Beiträge von Mabli im Thema „Abgespaltene / verleugnete / verdrängte Gefühle“

    Um das Thema hier mal wieder aufzugreifen. Ich bin kürzlich über einen Vortrag von Tsoknyi Rinpoche über gestoßen. Er spricht über eine Praxis des Umgangs mit schwierigen Gefühlen, die er beautiful monster nennt. Diese Praxis nennt er handshake praxis, weil es um eine Wiederherstellung des Kontakts zwischen dem kognitiven Geist und den Emotionen geht. Die Praxis ist eine Weiterentwicklung der traditionellen Praxis, die viel stärker auf die kognitive Erkenntnis ausgerichtet sei. Tsoknyi Rinpoche eklärt diese Weiterentwicklung damit, das die Welt komplexer geworden sei und auch die Welt des Gefühle komplexer geworden sei. In modernen Gesellschaften sei die Verbindungen von kognitivem Geist und der Welt der Gefühle dadurch sehr prekär geworden und man könne nicht mehr davon ausgehen, dass die Gefühle von einer kognitiven Erkenntnis ohne weiteres erreicht und mitgezogen werden.


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    SteFo Danke dir für die Erklärung. Dadurch wurde mir viel deutlicher was du mit diesem Vergleich meinst.


    Als Nachtrag wie mein sehr knapper Hinweis an Gurkenhut zu versehen ist und auch als weiteres Indiz der Verwandtschaft von buddhistischen und psychotherapeutischen Methoden:

    Wenn wir von psychotherapeutischen Methoden sprechen, gibt es natürlich neben der Verhaltenstherapie eine ganze Reihe weiterer Methoden. Und die Verhaltenstherapie wurde auch weiter entwickelt und es gibt vielfach integrative Bemühungen, die versuchen verschiedene Methoden anlassbezogen einzusetzen. So hat die Verhaltenstherapie in der Mindfulness Based Cognitive Therapy (MBCT) Achtsamkeit als Element integriert und so gewissermaßen auch profanisiert, also aus dem religiösen Kontext heraus gelöst.

    Dann gibt es natürlich den klassischen Schulenstreit in der Psychotherapie zwischen den verhaltenspsychologischen und psychodynamischen (tiefenpsychologischen) Ansätzen. Und von psychodynamischer Warte würde natürlich die Kritik kommen, dass es bei manchen Problemen nicht reicht nur an möglicherweise inadäquaten Gedanken zu arbeiten, sondern eine tiefgreifendere Arbeit an Beziehungsmustern und ein aneignendes Verstehen der eigenen biographischen Gewordenheit notwendig sein kann, um eine bestmögliche Heilung zu erreichen.

    Neben den Verfahren, die in Deutschland von der Krankenkasse zugelassen sind, gibt es noch etliche weitere wie z.B. Systemische Therapie, Gestalttherapie, Körperpsychotherapie, Hypnotherapie, Traumatherapie, Ego-State-Therapie, usw... .Ganz interessant ist vielleicht auch noch, dass sich bestimmte Richtungen wie die Logotherapie, initiatische Therapie oder die transpersonale Therapie auch mit spirituellen Fragen und Erfahrungen befassen.

    Ich habe mich dazu auch mal gefragt, ob die Dinge nicht von sich aus, vom Unterbewusstsein an die Oberfläche kommen, früher oder später...

    In der Regel ist das ja wahrscheinlich auch eine vernünftige Haltung. Die Dinge werden dann bewusst, wenn es an der Zeit ist. Es kann ja aber auch sein, dass sich da im Unbewussten ein paar Sachen verknotet haben - aufgrund welcher Umstände auch immer - und das zu mehr Leiden führt und man mit zuwarten und geschehen lassen alleine nicht weiter kommt. Dann könnten unter Umständen auch aktivierende Interventionen hilfreich sein. Das ist jedenfalls meine Erfahrung.

