Posts from Jojo in thread „Bodhisattva Gelübde“

    dann habe ich das erste soweit durch.
    am dritten und vierten finde ich nicht viel zu deuteln.
    zum zweiten hätte ich noch etwas zu fragen


    hier die auflistung der unterschiedlichen übersetzungen:
    煩 悩 無 辺 誓 願 断
    Bonno| mu jin (hen)| sei gan| dan
    [ist es hen oder jin?]


    Geistige Blindheit ist unerschöpflich − wir geloben, sie zu überwinden.
    Gier, Hass und Unwissenheit entstehen unaufhörlich; ich gelobe, sie zu überwinden
    Unerschöplich sind eitle Vehaftungen, ich gelobe, sie alle zu lassen
    Täuschende Gedanken und Gefühle sind grenzenlos, ich gelobe sie alle zu lassen.
    Unerschöpflich sind die leidschaffenden Täuschungen. Ich gelobe, sie alle zu transformieren.
    However inexhaustible our delusions are, I earnestly aspire to extinguish them all
    Endless delusion – let go
    Die Verblendungen sind unerschöpflich – ich gelobe sie zu beenden
    Unerschöpflich blinde Leidenschaften - ich gelobe ihnen zu widerstehen


    die Bedeutung von bonno erschließt sich ganz gut aus den Varianten. Mich interessiert das Verb. "Überwinden, lassen, transformieren, auslöschen, beenden, widerstehen" wecken sehr unterschiedliche Assoziationen.


    Können die Chinesisch-Experten noch mal helfend eingreifen?
    Danach gebe ich Ruhe. Versprochen.

    Quote from Benkei

    Ich hatte einfach das "manifest" der Übersetzung mit "verkörpern" übersetzt, welches dem näher kommt als "folgen" (wobei da natürlich immer das "butsu" fehlt, da es ja der Buddha-Weg ist...).


    verkörpern gefällt mir im Moment auch besser als "folgen".
    "folgen" impliziert, dass da was Vorgezeichnetes ist.

    Quote from bel
    Quote from Jojo

    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien


    interessant ist die Kombination von 衆 (Shu) - unendlich/Milliarden/alle - und "無 辺" ohne Zahl - man könnte das als poetische Verstärkung auffassen oder/und aber letzteres als Anspielung auf die "höchste Wahrheit" - nämlich "ohne tatsächlich (feste) Existenz" - was letztlich bedeuten würde, daß es um unsere Vorstellungen von "Wesen" geht, den "Wesen" in unserer Vorstellung.
    願 (gan) "wollen" kennzeichnet den Verbmodus von "dō" im Optativ.


    Der Optativ ist ein Verbmodus, der bezeichnet, was erwünscht oder was möglich ist.


    Also könnte man es ungefähr so lesen:
    Shu jo | Alle Wesen
    mu hen | ohne feste Existenz / in meinen Vorstellungen
    sei gan | erwünscht oder möglich
    gan do | übersetzen (zum anderen Ufer), überqueren (einen Fluß), befreien, paramita, das Haus verlassen und den Weg suchen


    Ich bin die nächsten Tage nicht da. Nächste Woche sehe ich mal nach den anderen Zeilen.
    Kennt jemand vielleicht ein Buch, das sich auf linguistischer Ebene mit dem Shiguseiganmon beschäftigt?
    Shohaku Okumuras "Living by vow" behandelt den sprachlichen Hintergrund kaum.

    habe mir erlaubt, deine Anregung anders anzuordnen:


    Das ist in der Tat sehr... weitgehend.


    Kann man die Assoziationsfelder für die Zeichen "Wesen", "ohne Zahl" und "geloben" in ähnlicher Weise auffächern?
    Äh, wenn Du mal zuviel Zeit hast...


    衆 生 | 無 辺 |誓 願 |度
    Shu jo |mu hen |sei gan |do
    Wesen | ohne Zahl | geloben | befreien

    Quote from bel

    Das Fehlen von Pronomina, und der Tempi/Modi der Verben führt nicht zu Beliebigkeit, diese ergeben sich aus dem Zusammenhang.
    Da es sich um ein Gelöbnis handelt, das in der Rezitation immer wieder neu abgelegt wird (und nicht um Gebote) verbietet sich der Imperativ und als Pronomen kann man "ich" oder "wir" einsetzten, je nach dem, ob man es für sich oder mit anderen gemeinsam rezitiert.


    leuchtet ein.
    es ist ja auch nicht nötig, in der übersetzung die struktur zu bewahren.


