Posts from Sudhana in thread „Was wird wiedergeboren?“

    Als der Dharma nach China übertragen wurde, hatten die Chinesen mit der indischen Auffassung von Wiedergeburt große Probleme, weil diese indische Auffassung in klarem Gegensatz zu ihrer Ahnenverehrung stand. Also haben sie die indische Wiedergeburtsauffassung entsprechend ihrer Ahnenverehrung uminterpretiert. Westliche Zenpraktizierende haben dies aus dem chinesischen Buddhismus übernommen. Aus dieser Perspektive lesen sie dann auch die Suttas / Sutras.


    Diejenigen, die dem Theravada bzw. dem indo-tibetischen Buddhismus folgen, akzeptieren in der Regel die indische Auffassung der Wiedergeburt. Deswegen lesen sie entsprechenden Suttas / Sutras aus einer anderen Perspektive.

    Das ist ein interessanter Aspekt den ich so noch gar nicht kannte, da wird einiges klarer. Für mich war es von Anfang an Indien und nur Indien.

    Auch, wenn ich dem Thema raus bin - aber das ist blanker Quatsch, unfundierte Spekulation. Wer sich für das Thema interessiert, dem sei Bokenkamp empfohlen.

    Zunächst einmal Danke an mukti für sein sachkundiges Einspringen; seine Kenntnis des Palikanon ist doch deutlich besser als meine - bei mir war lediglich die Aussage im Hinterkopf abgespeichert, nicht die nachgefragte Fundstelle. Das hat mir einige Zeit an Sucherei erspart, so *unterhaltsam* (ich mache das gerne zur Begriffsklärung) das Stöbern und Suchen in diversen Suttenschnipseln auch ist.

    Falls das nun etwas aus dem Zusammenhang gerissen scheint - das bezieht sich auf den ohnehin schon recht unübersichtlichen Sachstand (:clown:) der Diskussion von vor ca. 120 Beiträgen. Während ich dies geschrieben habe, wird wohl das eine oder andere Dutzend hinzugekommen sein. Immerhin seit gestern ... Leute, so sehr ich Euer ernsthaftes Bemühen schätze (ganz ohne jede Ironie) - aber Eure gewiss hochinteressanten Ergüsse werde ich jetzt nicht alle erst einmal lesen. Und auch nicht bei anderer Gelegenheit.


    Es ist ja nicht die erste 'Wiedergeburtsdiskussion' hier (wie auch andernorts ...), auch wenn hier schon im Titel auf den entscheidenden Punkt aufmerksam gemacht wurde. So sinnlos diese Diskussionen sind - sie führen erfahrungsgemäß nicht zu Antworten, sondern nur zu mehr oder weniger plausiblen Theorien, prapañca - so haben sie doch ein Merkmal gemeinsam: sie haben trotz ihrer vorherseh- und sagbaren Ergebnislosigkeit eine erstaunliche Tendenz zu wuchern, um dann nach einer geradezu explosionsartigen Entfaltung von Vorstellung relativ schnell wieder einzuschlafen, bedingt durch die Erschöpfung der Argumente und der Argumentierenden. Man kann das auch anders klären als durch Diskussionen. Langer Rede kurzer Sinn: ich bin hier raus.

    Helmut - ich stimme Dir weitgehend zu. Was mir nicht einleuchten will ist, was das mit Wiedergeburt zu tun haben soll. Zumal die Sutten, um mal den später entstandenen Abhidhamma mit seiner eigenartigen patisandhi-Theorie aus dem Spiel zu lassen, eindeutig lehren, dass die khandhā mit dem Tod sich restlos auflösen.


    Zur genannten Theorie - Ich hatte hier (ausführlicher hier) ja schon umrissen, wie sich das Buddhaghosa im Visuddhimagga vorstellt. Einschließlich des Hinweises, dass ich persönlich diese Theorie des Wechselns des Bewusstseinsobjekt von einem Subjekt A (cuti-citta, 'Bewusstsein des Abscheidens' oder prosaischer 'Sterbebewusstsein') zu einem Subjekt B (patisandhi-citta oder -viññāna) für problematisch halte* Ungeachtet dessen - "Wiedergeburt" würde ich das Modell nicht nennen (und das machen die Theravadin idR auch nicht). Bei Interesse mal im Visuddhumagga nachlesen. Besser als hier.

