Posts from Sudhana in thread „Buddhismus: Missbrauch im Namen der Erleuchtung“

    Christopher : Herzlichen Dank für den verlinkten Text von Dir, den ich noch nicht kannte. Mit der Plattform des 'Unbuddhisten' habe ich in Hinsicht eines offenen Diskurses so meine Erfahrungen gemacht, so dass ich mich nur noch selten dahin verirre. Als Nur-Leser ist mir der Habitus da doch häufig allzu wadenbeißerisch. Aber Kulturkampf mal beiseite - an Deinem Text finde ich nichts auszusetzen; er verdeutlicht vielmehr exemplarisch, wie die westliche Inkulturation des Buddhadharma (welcher Färbung auch immer) unweigerlich 'westlichen' Bedingungen folgt - und es verdeutlicht, dass zumindest ein wichtiger Teil dieser Bedingungen die spätkapitalistischen Produktionsbedingungen sind. Man muss, denke ich, nicht notwendig dem dialektisch-materialistischen Postulat folgen, dies seien die primären Bedingungen, um ihre erheblichen Auswirkungen wahrzunehmen.


    Zunächst lege ich Wert darauf, dass dies keine einseitige Schuldzuweisung bei den hier diskutierten 'Betriebsunfällen der Inkulturation' an 'den Westen' (wie auch immer man den definieren will) sein soll. Ich denke, ich habe mich mit den Inkulturationsprozessen des Dharma speziell in China, Japan und Tibet sowie mit den jeweiligen real (als soziale Institution) existierenden 'Buddhismen' hinreichend befasst, um da keine Illusionen zu hegen. Geschichte ist ein altes Hobby von mir und der historische Blick kann sehr entlarvend sein. Da wurde viel Dreck vergoldet. Der Dharma ist nun mal auch Religion; dafür steht seine soziale Gestalt. Entsprechend auch das hohe Potential zu Korruption in jeder Form; unabhängig von dem jeweiligen lokalen kulturellen und ökonomischen Nährboden der jeweiligen Religionen.


    Um nun auf die westlichen Produktionsbedingungen zurück zu kommen: diese charakterisieren Horkheimer/Adorno mE recht treffend als "Kulturindustrie" (in: Dialektik der Aufklärung, Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug). Unter diesen Bedingungen wird der Dharma zur kostenlosen Ressource für eine Warenproduktion. Wenn man sich die auffälligen Differenzen zwischen den Optionen beispielsweise einer Ausbildung im Eiheiji oder im Ganden und der in einer westlichen Übungsgemeinschaft, die sich der entsprechenden Tradition zuordnet, anschaut, dann wird in aller Regel schnell deutlich, dass ersteres für den westlichen Markt in nicht unerheblichem Ausmaß 'verarbeitet', d.h. an die vermuteten Bedürfnisse der Zielkundschaft angepasst wurde. Das ist der erste Schritt der Vermarktung. Die nächsten Schritte wären dann Erhöhung der Akzeptanz durch Werbung, somit erhöhter Absatz. Gerne auch unter Verwendung von Warenzeichen - der Dalai Lama und ein populärer Autor wie Ricard waren für Herrn Lakar solche Warenzeichen - insbesondere der Dalai Lama ein besonders zugkräftiges, Vertrauenswürdigkeit und Seriosität signalisierendes. Da müssen sich die Herren dann auch die Frage gefallen lassen, warum sie sich von Herrn Lakar haben instrumentalisieren lassen, was ihre Seite des deals war.


    Das von Dir propagierte 'keep it small' ist zweifellos eine erwägenswerte Herangehensweise, die Risiken einer Vermarktung des Dharma zu verringern. Namentlich das Risko, nicht an einen Dharmalehrer, sondern an einen cleveren Geschäftsmann und / oder machtbesessenen Soziopathen zu geraten. Wobei der Erfolg des Geschäftsmannes oder Soziopathen natürlich wesentlich von seiner Fähigkeit der Mimikry eines Dharmalehrers abhängt - die Wahl des richtigen Produkts "ist Vertrauenssache" - wie bei Babypuder und Hautcreme. Und nicht jeder merkt, wenn er über den Tisch gezogen wird. Seriöse Anbieter, die es ja auch gibt (ich will die mal nicht ganz unter den Tisch fallen lassen), haben es bei solcher Konkurrenz natürlich schwer.