    aber welche wortfelder und assoziationen ich beim rezitieren hervor-rufe - darüber möchte ich mir gedanken machen.
    rezitationen "graben" sich mit der zeit ein. ich möchte mir keinen unsinn in den leib graben, nur weil´s der zuständige hauptmönch vor dreißig jahren gerade mal so formuliert hat.


    unsere sangha rezitiert erst seit kurzem die übersetzung. "unsere" übersetzung wurde über zwei ecken ohne kenntnis des chinesischen originals ins deutsche übertragen, und dann für´s rezitieren rhythmisch passend gemacht.


    andere wesen retten, oder anderen wesen freiheit ermöglichen. für mich ist das ein unterschied.
    wo sind überhaupt die fühlenden wesen geblieben? irgendwie fehlen sie mir. kommen die woanders vor?

    Für die erste Zeile habe ich jetzt mal alle Versionen zusammengesucht:


    衆 生| 無 辺 |誓 願| 度
    Shu jo | mu hen | sei gan | do
    Wesen| ohne Zahl | geloben | befreien


    Der Wesen sind unendlich viele − wir geloben, allen zu helfen
    Die Zahl der Wesen ist unendlich; ich gelobe, sie alle zu erlösen
    Zahllos sind die Lebewesen, ich gelobe, sie alle zu retten
    Die Lebewesen sind zahllos, ich gelobe sie alle zu retten.
    Unzählig sind die lebenden Wesen. Ich gelobe, sie alle zu befreien.
    However innumerable sentient beings are, I earnestly aspire to enlighten them all
    Numberless beings – set free


    Dabei entstehen recht unterschiedliche Assoziationen.
    Mir gefällt "befreien" am besten. Oder noch besser: frei lassen. Wie im Englischen.
    Frei lassen von unseren Vorstellungen. Sie von unseren Vorstellungen über sie befreien.


    "Erlösen", "retten" und "enlighten them" führt auf eine schwierige Bahn, finde ich.
    Welche Assoziationsfelder bietet denn das Zeichen 度? Ich hoffe, ich habe das richtige Zeichen gegriffen, bin Sino-Analphabetin.


    Muss jetzt weg, ich denke weiter drüber nach.

    Quote from void

    Von Jeff Shore gibt es eine Übertragung ins Englische, die versucht, diese Struktur zu erhalten:
    Numberless beings – set free.
    Endless delusion – let go.
    Countless Dharma – see through.
    Peerless Way – manifest!


    Aber im Deutschen geht das leider nicht so gut.


    Ich bin kein Englisch Native Speaker, deshalb spüre ich nicht, wie weit das Subjekt in Jeff Shores Übersetzung noch präsent ist. Man könnte die Form als Imperativ deuten, oder als Infinitiv. Der englische Infinitiv assoziiert eigentlich wie im Deutschen ebenfalls eine Handlungsanweisung, oder?


    Der letzte Vers kommt bei mir nicht als Imperativ an, sondern als Anrufung. An den Weg selbst, sozusagen. Ohne dass ein hinderliches Subjekt dazwischen wäre.

    Quote from void

    Es gibt zwei Sachen, die in Übersetzungen normalerweise nicht rüberkommen.
    Das eine ist die fast tabellarische Struktur "xxx ohne yyy gelobe zzz"
    Das andere andere ist, dass darin überhaupt kein "ich" oder wir" explizit vorkommt.


    das ist interessant. Über dieses ich-wir stolpern wir nämlich in Gesprächen IMMER.

    Das sind also schon mal vier.
    Unsere Sangha übersetzt es so:


    Unzählig sind die lebenden Wesen. Ich gelobe, sie alle zu befreien.
    Unerschöpflich sind die leidschaffenden Täuschungen. Ich gelobe, sie alle zu transformieren.
    Unermesslich sind die Pforten des Dharma. Ich gelobe, sie ganz zu durchdringen.
    Vollkommen ist der Buddha-Weg. Ich gelobe, ihn ganz zu verwirklichen.


    Gibt es noch mehr Übersetzungen?
    Ist jemand unter uns, der die sino-japanischen Zeichen lesen kann und da was Interessantes rausgezogen hat, oder machen die keinen Sinn?

    Wie übersetzt ihr die Bodhisattva-Gelübde?
    (Die Abgrenzung zur Interpretation ist wahrscheinlich nicht ganz vermeidbar.)
    Mich interessiert, welche verschiedenen Übersetzungen "in Gebrauch" sind.


    Shu jo mu hen sei gan do
    Bonno mu jin sei gan dan
    Ho mon mu ryo sei gan gaku
    Butsu do mu jo sei gan jo.