Beiträge von Ayudha im Thema „Fundamentalkritik“

    Sudhana:
    Ayudha:

    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann.

    Das hängt davon ab, was man unter "authentisch" versteht bzw. verstehen möchte. Da macht es Sinn, sich zunächst zu verdeutlichen, was Buddhismus eigentlich ist. In erster Linie ist Buddhismus eine bestimmte Praxis des Lebens und Sterbens (das ist seine praktische Seite), die auf einer fundamentalen Kritik des eigenen Seins (dessen, was wir als 'Selbst' wahrnehmen) beruht. Einer Kritik, die wiederum ihrerseits exoterisch auf diskursivem Denken und esoterisch auf Erfahrungen und 'Einstellungen' beruht, die in nicht-diskursiven Bewusstseinszuständen zugänglich werden (das ist seine theoretische Seite, wobei das 'theoretisch' hier gewiss sehr weit gefasst ist). Das bedeutet wiederum, dass sich 'authentischer Buddhismus' in wechselseitiger Beziehung von Orthodoxie und Orthopraxie manifestiert. Damit ist 'authentischer Buddhismus' einerseits nicht fixiert im Sinne eines historischen, unveränderlichen Modells (was dem Prinzip 'anitya' widerspräche), andererseits steht er in einer Tradition von Theorie und Praxis und ist bedingt durch diese.
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    Das ist im Endeffekt die funktionale religionswissenschaftliche Definition einer Religion - ein Kontingenzbewältigungsmodell.
    Ich würde das ähnlich betrachten. Ich verweise da nochmal auf die Synkretismen, denn wäre der Buddhismus historisch wie du so schön formuliert hast "fixiert", dann gäbe es nicht eine solche Vielzahl an Schulen, Traditionen etc. und buddhistische Gesellschaften hätten sich uniformer entwickelt.


    Die Schriftkenntnis sehe ich z.b. auch in diesem akademischen Feld der Religionswissenschaft. Als Urquelle kann ich anhand dieser erforschen was sich wo und wie in den Kulturen manifesitert, adaptiert etc hat. Das hilft mir persönlich z.b. rauszufinden was ich für mich in meiner Praxis für relevant erachte und was nicht. Das stelle ich dann ggbf zur Diskussion mit anderen und die können dann selbst bewerten, ob das für sie von gleicher Funktion sein kann.
    Mal ein Beispiel:
    Adinnādānā veramani sikkhāpadam samādiyāmi
    Ich versuche das auf unsere westliche Gesellschaft auch auf Konsummuster von Nahrungsmittel zu verstehen, weil wir eine bestimmte Weltwirtschaftsstruktur haben mit Werbung etc. D.h. ob man mir bestimmte Begierden nach Dingen zukommen lässt, die tatsächlich nicht gegeben sind. Aber das ist wirklich ein privates Nachsinnen. Ich will damit nur aufzeigen, dass ich wie du schon sagtest eine Übertragung ins Hier und Jetzt, christlicher Terminus wäre hier Exegese, versuche und das mittels Schriftstudium.


    Aber ich versuche nicht den damaligen Zeitgeist und die Umstände als Fixpunkt anzunehmen und daran meine Praxis im Hier und Jetzt auszulegen - das wäre klassischer Fundamentalismus, dass ich eine "Urzeit" herbeisehne und alles andere als "Irrwege" bezeichne. Das wäre auf gut deutsch "unsinnig".



    Ich bin zwar neu im Forum, aber da fühle ich mich doch auch sehr angesprochen.


    Von Hause aus bin ich Religionswissenschaftler und habe in dem Kontext Buddhismus immer mit entsprechenden Methoden erforscht. D.h. Quellenstudium und Sprachenkunde, aber auch besonders Religionsgeschichtliche Entwicklungen, sowie auch soziohistorische Ansätze und war dabei stets kritisch.


    Was mich evtl etwas untypicher in meiner Perspektive macht ist, dass ich meinen Bezug zum Buddhismus als meine eigene präverierte Religion eher von östlich sozialisierten Menschen gelernt habe und ansonsten einen ganz gutes kritisch-akademisches Denken mit einbeziehe.


    Ich kann diesen Kritikpunkt sehr gut verstehen, denn aus der historischen Perspektive ist es vollkommen vermessen bei dem heute gerade im Westen praktizierten Buddhismus von einer "reinen Lehre" auszugehen. Egal wo er hinkam wurde er mit einer enormen Vielzahl an kulturellen Symbolen und Praktiken aufgeladen und lag synkretisch vor. Zwar gab es stets das starke Bemühen darum Schriften des Tripitaka möglichst in Gänze und authentisch zu tradieren, aber religionsgeschichtliche Entwicklungen sind nieals linear.


    Ich meine betrachten wir einfach mal Vajrayana als Einzelfall. Noch deutlicher kann die Lehre garnicht synkretischer sein - eine bunte Mischung aus Tantrismus, bestimmten Bön Symboliken und Praktiken, die einfach "buddhistisiert" wurden bzw. nachträglich dahingehend korrigiert wurden.
    Das gleiche gilt für bestimmte Zen-Schulen - eigentlich fast alle vorhandenen buddhistischen Traditionen, die sich im Laufe der letzten ca. 2400 Jahren entwickelt haben.


    Und ganz gleich wie die Rezeption des Westens seit dem 18 Jhd. verlaufen ist - heute speisen sich die Quellen der westlichen Buddhisten kaum aus der Quellenlektüre, sondern geht meiner persönlichen Meinung nach einen eher bequemen Weg und nimmt bestimmte vermessene Interpretationen (siehe Anagarika Dharmapala und die theosophische Gesellschaft) einfach auf, ohne sie kritisch zu hinterfragen. So kommen dann Ideen zustande wie, dass man ja einen "authentischen Buddhismus nach Buddha Shakyamuni" praktiziert, obwohl da seit jahrhunderten lebende Traditionen eher die Stirn drüber runzeln wie das denn möglich sein soll.


    Ich habe wirklich einige Zentren der verschiedensten Traditionen hier in der BRD kennengelernt und alle sagen von sich sie würden "die authentische Lehre Buddhas" praktizieren. Bzw. damit wurde oft geworben. Wenn man dann nachhakt woraus sich dieser Anspruch bezieht wird oft entweder auf einen Lama im Fall des Vajrayana und eine Übertragungslinie verwiesen, einen Guru, einen Yogi oder einen Lehrer - aber selten auf Quellenstudium oder kritische Hernagehensweise an die Übertragunslinien.


    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann. Ein Teil meiner Praxis stellt die Suche und Meditation über die festgehaltenen Schriften dar und wie das im Kontext der Lebenszeit verstanden und praktiziert wurde. Und diese Reise und suche nach dem Kern könnte wenn ich meinen jetzigen Kenntnisstand betrachte wohl noch einige Kalpas andauern ;)