Beiträge von Himmelsbaum im Thema „Diskussion zu "Was ist säk. Buddhismus"“

    Es ist immer hilfreich, den Zusammenhang zu beachten:


    Säkularer Buddhismus hat folgende Basis: Die drei Daseinsmerkmale, „anicca“, alle Erscheinungen sind unbeständig, alle Erscheinungen sind „dukkha“ unterworfen, wörtlich „schwer zu ertragen“, sowie „anatta“, alle Dinge sind ohne Selbst, das Wissen um das „Bedingte Entstehen“ und die Idee eines dreiteiligen Wegs, „prajna“ – Einsicht, „sila“ – Ethik und „samadhi“ – Versenkung beziehungsweise Geistestraining. Diese Basis enthält keinerlei Glaubenselemente oder Religion. Sie ist jedem zugänglich, der ausreichend genau beobachtet und in der Lage ist, präzise zu denken. Diese Basis ist kulturunabhängig und nach menschlichem Zeitverständnis zeitlos.


    Diese Prämissen, anicca, dukkha und anatta sind jedem zugänglich - man kann selbst darauf kommen, wenn scharf nachdenkt (Buddha war lediglich ein guter Beobachter und ein präziser Denker, weit weg von den Hagiographien späterer bud. Traditionen) - und frei von Religion. Der gesamte Buddhadharma ergibt sich aus ihnen. Es ist aus meiner Sucht keine kulturelle Prägung denkbar, die diese Einsichten verhindern könnte.


    Ich mache in 'Buddhismus kontrovers' weiter.


    Erst einmal, mit Sucht ist sicherlich Sicht gemeint. Kann es sein, dass die säkulare Sicht gerade das Verständnis obiger Themen verhindert? Das bedingte Entstehen zum Beispiel ist die Erklärung wie Leiden entsteht und wie Wiedergeburt unter der Nebenbedingung anatta funktioniert. Falls jemand aufgrund seiner säkularen Sicht Wiedergeburt von vornherein ablehnen sollte, dann muss er bedingtes Entstehen anders denken.

    absolute Diesseitigkeit, in der es nicht einmal ein Ding an sich hinter den Erscheinungen gibt. Weltlicher, säkularer geht es kaum.


    Es geht ja auch nicht um etwas hinter dem Ding an sich. Es geht um das Ding selbst, wenn es denn bedingt entstanden ist. Denn dann ist es vergänglich und daher leidhaft. Dieses Ding muss also weg. Da bleibt nichts über, wo sich Diesseitigkeit und Jenseitigkeit dranhaften können. Alles abgefallen.

    dass unsere Lebenswelt durch Karma geprägt wird.


    Ich greife den Begriff Lebenswelt noch einmal auf, um auszudrücken warum meiner Ansicht nach säkularer Buddhismus als zeitgemäßer Buddhismus schwierig ist. Wir leben zwar alle zur gleichen Zeit, aber nicht in gleichen Lebenswelten. Ein angepasster Buddhismus sollte sich weniger an der Zeit orientieren und mehr an den Lebenswelten. Die sind aber stark unterschiedlich, was man u. a. daran sieht, dass für viele Deutsche ein traditioneller tibetischer Buddhismus zeitgemäß ist. Für andere eben nicht. Es bedarf demnach viele säkulare Buddhismen.

    Ein Beispiel für sich widersprechende Aussagen im Pali-Kanon ...


    Das sind doch keine sich widersprechenden Aussagen, sondern sich ergänzende. In MN 135 wird gesagt, dass unsere Lebenswelt durch Karma geprägt wird. In SN36.21 wird diese Aussage weiter qualifiziert, dass eben nicht alles, was wir erfahren durch Karma geprägt ist, sondern es auch andere Einflüsse gibt.


    Warum es Sinn macht, Karma besonders zu betonen ist, weil man die eigenen Handlungen, also Karma, in der eigenen Hand hat und sie entsprechend beeinflussen kann, also indeterminiert sind.


    Was ist Determinismus? Ein Wörterbuch klärt uns auf: "Lehre, Auffassung von der kausalen [Vor]bestimmtheit allen Geschehens bzw. Handelns".


