Beiträge von xiaojinlong im Thema „Die Ich-Illusion. Nur eine Folge der Praxis?“

    Wenn jetzt die Worte das Problem sein sollten, stellt sich die Frage eben anders: Kann ich dieses "oh" im Alltag also im normalen wachen Bewusstsein wenigstens ansatzweise auch anders erzeugen, andeuten oder wahrnehmen, als durch Praxis/Zazen?

    Du trennst Praxis (inkl. Zazen) vom Alltag. Diese Trennung existiert aber nicht. Praxis ist Alltag und Alltag ist Praxis. Natürlich ist man auf gewisse Dinge während der formellen Praxis fokusierter als im restlichen Alltag, aber dennoch ist da eigentlich gar keine derartige Trennlinie vorhanden.

    Buddhismus ist ein Hilfsmittel das gewisse Dinge benennt, evtl auch formalisiert und damit eine Art roten Faden zur Verfügung stellt. Auch ohne diesen roten Faden gibt es die Möglichkeiten die der rote Faden ansonsten aufzeigt. Es gibt nicht die Praxis aufgrund des Buddhismus, sondern den Buddhismus aufgrund der Praxis.

    Ein interessanter Punkt... ist das so, dass da bei einem der Wortschatz/Ausdruckssvermögen dafür einfach unzureichend ist, oder ists doch eher die Haltung (ich bin, was ich denke), die "es" verschwinden lässt, weil "es" ja mehr wird, wenn ich die Haltung "ich bin nicht was ich denke" einnehme? Oder ists wegen was anderem?

    Worte bauen Grenzen auf und dienen der Unterscheidung. In der Praxis lässt sich Nicht-Unterscheidung erfahren. Sobald man aber die Nicht-Unterscheidung von der Unterschscheidung abgrenzt hat man nur wieder Unterscheidung. Alles was uns also bleibt ist die Nicht-Unterscheidung zu umschreiben.


    Nur, weil ich auf eine Schnapspraline deute, weißt du noch lange nicht wie diese schmeckt. Beiß du rein, dann bist du für einen kurzen Moment dieser Geschmack. Im nächsten Augenblick aber bleibt dir nur noch die Unterscheidung dieses Geschmacks hin zu anderen Geschmäckern - z.B. den von Teewurst.

    Wenn ich meine Augen zu mache, nehme ich wahr, dass ich nix wahrnehme, das is ja auch Wahrnehmung - und zwar ohne Objekt

    Natürlich hast du auch hier ein Objekt. "Ich" - Subjekt, - "nehme war, dass ich nix" - Objekt - "Wahrnehme".


    Mir scheint es, als wolltest du das Problem durch denken lösen. Das aber geht nicht für alles. Die Zen-Praxis ist auch eine Praxis in der man sich vom konventionellen Denken mal etwas entfernt. Gedanken einfach Gedanken sein lässt. Man kann aber nicht ewig auf dem Kissen sitzen bleiben und muss irgendwann doch mal aufstehen. Die Zazen Praxis hallt dann nach, das ist etwas das fühlbar ist, aber versucht man es zu arg mit Worte fest zu halten verschwindet es schnell.


    Ohne eigene Praxis, Ausdauer und Geduld kommt man nicht weit.

    Das heisst nix anderes als "mach einfach weiter und frag nicht". Es ist jetzt wie ein Antivirus-Programm an PC, was ausgeschalten werden soll, damit irgendwelche Änderungen am PC gemacht werden können. Man könnte diesen ganzen von mir geschriebenen Text auch zusammenfassen in "Wie erkenne ich unabhängig von der Praxis, dass (m)eine Identität eine Illusion ist?" Oder wenigstens "Welche Hinweise darauf gibt es?"


    Sich selbst - wenn auch nur temporär - zu deaktivieren, ist ihm nicht einprogrammiert worden. Is ja auch nicht Sinn und Zweck von dem Programm. Klar bin ich nicht das Programm, sondern der User dessen. Aber wie erkenne ich jetzt, dass es gerechtfertigt is, es auszuschalten?

    das ist ihn sicher nicht so ein programmiert worden, wird es also nie machen), oder ausgeschaltet werden soll (von wem denn, wenns keiner tut?)

