Beiträge von xiaojinlong im Thema „Buddhismus im Alltag - Eure Erfahrungen“

    Das Konzept der Leerheit habe ich, um ehrlich zu sein, noch nicht vollständig begriffen.

    Leerheit bedeutet erst einmal, dass nichts aus sich selbst heraus besteht. Wir bestehen aus verschiedenen Körperteilen und sind abhängig von vielen Dingen. Alleine können wir nicht überleben. Wir brauchen andere Menschen, Tiere, Pflanzen. Wie wir auf die Welt schauen ist abhängig davon, wie unser Körper funktioniert, aber auch von unserer Umgebung und Umwelt. All diese Komponenten unterliegen einem stetigen Wandel. Auch, wenn wir denken, dass ein Selbst haben, welches kontinuierlich fortbesteht und sich nicht verändert ist dem in Wahrheit nicht so.


    Eine Folge dieser Leerheit ist, dass eben auch unser Blick auf die Welt abhängig von den unendlich vielen Dingen ist. Wenn ich zweimal in dieselbe Situation gehe, einmal gut gelaunt und einmal hungrig, dann kann ich diese Situation ganz unterschiedlich wahrnehmen. Bin ich gut gelaunt, stören mich Kleinigkeiten vielleicht gar nicht so, und ich sehe alles positiv - selbst wenn es gar nicht so gut läuft. Bin ich durch den kleinen Hunger schon gereizt, bin ich vielleicht schneller genervt und neige dazu, alles negativ zu sehen - selbst wenn es gar nicht so schlecht läuft. Und so geht es nicht nur mir, sondern allen Menschen.

    Dass ich in meinem Beruf umgeben bin von Leuten, die von Macht, Gier und Eitelkeiten befallen sind, macht es mir unheimlich schwer in dieser Umwelt im buddhistischen Sinne zu interagieren.

    Sieh es als Übungsfeld an, um dich angemessen zu verhalten. Auch, wenn mal jemand einen Fehler macht, Macht, Gier oder der Eitelkeit verfällt, sollte man sich nicht über diese Person stellen. Alles was man tun kann, ist selbst versuchen möglichst angemessen zu handeln.

    Würde ich alle Fragen, die mir gestellt werden wahrheitsgemäß beantworten, würde ich meiner Ansicht nach nach kurzer Zeit nur noch Meetings mit dem Personalchef und dem Vorstand haben, wenn Du weißt, was ich meine

    Wahrheit ist gerade in sozialen Dingen schwer festzumachen. Ein und dieselbe Aussage kann ganz unterschiedlich verstanden werden. Wie Hendrik schon sagte, ist rechte Rede vorallem heilsame und damit angemesse Rede. Was das genau ist, hängt ganz von der Situation und den beteiligten Personen ab. Sich dann eine Absolute Regel für alle Situationen vorzusetzen ("immer die Wahrheit sagen") wird der Vielfalt der Menschen und Situationen nicht gerecht.


    Ich will eben vermeiden, dass er sich Sorgen macht, wo er doch schon genug Sorgen hat.

    Deinem Vater nicht zu sagen wie es dir geht, mag aus deinem Blickwinkel vielleicht eine Wohlwollende Lüge sein. Aus der Sicht deines Vaters, ist es aber vielleicht so, dass er sich dann erst recht Sorgen macht, weil er merkt, es stimmt etwas nicht. Bei Kollegen wiederum kann "ne alles gut" eher passend sein, weil Kollegen unter Umständen nicht die richtigen Ansprechpartner für gewisse Themen sind.


    Ich finde es schwer, mein Leben komplett auf den Buddhismus auszurichten, obwohl ich dies natürlich jeden Tag aufs Neue versuche.

    Jeden Tag, jeden Moment auf's Neue, das ist der einzige Weg den ich kenne. Ich versuche immer wieder mein Handeln zu reflektieren. Beobachte, wo ich anderen gegenüber vielleicht voreingenommen bin oder wo ich mich unangemessen / unheilsam verhalten habe. Und ganz wichtig für mich ist die Zazen Praxis. Durch das Erkennen der Leerheit der Dinge bietet sich ein anderer Blick auf die Dinge. Alles was ich wahrnehme ist nur ein Blickwinkel auf die Welt. Was ich für richtig halte, hält jemand anders für falsch - und umgekehrt. Es geht damit dann weniger darum, ob ich z.B. jetzt eine Lüge aufdecke, sondern um die Menschen - inkl mir - die in dieser Situation gerade sind. Wie wirkt sich mein Handeln auf sie aus? Wie würde es mir an der Stelle der anderen gehen? Darauf versuche ich immer wieder zurückzukommen um eine Handlungsgrundlage zu schaffen.