    Wobei - so ganz kann man sich auch als "kleiner Dharma-Anbieter" nicht den herrschenden Produktionsbedingungen entziehen. Beispielsweise funktioniert solch ein wenig nachgefragtes Angebot wohl doch nur unter den Standortbedingungen einer Großstadt. Aber fehlendes kommerzielles Potential (bzw. Wille ein solches zu nutzen) ist schon ein Zeichen, dass man es als Kunde da nicht mit einem Geschäftemacher zu tun hat. Allenfalls einem recht ungeschickten, was ja auch den potentiellen Schaden minimiert. Und ich sehe es auch so, dass eine sinnvolle Begleitung von Übenden bzw. der dafür notwenige Zeitaufwand die Größe der Übungsgemeinschaft begrenzt.

    Das wird es nie geben. Wer soll denn da diskutieren? Die Delegierten der jeweiligen Gruppen? Die sind in der Regel überhaupt nicht befugt, über Doktrinen zu entscheiden. Das tun die spirituellen Leiter.

    Werter Hendrik , ich kenne die DBU lange und intensiv genug (wir sind uns da auch schon über den Weg gelaufen) um da keine Illusionen zu hegen, dass "was es braucht" und "was not tut" ohne spürbaren Druck geschieht. Druck u.a. durch die mediale Öffentlichkeit (wie mit dieser Doku), verbunden mit einer sinkenden Akzeptanz in der Bevölkerung und dem auch von Dir angemerkten Zurückgang des Interesses am Dharma. Das ist gleichbedeutend mit einem Schwinden des kulturellen, sozialen und nicht zuletzt auch ökonomischen Kapitals der DBU; d.h. ihrer Mitgliedsgemeinschaften. Keine gute Bilanz der Inkulturation so weit, sondern Stagnation.


    Wo Du sicher recht hast, das ist, dass dieser Druck derzeit noch nicht spürbar genug ist. Dass ein solcher Diskurs selbst dann das Bohren eines sehr dicken Bretts sein wird (wie jede DBU-Politik) versteht sich. Bis deutsche Buddhisten mal so mündig und aufmüpfig werden wie die deutschen Katholiken im Synodalen Weg oder bei Maria 2.0 ist es noch einer langer Weg "den Bach runter" (wie man bei uns sagt). Gestern ist übrigens Bischof Bätzing (Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz) grundsätzlich auf deren Linie eingeschwenkt, nachdem das Papier zur Sexualethik Anfang September in der Bischofskonferenz gescheitert war. Lohnt sich mE, mal nachzulesen, was der zu dem Vorwurf zu sagen hat, solche Reformen folgten nur dem Zeitgeist: "Ist das überhaupt noch Liberalität, Diversität, Pluralität, der wir uns annähern müssen als Kirche, oder sind es nicht genau andere Zeichen, die heute für einen Zeitgeist stehen, dem wir gewaltig wehren müssen? Ich nenne autoritäres Verhalten, autokratisches Regieren, Demokratie-Kritik bis hin zur Demokratiefeindlichkeit. Das ist doch scheinbar der Zeitgeist, der heute aufkommt. Und wenn ich so manche Stimme aus Rom höre, dann glaube ich, sie sollten sich um diesen Zeitgeist einmal kümmern." (Quelle dpa) Das wird noch ein Weilchen dauern, bis buddhistische Laien im Westen einmal so aufgeklärt sind wie katholische - aufgeklärt im kant'schen Sinne der Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit. Und selbst da bliebe noch einiges zu wünschen übrig.


    Wie könnte man den Einstieg in ein buddhistisches Pendant zum Synodalen Weg schaffen? Ein sinnvolles Projekt wäre aus meiner Sicht ein Kongress zum schon angesprochenen Thema Upaya und Inkulturation (wobei man schon deutlich machen sollte, um welche speziellen 'Upaya' es da insbesondere geht). Mit Referenten aus verschiedenen Traditionen (und warum nicht auch aus der Sozialwissenschaft und Buddhismuswissenschaft), die ihre Auffassungen insbesondere zu den ethischen Implikationen dieser Doktrin darlegen - mit Podiumsdiskussionen, Workshops usw. Damit ließe sich womöglich etwas anstoßen.

    wie viel noch mal sollte er sich entschuldigen?

