


    nadine66:

    Wie geht ein Buddhist damit um? Was sagt er zum Beispiel wenn er gemobbt wird am Arbeitsplatz?


    Wie ein Buddhist damit umgeht, kann ich Dir nicht sagen. Ich vergegenwärtige mir immer (wenn möglich…), dass jeder Mensch in jedem Moment seines Lebens versucht, so glücklich wie möglich zu sein, und das mit den ihm gegebenen Mitteln versucht zu erreichen. Wenn mir also einer „an den Karren fährt“ (und ich gerade einen meiner lichten Momente habe), mache ich mir klar, dass derjenige in dieser Situation keine andere Möglichkeit hat, als so zu handeln, um sich einigermaßen wohl zu fühlen. Dann entsteht Mitgefühl automatisch.


    nadine66:

    Oder was denkt er über sich wenn er sich mit seinem Partner streitet? hat er dann nicht ach selbstzweifel und sagt sich selbt er sei ein schlechter Buddhist?


    Ich erlebe den Buddhismus als zutiefst menschlich. Was bedeutet, dass ich auch mir selbst gegenüber Mitgefühl haben soll. Wenn mir klar wird, dass ich z. B. während eines Streits selbst auch gerade keine andere Möglichkeit sehe, um mich „wohl“ zu fühlen, kann ich innehalten und mir bewusst machen, wie paradox das ist. Das geschieht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess. Verurteilungen von sich selbst oder anderen helfen da keinen Schritt weiter. Wenn man etwas können möchte, muss man es üben. Bleibe einfach am Ball und habe Geduld mit Dir.


    Lieben Gruß
    namenlos

    Silke79:

    Lieben Dank, namenlos, für Deine schöne bildhafte Erklärung, genau sowas interessiert mich, persönliche Bilder und Vergleiche zu einer sehr komplexen Materie.


    Ja, ist ganz wichtig, das als Metapher zu sehen und nicht als Konzept.


    Silke79:

    Was Du schreibst, spricht mir aus der Seele. Das meinte ich oben mit "Bonbon", der Karma-Gedanke als Köder von Religionsstiftern, um Menschen - wie Du schreibst- Fleißpunkte sammeln zu lassen, um möglichst auf höherer Ebene wieder aufzutauchen. Deshalb denke ich auch, daß man dem Karma nicht allzu große Aufmerksamkeit schenken sollte, weil es bei einigen Menschen sicherlich in Richtung Selbstgefälligkeit führen kann und sich der Buddhismus so selbst ein Bein stellt.


    Naja, sagen wir’s mal so: Bei wem’s zu Selbstgefälligkeit führt, der ist ohnehin dafür anfällig – und wer kann sich schon ganz davon frei machen? Ich klopfe mir schon auch immer wieder mal mental auf die Schulter, wenn ich meine, ich hätte etwas gut gemacht. Problematischer finde ich, dass der Egoismus genährt werden könnte – aber auch das nur bei denjenigen, die ohnehin egoistisch sind. Selbst der Dalai Lama sagt: „If you want to be selfish, be wisely selfish. Help!” Wer sich daran halt, richtet (so betrachtet) wenigstens weniger Schaden an, weil er auf sein gutes Karma bedacht ist. Mit Mitgefühl hat das natürlich nichts zu tun… Das kann nur der entwickeln, der dazu veranlagt ist.


    Silke79:

    Ich denke auch, daß ich mich erst auf etwas einlassen kann, wenn ich mir nicht ständig den Kopf an elementaren Fragen anstoße. Deshalb hoffe ich, vielleicht hier ein bißchen weiter zu kommen.


    Du brauchst ja nicht gleich eine ganze Einbauküche zu kaufen. Nimm erst mal ein Teil mit, das Dir gefällt. Der Rest ergibt sich dann. Von mir selbst kann ich sagen, dass mir der Buddhismus von allen „Lehren“ oder „Weisheiten“, die mir begegnet sind, am meisten weiter geholfen hat (naja, neben Advaita, da habe ich dann noch ein paar der fehlenden Puzzle-Teilchen gefunden, aber auch nicht alle…). Trotzdem habe ich nicht das ganze Paket genommen, weil mir manche Antworten dann doch nicht schlüssig waren. Vielleicht fehlt mir die Demut – vielleicht hat mir auch einfach nur der richtige Lehrer gefehlt. Und vielleicht wird es doch alles noch ganz anders, als ich es mir jetzt vorstelle. Mein Rat: Lege Dir keinen Zwang auf und setze Dich nicht unter Druck.


