Beiträge von Ichbinderichbin im Thema „Es gibt keinen authentischen Buddhismus“

    Das hab ich bereits geschrieben - wir haben authentische Übertragungslinien vorliegen.


    Nein, haben wir nicht. Keine einzige Übertragungslinie kann historisch gesichert auf Buddha zurückgeführt werden. Das ist reine Glaubenssache. Das gilt übrigens für die Existenz so gut wie aller großen Gestalten der bud. Geschichte ebenso: Nagarjuna, Bodhidharma, Shantideva...


    Mein lieber Void, wenn wir versuchen authentisches Buddhawort zu identifizieren, Du aber diese mit dem Hinweis verwirfst, dass authentisch nicht gleich wirksam bedeutet, sondern Wirksam eher die Neuerung ist, dann ist das ein interessanter Ansatz. Er sagt ja im Grunde, Buddha mag Wegbereiter gewesen sein aber heute sind wir viel schlauer, als Buddha. Hast Du das gemeint? Das dürfte vielen nicht gefallen. :?

    Die Klarheit haben wir durch die mündliche Tradition - ihr wird Vertrauen geschenkt - darüber hinaus brauchen wir als Praktizierende nichts. Ich will es im christlichen Kontext ausdrücken: Die Funde bei Nag Hamadi haben absolut nichts an der Herz-Jesu Praxis verändert.

    Sagen wir mal, die Herz-Jesu-Praxis soll mich näher zu Christus bringen, der für meine Sünden gestorben ist. Jetzt erkenne ich durch historisch-kritische Forschung, dass das ganze Sühne-Ding eine nachträgliche Konstruktion ist und der historische Jesus nicht die Absicht hatte, für die Sünden der Menschen stellvertretend zu sterben, sondern er wollte das Jundentum reformieren und hatte ein soziales Anliegen. Dann wird mir die Herz-Jesu-Praxis nichts mehr sagen. Ich werde zukünftig eher an Friedensgebeten teilnehmen und mich sozial engagieren. Meine Praxis hat sich also geändert.

    Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken.

    Wieso meinst du das? Wenn ich mich entspannen will, nehme ich ein Bad. Du gehst dafür vielleicht spazieren. Verschiedene Methoden, selbe Wirkung. Und im Buddhismus haben alle das selbe Ziel: Das Ende des Leidens. Ob das Leiden sowieso endet, wenn man stirbt, oder nicht, weil man wiedergeboren wird, ist dafür eigentlich nicht wichtig. Viel wichtiger ist eher die Frage, welche Methode für die jeweilige Person geeignet ist.


    Was als Leiden wahrgenommen wird, und aufgelöst werden muss, ist durchaus unterschiedlich. Grob: Für den Theravadin ist es das persönliche Gefangen sein im Samsara das Problem. Er wünscht sich, möglichst schnell zu erlöschen. Der Tibeto-Buddhist will zum Bodhissattva werden, immer und immer widergeboren werden, bis alle Wesen erlöst sind. Den Zenni kümmert das nicht. Er sitzt nur und ihm gilt die Aufhebung einer dualistischen Sichtweise als Ausweis der Erleuchtung. Deshalb praktiziert der Tibeto-Buddhist auch anders, als der Zenni, den die Praxis soll ja zu einem jeweils Ziel führen. Gegen Halsweh nimmt man auch andere Medikamente, als gegen Durchfall. :)


    Es ist eine typisch westliche Fehlannahme, dass die div. bud. Traditionmen doch iregndwie alle gleich sind. Die einen haben halt schwarze Roben, die anderen gelbe aber sonst... Die Traditionen sind in allem so unterschiedlch, dass Religionswissenschaftler von unterschiedlichen Religionen einer Religuionsfamilie sprechen. Mehr so Judentum, Christentum und Islam als abrahamitische Religionsfamilie und weniger wie die verschiedenen Konfessionen des Christentums.

    Die Erklärung dafür ist ganz einfach: es würde keinen Nutzen bringen.


    So ist dies auch im Buddhismus zu verstehen, es sind einfach mündliche Traditionen, die weiter gegeben werden und "historisch-kritisch" nicht fassbar sind, da die Dokumente fehlen. Doch das spielt für die Anwender (!) der Buddhalehre überhaupt keine Rolle, weil sie ja die Lehren selbst (!) überprüfen und somit feststellen können, was "falsch" ist.


    Sicher, sind die verschiedenen Traditionen über eine historisch-kritische Methode fassbar. Das führe ich jetzt aber nicht weiter aus. Vielleicht hilft Dir da Wikipedia weiter.