    Ein Mal würde schon reichen. Aber da ist nach wie vor nix in Sicht. Alles, was er in der causa Lakar / Rigpa abgelassen hat, war doch nicht mehr als ein achselzuckendes 'shit happens'. Solch einen Skandal einfach wegzulächeln und zu verkünden, sein guter alter Freund, "my very good friend", sei jetzt aber in Ungnade gefallen ("but he’s disgraced"). Weil seine Schüler öffentlich gemacht haben, was er so treibt. Wenigstens behauptet er nicht, er habe davon nichts gewusst (das wäre nachweislich eine Lüge) - aber von einer Entschuldigung ist so etwas meilenwert entfernt. Der Säulenheilige der Morgenlandfahrer meint, so etwas nicht nötig zu haben. Die haben in Dharamsala den Schuss noch nicht gehört.


    Ricard kann sich das nicht leisten, aber ich nehme ihm seine Reue durchaus ab. Wenn ich seine Entschuldigung lese, dann sage ich mir: okay, er sieht ein, dass er seiner Verantwortung nicht gerecht geworden ist - der Verantwortung, die ein Bodhisattva mit den praṇidhāna übernimmt. Das respektiere ich. Allerdings scheint mir diese Anmerkung von Leonie (Zitierfunktion klemmt mal wieder)

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    Damit ist die Sache für ihn ja erledigt.

    durchaus berechtigt, insbesondere wenn ich seinen abstrusen Vorschlag "Die Union Bouddhiste de France oder eine andere Einrichtung sollte diese Verantwortung übernehmen" lese. Mir blieb da erst mal die Spucke weg, im Nachhinein finde ichs lustig. Wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, ob der Grund meiner Amüsiertheit schlitzohrige Chuzpe oder naive Weltfremdheit ist.


    Zunächst einmal muss ich Hogendoorns Einschätzung (wenn auch nur in diesem Punkt) zustimmen: "As the Dalai Lama’s epigone, Ricard’s first instinct is to always pass the buck to someone else." Nach dem Motto: ja, das ist ein ernstes Problem, da solltet ihr euch drum kümmern, macht mal. Da wird schlicht der scharze Peter weitergereicht (so auch meine erste Assoziation).


    Ansonsten ist die Idee, die traditionsübergreifenden buddhistischen Dachverbände wie UBF (oder in Deutschland DBU) zur Reparaturwerkstatt für die Verkehrsunfälle des tibetischen Vajrayana zu machen, schlicht absurd. So etwas womöglich mit Hilfe 'tibetischer' Mehrheiten in den Verbänden durchzusetzen, würde diese spalten und vollends zur Bedeutungslosigkeit verdammen. Glaubt Ricard allen Ernstes, Vertreter anderer buddhistischer Linien würden bei so etwas mitspielen? Da wären die 'Tibeter' schnell unter sich (auch mich hielte nach solch einer Zumutung nichts mehr in der DBU) und der traditionsübergreifende Ansatz wäre gescheitert. Hallo? Theravada- und Mahayana-Buddhisten sollen freundlicherweise die Mitverantwortung (nicht zuletzt die finanzielle) für die Aufarbeitung solcher Skandale - und damit implizit für die Skandale selbst - übernehmen? Geht's noch?


    Was es da in erster Linie braucht, ist kein Reparaturbetrieb, sondern eine offene Diskussion in den Dachverbänden über die Grundlagen traditionsübergreifender Zusammenarbeit. Der entscheidende Punkt dabei ist die Upaya-Doktrin. Was not tut, ist eine eindeutige Klärung und ein möglichst breiter Konsens, welche Mittel (upāya) als 'geschickt' (kauśalya) zur Übermittlung des Buddhadharma anerkannt werden und welche nicht.


