Lieber Rudolf .
Lieber Raphy,
es war nicht meine Intention zu sagen, dass nur Nachdenken und Analyse zu spiritueller Entwicklung führen oder gar zu Nibbāna.
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Das freut mich zu hören.
Ich hatte den Eindruck, dass du "Bauchwissen" gering schätzen würdest, weil du schriebst:
Was als Mindestmaß an logischer Analyse (untersuchendes Nachdenken, mit dem Kopf, nicht mit dem Bauch) im Buddhismus gelten kann, ist es da nicht das Beste, sich an die Vier Edlen Wahrheiten zu halten?
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Da habe ich dich wohl mißverstanden.
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Aber ich meine, es ist ein Mindestmaß an gewöhnlichem Nachdenkdenken notwendig, um irgendwas völlig verstehen oder innerlich realisieren zu können, was uns unsere natürlichen Instinkte und unser Bauchgefühl allein nicht geben können.
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Da bin ich voll dabei und auch ansonsten bei deinem ersten Post Zustimmung von mir.
Du schreibst "Bauchgefühl". Ich würde das tatsächlich in meinem Sprachgebrauch von "Bauchwissen" trennen.
Bauchwissen ist für mich ein Wissen das aufsteigen kann. So wie manche Leute wochenlang über die Lösung eines Problems nachdenken und nicht zur Lösung kommen. Und dann wenn sie sich zum Beispiel entspannt in der Badewanne befinden, es ihnen plötzlich klar wird was die Lösung ist.
Aber klar, da ist dann auch das beteiligt, was man gewöhnliches Kopfwissen bezeichnen würde.
Also natürliche Instinkte und "Bauchgefühl" sind in meinem Gebrauch etwas anderes als "Bauchwissen", wie ich es meine.
Das Wort "Bauchwissen" kam ursprünglich von Deepa, ich habe es aufgegriffen und habe jetzt geschrieben wie ich dieses Wort verstehe. Ob sie das auch so sieht oder etwas anderes meinte, weiß ich nicht.
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Deswegen verstehe ich auch die Zitate, die du anführst so, dass beides zusammen notwendig ist: Analyse und Vertiefung in der Meditation.
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Ich würde sagen Wissen und Vertiefung. Und Analyse ist eine Möglichkeit um zu Wissen zu gelangen. Und natürlich eine sehr wichtige Möglichkeit.
Im Theravada wird gerne gesagt, dass Vipassana (Wissen/Hellblick) und Samadhi (Vertiefung) zusammenarbeiten müssen. Und dieses Vipassana (Wissen/Hellblick) ist nicht unbedingt nur logische Analyse. Logische Analyse ist ein wichtiges Mittel um zu Vipassana zu kommen.
Siehe auch unseren Lexikoneintrag, wo dieser Punkt der Intuition meiner Meinung nach gut rauskommt. Und Intuition ist für mich etwas anderes als Instinkt. Instinkt würde ich eher dem Bauchgefühl zuordnen und Intuition dem Bauchwissen. Ich will aber auch nicht zu sehr auf Worten rumreiten. Auf jeden Fall ist logische Analyse da auch mit dabei:
Vipassana
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Wenn der Buddha sagt durch bloßes Nachdenken nicht zu erlangen verstehe ich das als nur durch Nachdenken nicht zu erlangen, vor allem nicht wenn man sich gar nicht bemüht ".....Gier und Haß. Gehüllt in Lust und Dunkelheit" zu überwinden. (Dunkelheit übrigens ist hier wohl die angeborenen Unwissenheit).
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Sehe ich auch so.
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Logische Analyse und logisches Nachdenken sind ein wichtiger Bestandteil in der Buddhalehre.
Allerdings nicht die einzige Möglichkeit um an Wissen zu kommen.
Irgendwann muß man sowieso auch das Denken selbst loslassen, da auch das Denken zu den 5 Khandhas gehört.
Es kann ein gutes Werkzeug sein, wird aber auch nicht überbewertet, da man sieht, dass es vollständig bedingt ist und Teil von Samsara ist.
