... Etwa mittels eines intakten Auges und eines Sehobjekts entsteht Sehbewusstsein. Was bedeutet das Sehbewusstsein wächst und wird nicht?
Das wird, finde ich, hier recht anschaulich erläutert:
Zitat "Wenn, Freunde, innerlich das Auge intakt ist, aber keine äußeren Formen in seine Reichweite kommen, und keine passende Hinwendung vorhanden ist, dann gibt es kein Erscheinen des zugehörigen Bewußtseinsanteils.
Wenn innerlich das Auge intakt ist, und äußere Formen in seine Reichweite kommen, aber keine passende Hinwendung vorhanden ist, dann gibt es kein Erscheinen des zugehörigen Bewußtseinsanteils.
Aber wenn innerlich das Auge intakt ist, und äußere Formen in seine Reichweite kommen, und passende Hinwendung ( samannāhāro ) vorhanden ist, dann gibt es das Erscheinen des zugehörigen Bewußtseinsanteils."
"Die Form, die auf solche Weise ins Dasein getreten ist, wird in die Anbindungsgruppe der Form eingeschlossen. Das Gefühl, das auf solche Weise ins Dasein getreten ist, wird in die Anbindungsgruppe des Gefühls eingeschlossen. Die Wahrnehmung, die auf solche Weise ins Dasein getreten ist, wird in die Anbindungsgruppe der Wahrnehmung eingeschlossen. Die Gestaltungen, die auf solche Weise ins Dasein getreten sind, werden in die Anbindungsgruppe der Gestaltungen eingeschlossen. Das Bewußtsein, das auf solche Weise ins Dasein getreten ist, wird in die Anbindungsgruppe des Bewußtseins eingeschlossen. Er versteht so: 'Auf diese Weise, in der Tat, kommt das Einschließen, Einsammeln und Anhäufen in diese fünf Anbindungsgruppen zustande."
(MN 28)
Oder auch vor dem Spiegel:
Zitat "Nun, ihr Bhikkhus, ist dies der Weg, der zum Ursprung der Persönlichkeit ( sakkaya ) führt. Man betrachtet das Auge so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Man betrachtet Formen so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Man betrachtet Sehbewußtsein so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Man betrachtet Sehkontakt so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Man betrachtet Gefühl so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.' Man betrachtet Begehren so: 'Dies ist mein, dies bin ich, dies ist mein Selbst.'"
"Ehrwürdige, man spricht von 'Persönlichkeit, Persönlichkeit' ( sakkaya ) Was wird vom Erhabenen Persönlichkeit genannt?" "Freund Visākha, die fünf Anbindungsgruppen werden vom Erhabenen Persönlichkeit genannt; das heißt,
- die Anbindungsgruppe der Form,
- die Anbindungsgruppe des Gefühls,
- die Anbindungsgruppe der Wahrnehmung,
- die Anbindungsgruppe der Gestaltungen,
- die Anbindungsgruppe des Bewußtseins.
Diese fünf Anbindungsgruppen werden vom Erhabenen Persönlichkeit genannt."
(MN 148 und MN 44)
Es geht also weniger darum, das Bewusstsein von seinen Stützen und Objekten zu befreien, sondern eher darum, das Bewusstsein als solches zu durchschauen:
Zitat "Was ist der Unterschied, Freund, zwischen Weisheit und Bewußtsein, diesen Zuständen, die mit einander verbunden, nicht getrennt sind?" "Der Unterschied, Freund, zwischen Weisheit und Bewußtsein, diesen Zuständen, die miteinander verbunden, nicht getrennt sind, ist dieser: Weisheit gilt es zu entfalten, Bewußtsein gilt es vollständig zu durchschauen."
(MN 43)
Also besteht die Aufgabe darin, die oben genannte "passende Hinwendung" ( samannāhāro = 'als Nahrung auffassend, verwendend' ) zu vermeiden, ohne dafür die Augen verschließen zu müssen, sich die Ohren zuhalten zu müssen oder gar in Bewusstlosigkeit flüchten zu müssen. Sondern achtsam und bewusst passende Hinwendung zu vermeiden. Und das geht eben nicht ohne die Übung einer geeigneten Geistessammlung:
Zitat 'Komm, Bhikkhu, verweile, indem du den Körper als einen Körper betrachtest, aber hege keine Gedanken, die mit dem Körper verbunden sind; verweile, indem du Gefühle als Gefühle betrachtest, aber hege keine Gedanken, die mit Gefühlen verbunden sind; verweile, indem du Geist als Geist betrachtest, aber hege keine Gedanken, die mit dem Geist verbunden sind; verweile, indem du Geistesobjekte als Geistesobjekte betrachtest, aber hege keine Gedanken, die mit Geistesobjekten verbunden sind'".
"Es gibt einen Pfad, Ānanda, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich. Wenn da ein großer Baum voller Kernholz steht, so ist es nicht möglich, daß irgendjemand sein Kernholz schneiden wird, ohne durch seine Rinde und sein Weichholz zu schneiden, ebenso gibt es einen Pfad, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, ohne zu jenem Pfad, zu jenem Weg zu gelangen, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist nicht möglich."
"Es gibt einen Pfad, Ānanda, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, dadurch, daß er zu jenem Pfad, zu jenem Weg gelangt, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist möglich. Wenn da ein großer Baum voller Kernholz steht, so ist es möglich, daß irgendjemand sein Kernholz schneiden wird, indem er durch seine Rinde und sein Weichholz schneidet, ebenso gibt es einen Pfad, einen Weg zum Überwinden der fünf niedrigeren Fesseln; daß irgendjemand, dadurch, daß er zu jenem Pfad, zu jenem Weg gelangt, die fünf niedrigeren Fesseln kennen oder sehen oder überwinden wird - dies ist möglich."
(MN 125 und MN 64)