Ich möchte mich gerne weiter an diesem Thread beteiligen.
Mir geht es ja um die Entstehung von Religion und deren ursprüngliche Funktion. Und diese sehe ich darin, Menschen zu Kollektiven zu formen.
Ich stimme zu, dass Religion auch heisst: Gewisse Handlungsregelsätze. Geteilte Vorstellungen und Überzeugungen über die Richtigkeit und Unrichtigkeit bestimmter Handlungen sind eine Voraussetzung von Gesellschaften. Gesellschaft heisst: gemeinsame Handlungsregeln, gemeinsame Vorstellungen. Ich denke jedoch nicht, dass ein Ursprungsgedanke bei einer aufgekommenen Überzeugung beispielsweise, dass es ein unsichtbares, aber mächtiges Wesen gibt, was darüber bestimmt, wann Regen fällt und wann nicht, war, dass ein Kollektiv geformt werden soll. Auch zu dem Zeitpunkt, ab dem sich so ein Glaube durch eine interpretierte Bestätigung eines solchen Wesens (Beispiel: es regnet in der Tat (mal) nach einer Opfergabe - davon gab es sozusagen auch vegetarische Varianten) festigt - es mehr zu einem kollektiven Glauben (eine Religion schon?) wird - muss keine Absicht dagewesen sein, Gemeinschaftssinn zu stiften. Überhaupt laufen große Teile der Kollektivbildungen unbewusst/unerkannt der hinter den Denk- und Sprachhandlungen stehenden Bedingungen.
Dies war natürlich meist eine eher archaische, grauenhafte und irrationale Sache: Leute die getötet werden weil sie irgendwelche Tabus gebrochen haben, Kriegshymnen an Stadtgötter, Menschenopfer damit die Ernte besser wird. Große Teile der Religionsgeschichte sind ganz und gar hässlich und dumm.
Meist ... da würde mich interessieren welchen Vergleich (welche Textbasis) du zu dieser Einschätzung zu Rate ziehst.
Es gab und gibt auch friedensstiftende sogenannte religiöse Handlungen und auch Handlungsregeln, die offensichtlich einer friedlichen Grundstimmung dienen und entsprangen. Ein Beispiel: du sollst nicht stehlen, und sogar: du sollst nicht töten.
Ich möchte an dieser Stelle hier auf eine Verdeutlichung der anderen Seite der Medaille verzichten - Die besteht in Machtmissbrauch und Autoritätshörigkeit (um wenigstens kurz zwei Tatbestände zu nennen), das wäre ein (lediglich?) anhängiges Thema, welches fotost vielleicht/anscheinend? am Herzen liegt. Das gibt es ja (!) und natürlich auch 'in den Religionen' und auch mit Hilfe sogenannter 'religiöser Inhalte', aber das ist dann aus meiner Sicht mehr ein Thema für die Psychologie, oder eben mehr ein Thema auch, dem man sich mit den Erklärungen Buddhas nähern kann. Etwa in der Art: Was ist der (eigentliche) Ursprung des Vereinnahmungswillens, der Ursprung auch von Machtmissbrauch und sogar der Ursprung von Kollektiven und Gesellschaften?
Als diesem Ursprung möchte ich die innere Haltung nennen. Denn: Jede Idee egal welchen Inhalts muss sozusagen erst von einem Akteur gefüllt werden.
Zu diesem 'Füllvorgang' nun möchte ich schreiben (und damit hoffentlich auch auf die Erklärungen Buddhas verweisen) Nicht(vollständig)verstehen, Nicht(umfassendgenug)erkennen der Bedingungen des Entstehens jeder bedingten Handlung - also auch: Nichterkennen des Gefühls, des Willens hinter den Handlungen, wozu auch die Sprachhandlungen gehören, ist die erste nennbare Bedingung auch für zB ideologisches, anderes Denken und Handeln unterwerfenwollendes Sprechen und Tun.
Hieran anschliessend möchte ich sagen, dass (wenn man so formulieren will) nicht nur grosse Teile einer Religionsgeschichte ganz und gar 'hässlich und dumm' waren, sondern je nachdem wie man bewerten will, vielleicht ein grosser Teil einer gesamten Menschheitsgeschichte?
(An sich ist eine Religionsgeschichte aber mehr? eine Arbeit, die sich vorrangig der Ideengeschichte widmet)
Zitat Das was dann dass was Karl Jaspers die Achsenzeit nannte und wo dann auf einmal die Frage nach der conditio Humana aufkam. Bei den griechischen Philosophen, bei Kinfuzous, im Judentum aber eben auch bei Buddha. Das Kalamer Sutra ist ein gutes Beispiel für so ein Enmythologisieru
Den vielzitierten Satz 'Geht nicht nach Hörensagen' sehe ich als eine Aufforderung, zu prüfen, sich ein eigenes Urteil zu bilden. Der Zusammenhang zu einer 'Entmythologisierung' sieht für mich ein wenig mehr gewollt aus, ich finde das Wort und die damit zumeist zusammenhängenden Vorstellungskomplexe aus eben (auch) diesem Grund jedenfalls nicht so günstig, wennauch es schon darum geht: sich gewissermassen von Mythen, sich von gewissen oder vielleicht allen? kollektiven Vorstellungen zu lösen.
Zitat Und auch bei Religionen wie dem Christentum - die eigentlich den Sprung vom kollektiven Ego hin zum Universellen ( Liebe deinen nächsten wie dich selbst) geschafft haben sollten, besteht immer und überall die Gefahr in diese ursprüngliche Funktion zurückzufallen.
Das schöne am Buddhismus ist, dass er in dieser ersten Sinne so wenig Religion ist. Aber wie man ja leider in Myanmar sieht, kann auch der Buddhismus dazu degradiert werden, kollektive Egos zu schaffen
Hierzu möchte ich zum einen gerne schreiben: kollektives Ego - so kann man denken. Man spricht ja auch von einem kollektiven Bewusstsein. Letztlich ist es aber nur ein Bild. Die Frage ist: was genau will man damit beschreiben.
Das andere ist das: In jeder zwischenmenschlichen Situation besteht die Gefahr, die Freiheit des anderen nicht anzuerkennen, es besteht in jedem Moment die Gefahr, ideologisch zu denken, es besteht die Gefahr, dass man vorschnell bewertet indem man denkt spricht und schreibt. Es besteht die Gefahr, jemanden eine Wahrheit diktieren zu wollen, es besteht auch die Gefahr ... dass man diese allgemeine Gefahr (eigentlich: Möglichkeit) einem eher unsichtbaren oder (eigentlich) nicht vorhandenen Atta namens Religion unterstellen möchte, und damit die (eigentliche) Wirksamkeit des eigenen Willens und Wollens und die (eigentliche) Wirksamkeit des Willens und Wollens anderer unterschätzend darstellt.