Hm, habe das jetzt gelesen, sehe aber auch keine Dekonstruktion.
Was die Authentizität des Palikanon betrifft: Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich weiß, dass viele Kulturen wichtige Inhalte schriftlos sehr exakt weitergegeben haben, auch sehr lange Werke.
Da ist sie ja doch, die Dekonstruktion, der du dann auch mit dem Hinweis auf eine exakte mündliche Überlieferungstradition zu begegnen versuchst.
Viele Theravadins, die ich kenne (das gilt nicht für alle), lesen die Pali-Schriften, wie evangelikale Christen ihre Bibel: wörtlich. Was da steht, sei authentisches Buddhawort, widerspruchsfrei und vollständig. Nüja, da muss man keine akademische Ausbildung in der kritisch-historischen Mehode haben, um zu sehen, dass das nicht stimmen kann. Da reichen ein paar offene Augen und gesunder Menschenverstand.
Etwas Know-how kann aber auch nicht schaden: Es ist deutlich, dass es verschiedene Überlieferungsschichten gibt. In den frühesten Schichten, den Lehrdichtungen, ist zum Beispiel an keiner Stelle die Rede von Wiedergeburt. Das Thema kommt da einfach nicht vor. Oder dass Texte redaktionell bearbeitet wurden, d.h. unter anderem, dass man (vermutlich) authentische Buddhaworte, die man nicht einfach so streichen konnte, in einen anderen Kontext gesetzt hat, um die eigenen Ansichten über Aspekte der Lehre zu stützen, gegenüber offenbar zu dieser Zeit anderen Ansichten, anderer früher Schulen.
Oder hat sich noch nie jemand von euch gewundert, dass der Bericht über das Erwachen Buddhas in der dritten Person verfasst ist: "Er hat...", nicht "Ich habe...". Dabei war ja niemand anderer zugegen bei dem Ereignis. Der ganze Stil des Berichts ist so elegant, dass es sich dabei um einen sehr späten, rückwirkend verfasster Bericht handeln muss. Da war also jemand, der Jahrhunderte nach dem Tod Buddhas, sich fragte, wie das mit der Erleuchtung des Meisters wohl war und das niedergeschrieben hat. Sicher auch unter zu Hilfenahme tradierter Berichte aber sicher auch durch Hinzufügung eigener, sagen wir, gut gemeinter, interpretativer Elemente.
Das genauer anzusehen, hat Bedeutung, für die Frage, was genau Buddhalehre ist und was nicht. Dagegen wehren sich aber weite Kreise der etablierten Traditionen. das ist zumindest meine Erfahrung. Hier ist der Widerstand ähnlich groß, wie im Islam. Die wollen oft auch keine historisch-kritische Betrachtung des Koran. Die Christen machen das mit der Bibel aber schon seit 300 Jahren. Mit erstaunlichen und wichtigen Ergebnissen.