    'Geschickt' sind solche Mittel, wenn ihre Anwendung heilsam (kuśala) ist. Die Heilsamkeit von Mitteln und Methoden ist nicht zuletzt abhängig von den kulturellen und sozialen Bedingungen, unter denen die Übermittlung des Dharma stattfindet. Das heisst, es geht um eine zentrale Frage der Inkulturation. Diese Frage muss primär aus der Perspektive westlicher kultureller Normen beantwortet werden und nicht von Leuten, die in einer anderen (z.B. der tibetischen) Kultur sozialisiert wurden. Ob und welche Mittel heilsam sind, ist dabei keine Fage ihrer potentiellen Wirksamkeit in individuellen Fällen. Vielmehr geht es um ihre soziale Akzeptanz - und soziale Akzeptanz war auch von Anbeginn an ein wichtiges Leitmotiv bei der Entstehung des Vinaya.


    Hinsichtlich des hohen Wertes individueller Autonomie in unserer Kultur ist das Konzept 'Guruyoga', das die Aufgabe eben dieser Autonomie verlangt, besonders problematisch. Wenn solch eine totale Abhängigkeitsbeziehung gar noch ihren Ausdruck in physischer Gewalt und / oder sexuellem Verkehr findet, ist die soziale Akzeptanz in unserer Kultur praktisch Null. Und ich finde, das ist gut so.


    Die Antwort auf diese Nichtakzeptanz kann und darf nicht sein, solche Mittel im Geheimen anzuwenden - das führt regelmäßig zu Skandalen, weil das früher oder später publik wird. Vor allem, wenn die angeblich "weit fortgeschrittenen" Mittel - wie zumeist - nur fadenscheinige Tarnung für Geilheit, Machtbesessenheit und Gier des 'Gurus' sind.


    Der Konsens eines solchen Diskurses über die Heilsamkeit von Mitteln unter den Bedingungen der westlichen Kultur kann mE nur darauf hinauslaufen, dass physische Gewalt und insbesondere sexuelle Handlungen zumindest in der westlichen Kultur nicht heilsame / geschickte Mittel der Dharmaübertragung, sondern mangels sozialer Akzeptanz vielmehr geeignet sind, das öffentliche Ansehen des Buddhismus schwer zu schädigen und damit seine Inkulturation zu erschweren. Was mE deutlich schwerer wiegt als (hypothetische) Erfolge solcher 'Schulungsmethoden'.


    Wobei ein solcher Konsens nur dann Sinn macht, wenn eine deutliche Distanzierung von Personen und Organisationen folgt, die sich außerhalb des Konsenses stellen. Einschließlich Ausschluss aus dem Dachverband - so macht man sich ehrlich. Leute, die unheilsame Mittel anwenden, gehören nicht in einen buddhistischen Dachverband. Dann hat man vor der Öffentlichkeit auch ein klares standing (das man auch offensiv vertreten sollte) und kommt nicht in Erklärungsnot, wenn wieder mal mit einem Heiligen die Hormone durchgegangen sind. Dann ist zumindest klar, das so etwas nichts mit Buddhismus, gar mit 'fortgeschrittenen Methoden' zu tun hat, sondern mit mangelnder Selbstdisziplin des Lehrers.


    Ergebnis mag dann vielleicht ein etwas kleinerer Dachverband sein (in dem natürlich auch Platz für tibetische Traditionslinien ist) - dafür einer, der dank einer klaren Position zum Thema Sexualität in Schüler-Lehrer-Beziehungen in der Öffentlichkeit seriöser und sauberer dasteht - und mit ihm auch der Buddhismus, worum es eigentlich geht. Die jetzige 'Lösung' der DBU mit einer freiwilligen ethischen Selbstverpflichtung ihrer Mitglieder schafft eben da keine wirkliche, hinreichende Klarheit. Das soll jetzt kein Tadel an den Initiatoren dieser Selbstverpflichtung sein - auch meine Übungsgemeinschaft hat dankbar die Gelegenheit wahrgenommen, da Stellung zu beziehen. Besser als nichts. Politik ist auch in der DBU die Kunst des Möglichen - und mehr war bislang nicht möglich. Aber jeder Skandal erweitert da den Bereich des Möglichen - das ist das Erfreuliche daran.


    Vielleicht schaffen wir es dann mal so weit wie die Katholiken - da ist außer den kindlichen Opfern zumindest jedem klar, dass das Evangelium nicht mit heruntergelassener Hose gepredigt wird.