    In der Psychotherapie spricht man da von kognitiver Verhaltenstherapie: das Denken bestimmter Gedanken ("Merksätze") zum Zwecke der konditionierten Gewöhnung daran, so zu denken, und zum Zwecke der entsprechenden Modifikation der nicht-begrifflichen Kognition.

    Ich persönlich reagiere ja auf die behaviouristische Psychologie allergisch (vielleicht auch eine Form der Konditionierung), insbesondere wenn alles auf Konditionierung reduziert wird. :shrug: Ich denke dann immer, da hängt doch so viel mehr dran.

    Gurkenhut


    Danke dir für deine Antwort. Ich bin kürzlich erst in einem Meditationskurs mit Tonglen in Berührung gekommen und es fühlte sich für mich hilfreich und stimmig an. Jetzt habe ich ein kleines Buch von Pema Chödrön dazu gelesen, in dem die Praxis gut erklärt wird. Aber das ganze Drumherum sind für mich noch böhmische Dörfer. Z.B. tauchen die Begriffe Lamrim und Lojong in dem Kontext immer wieder auf. Ich bin ja jemand, der den Dingen auf de Grund gehen und genau verstehen möchte. Das kann eine positive Eigenschaft sein - kann aber auch was von Kontrolle haben. Vielleicht ist es ja auch gar nicht nötig immer alles ganz genau zu verstehen und zu wissen, um in der Praxis weiter zu kommen. Im Zuge meiner Beschäftigung damit habe ich jedenfalls festgestellt, dass es im tibetischen Buddhismus eine Menge Gruppen gibt, die sich gegenseitig vorwerfen Sekten zu sein oder sektiererische Praktiken zu verfolgen. Das macht es nicht unbedingt einfacher da einen guten Einstieg in das Thema zu finden.


    Der Lehrer von Pema Chödrön, Chögyam Trungpa Rinpoche, scheint ja auch eine schillernde Persönlichkeit zu sein. ich habe mir die Dokumentation Crazy Wisdom über ihn angeschaut und fand das sehr spannend. Er ist ja aber anscheinend auch sehr umstritten, wenn ich das richtig verstanden habe.


    Und auf ein interessantes Buch von einer Schülerin von Pema Chödrön bin ich in dem Zusammenhang noch gestoßen. Linda B. Jones: Das kleine Handbuch der Trauma-Bewältigung. Das habe ich mir heute bestellt. Hier der Klappentext:

    Zitat


    Traumata können uns zeitlebens gefangenhalten - es sei denn, wir finden einen Weg, uns Stück um Stück von ihnen zu befreien. Wie aber sät man die Saat unserer inneren Stärke, die es hierfür braucht? Das kleine Handbuch der Trauma-Bewältigung bietet Antworten.


    "Meine Freundin und Schülerin Linda B. Jones hat ein Buch geschrieben, das ich sehr empfehlen kann. Hier geht es nicht um eine Licht-und-Liebe-Praxis für Leute, die schon alles auf die Reihe gebracht haben. Das Buch handelt von den haarigen, schwer zu verkraftenden Herausforderungen und Anfechtungen, mit denen wir es im wirklichen Leben zu tun haben." (Pema Chödrön)


    Sanft, mitfühlend und aufrichtig führt uns Linda B. Jones in ihrem Handbuch der Trauma-Bewältigung auf den Weg - mithilfe der jahrhundealten Lojong-Losungen und der Tonglen-Praxis. Traumata können sich auflösen, wenn wir der Kettenreaktion jenes Leidens auf die Spur kommen, welches daraus entsteht, daß wir immer und immer wieder unseren Abhängigkeiten nachgeben. Zuerst allerdings müssen wir zur Wurzel der Abhängigkeit vordringen. Über die Tonglen-Praxis und das Entwickeln von Mitgefühl mit sich selbst hinaus kann dieser Prozeß einiges an psychologischer Arbeit beinhalten. Doch zum Glück gibt es die kleinen, freundlichen Begleiter, die einem den Weg auf dieser langen Reise weisen. Ein solcher freundlicher Begleiter für schwere Zeiten ist zweifelsohne Das kleine Handbuch der Trauma-Bewältigung, das in äußerst kompakter Form klare Orientierungen bietet - zeitgemäß und lösungsorientiert. Übersetzt von Stephan Schuhmacher.

