Du willst mich veräppeln, oder?
Zitat
Muho sagt selbst, durch das Nicht Anhaften an den Schmerzen, sind diese zwar mit einer anderen Beziehung/Blickwinkel betrachtet, aber der Schmerz ist immer noch da, so hat auch er immer noch starke Schmerzen auf Sesshins auch beim loslassen, das spiegelt wie ich finde die Mehrheit der Praktizierenden ab.
Nochmal: Um was geht es Dir eigentlich? Geht es um Meditation im allgemeinen, geht es um Buddhismus, Zen, lange Retreats, kurze Retreats, regelmäßige Meditation?
Ich habe zwei Studien, die Du genannt hast, zufällig herausgegriffen und kommentiert. Beide haben Deine Behauptungen nicht gestützt. Und das ist ja auch nicht verwunderlich.
Weißt Du, das Leben selbst kann Unwohlsein, Schmerzen, kognitive Einbußen, Depressionen, Derealisation und vieles mehr auslösen, und es endet in den allermeisten Fällen mit Alter, Krankheit und Tod. Die buddhistische Lehre, inkl. Meditation, stellt eine gute, heilsame Methode dar, mit diesen Dingen umzugehen. Wenn man allerdings bisher das Leben nicht von dieser Seite kennengelernt hat und sich bei negativen Erfahrungen gebärdet wie ein Kunde, der bei google eine enttäuschende Wellness-Dienstleistung bewertet, dann ist eine ernsthafte buddhistische Praxis in jedem Fall kontraindiziert, denn in der buddhistischen Lehre geht es darum zu erkennen, dass das Leben, dass die Begierde, dass die Abneigung, dass die Vorstellungen, dass die Ansichten, dass die ganzen Ich-Macher leidhaft sind und dass jede Bemühung daran dauerhaft etwas zu ändern in Frustration (dukkha) enden wird.
Jemand, der sich mit dem Leiden nicht auseinandersetzen will, sollte keine buddhistische Meditation verfolgen, denn er wird dabei auf etwas Wesentliches treffen: Erkenntnis des Leidens und Enttäuschung darüber, dass die bisherigen Versuche, Glück zu erlangen, allesamt sinnlos waren. Der getrübte Blick wird zwar klarer, was aber bedeutet, den Tatsachen, die zumeist leidhaft sind oder enden, ins Angesicht zu blicken. Das macht sicher anfangs Angst, kann auch traurig oder depressiv machen. Wenn man sich mit diesen Tatsachen nicht auseinandersetzen möchte, ist man beim Zen und bei vielen anderen buddhistischen Meditationsformen falsch.
Es geht bei dieser Praxis darum, das Leiden (hervorgerufen durch falsche Erwartungen, Vergänglichkeit, Gier, Hass und Verblendung) zu erkennen und zu überwinden, davon unabhängig zu werden. Wenn Du also erwartest und einfordern möchtest, dass es Dir nach einem Retreat unbedingt besser geht, dann ist das ein Trugschluss. Den meisten Menschen geht es bei den ersten Meditationserfahrungen sogar schlechter. Und warum? Weil sie merken, in was für einem Schlamassel sie sich befinden, was für ein Chaos und welcher Lärm zwischen den Ohren herrscht. Das IST aber der erste Schritt zu einer wesentlichen Besserung. Die braucht allerdings Zeit und ernsthafte Arbeit. Wer das nicht zu leisten gewillt ist, sollte mit buddhistischer Meditation gar nicht erst anfangen. Für so jemanden gibt es genug Wellness-Angebote auf dem Markt, die zuverlässig gute Gefühle erzeugen.
Buddhistische Meditation kann im besten Falle den "großen Zweifel" und den "großen Tod" auslösen. Darauf zielt die Praxis ab. Der große Zweifel ist die Erkenntnis, dass die gewohnheitsmäßigen Vorstellungen, was das Leben und man selbst ist und wie es abläuft, zumindest getäuscht, überwiegend aber falsch sind. Den großen Tod sterben (im Gegensatz zum kleinen Tod, der uns am Ende des Lebens ereilt) bedeutet, diese Ich-Konstruktion, die in Abhängigkeiten, Süchten, Leidenschaften und Leiden verstrickt ist, als größten und zentralsten Trugschluss zu entlarven und abzustreifen. Wenn Du denkst, das geht ohne entsprechende Emotionen, Verdauungsbeschwerden, temporäre Schwindelgefühle oder ohne immer wieder geschehende Änderungen der Weltsicht und der Sicht auf die eigene Person, dann hast Du den Sinn der buddhistischen Meditation nicht einmal im Ansatz begriffen.
Du argumentierst hier wie ein Mensch, der glaubt auf eine Geburtstagsfeier eingeladen worden zu sein und dann bemerkt, dass es eine Krankenstation ist. Buddhistische Meditation ist keine Geburtstagsfeier und auch kein Ponyhof, auf dem man sich erholen kann, und wo man sich Wohlgefühle erkauft. In der Meditation wird (ganz ohne Pathos formuliert) die Sache von Leben, Alter, Krankheit und Tod verhandelt. Es geht um das Leiden und dessen Überwindung durch Selbst- und Wirklichkeitserkenntnis.