Posts from Bosluk in thread „Was wird wiedergeboren?“

    Das ist die gängige tibetische Argumentation, die allerdings ein sehr wichtiges Prinzip der buddhistischen Philosophie negiert: nämlich das von der gemeinsamen Enetstehung von Namarupa und Bewußtsein (D15).

    Wenn Namarupa und Bewußtsein gemeinsam entstehen, wird Nama-rupa damit zu etwas Geist-Körperliches das im Laufe der Zeit anwächst.

    Aus dieser Interpretation macht es für mich keinen Sinn, wieso man allgemein von Nama-rupa (=alle Art der Formen) spricht. Wäre diese Interpretation richtig, hätte man im Palikanon auch schlicht vom Nama-kaya (=dem spezifischen Körper) sprechen können. Für mich stellt sich die Frage, wieso man dennoch allgemeiner von Rupa spricht anstelle von kaya.


    Aber es gibt für mich einen größeren Haken:

    Es ignoriert das in den Sutten vorangestellte avijjā. Insbesondere mit dem Aufhören von avijjā, hört auch nama-rupa auf. avijjānirodhā - nāmarūpanirodho.


    Wenn nama-rupa auf das Geist-körperliche reduziert wird, wie sieht dann ein "nāmarūpanirodho" aus, dass mit dem Verschwinden von avijjā einsetzt? Das Geist-körperliche, das zusammen mit viññāna entsteht, hört jedenfalls nicht auf. Die Frage geht nicht nur an dich Metta . Mich würde das von jedem interessieren, den diese Deutung anspricht.

    Trotzdem wollte ich einmal nachfragen wieso so eine Auslegung zwingend auf der Idee von irgendetwas Ewigem fussen sollte.


    Was heisst für dich ‚fortlaufende Existenz‘?

    Da fragst du den Falschen. Das ist eine der möglichen Interpretationen. Helmut hat hier eine Vielzahl an möglichen Interpretationen wiedergegeben, von der ich Eine aufgegriffen habe: Nämlich das "atthi paro loko" bedeute: Es gibt eine jenseitige Welt (=Existenz) nach diesem Leben (=Verfall dieses Körpers).

    Das wäre ja keine Übersetzung mehr sondern eine Interpretation schon.

    Ja, auf jeden Fall. Eine Übersetzung kommt nicht ohne Interpretation aus, d.h. die Subjektivität des Übersetzers fließt in die Übersetzung ein.


    Die Frage stellt sich mir was will man bezwecken bzw auf welchen Gedanken bzw welche Ansicht will man am Ende hinaus, wenn man behauptet in AN 4.23 wird die Welt mit dukkha gleichgesetzt.

    Nicht nur in AN4.23. in S12.44 wird die Nidanareihe aufwärts als Ursprung der Welt bezeichnet. Und die Auflösung der Nidanareihe als Aufhören der Welt.

    Der Zweck scheint für mich rein didaktischer Natur zu sein: Der Versuch auf das Gleiche mittels unterschiedlichen Begrifflichkeiten hinzuweisen.


    In S22.94 heißt es:

    Quote

    Angenommen, da wäre eine Lotusblume. Obwohl sie im Wasser gesprossen und gewachsen ist, erhebt sie sich über das Wasser und steht unbenetzt vom Wasser da.

    Ebenso habe auch ich mich [der tathāgata], obwohl ich in der Welt geboren und aufgewachsen bin, über die Welt erhoben, bin nicht von der Welt beschmutzt.

    Das heißt natürlich nicht, dass die Seerose kein Wasser mehr braucht und unabhängig vom Wasser sein könnte. Ohne Wasser wäre sie ja keine Seerose mehr. Und ohne Form (Bewusstsein, Gefühle...) könnte Tathātā nicht zum Ausdruck kommen.

    Das Paliwort für "die andere Welt" ist paraloka, das bedeutet die jenseitige Welt, das Jenseits. (Wörterbuch Klaus Mylius)

    Zumindest ist der Begriff jenseitige Welt in MN 117 eine korrekte Übersetzung des Pali-Begriffs. Damit ist aber noch nicht geklärt, was mit paraloka oder die jenseitige Welt gemeint ist.


    Die Frage ist doch, was ist das Bezugsobjekt des Begriffes jenseitige Welt? Was wird mit diesem Begriff bezeichnet?

    Der Text, um den es sich handelt ist:

    Quote

    atthi ayaṃ loko, atthi paro loko (Es gibt diese Welt und es gibt die jenseitige Welt)

    Wie du schon sagst ist die Frage, um die es geht, ob es auf NIbbana verweist oder auf eine nächste Existenz.


    Pāra für sich stehend, wird wie Jan87 geschrieben hat als Synonym für Nibbana verwendet. Die Verknüpfung mit loka ( = Welt) öffnet erst den Interpretationsspielraum, aber:


    Im Kontext z.b. von M22 (Gleichnis der Schlange) wird para auf das "jenseitige" Ufer bezogen, also auch wieder als Synonym für Nibbana.


    In AN4.23 wird grundsätzlich von der Welt, dem Ursprung der Welt dem Aufhören der Welt und vom Pfad, der zum Aufhören der Welt führt, gesprochen (also den Vier Wahrheiten). Loka wird also mit Dukkha gleichgesetzt. Daraus lässt sich schließen, dass die Welt eine andere Begriffsbestimmung hat, als unsere Deklaration einer "objektiven" Welt mit all ihren Formen.


    Und in S12.15wird vom Verstehen des Ursprungs der Welt (Lokasamudayo) und vom Verstehen des Aufhören der Welt (Lokanirodho) gesprochen.