    Deine Frage soll wohl bedeuten: "was muss passieren, dass ein nicht-buddhistischer Mensch sich entscheidet den achtfachen Pfad zu gehen und also den entsprechenden Lehrern zu folgen?"

    Mir ging es bei der Frage nach der Sichtweise der buddhistischen Psychologie und auch bei der Frage nach dem notwendigen Prozess nicht um eine Doktrin, sondern um die Erfahrung also eher die praktische Anwendung. Den Text, den Du zitiert hast habe ich da tatsächlich auch nicht als eine Gegenübersetzung von In- und outgroup gelesen, als Buddhisten und Nicht-Buddhisten, sondern als eine Beschreibung von zwei Zeitpunkten einer Entwicklung.

    Leonie & xiaojinlong Danke Euch für die Erinnerung, dass man solche Probleme in der Regel nicht im Alleingang lösen kann oder sollte. Das stimmt natürlich. Das kann wie Igor07 ja auch schreibt nach hinten losgehen, wenn man da mit der Brechstange heran geht. Ich habe auch schon Therapien gemacht und werde das auch für die Zukunft nicht ausschließen, dass ich mir Hilfe von einem Therapeuten suche. Momentan versuche ich ergänzend zu therapeutischen Ansätzen einen anderen / ergänzenden Zugang zu dem Thema zu finden.


    Ich habe jetzt durch ein wenig lesen heraus gefunden, dass die Tonglen Praxis im tibetischen Buddhismus eingebettet ist in eine umfangreiche Geistesschulung. Weiß jemand von Euch vielleicht mehr dazu? Das würde mich sehr interessieren dazu mehr zu erfahren.


    SteFo Das ist aber vom Ende her betrachtet, oder? Ich bin mit ziemlicher Sicherheit ein nicht unterrichteter Weltling. ^^ Die spannende Frage ist ja dann: Was muss der Weltling für einen Prozess durchleben, um zu der Erkenntnis zu kommen, in deren Besitz der wohlunterrichte edle Schüler ist?

    Ich habe mal versucht meine Erfahrung in einem Gedicht auszudrücken. Das Gedicht ist unter dem Eindruck der Lektüre eines psychoanalytischen Buchs entstanden, was man ihm vermutlich etwas anmerken kann. (:


    Der Glanz im Auge der Anderen

    ist mir wie die Luft zum Atmen

    so muss ich ersticken

    an Wut, Neid und Groll


    und blicke angstvoll

    in die matten Augen

    und verliere mich


    Verborgen hinter falschen Schein

    muss doch ein leises Sehnen

    ein Wunsch nach Nähe sein

    unter einem Meer von Tränen

    Noreply


    Danke dir für das Bild mit der Gefühlsspielwiese. Das finde ich sehr schön.

    Diese Gefühle können nicht integriert werden. Warum? Sie sind es schon, sonst würden sie dir nicht auffallen.

    Mir fällt da eher eine Abwesenheit von etwas auf - wenn du willst - ein schwarzes Loch. Das heißt ja nicht, dass sie nicht da sind, aber sie sind anscheinend vom Rest des Bewusstseins getrennt.