    Wenn die Menschen für den TB interessieren, und dann sie würden diesen Film sehen, dann es könnte sie abschrecken, und die ganze geistige Pracht von dieser Tradition würde verloren gehen.

    Was die Leute vom tibetischen Buddhismus abschrecken könnte, das sind vielmehr genau die in der Dokumentation geschilderten Zustände. Und das ist verdammt noch mal auch gut so, und zwar so lange diese Zustände so sind, wie sie sind. Da entpuppt sich die ganze "geistige Pracht" nämlich als billige Talmi-Dekoration eines Puffs.


    Genau deswegen ist es wichtig, diese Zustände öffentlich zu machen, weil sie sich sonst nämlich nicht ändern. Und wenn der Dalai Lama kein lavierender Politiker wäre, sondern ein ernstzunehmender Dharmalehrer, dann würde er sein Renommée bei allen vier tibetischen Hauptlinien nutzen, um offen und aktiv gegen diese Zustände vorzugehen, statt sie zu begünstigen. Es können gar nicht genug Leute von dieser Art 'tibetischem Buddhismus' abgeschreckt werden. Der Laden - und da rede ich von den Institutionen - ist genauso moralisch korrupt und verkommen wie die katholische Kirche. Es haben das bloß bislang erschreckend wenige Buddhisten gemerkt.


    Aber hey - nix für ungut. Ich versuche nur behilflich zu sein bei der Aufgabe, einen Lehrer wirklich gründlich zu prüfen, bevor man ihm blind vertrauen kann. Soll ja angeblich bei den 'Tibetern' so Brauch sein, weswegen da auch so selten was schief geht. Wobei ich persönlich blindes Vertrauen selbst nach gründlicher Prüfung immer noch für keine gute Idee halte; in meiner Tradition zieht man es vor, auf Nummer sicher zu gehen und die Buddhas, denen man gelegentlich begegnet, zu erschlagen. Was auch nicht jeder auf die Reihe kriegt, wie ich gerne zugebe. Muss ja auch nicht sein, aber wenigstens genau hinschauen sollte man dann schon. Sonst landet man womöglich noch bei dem Bodhisattva-Job, einem alten Fettsack mit Hämorrhoiden den Arsch abzuwischen. Vorausgesetzt, man sieht attraktiv genug aus, um sich als Dakini zu qualifizieren. Nur mal als Beispiel für die unappetitlichen Details in Sogyals Harem, die der Film verschwiegen hat, die aber u.a. aus den Aussagen der auch im Film interviewten Ex-Dakini 'Mimi' bekannt sind. Und das alles hat Seine Heiligkeit jahrelang 'übersehen', so wie Du jetzt die Begünstigung dieses Schweinestalls durch den Dalai Lama übersehen willst. Bitte, tu Dir keinen Zwang an. Ich habe fertig.

    Das Gesetz fordert Strafe zu Recht Strafe

    Um dieses kryptische Gefasel zu erläutern: Das Gesetz der Tora fordert hier die Todesstrafe; dieses Gesetz stellt der Rabbi Jeschua - entgegen der Erwartung seiner pharisäischen Gegner - nicht in Frage. Die Ankläger (nicht "das Gesetz") fordern also zu Recht (d.h. begründet auf das Gesetz der Tora) Strafe. Was der Rabbi in Fage stellt, ist das moralische Recht, die vom Gesetz vorgeschriebene Strafe zu vollziehen. Was letztlich auf die Forderung hinausläuft, der Vollstrecker des Gesetzes müsse nach dem Gesetz der Tora völlig tadelsfrei sein. Nur die persönliche Tadellosigkeit qualifiziert zur Vollstreckung des Gesetzes. Wobei diese Tadellosigkeit ein generelle sein muss, nicht nur in Hinsicht auf den speziellen zu bestrafenden Gesetzesverstoß.