    Im Kontext dieser Sutten würde ich paro loko daher mit Nibbana übersetzen. Damit gehört es zur weltlichen rechten Ansicht: Es gibt diese Welt, aber auch etwas weltübersteigendes, nämlich Nibbana.

    Und das ist auch eine notwendige Ansicht, denn ohne die Motivation, hier etwas verstehen zu wollen, lässt sich nicht der Antrieb für die weitere Praxis mobilisieren (die dann zur überweltlichen rechten Ansicht führt, um mal bei MN117 zu blieben).


    Eine Übersetzung von paro loko als fortlaufende Existenz würde auf eine ewige Welt hinauslaufen.

    Und in M63:

    Quote

    Māluṅkyāputta, wenn die Ansicht besteht ,die Welt ist ewig‘, kann das heilige Leben nicht gelebt werden;

    Diesen Widerspruch zwischen den "früheren Geburten" und Anatman wird sich daher jeder (sozialisierte) Mensch unsere Gesellschaft widmen müssen, der sich für die Suten interessiert.


    Mehr als diesen Ansatz kann ich leider auch nicht bieten und der stammt nicht von mir, sondern eben aus den Sutten.

    Es gibt keinen objektiven Standpunkt der Sutten, die besagen, dass....

    Der Text hängt vom subjektiven Standpunkt des Lesers, ab wie er den Text interpretiert, anwendet, ins Leben trägt und Perspektivwechsel vollzieht. Sich selbst also durch den Text transformiert.


    Das hast du ja auch gesagt:

    Da kommt es wohl auch darauf an auf welche Weise man die Sutten liest.


    Man kommt um die eigene Arbeit nicht herum, es selbst für sich sehen müssen. Ein wenig Vielfalt in den Interpretationen hilft aber sicherlich die expermentierfreudigkeit zu fördern, um beuerteilen zu können, welche der Optionen dukkha am besten ausmerzt. Unabhängig davon, was man liest: Im eigenen Leben prüfen muss man es sowieso.

    Zitat

    Wenn sein konzentrierter Geist auf solche Weise geläutert, klar, makellos, der Unvollkommenheit ledig, gefügig, nutzbar, stetig und unerschütterlich ist, richtet er ihn auf das Wissen von der Erinnerung an frühere Leben. Er erinnert sich an viele frühere Leben, das heißt, an eine Geburt, zwei Geburten, drei Geburten, vier Geburten, fünf Geburten, zehn Geburten, zwanzig Geburten, dreißig Geburten, vierzig Geburten, fünfzig Geburten, hundert Geburten, tausend Geburten, hunderttausend Geburten, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog, viele Äonen, in denen sich das Weltall ausdehnte, viele Äonen, in denen sich das Weltall zusammenzog und ausdehnte: 'Dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, solcherart war meine Nahrung, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich woanders wieder; auch dort wurde ich soundso genannt, war von solcher Familie, mit solcher Erscheinung, war meine Nahrung solcherart, so mein Erleben von Glück und Schmerz, so meine Lebensspanne; und nachdem ich von dort verschieden war, erschien ich hier wieder.' So erinnert er sich an viele frühere Leben mit ihren Aspekten und Besonderheiten."


    Mir fallen zwei Perspektiven ein, aus der sich das Lesen lässt.

    • Die Eine wird allen Menschen vom ersten Lebensjahr anerzogen. Eine Zuordnung zwischen Wesen und Körper. Der eine wird Hildegard mit braune Haaren und der andere Marianne mit blonden Haaren genannt. Es erscheint dann jedes Mal in meinem Leben ein Wesen names Hildegard wieder, sobald ich mit dem Körper des Wesens in einer Interaktion trete

    Aus dieser Perspektive und Denkweise der Zuordnung zwischen Körper und Wesen liest sich der obige Text, als wären frühere Geburten Zeitpunkte früherer Körper, in denen man ein anderes Wesen verkörperte. Nur gibt es da einen Haken: Dabei wird ein Atman mitgeschleppt der sich mit den anderen Texten des Kanons (Anatman) beißt. Es gibt in der Kommentarliteratur die kreativsten Antworten zur Auflösung des Konfliktes in denen der Atman lediglich nur subtiler versteckt wurde. Wer auf Literatur einer Lösung dafür verweisen kann, ich würde mich freuen.


    Diesen Widerspruch zwischen den "früheren Geburten" und Anatman wird sich daher jeder (sozialisierte) Mensch unsere Gesellschaft widmen müssen, der sich für die Suten interessiert. Man kann den Widerspruch aber auch herrlich als Spaltaxt verwenden um die konditionierten Denkmuster der Verknüfung zwischen Körper und Wesen aufzubrechen. Womit Raum für andere Perspektiven geschaffen werden:


    • Ein Wesen konstituiert sich durch Ergreifen in Verbindung mit 5 khandhas. Dabei sind spezifische Ausprägungen der Form (z.B. Haar/Hautfarbe, Größe u.s.w) unerheblich. Das Wesen erscheint dann (in einer ähnlichen Konstellation wieder), wenn 5 ähnliche khandha´s ergriffen werden. Damit wird das Wesen nicht einem spezifischen Form wie dem Körper zugeordnet, sondern einer Konstituierung aus den gesamten 5 khandha. Mein aktuell konstituiertes Ich kann sich morgen bei dir fortsetzen und ein ähnliches Ich konstituieren. Wenn wir viel im Alltag interagieren würden, würde das auch passieren.

    Somit ist eine Erinnerung an früheren Geburten vollkommen klar. Denn "Ich" wurde schon hunderte (äonenlange) Male konstituiert.


    Der Prozess lässt sich am besten auf dem Kissen sehen. Denn da kann sich das konstituierte Ich auch mal wie eine Brausetablette in Wasser auflösen.

    Und auch wieder zusammensetzen.