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Ist es nicht so, dass die Vertiefung nicht auch ein Teil von Samsara ist? Ist der gesamte Achfache Pfad nicht noch ein Teil von Samsara? Der Achtfache Pfad führt zu Nibbāna hin, ist aber nicht Nibbāna, sondern das Floß, an dem man nicht festhalten sollte, nicht festhalten braucht, wenn man am jenseitigen Ufer angelangt ist.
Darin sind sich Nachdenken (über Dhamma-Inhalte) und Vertiefung also gleich.
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Bin ich ganz bei dir.
Und falls das nicht deutlich genug herausgekommen ist:
Nachdenken über Dhamma-Inhalte ist gut und wichtig. Als Möglichkeit um zu Wissen zu gelangen, aber auch als Motivation und um karmafruchtmässig die Chance zu erhöhen, später wieder auf die gute Lehre zu treffen oder sie zu erkennen.
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Also nicht entweder oder
Einmal die Herangehensweise über die Vertiefung (Bauchwissen?).
Und einmal die Herangehensweise über ergründen und erwägen.
sondern in Vereinigung. Die Tibeter z.B. legen sehr großen Wert darauf, Analyse und Vertiefung zusammen (gleichzeitig) zu praktizieren. Was natürlich schwierig ist und als End-Übung angesehen wird.
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Ist das bei den Tibetern wirklich so? Analyse und Vertiefung? Nicht Wissen/Hellblick/Vipassana und Vertiefung?
Ansonsten ist die Vereinigung von Analyse/Wissen und Vertiefung natürlich richtig und gut. Trotzdem sind die Menschen auch verschieden. Es gibt Menschen die sich vor allem auf Vertiefung stützen und es gibt Menschen die sich vor allem auf Analyse/Wissen stützen. Und als drittes gibt es die Menschen die sich vor allem auf Vertrauen stützen. Als viertes gibt es die Menschen die sich auf beides gleichermaßen stützen, Analyse/Wissen und Vertiefung.
Mit hauptsächlich Vertrauen kommt man aber "nur" bis zur Stufe des Nichtwiederkehrers. Ab da gibt es nur noch die anderen 3 Arten von Praktizierenden.
Wenn es dich interessiert kann ich ein paar Sutten zu den verschiedenen Menschen bringen.
Bei allen 4 Personen ist aber auch Wissen dabei. Denn Wissen ist nötig um die Fesseln zu lösen. Aber wie man zu diesem Wissen kommt, kann durch hauptsächlich vertrauen, hauptsächlich vertiefen oder hauptsächlich wissen/ergründen/nachdenken/logisches analysieren sein. Und wie gesagt Wissen nicht eingeschränkt als nur logische Analyse. Ich kann mir garnicht vorstellen, dass das bei den Tibetern nur logische Analyse ist.
Und Vertiefung ist vermutlich auch bei allen 4 Personen zu einem gewissen Anteil dabei. Vertiefung ist schließlich ein Pfadglied.
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Auch A.VI.46 Wissen und Vertiefung - 4. Mahācunda Sutta kann man so verstehen, dass es wohl am allerbesten ist, in beidem fit zu sein.
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Für mich ist Essenz eher, dass die beiden Herangehensweisen sich gegenseitig respektieren. Weil es eben diese 2 Herangehensweisen tatsächlich gibt. Der Buddha hat Aspekte seiner Lehre bei verschiedenen Menschen unterschiedlich betont. Mal Wissen/Weisheit mehr und mal mehr Vertiefung.
Trotzdem ist natürlich beides wichtig, Wissen und Vertiefung, sehe ich auch so, aber das geht für mich nicht aus dieser Sutta hervor.
Das heißt also nicht, dass bestimmte Aspekte aus der Lehre fallen, aber die Gewichtung ist verschieden. Hat man ja auch selbst in der Praxis. Manchmal widme ich mich mehr einem bestimmten Aspekt der Lehre und manchmal mehr einem anderen. Und da habe ich auch meine Vorlieben bzw. Herangehensweisen die für mich besser funktionieren und Herangehensweisen die weniger gut funktionieren.