    Nun kann man sicher darüber diskutieren, ob solch eine Forderung realistisch ist - anders gesagt, ob ein Sozialwesen ohne Sanktionierung devianten Verhaltens (deviant in Bezug auf die aktuell dominanten kulturellen Normen) überhaupt lebensfähig ist. Ich denke, das würde zum völligen gewaltsamen Zusammenbruch jeder staatlich-politischen Ordnung führen. Politisch ist die Auffassung des Rabbi schlicht absurd, lebens- und weltfremd. Weswegen die selbsternannten Nachlassverwalter des Rabbi - soweit sie nicht selbst betroffen waren - sein zentrales Konzept der 'Vergebung' auch nie ernsthaft auf den Bereich der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Strafvollstreckung angewandt sehen wollten.


    Aber wie gesagt - es geht hier überhaupt nicht um Strafe. Es geht um eine moralische, nicht um eine strafrechtliche Bewertung des Verhaltens des DL. Angesichts des Umfangs der jahrzehntelangen publikumswirksamen, offenen Förderung von Lakar und seiner millionenschweren Organisation (es fällt schwer, da nicht von Reklame zu reden) bei Kenntnis der problematischen Aspekte seiner Persönlichkeit wirft das Fragen nach moralischer Mitverantwortung auf. So lange diese Fragen vom DL ignoriert werden stellt sich auch unweigerlich die Frage nach der moralischen Integrität von 'His Holyness', dem angeblichen Nirmāṇakāya Avalokiteśvaras. Dass Lakar überhaupt in der Position war, in diesem Umfang Schaden anzurichten - Schaden an vertrauensvollen Menschen, aber auch am Ansehen des Buddhadharma (und nicht nur der tibetischen Variante davon) - verdankte er nicht zuletzt der aktiven Unterstützung des DL.

    Igor07 : wenn Du schon auf die Bibel verweist, dann richtig. Der Rabbi stellt sich da gegen die vom Gesetz geforderte Todesstrafe - hat die etwa jemand für den Dalai Lama gefordert? Oder überhaupt eine Strafe? Habe ich nicht mitgekriegt.


    Gilt Dein Plädoyer fürs Wegschauen eigentlich nur für die Prominenz oder auch für die schweren Jungs? Lakar ist ja aus dem Schneider, der hat sich via Thailand in den Pretaloka verpisst. Soll ich Dich so verstehen, dass etwa der 'tantrische' Kinderschänder Robert Spatz auch nicht vor Gericht gehört? Schwamm drüber, vergeben und vergessen, alles halb so wild, wird schon seine Ordnung haben?


    Jedenfalls - der Rabbi leugnet den Gesetzesverstoß nicht, sonst würde er die auf frischer Tat ertappte Frau nicht auffordern, das in Zukunft zu unterlassen. Das Gesetz fordert Strafe zu Recht Strafe - der Rabbi ruft lediglich zum Verzicht auf deren Vollstreckung auf und appelliert an das Mitgefühl der Ankläger.


    Und das ist etwas anderes, als Fehlverhalten schlicht zu ignorieren. Niemand fordert hier Strafe für den DL - nur das Anerkenntnis, dass Fehler gemacht wurden, unter denen Menschen leiden mussten - und ehrliches Bemühen, zukünftig "nicht mehr zu sündigen". Für mich ist das eine simple Sache menschlichen Anstands. "Sogyal Rinpoche, my very good friend, but he’s disgraced" ist da doch ein bißchen wenig.

    Aber jetzt ist alles schlimm und DL ist im allem Schuld, der Sündenbock für alles, also "et excellence".

    Sorry, aber das ist doch Blödsinn; niemand gibt ihm "für alles" die Schuld und nüchtern betrachtet kann man ihm allenfalls indirekte Beihilfe und unterlassene Hilfeleistung vorwerfen. Es geht auch nicht um Schuld, sondern um Verantwortung. Und das - ich betone das ausdrücklich - nicht im juristischen, sondern im moralischen Sinn. Durch seine demonstrative Unterstützung und Förderung insbesondere von Lakar - wider besseres Wissen - trägt er für dessen Missbrauch seines Status auch eine Mitverantwortung. Dass er dies nicht sieht oder sehen will macht es nicht besser.


    Ich weiss nicht, ob so etwas nach tibetischen kulturellen Standards in Ordnung ist und es ist mir auch egal. Ich frage mich lediglich, ob so etwas als Handeln eines Bodhisattva durchgeht. Ich sage mal: als vorbildlich kann ich das in dieser Hinsicht nicht sehen. Und ich denke nicht, dass das durch meine oder seine kulturelle Prägung bedingt ist. Gewogen und zu leicht befunden.