    In MN 135 geht es überhaupt nicht um Determinismus, wie oben definiert. Wo lehrt der Buddha denn dort das alle Handlungen, also Karma, [vor]bestimmt sind. Der Buddha lehrt dort auch nicht das alle Früchte (vipaka) vorbestimmt sind. Er macht ja so gar deutlich, dass A oder B als Frucht entstehen können eben weil abhängig von anderen Faktoren.


    Was soll denn vernichtet werden außer Leiden? Da ist doch sonst nichts.

    Danke für deine Ansicht meiner Sätze.


    Ja, verstehe dann nicht, was du eigentlich sagen möchtest.

    Nicht die Existenz ist das Problem, sondern das Verbinden mit Leiden und Erleuchtung.

    Glaubst du an eine Existenz unverbunden mit Leiden (= dukkha)?


    Wenn ich mir das Buddhdharma so ansehe – jedenfalls die frühen Deutungen, die sich metaphysischen Spekulationen enthalten

    Niemand definiert etwas um. SB schließt sich einer frühen Interpretation des Buddhadharma an, wie oben geschildert.

    Dies sind doch bisher immer noch nur Behauptungen. Oder habe ich da etwas verpasst?


    Wie soll eine "Existenzüberwindung" denn aussehen?

    Sterben ohne Wiedergeburt.


    Was das "Weltübersteigende" sein soll, weiß ich wieder nicht.

    Nibbana in der Definition nach Udana 8.1.

    Weil ja der Buddhismus in seiner langen Geschichte eben nicht nur weltabgewand war ...


    Das sehe ich genau so. Problematisch wird es für mich dann, wenn ich die Weltabgewandheit und das Weltübersteigende herausnehme und leugne. Wenn ich für mich sage, dies ist für mich jetzt, oder allgemein in diesem Leben, nichts an dem ich arbeiten möchte, obwohl ich es anerkenne, dann ist das ganz normal. Da gibt es meinerseits keine Einwände.

    Buddha möchte das Leiden vernichten und nicht die Existenz des Lebenden an sich.


    Ist aber das selbe: Leiden = Leben. Das ist ja das Radikale beim Buddha, dass er einem alles unter den Füßen wegzieht. Warum er meiner Meinung nach auch nicht lehren wollte, weil es eben zu radikal ist.


    Aber gut, eine Leidensdiskussion ist hier off-topic.


    Das überrascht mich.


    Für mich stellt es sich so dar: das eine ist ein existenzielles Problem und kann in letzter Konsequenz nur durch die Existenzüberwindung überwunden werden. Dies hier - "Irritationen die unsere Existenz mit sich bringen" - scheint mir eher eine Symptombetrachtung und -behandlung zu sein, wo die Existenz selbst als Problem nicht erkannt wird. Man will also die Irritationen (kleines Leiden) überwinden, nicht aber die Existenz (großes Leiden). Entsprechend fällt die Frucht aus.


    Oder missverstehe ich dich hier?

    Kann es sein, dass du bisher nie eine Quelle für dein Bronkhorst-Zitat angegeben hast? Du wolltest das nachreichen, aber zumindest ich habe die Nachreichung nicht gefunden. Tue dies bitte noch oder sei so nett und verlinke hier den Beitrag falls du es bereits getan hast.


    Kommt da noch etwas von dir, Hendrik ? Bist du gerade im Urlaub, recherchierst du ...

    Ja, das ist interessant, dass Bronkhorst einmal feststellt, dass B wohl an Wiedergeburt glaubte und einmal eine metaphysikkritische Haltung als die authentischere sieht.


    Vielleicht ist es ja auch so, dass Bronkhorst und du den Begriff "metaphysikkritische Haltung" anders verstehen. Vielleicht versteht Bronkhorst darunter gar nicht Wiedergeburt. Ich habe kursorisch in Bronkhorsts Die buddhistische Lehre geschaut, was wohl die Quelle deines Zitats ist.