    Lieben Gruß
    namenlos

    Hallo Silke,


    hm, ich bin ja erwiesenermaßen keine Buddhistin, aber mit Deiner Frage habe ich mich auch schon beschäftigt. Meine Antwort ist vielleicht nicht buddhistisch, aber vielleicht... Wenn wir die jetzige "Form" der Wesen mit den verschiedenen Niederschlagsformen (Regen, Schnee, Hagel, Nebel, Tau etc.) vergleichen, dann wissen wir, dass sie alle einem Kreislauf (Samsara? :grinsen: ) angehören, der grob gesagt aus Ozean, Verdunstung und Niederschlag besteht. Dabei symbolisiert für mich "Ozean" die Zeit zwischen Tod und Wiedergeburt, Verdunstung den Prozess des Wiedergeboren-Werdens und die verschiedenen Niederschlagsformen die Wesen, wie sie auf der Erde leben. Der Regentropfen, die Schneeflocke, das Hagelkorn empfinden sich in ihrer jeweiligen Form als "ich" - sind aber in Wahrheit alle nichts anderes als Wasser - H2O. Sobald sie in den Ozean (Tod) eingehen - die Form also zerfällt - verbinden sich alle Wasser-Moleküle. Wenn dann durch Verdunstung und Niederschlag neue Formen entstehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass exakt die H2O-Moleküle, die zuvor einen Regentropfen gebildet haben, sich nun wieder zusammen finden, um wieder als Regentropfen oder vielleicht als Hagelkorn auf die Erde zu fallen...


    Ist jetzt sicher eine sehr naive, bildhafte Erklärung, aber für mich sehr gut verständlich, was die Erklärung der nicht "persönlichen" Wiedergeburt angeht. Außerdem macht es mir noch mal sehr deutlich, dass das "ich" an meine Form gebunden ist, ja sogar nur durch sie existiert - also quasi lediglich eine Begleiterscheinung, Nebenwirkung ist.


    Was Deine Frage nach Bemühen um gutes Karma angeht: Wie auch immer so eine Wiedergeburt aussehen kann, ich arbeite für bessere Bedingungen in der Zukunft, die "ich" in irgendeiner Form erleben werde - und sei es als millionenfach verstreute H2O-Moleküle... (Tatsächlich interessiert mich in meinen alltäglichen Handlungen der Karma-Gedanke kein bisschen, sondern ich versuche immer, so "gut" zu sein, wie es mir gerade möglich ist - das ist irgendwie ein Selbstläufer. Mich hat es in meiner aktiv buddhistischen Zeit sogar gestört, wenn karmische Gesichtspunkte ein allzu schweres Gewicht hatten. Das wurde mir dann als Logik - im Gegensatz zu Glauben - verkauft und hatte einen sehr egoistischen Anstrich: Ich soll nicht freundlich und hilfsbereit um der Sache willen sein, sondern weil ich mir damit Fleißpunkte für eine gute Wiedergeburt verdienen kann. Aber mag sein, dass das nur ein "geschicktes Mittel" war, um egoistische Menschen zu überzeugen...)


    Ich kann jedenfalls Deine provokanten Fragen sehr gut verstehen, ich bin auch auf so einige Unstimmigkeiten gestoßen, die mir im Umgang mit den Buddhismus praktizierenden Menschen untergekommen sind. Und ich finde es auch sehr wichtig, da am Ball zu bleiben. Denn nur, was Dich innerlich zutiefst überzeugt, kann Dich weiter bringen.


    Mich persönlich hat die Beschäftigung mit dem Buddhismus und ganz besonders die Auseinandersetzungen hier im Forum ein gutes Stück voran gebracht - nicht umsonst habe ich mich hier nach einem Dreivierteljahr Pause wieder angemeldet...


    Lieben Gruß
    namenlos