    Leonie : auch mir hat die Doku ein tieferes Verständnis für Batchelors 'Projekt' eröffnet. Dass das immer wieder bei Bedarf aufgetischte hochgelobte 'Ergebnisprotokoll' der Gespräche in Dharamsala 1993 ausgerechnet vom DL nicht mitunterzeichnet wurde (was der eigentliche Sinn der Gespräche war), war mir schon aufgefallen, als ich den Wisch vor etlichen Jahren das erste Mal gelesen habe. Dazu die Anmerkung: wenn hier schon über den 'Papiertiger' DBU gemault wird, der wenigstens mit einer (allerdings leider nur freiwilligen) ethischen Selbstverpflichtung seiner Mitgliedsgemeinschaften auf die Skandale reagiert hat, sollte man vielleicht auch mal einen Blick auf den Papiertiger DL und dessen Reaktion riskieren. Vielleicht sogar auf den Papiertiger 'tibetischer Buddhismus'. Dass der in der Doku vor allem als Geschäftsmodell charakterisiert wird, mag etwas zu reduktionisch sein, ist aber ein Aspekt, auf den man ein Auge haben sollte, um das ganze Bild zu sehen.

    Kirchenhatz gegen die Katholischen Kirche

    Wo Du es sagst - die gehen in der Tat anders mit so etwas um. Zum Morgencappucino habe ich mir heute die Ergebnisse der gestrigen Pressekonferenz von Bischof Franz-Josef Bode angesehen.

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    (Quelle NDR)

    Auf einer Pressekonferenz hat Franz-Josef Bode am Donnerstag Stellung bezogen und persönliche Verantwortung eingeräumt. Der Zwischenbericht der Studie von der Universität Osnabrück zeige "erhebliche Defizite und schwerwiegende Fehler" auf, "die zum großen Teil in meiner Amtszeit gemacht worden sind. Dafür trage ich die Verantwortung. Ich selbst habe in einigen Fällen fahrlässig gehandelt", sagte der katholische Geistliche. "Es geschah niemals in der Absicht, vorsätzlich zu vertuschen und das Recht zu beugen. Ich bitte alle, denen aufgrund meiner Fehler und Versäumnisse noch größeres Leid geschehen ist, als sie bereits zuvor erlebt haben, um Vergebung."

    So macht man das.

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    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werfen Bode sowie seinen Vorgängern Helmut Hermann Wittler (1957 bis 1987) und Ludwig Averkamp (1987 bis 1994) vor, nach Taten des sexuellen Missbrauchs mehrfach nicht entschieden genug gehandelt zu haben. In der Studie wurden Taten von 15 beschuldigten Priestern und einem Diakon untersucht. Die verantwortlichen Bischöfe, auch Bode, hätten gefährliche Priester im Amt gelassen oder in eine andere Gemeinde versetzt, hatte der Rechtswissenschaftler Hans Schulte-Nölke bei der Vorstellung des Berichts gesagt. Das Bistum, das Bode seit 1995 leitet, habe dadurch Kinder und Jugendliche in Gefahr gebracht, weiteren sexuellen Übergriffen ausgesetzt zu werden. "Die Bischöfe trifft bei der Entscheidung über den weiteren Einsatz Beschuldigter eine individuelle Verantwortung", so Schulte-Nölke. Zudem seien die von den Straftaten Betroffenen bürokratisch und abweisend behandelt worden.

    Wobei - deswegen seinen Rücktritt anbieten will der 71-jährige Bischof von Osnabrück natürlich nicht. Mit dem Argument, das würde die Aufklärung der Vorwürfe verzögern ... In Sachen PR kann Dharamsala da noch viel lernen, so eine Entschuldigung tut nicht weh.