    Zitat

    "Glasenapp kritisiert andere Gelehrten, die annehmen, dem Buddhismus liege überhaupt keine metaphysische Konzeption zugrunde... Glasenapps Nachwort rief schon im gleichen Jahr 1959 eine Reaktion des amerikanischen Gelehrten Franklin Edgerton hervor. Edgerton wies darauf hin, dass in den gleichen alten Texten, die Glasenapp studiert hatte, auch Stellen zu finden sind, an denen der Buddha philosophische Spekulationen ablehnt. Die bekannteste Passage dieser Art findet sich wohl im Cula-Malunkya-Sutta im Majjhima Nikåya des Påli Suttapi†aka" (S. 5)


    Was dann folgt sind die 10 nicht-beantworteten Fragen: ist die Welt ewig oder nicht usw. Sind diese "philosophischen Spekulationen" jetzt was die Metaphysik-Kritik sein soll.


    Weiter heißt es:


    Zitat

    "Was soll man schliessen aus der Anwesenheit von Passagen, die metaphysische Spekulationen ablehnen, neben anderen Passagen, die im Gegensatz dazu die Dharma-Theorie [, die ihren klassischen Ausdruck im Abhidharmakosa des Vasubandhu] zu verkünden oder vorauszusetzen scheinen? (...)


    In der Auseinandersetzung zwischen Edgerton und Glasenapp wurden zwei Arten von Textstellen zur [30] Sprache gebracht: solche, die metaphysische Spekulationen ablehnen, und andere, von denen man glaubte, dass sie die Dharma-Theorie voraussetzen oder darstellen. Zwischen diesen zwei Arten von Textstellen kann man einen Widerspruch konstatieren; dies war jedenfalls Edgertons Ansicht. Wenn es hier tatsächlich einen Widerspruch gibt, dann liegt es nahe anzunehmen, dass nicht beide in diesen Textstellen gelehrten Stellungnahmen gleichermassen ursprünglich sind: der Buddha hat nicht metaphysische Lehren abgelehnt und eine metaphysische Lehre verkündet. Man muss also eine Wahl treffen: der Buddha hat entweder metaphysische Lehren abgelehnt oder eine metaphysische Lehre verkündet. Eine solche Wahl drängt sich überall da auf, wo es Widersprüche innerhalb des alten Kanons gibt" (S. 7-8)

    Bronkhorst schreibst dann: "es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Buddha, auch wenn er keine Dharma-Theorie verkündete, metaphysische Theorien im allgemeinen nicht ablehnte" (S. 8).


    Es ging wohl nie um Karma und Wiedergeburt. Sondern um die 10 nicht-beantworteten Fragen und die Dharma-Theorie. Also etwas ganz anderes.


    Wie gesagt, war jetzt nur eine kursorische Lesung, weil Wetter ist schön.


    Kann es sein, dass du bisher nie eine Quelle für dein Bronkhorst-Zitat angegeben hast? Du wolltest das nachreichen, aber zumindest ich habe die Nachreichung nicht gefunden. Tue dies bitte noch oder sei so nett und verlinke hier den Beitrag falls du es bereits getan hast.

    Johannes Bronkhorst geht noch weiter: „Was soll man schließen aus der Anwesenheit von Passagen [im Pali-Kanon], die metaphysische Spekulationen ablehnen, neben anderen Passagen, die im Gegensatz dazu [diese] zu verkünden oder vorauszusetzen scheinen?“ Du findest sehr gegensätzliche Ansichten zum Karma und Wiedergeburtsthema.


    Bronkhorst meint, dass man wohl nicht ausschließen könne, dass Ansätze zu späteren hochspekulativen Lehren (Karma und Wiedergeburt) von Anfang an Teil der buddhistischen Lehre waren aber man müsse wohl darauf verzichten, solche als ursprünglichen Bestandteil der Lehre des Buddha zu betrachten.


    Hier einmal ein Zitat von Bronkhorst aus seinem Did the Buddha Believe in Karma and Rebirth?:


    Zitat

    Let us return to the subject-matter of this lecture: Did the Buddha believe in karma and rebirth? The answer, in so far as the texts allow us to reach an answer, seems to me an unambiguous 'yes'. The Buddha did believe in rebirth, and he did believe that one's future destiny is determined by what we may call karma, but which is in some essential respects different from what his contemporaries meant by it. {Bronkhorst 1998 #56D: 16}