Das hängt von Charakter, Neigungen und den Fähigkeiten jedes Einzelnen ab.
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Hierzu speziell würde ich gerne deine Meinung erfahren:
Zitat Darum, ihr Brüder, soll man also bestrebt sein: 'Obzwar wir selber gesetzeseifrig sind, wollen wir dennoch den sich vertiefenden Mönchen unser Lob spenden.' Und warum? Weil man, ihr Brüder, in der Welt gar selten solch außerordentliche Menschen antrifft, die das Todlose Element (amatam dhātum; d.i. Nibbāna) leibhaftig erfahren haben.
Anguttara Nikaya VI.46-54
Wenn der Buddha sagt, in der tiefen Meditation hätten jene Mönche das Todlose Element (amatam dhātum;) leibhaftig erfahren , ist das tatsächlich schon Nibbāna ? (Wie der Übersetzter oder Kommentator zu meinen scheint?) Oder kann das auch die zeitweise meditative Erfahrung der endgültigen Realität sein, die direkte Schau wie die Person z.B. tatsächlich existiert?
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Das Todlose Element wird, soweit ich weiß, mit Nibbana gleichgesetzt. Nibbana ist das Todlose.
Ich interpretiere es so, dass sie Nibbana leibhaftig erfahren haben. Das heißt aber nicht unbedingt, dass sie schon Arahants sind, sondern sie können auch ab Stromeintritt aufwärts eine Stufe erreicht haben. Sie haben also möglicherweise noch viele Fehler und müssen noch üben.
Das heißt sie sind möglicherweise noch nicht fähig vollkommen in Nibbana zu verweilen und ihre Triebe sind möglicherweise auch noch nicht vollkommen überwunden.
Sie haben aber einen ersten Einblick in Nibbana erhalten bzw. es sogar leibhaftig erfahren. Ab da kennen sie das Ziel aus eigener Erfahrung und müßten mindestens auf dem Weg zum Stromeintritt sein. Aber es muß nicht unbedingt sein, dass sie ab da ständig in Nibbana verweilen.
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Mein Bauchgefühl - - sagt mir, dass jene Mönche wohl noch nicht Nibbāna erreicht hatten.
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Nicht Bauchgefühl, Bauchwissen.
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Wie kann jemand aus dem Nibbāna heraus solche Reden halten:
Zitat Da, ihr Brüder, verhöhnen die sich vertiefenden Mönche die gesetzeseifrigen Mönche derart: »Diese da denken: 'Gesetzeseifrig sind wir! Gesetzeseifrig sind wir!' So denken diese aufgeregten, aufgeblasenen, unsteten Plapperer, diese verworrenen Schwätzer! .........
Anguttara Nikaya VI.46-54
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Ja, sehe ich auch so.
Man muß da unterscheiden, denke ich.
Einmal die Mönche die andere beleidigen/geringschätzen:
Die haben vielleicht noch nichteinmal alle Stromeintritt erlangt.
Und dann der Spruch von Buddha wo er sagt wie sie über die anderen sich besinnen sollen:
Das heißt ja nicht, dass diejenigen welche sich auf diese Sichtweise besinnen sollen, selbst das Todlose leibhaftig erfahren haben. Sondern sie sollen einsehen, dass diese Herangehensweise der anderen tatsächlich zu Nibbana letztendlich führt und somit nicht getadelt, sondern gelobt werden sollte.
Ansonsten mal wieder danke für das nette Gespräch.
Ich hoffe es kommt nicht zu besserwisserisch rüber.
Aber da du im anderen Thread zur Wiedergeburt meintest, dass dir andere Sichtweisen etwas bringen beim lernen, denke ich das ist ok.
Kann ja auch sein, dass ich unrecht habe bei dem was ich hier schrieb.
Ich lerne übrigens auch viel von deinen Beiträgen.
Danke dafür.
Liebe Grüße