    Nein, genau das heißt es eben nicht. Es heißt: Hinterfrage alles! Aber, sei bereit zu erkennen, dass es nicht so ist wie es zu sein scheint. Das es eine (!) Identität nicht gibt, kannst du in der Psychologie zu hauf finden. Jeder Mensch hat viele kleine Identitäten die je nach Kontext, Laune und noch vielen weiteren Faktoren variiert. Der Vollidiot der dir heute Mittag die Vorfahrt genommen und dann sogar noch den Mittelfinger gezeigt hat, hatte in diesem Moment die Identität eines rücksichtslosen Fahrers. Zuhause angekommen ist er aber dann der liebevollste Vater den du dir nur Vorstellen kannst. Was ist nun "die" Identität?


    Es gibt innere Widerstände, man will nicht, dass es so läuft, wie es in diesem Moment läuft. Man leidet. Weil man nicht alleine auf der Welt ist und der Mensch nun einmal ein soziales Geschöpf ist, sind wir auch auf ein menschliches Miteinander angewiesen. Auch hier ist es wieder der Punkt mit dem "ich will aber nicht". Wir sehen viele Dinge und wollen, dass sie unbedingt so laufen wie wir es uns denken, dabei spielt es eigentlich keine Rolle. Lassen wir davon ab, nehmen unser Ego etwas zurück, dann entspannt sich die Sache von alleine.


    Wenn ich zwei Tage lang nicht abspüle, dann stappelt sich einiges. Und am 4. Tag, wenn ich dann doch endlich spüle, weil ich sonst nicht kochen kann, ärgere ich mich, nicht schon eher gespült zu haben. Was tue ich also? Am Spülen komme ich nicht vorbei. Wenn ich täglich abspüle, einfach die 2 Teller, 1 Tasse und das Besteck, das ich am Tag gebraucht habe, dann ist das eine Sache von 5 Minuten. Der innere Schweinehund ist zwar imemr noch da, aber der große Ärger am 4. Tag bleibt aus. Ausserdem, so meine Erkenntnis, bringt äußere Ordnung auch Ruhe nach innen.

    Das Ich muss man nicht zur Illusion machen, es ist bereits eine Illusion. Praxis kann aber tatsächlich das Problem auch verschlimmern, wenn man aus seinem "Ich" ein "erleuchtetes Ich" oder "befreites Ich" machen möchte - das ist dieser Widerspruch, oder auch:

    Wer zum Verirren erwacht: ein Buddha.

    Wer sich im Erwachen verirrt: ein gewöhnliches Wesen.

    Manche erwachen noch aus dem Erwachen. Andere verirren sich inmitten des Verirrens.

    Dass es ein "Ich" gibt, kann jeder für sich wahrnehmen. Aber dieses "Ich" ist eben nichts statisches oder gar absolutes. Die Illusion liegt darin zu denken, dass es aber eben genau etwas statisches oder absolutes wäre. Nur, weil man erkennt, dass das "Ich" leer ist, heißt das nicht, dass man kein "Ich" mehr hat, aber, man kann anders damit umgehen.


    Wenn man sich zum Zazen setzt, dann kommen alle möglichen Gedanken und Impulse. So einigen davon würde man, wenn man nicht im Zazen sitzt, einfach direkt hinterher laufen und nachgeben. Durch das Sitzen bekommt man dann aber die Möglichkeit zu erkennen, dass vieles davon schnell wieder vergeht und gar nicht die Dringlichkeit und das Gewicht hat wie es im ersten Moment den Anschein hat. Genau das ist ja schon ein durchblicken der "Ich-Illusion": "Ich nehme XY für wichtig, obwohl es das gar nicht ist". Trotz dieser Erkenntnis steht man aber irgendwann wieder auf und kümmert sich um den Haushalt oder um die Familie, denn das sind Dinge die tatsächlich ein Gewicht haben und wichtig sind.


    Das unterscheidende Denken "wo/was bin ich" und "wo/was sind andere" hört dann nicht einfach auf, sondern viel mehr wird es um die Erkenntnis der Leerheit erweitert.


    Am Ende der Ochsenbilder kehrt der Hirte auf den Markt zurück und lebt weiter.


    Der Antrieb sich der Zen-Praxis zu widmen kann nur aus uns selbst, also aus dem "Ich" heraus kommen und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Sich dessen aber bewusst zu sein und sich diese Tatsache nicht abzusprechen, sondern sie zu sehen und auch darin die Leerheit zu erkennen halte ich für wichtig. Dass somit der Antrieb für die Praxis eine Absicht zugrunde liegt ist (ersteinmal) widersprüchlich zur absichtslosen Praxis. Hierin liegt dann eben die Übung.