    Ich erinnere mich noch sehr gut an die gemeinsamen PR-Fotos von DL und Herrn Lakar, mit denen auf Rigpa-Webseiten geworben wurde und von denen im Rigpa-Internetshop Abzüge für die Fans verkauft wurden. Sollte wohl die Unbedenklichkeit dieses speziellen Dienstleistungsangebotes signalisieren:


    Seine Heiligkeit der Dalai Lama mit Sogyal Rinpoche Foto 3 GrößenSogyal Rinpoche (right), the Dalai Lama (left) and France’s then first lady Carla Bruni Sarkozy attend the inauguration of Lerab Ling, in southern France, on August 22, 2008. Picture: AFP


    Gerne auch mit Ricard:

    https://vajratool.files.wordpress.com/2012/08/dalai-lama-sogyal-matthieu-ricard.jpg


    Ich will hier nicht darüber spekulieren, seit wann der DL über den sybaritischen Lebensstil des Herrn Lakar Bescheid wusste - als er 2018 in Rotterdam mit den Vorwürfen gegen Lakar konfrontiert wurde, sagte er jedenfalls bezeichnenderweise (und völlig zutreffend), das sei "nothing new". Sei es wie es will - angesichts der langjährigen und zumindest für Herrn Lakar profitablen PR-Zusammenarbeit war das, was in dieser Angelegenheit vom DL kam, deutlich zu spät - und vor allem deutlich zu wenig. Seine Popularität hatte Lakar nicht zuletzt aufgrund solch großmütiger Unterstützung. Da hätte ich vom DL eine Entschuldigung für die Opfer erwartet (oder doch zumindest etwas Selbstkritik), statt dass er so tut, als ginge ihn das alles nichts an.

    Zunächst mal: natürlich wäre der shitstorm hier noch größer, wenn die DBU geschwiegen hätte. Außerdem ist so etwas der Job der DBU bzw. ihres ausführenden Organs, des Rates. Den in ihr vertretenen deutschen Buddhisten eine Stimme zu geben - weil solch eine Stimme im öffentlichen Diskurs über diese Fernsehdokumentation ein deutlich anderes Gewicht hat als die vereinzelten Äußerungen individueller Buddhisten oder Buddhismuskritiker. Angesichts der Öffentlichkeitswirksamkeit der Dokumentation ist da eine klare, möglichst repräsentative Aussage zur Haltung von Buddhisten gegenüber Missbrauch (insbesonderen sexuellem) durch als 'buddhistisch' firmierende Lehrer, insbesondere prominente, mehr als wünschenswert.


    Eine solche, möglichst repräsentative Aussage zu formulieren, ist gewiss keine einfache Aufgabe - wobei ich aus eigener Erfahrung weiss, wovon ich da rede. Vorrangig sollte da gewiss neben Ausdruck des Mitgefühls für die Opfer auch das Bemühen sein, den Buddhadharma gegen Verleumdungen in der Öffentlichkeit in Schutz zu nehmen. Wenn sich dann die wirklichen Verleumder in den eigenen Reihen finden, dann muss das auch deutlich gemacht werden: durch offene Kritik des Fehlverhaltens und Klarstellung, dass dies nicht nur Missbrauch von Personen sondern auch Missbrauch des Buddhadharma ist. Mit anderen Worten: eine klare Distanzierung einerseits, Empfehlung von Maßnahmen, die geeignet sind, solche "Betriebsunfälle" zumindest zu erschweren, andererseits.


    Das Problem liegt - wie in jedem demokratisch organisierten Verband - im 'Repräsentativen'. Dem ist sicher das hier (zu Recht, wie ich finde) kritisierte whitewashing insbesondere des Dalai Lama zuzuschreiben. Die Kritik an ihm und Ricard in der Doku mag überzogen sein - mE hätte in der Stellungnahme ein Hinweis darauf genügt, dass deren Rolle und ihre Darstellung in der Doku kontrovers diskutiert wird, was zweifellos besser ist, als sie totzuschweigen. Dass es Netzwerke des Schweigens und Vertuschens auch in der 'buddhistischen Kirche' gibt, ist ein offenes Geheimnis - wie weit / hoch diese Netzwerke reichen, darüber muss offen gesprochen werden. Einen vorsorglich ausgestellten Persilschein halte ich persönlich für kontraproduktiv. Ansonsten finde ich die Stellungnahme in Ordnung. D.h. hinreichend repräsentativ für mich als DBU-Mitglied.