    Welche Rolle das für den Anwender spielt? Eine enorme. Die Heilserwartung bestimmt die Praxis. Vereinfacht gesagt: Wenn ich als Tibeto-Buddhist erwarte, dass ich einmal im Bardo lande, um eine neue Wiedergeburt zu erfahren, praktiziere ich anders, als ein Zenni, der einer nicht-dualistischen Sichtweise als Heilsziel entgegen sieht. Die Methoden müssen anders sein, weil sie jeweils etwas anderes bewirken. Deshlab benötigen wir hier Klarheit.

    Traditionelle Gesellschaften transportieren ein Selbstbild, in dem sie bei dem was sie tun, altehrwührdigen Traditionen nacheifern. Das bedeutet, dass Neuerungen hier nicht als Neuerungen auftauchen können (das Neue ist ja immer Abirrung) sondern als freigelegte Traditionen. Wenn ein Denker eine neue gute Idee hatte dann könnte es sein, dass er dazu tendieren diese nicht als neu zu sehen, sondern als Wiederentdeckung und Wiederbelegung einer archaische Tradition.


    Es ist falsch, wenn man das als eine "schlechte Geschichte" und als Verfälschung der Vergangenheit abtut.

    Genau, das ist ein weiterer Grund für Geschichstfälschung. Und genau das ist es aus heutiger Sicht. Das kann man den Altvorderen moralisch aber nicht vorwerfen, weil es das Bewusstsein von geschichtlicher Wahrheit, so wie wir sie heute haben, noch nicht gab. Es geht nur um Redlichkeit: Nicht alles, wo Original drauf steht, ist auch Original drin. Das ist aber keine Wertung. Auch Späteres kann hilfreich für den eigenen bud. Pfad sein.

    Hm, habe das jetzt gelesen, sehe aber auch keine Dekonstruktion.


    Was die Authentizität des Palikanon betrifft: Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich weiß, dass viele Kulturen wichtige Inhalte schriftlos sehr exakt weitergegeben haben, auch sehr lange Werke.


    Da ist sie ja doch, die Dekonstruktion, der du dann auch mit dem Hinweis auf eine exakte mündliche Überlieferungstradition zu begegnen versuchst.


    Viele Theravadins, die ich kenne (das gilt nicht für alle), lesen die Pali-Schriften, wie evangelikale Christen ihre Bibel: wörtlich. Was da steht, sei authentisches Buddhawort, widerspruchsfrei und vollständig. Nüja, da muss man keine akademische Ausbildung in der kritisch-historischen Mehode haben, um zu sehen, dass das nicht stimmen kann. Da reichen ein paar offene Augen und gesunder Menschenverstand.


    Etwas Know-how kann aber auch nicht schaden: Es ist deutlich, dass es verschiedene Überlieferungsschichten gibt. In den frühesten Schichten, den Lehrdichtungen, ist zum Beispiel an keiner Stelle die Rede von Wiedergeburt. Das Thema kommt da einfach nicht vor. Oder dass Texte redaktionell bearbeitet wurden, d.h. unter anderem, dass man (vermutlich) authentische Buddhaworte, die man nicht einfach so streichen konnte, in einen anderen Kontext gesetzt hat, um die eigenen Ansichten über Aspekte der Lehre zu stützen, gegenüber offenbar zu dieser Zeit anderen Ansichten, anderer früher Schulen.


    Oder hat sich noch nie jemand von euch gewundert, dass der Bericht über das Erwachen Buddhas in der dritten Person verfasst ist: "Er hat...", nicht "Ich habe...". Dabei war ja niemand anderer zugegen bei dem Ereignis. Der ganze Stil des Berichts ist so elegant, dass es sich dabei um einen sehr späten, rückwirkend verfasster Bericht handeln muss. Da war also jemand, der Jahrhunderte nach dem Tod Buddhas, sich fragte, wie das mit der Erleuchtung des Meisters wohl war und das niedergeschrieben hat. Sicher auch unter zu Hilfenahme tradierter Berichte aber sicher auch durch Hinzufügung eigener, sagen wir, gut gemeinter, interpretativer Elemente.


    Das genauer anzusehen, hat Bedeutung, für die Frage, was genau Buddhalehre ist und was nicht. Dagegen wehren sich aber weite Kreise der etablierten Traditionen. das ist zumindest meine Erfahrung. Hier ist der Widerstand ähnlich groß, wie im Islam. Die wollen oft auch keine historisch-kritische Betrachtung des Koran. Die Christen machen das mit der Bibel aber schon seit 300 Jahren. Mit erstaunlichen und wichtigen Ergebnissen.

