Ein Satz aus dem Artikel über den spirituellen Deckmantel ist: "Einige Psychologen haben gezeigt, dass spirituelle Selbstaufwertung zu einem Syndrom führt, dass sie »Ich-bin-erleuchtet-und-du-nicht« nennen."
Das ist wohl nicht nur im Spirituellen sondern in allen Bereichen menschlicher Fähigkeiten so. Etwa spirituell orientierte Menschen können aufzeigen das psychologische Aufwertung zu einem Syndrom führt das man »Ich kenne die Psyche und du nicht« nennen kann. Oder ich Philosophiere du nicht, ich bin intelligenter als du, ich kann Skifahren du nicht, oder höher springen, usw. Es ist einfach die alte Geschichte: Ich bin besser als du. Es ist ein Merkmal des Egos, sich mit anderen Egos zu vergleichen.
Der Begriff "Spiritualität" kann so verstanden werden dass es dabei eben darum geht das Ego zu durchschauen und aufzulösen. Wobei es zu peinlichen Paradoxa kommen kann: "Ich habe bereits weniger Ego, deshalb bin ich fortgeschrittener als du". Aber je weniger Ego, desto weniger Vergleichen mit anderen. Wenn man sich selber sehr wichtig nimmt, dem Selbst eine große Bedeutung beimisst, entsteht die Angst an Bedeutung zu verlieren und die Erwartung sich zu "wahrer Größe" zu entfalten. Zu Spiritualität in diesem Sinne gehört es, achtsam nicht in solche Fallen zu tappen, möglichst oft zu beobachten was dieses Selbst so treibt, von welchen Vorstellungen man getragen wird und welche Wünsche dem zugrunde liegen.
Mir gefällt was der Stoiker Epiktet gesagt hat:
Zitat Die Kennzeichen, dass jemand (in der Weisheit) Fortschritte macht, sind die folgenden: Er tadelt niemand, lobt niemand, beklagt sich über niemand, spricht nicht von sich, als ob er etwas sei oder wisse. Wenn er in irgend etwas gehemmt wird, oder Widerstand erfährt, so gibt er sich selbst die Schuld; lobt ihn jemand, so lacht er bei sich über den Lobenden; tadelt man ihn, so verteidigt er sich nicht. Er geht herum, wie ein noch Schwacher (ein Rekonvaleszent), in Sorge, etwas von dem, was eben erst geheilt worden ist, ehe es erstarke, wieder zu erschüttern. Alle Begierden (Wünsche) hat er abgelegt; Abneigung gestattet er sich bloß noch bezüglich der Dinge, die der Natur der in unserer Macht stehenden zuwider sind; seine Willensregung ist stets gemäßigt; ob er für einen Toren oder Unwissenden gehalten werde, bekümmert ihn nicht. Mit einem Worte, er ist gegen sich selbst beständig auf der Hut, wie gegen einen Feind und Verräter.
Handbüchlein der Ethik