    Zudem habe ich eh immer rechter als alle anderen. ^^

    Mit dem Abschluss hast Du Dir ein 'Like' verscherzt. Wenn hier einer recht hat, dann natürlich ich 8) . Das geht am besten mit einer Position der Positionslosigkeit ...



    *Zumal sich da ja auch sekundäre Probleme zeigen - wie erklärt man etwa im Einklang mit dieser Theorie das Populationswachstum der Spezies Mensch? Nun ja - Menschen müssen wohl zum Großteil Wiedergeburten von Wesen aus anderen Existenzbereichen sein, das würde dann auch das Artensterben irgendwie erklären. Und da die Existenzform Mensch laut Buddha die optimale Vorbedingung für das Erwachen ist, ist die Bevölkerungsexplosion für Buddhisten doch etwas Willkommenes, oder? Und das Artensterben auch; Glyphosat fördert als 'geschicktes Mittel' die Erleuchtung aller Wesen. Bei manchen Leuten habe ich schon den Verdacht, es sind wiedergeborene Insekten - Ameisen vermutlich ... Die sind schließlich nützlich, was als gutes karma durchgeht.

    Insofern diese Geisthaltung auch die andere Person meint und ansprechen soll, kann man doch gut davon sprechen, dass man ‚Metta gibt‘ - ich finde das überhaupt nicht verkehrt.

    Nun, Qualia schrieb davon Metta zu "erzeugen" - daran blieb auch ich hängen, wobei mir spontan ein ähnlicher Gedanke wie Aravind durch den Kopf ging. Da ist nichts zu erzeugen - so wie man auch kein Licht erzeugt, wenn man ein dreckiges Fenster putzt.

    Es gibt auch die Ansicht 'sei achtsam und tue was du willst, dann wird sich alles von alleine regeln'. Das funktioniert aber nicht, denn wenn man tut was man will, ohne sich um Ethikregeln zu kümmern, kann sich eben die Achtsamkeit nicht richtig entfalten.

    Tatsächlich mal ein Detail, wo im chinesischen Buddhismus (speziell Chan) wohl ein daoistischer Einfluss zu registrieren ist. Da hat man sich Laozis Skepsis hinsichtlich regulierter Ethik zu Herzen genommen :) :

    Quote from Daode jing 18f

    Als dem Großen Weg nicht mehr gefolgt wurde, kamen [stattdessen] Wohlwollen und Rechtschaffenheit in Mode. (Darauf) erschienen Weisheit und Klugheit, und es folgte große Heuchelei. Als in den sechs Verwandtschaftsgruppen keine Harmonie mehr herrschte, traten treue Söhne in Erscheinung; als die Staaten und Klans in Unordnung gerieten erschienen loyale Minister.


    Wenn wir auf unsere Weisheit verzichten und unsere Klugheit ablegen könnten, wäre es für die Menschen hundertfach besser. Wenn wir auf unser Wohlwollen verzichten und unsere Rechtschaffenheit ablegen könnten, würden die Menschen wieder kindlich und freundlich werden. Wenn wir auf unsere List verzichten und unsere Gewinnsucht aufgeben könnten, gäbe es weder Diebe noch Räuber.

    Grundsätzlich geht es um die Frage, ob es eine natürliche Ethik gibt - die ihren Ausdruck beispielsweise in einem Regelwerk wie dem Vinaya findet. Oder ob der Vinaya (ich nehme den mal als Generalbegriff für Regelwerke) lediglich der Erzielung eines Zwecks dient; Du hattest da auf fortgeschrittene Praktiken verwiesen, die die Befolgung festgelegter Verhaltensregeln erfordern. Auf den Punkt bzw. Begriff gebracht: Mitleidsethik (ein insbesondere für Schopenhauers Ethik geprägter Begriff) oder utilitaristische Ethik.


    Im Mahāyāna und speziell im Zen ist die Kultivierung des 'Großen Mitgefühls' ein zentraler Aspekt der Praxis - und dieses 'Große Mitgefühl' leitet das alltägliche Handeln. Gebote - auch die sparsamen 10 der Bodhisattva-Ordination im Zen - entspringen ihm. Die Kai (Gelübde) sind für die Ordinierten so etwas wie Stützräder am Fahrrad. Eine Hilfe, um nicht vom Weg abzukommen. Wenn man fahren gelernt hat, braucht man sie nicht mehr; man kann sie sogar vergessen, weil man instinktiv regelgerecht handelt, indem man dem Großen Mitgefühl folgt.

    Genau dieses Bemühen hat Buddha immer infrage gestellt.