    Hi Igor07 ,


    danke für deine Antwort! Du sprichst ganz wichtige Sachen an. Die abgespaltenen Gefühle müssen irgendwie integriert werden. Das habe ich auch verstanden. Wie genau das dann abläuft, da habe ich keine Ahnung. Es geht wahrscheinlich nicht mit der Brechstange, sondern in einem langen und mühsamen Prozess, wie Du schreibst. Ich bin auch bei einer Meditations-Lehrerin , die auch psychotherapeutisch arbeitet, in einer Gruppe angebunden. Alleine würde ich das nicht angehen. Das hätte ich vielleicht dazu schreiben sollen. Man braucht sehr wahrscheinlich auch eine gewisse Stabilität, damit man diese Gefühle (oder Persönlichkeitsanteile) zulassen und annehmen kann, sonst kann das sicher auch nach hinten losgehen. In der Praxis versuche ich immer vor Tonglen und danach zu sitzen und mich zu sammeln und so auch einen guten Rahmen zu schaffen. Ich merke schon, dass das eine sehr kraftvolle Übung sein kann. Ich könnte mir gut vorstellen, dass dabei Blockaden langsam abschmelzen können - eventuell auch verbunden mit einer tiefen Atmung. Ich habe mal einen Film über Stan Grof gesehen, der das holotrope Atmen entwickelt hat. Da kam auch Jack Kornfield zu Wort. Das finde ich auch unglaublich spannend. Aber auch hier gilt natürlich, dass das in jedem Fall mit erfahrenen Therapeuten gemacht werden sollte.


    Danke auch für den Buchtipp. Das klingt super spannend!


    Hi Gurkenhut,


    ja, meine Probleme nur durch das Denken lösen zu wollen, das habe ich auch lange versucht. Aber ich habe gemerkt, wenn das Herz nicht berührt wird, dann bleiben die Probleme auch mehr oder weniger unberührt. Danke dir für deine Mitteilung!

    Hallo zusammen,


    ich bin neu hier im Forum und mich beschäftigt gerade eine Frage zum Umgang mit Gefühlen. Ich praktiziere noch nicht so lange regelmäßig Meditation und bin auch für Buddhismus kein Experte. In dem Buch Das weise Herz spricht Jack Kornfield von seiner eigenen Lebensgeschichte und den traumatischen Erfahrungen in seiner Kindheit. Er habe sich damals auf eine Beobachterposition zurück gezogen und seine Gefühle abgespalten. Das ist natürlich etwas anderes als gegenüber seinen Gefühlen eine wohlwollende und achtsame Haltung einzunehmen. Wahrscheinlich konnte er seine Gefühle zu dem damaligen Zeitpunkt nicht verarbeiten und seine Psyche hat deswegen zu diesem Abwehrmechanismus gegriffen.

    Ich frage mich jetzt, wie ich in der Meditationspraxis mit solchen abgespaltenen oder verleugneten Gefühlen gut umgehen kann. Bisher habe ich vor allem Sitzen in der Stille praktiziert oder meine Aufmerksamkeit gezielt auf körperliche Empfindungen gerichtet. Seit kurzem praktiziere ich auch Tonglen Meditation nach Pema Chödrön, was ich sehr hilfreich finde. Dabei komme ich durchaus auch mit schwierigen Gefühlen in Kontakt. Aber ich habe das Gefühl, dass ich zu bestimmten Gefühlen wie z.B. Traurigkeit keinen Zugang habe.


    Gibt es in der buddhistischen Psychologie eine Entsprechung zu der (psychoanalytischen) Vorstellung von solchen abgespaltenen Gefühlen und wie wird das dort erklärt. Ich habe in Vorträgen von Thich Nhat Hanh mal ein bißchen über das Speicherbewusstsein gehört. Dort liegen mentale Formationen als Samen und können sich manifestieren, wenn sie gewässert werden. Das geht ja ein bißchen in eine solche Richtung. Dann wären abgespaltene Gefühle vielleicht Samen die im Speicherbewusstsein wuchern, ohne manifest werden zu können!? Ich freue mich, wenn ihr eigene Erfahrungen, Ideen, Fragen oder Anmerkungen zu dem Thema mit mir hier teilen möchtet.


    Viele Grüße

    Mabli