Ja, ein beachtlicher Teil der Menschen weltweit dürfte traumatisiert sein. Selbstzweifel und Selbsthass sind eine Folge davon. Unsere westliche Psychologie greift das auf (dieses "Ich bin nicht richtig", "Ich bin nicht gut", "Ich bin es nicht wert" usw.) und damit kannst du dann locker jahrelang "arbeiten". Das ist der Weg eines Großteils der westlichen Psychologie. "Wie hat sich das damals angefühlt?", "Ist ihre ganze Familie bei dem Bombenangriff umgekommen, nur Sie haben überlebt?" "Wie oft ist denn dein Vater betrunken nach Hause gekommen und hat dich geschlagen?"
Natürlich gibt es "behutsamere" Methoden. Aber sie alle haben immer noch zur Folge, dass du quasi eine Dauer-Retraumatisierung herbeiführst. Wie kann ich nur sowas behaupten, würden mir viele Psychologen antworten. Ja, genau so nenne ich das!
"Wir müssen Sie wieder aufbauen!", "Suchen Sie sich eine Beschäftigung, die Ihnen Freude macht!", "Gehen Sie mit ihrem Kind zu einer Pferdetherapie, das wird ihm guttun!", "Sie müssen sich schrittweise mit der Angst konfrontieren!" Das ist alles an Symptomen arbeiten. Kosmetik.
Jack Kornfield schreibt doch in jedem Kapitel, dass es die Buddhalehre ist, die seiner Tätigkeit als Psychologe eine völlig neue Richtung gegeben hat. Dass er damit ganz andere Möglichkeiten der Heilung all dieser psychischen Probleme hat.
Und da wir alle ähnliche Erlebnisse kennen, scheint mir die Reaktion des DL eher darauf zurück zu führen zu sein, dass er in diesem Moment sich nicht daran erinnern konnte, wie das Leben des gemeinen Volkes in Tibet war und ist.
Der Dalai Lama ist doch nicht begriffsstutzig oder leidet an Demenz. Natürlich weiß er, was das tibetische Volk erlebt hat. Das ist auch keine Verdrängung für mich. Das ist einfach ein ganz anderer Umgang damit. Ich glaube eher, dass Jack Kornfield etwas nicht verstanden hat, und die Reaktion des Dalai Lama falsch interpretiert. Außerdem halte ich es durchaus für möglich, dass das Wort "Selbsthass" in die Sprache dieser oder jener Kultur schwer zu übersetzen ist, weil es da so direkt vielleicht gar nicht existiert. Das nennen wir dann Verdrängung, wenn sie kein adäquates Wort dafür haben. Das steht uns gar nicht zu, auch da wieder unsere westlich psychologische Denkweise drüber zu stülpen.