    Um ethisches Verhalten bemüht sein, verhindert die Rechte Einsicht.

    Halte ich für fraglich bzw. zumindest für eine problematische These. Nach meiner Auffassung ist Rechte Einsicht (dṛṣṭi - eigentlich 'fokussiertes Betrachten') vor allem eine Einsicht in rechtes Verhalten - mit einem anderen Wort: (zumindest auch) ein Ethos. Ein Widerspruch zwischen der 'Weisheitsgruppe' (Rechte Sicht, Rechte Absicht) und der 'Sittlichkeitsgruppe' (Rechte Rede, Rechtes Handeln, Rechter Lebenserwerb) des achtfachen Pfades wäre mE wenig hilfreich.


    Eine andere Sache ist Moral - der Verhaltenskomment in einer Gesellschaft. Der vor allem deren spezifische Verteilung von ökonomischer und politischer Gewalt widerspiegelt. Das, was Hass und Gier aus einer natürlich gegegebenen, dem Mitgefühl entspringenden Ethik machen.

    Ich sage mein Geburtsdatum. Aber ich weiß nicht, wann ich geboren bin.

    Zu viele Meinungen, von der Zeugung bis zu meinem ersten Atemzug.

    ... und danach wird's ja nicht besser. Es dauert ja eine ganze Weile, bis das mit dem Erinnern (ohnehin schon eine meist dysfunktionale Sache) einigermaßen funktioniert. Interessant zu beobachten ist auch das alters- / krankheitsbedingte allmähliche Ausfallen des Kurzzeitgedächtnisses. Dabei wird deutlich, dass 'Erinnern' eine (über-)lebenswichtige Funktion ist und Kinder sowie Alte auch in dieser Hinsicht häufig die Unterstützung des kleineren oder größeren Rudels benötigen, dem sie angehören.


    Wobei sich bei genauerer Prüfung nicht nur die Geschichten, die wir uns von Anderen und unseren Begegnungen mit ihnen erzählen, sondern auch die Geschichten, die wir uns von und über uns selbst erzählen, nicht so ganz voll zu nehmen sind. ;) Unser mentales Training dient nicht zuletzt auch dazu, diese Geschichten von uns selbst (ob wir sie uns selbst oder Anderen erzählen) als das zu sehen, was sie sind. Fragmente einer mehr oder weniger gut erfundene und mehr oder weniger plausibel konstruierten Geschichte.


    Unser mentales Training dient nicht zuletzt auch dazu, solche Geschichten, die wir uns über uns selbst erzählen, als Fiktion zu erkennen. Nicht um sie zu vergessen, zu löschen (sofern das möglich ist) - das wäre pathologisch. Sondern sie als Mittel der Kommunikation zu nutzen. Das setzt voraus, dabei auf allzusehr geschönte / erlogene Geschichten zu verzichten.


    Kommen wir zum Tee. Heute ein Pu Tuo Fa, 'Buddhas Hand'. Er trägt seinen Namen von seinem Anbaugebiet, einem kleinen Archipel vor der Küste Zhejiangs (das im Inland einige große Grüntees produziert) und dieser Archipel hat den Namen von dem Tempel 'Buddhas Hand' (heute eine Touristenattraktion ...) mit seiner großen Guanyin-Statue (falls jemand nicht klar sein sollte, wie sich Buddhas Hand manifestiert) auf der Hauptinsel. Wie häufig bei den klassischen Grüntees geht die Einführung des Teeanbaus auf buddhistische Mönche zurück. Der Tee ist eine Mingqian-Pflückung, also noch vor dem Fest des klaren Lichts (Qingming) gepflückt. Ist für Tee-Aficionados so was wie der Eiswein beim Riesling. Selten und entsprechend kostspielig - aber wenn man's mag ein netter Zeitvertreib, der mal nicht gesundheitsschädlich ist.

    Metta : Danke für die kurze Zusammenfassung. Und ja, *meine* Zusammenfassung bezieht sich direkt auf Buddhaghosas Visusddhimagga - das ist seit grob 12. Jhdt. 'orthodoxer' Theravada.