    Mir scheint, dass es genauso viele (oder mehr?) säkulare Buddhisten gibt, die intensiv und öffentlich die traditionellen Linien des Buddhismus ablehnen und sie deswegen "dekonstruieren" wollen als es traditionelle Buddhisten gibt, die säkulare Ethik und Philosophie eher ohne das Etikett "Buddhismus" befürworten.


    Der Dalai Lama z.B. hat nichts gegen säkulare Ethik (im Gegenteil), nennt sie aber nicht "Buddhismus".


    Kannst du mal etwas genauer erklären oder entsprechende Stellen aus dem Artikel zitieren, in denen irgendetwas in diesem Artikel dekonstruiert wird? Ich sehe da keine Dekonstruktionen.

    "Mir scheint, dass es genauso viele (oder mehr?) säkulare Buddhisten gibt...". Merkwürdiges Argument. Ich weise daraufhin, dass es sonst bei säkularen Aussagen hier zu wütenden Kommentaren kommt und du antwortest mit: "Ja, aber die anderen machen das doch auch so – sogar noch mehr." Ja, kann sein, weiß ich nicht. War aber nicht das Thema.


    "Der Dalai Lama z.B. hat nichts gegen säkulare Ethik (im Gegenteil), nennt sie aber nicht 'Buddhismus'". Natürlich nicht. In der Vajrayana-Doktrin ist man karmisch noch nicht so weit, wenn man die Wahrehit des Vajrayana nicht erkennen kann. Dann braucht man halt noch ein paar Wiedergeburten. Deshalb reicht es völlig, wenn sich diese unreifen Gesellen an eine allgemeine Erthik halten, bis sie soweit sind und das ist dann auch (noch) kein Buddhismus. Säkularer Buddhismus ist im übrigen mehr als eine säkulare Ethik und Philosophie. Aber das ist eine andere Diskussion.


    "Kannst du mal etwas genauer erklären oder entsprechende Stellen aus dem Artikel zitieren, in denen irgendetwas in diesem Artikel dekonstruiert wird?" Siehe den Abschnitt nach der Zwischenüberschrift "Authentizität als Kunstprodukt".

    Was ist denn los? Welche Antworten schweben dir denn vor, die "wir" geben könnten? Du scheinst nicht zufrieden zu sein, dass tut "uns" leid.

    Weißt Du, man kann hier bei Diskussionen um einen säkularen Buddhismus (der ja lediglich eine zeitgemäße Deutung des Dharma ist, wie die heutigen Traditionen eine zeitgemäße Deutung des Dharma an einem bestimmten Punkt in Raum und Zeit der Vergangenheit waren), erleben, wie die in dem eingangs verlinkten Artikel dekonstruierten wesentlichen Elemente (etwa Übertragungslinien) der Traditionen benutzt werden, um wütend einen säkularen Buddhismus abzulehnen. Deshalb wunderte es mich, dass die besagte Dekonstruktion so gelassen hingenommen wurde. Denn sonst scheinen diese Elemente ja von großer Bedeutung zu sein.

    Schön, dass ihr euch alles so positiv äußert!


    Dann sind euch also Übertragungslinien völlig egal, weil euch klar ist, dass sie eh nur erfunden sind? Alle die Roshis, Tulkus und Erwürdigen haben keine Bedeutung, sie sind auch nur der Heinz, die Gerda und der Willi? Euch allen ist klar, dass eure eigene Tradition lediglich eine konservierte Momentaufnahme einer bestimmten historischen Weiterentwicklung des ursprünglichen Dharma darstellt? Zeitgemäße Deutungen des Buddha-Dharma sind damit allen traditionellen Deutungen ebenbürtig? 🙄

    Hier ein schöner Beitrag. Schön, weil er es wert ist, kontrovers diskutiert zu werden:

    Ein Buddha, zahlreiche Lehren - ursachewirkung.com


    Kernthesen:

    • Theravada kann nicht authentisch sein, weil wir uns nicht sicher sein können, dass Buddhas Worte wirklich getreu im Pali-Kanon überliefert wurden, zumal der Theravada nur die eine überlebende Schule von vielen frühen Schulen ist.
    • Vajrayana und Zen können ebenfalls keinen Anspruch auf Authentizität beanspruchen, weil... ach, lest doch selbst. ;)