    Wobei ich diese Theorie nur vorstellen wollte - und den da postulierten Bewusstseinsstrom deutlich abgrenzen von dem, was manche 'Tibeter' so darunter verstehen (mE ein verkappter atman - da mag der Bewusstseinsstrom noch so sehr "äußerst subtil" sein ...). Mein Problem mit Buddhaghosas Theorie ist das, wie ein Bewusstseinsobjekt das Bewusstseinssubjekt wechseln soll. Natürlich passiert so etwas ständig im Rahmen von Kommunikation; allerdings machen die (beispielsweise durch das Lesen dieses Textes) transferierten Objekte bei Wechsel des Subjektes (also bspw. von mir als Schreibendem zu Dir als Lesendem)) eine deutliche Veränderung durch und es ist fraglich, wie weit sich da noch vom selben Objekt sprechen lässt, wenn es auf ein anderes Subjekt bezogen ist. Nach meiner Auffassung lässt sich da bestenfalls von einer Ähnlichkeit der Objekte sprechen, also lediglich einer Teilmenge von gleichen Merkmalen. Nebenbei bemerkt das Grundproblem der Kommunikation.


    Um zur Theorie der Alten zurückzukehren: ein weiteres Problem dieser archaischen Vorstellung ist die Frage nach dem Medium, das das Objekt des bhavangosota von Subjekt (ein verlöschendes viññāṇa) zu Subjekt (ein entstehendes viññāṇa) 'transportiert'. Phassa und vedanā scheiden ja aus. Zumindest im Moment des Wechsels von einem Subjekt zu einem anderen würde das Objekt sonst unabhängig von einem Subjekt existieren, was unsinnig ist.


    Das Problem des Mediums ist da völlig ausgeklammert und das war einer der Ansatzpunkte des Cittamatra, das einen mit jedem individuellem Bewusstsein korrespondieren Geist postulierte bzw. einen solchen Begriff entwickelte. Wobei dieser Geist (citta) nicht wie in der westlichen Geistesgeschichte soterologisch verklärt sondern lediglich als überindividuelles Speichermedium (ālayavijñāna) aufgefasst wird, dessen Inhalte zur Objektivierung tendieren, zu einem Wieder-werden (punarbhāva) als Objekt eines neuen Subjekts. Nidāna 10 von Pratītyasamutpāda, auf das Geburt, Alter und Tod folgen.

    Was oder wer wacht morgens wieder auf / Wer oder was ist es, der wiedererwacht bzw der wieder aus dem Bett geworfen wird?

    Nicht derselbe, der sich schlafen gelegt hat aber auch kein anderer. Nicht derselbe und gleichzeitig auch ein anderer. Und auch nicht weder derselbe und andere noch ihr Gegenteil.


    Die Alten erzählen, es gäbe ein durchgehendes Bewusstseinssubstrat, einen Bewustseinsstrom, der durch karmische Impulse 'gelenkt' wird; sie also aufnimmt und durch Zeit und Raum transportiert. Dieser Bewusstseinsstrom (bhavangasota) ist zum einen nicht im landläufigen Sinn *bewusst* - es ist der auf das absolute Minimum reduzierte Viññāṇakhandha, eine tiefe Bewusstlosigkeit, wie sie etwa ein Trauma oder eine Intoxikation bzw. Narkose aulöst. D.h. es werden keine Daten mehr ergriffen, entsprechend hat der Pudgala auch keine Erinnerung an diese vergangenen Bewusstseinszustände.


    Der zweite Haken an der Sache ist der, dass dieser Bewusstseinsstrom kein Kontinuum ist; er hat einen Anfang und ein Ende; ihm sind also temporale Grenzen gesetzt. Und die sind - wenig überraschend - bei allen khandāh so ziemlich gleich, vor allem am Ende. Was eine frühere und eine spätere Existenz eines Pudgala verknüpfen kann, ist lediglich das Bewusstseinsobjekt des letzten Bewusstseinsmomentes dieses bhavangasota, des auf sein absolutes Minimum reduzierten Viññāṇakhandha, der das Subjekt dieses Bewusstseinsmoments ist, des Sterbebewusstseins. Dieses 'karmisch aufgeladene' Bewusstseinsobjekt wird, wenn es losgelassen ist, von einem werdenden Viññāṇakhandha (also einem anderen Subjekt) ergriffen und wird zu dessen erstem Bewusstseinsmoment, dem Verknüpfungsbewusstsein, patisandhi. Damit setzt dann auch wieder ein neuer Bewusstseinsstrom ein.


    Okay, für heute reicht's (Cittamtra gäbe es da ja auch noch ... :) ) - der Tee wartet auf mich. Ein Gui Huaxiang Dancong aus Guangdong, mittelstark geröstet. Floral (Osmanthus) und fruchtig, passend zum sonnigen Wetter.