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Beiträge von Thorsten Hallscheidt im Thema „Kann man Lehrer und Lehre trennen?“
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Wenn "die Lehre" das Konstrukt von Menschen ist
Die Lehre ist eine aus Erfahrungen mit der Wirklichkeit gewonnene Methode. Auch wenn die Wirklichkeit "zusammengesetzt" ist, sind weder Erfahrungen noch Wirklichkeit Konstrukte im Sinne von Theorien. Die Lehre wird dann zum Konstrukt, wenn sie ohne Erfahrungen mit der Wirklichkeit theoretisch und leer bleibt und so missverständlich wird.
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Von daher muß ein buddhistischer Lehrer erstmal nicht, in allen Belangen der Welt drin sein. Es reicht wenn er buddhistische Tugenden wie Gewaltlosigkeit, Geduld und Entsagung lebt.
Ich denke schon, dass ein buddhistischer Lehrer die Belange der Welt und seiner Zeit kennen sollte (zumindest der inneren Welt). Wir werden ja alle mit den gleichen physiologischen und psychischen Bedingungen geboren, mit den gleichen Grundkonstanten. Hätte Siddhartha den Weg gefunden, hätte er nicht zuvor als Sohn eines reichen Dorfvorstehers allen verfügbaren Prunk und Luxus seiner Zeit erleben und dessen Verlust fürchten dürfen? Hätte Milarepa den Weg gefunden, wäre er zuvor nicht Schwarzmagier, Künstler und Gewalttäter gewesen? Nicht, dass solche Biografien eine Grundbedingung wären, um den Weg zu beschreiten, aber ein tiefer Blick in den eigenen Abgrund und die eigenen Begierden sind unverzichtbar, denke ich. Und wie sollten solche Blicke möglich sein, wenn die Sinne hinter Klostermauern geschützt sind?
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Und das ist beim Gesang der Vögel anders - die Vögel wollen nur singen und sich bemerkbar machen in ihrem Revier. Von mir wollen sie nichts.
Im besten Falle ist das in der Kunst ebenso. Ich habe – ohne es zu merken – immer wieder in der Kunst den Fehler gemacht, jemandem (einem abstrakten Kritiker oder "den Leuten") etwas sagen zu wollen – was auch bedeutet, auszuwählen, was schicklich, provozierend, beeindruckend oder opportun ist. Ich weiß nicht, ob ich da je ganz herauskomme, und ob das, was dann entsteht, möglicherweise nur "Geräusch" ist wie der Straßenlärm bei Cage. Ich sehe aber Parallelen zu dem, was in der Meditation Thema ist oder auch in der Alltagspraxis (Wasser holen, Holz hacken). Wenn Menschen sich nun verhalten, wie Vögel singen, wenn ein Lehrer also nicht mehr auswählt, welche Wirkungen und Reaktionen er oder sie auf andere ausübt, er also "nichts mehr sagen will", ist er dann befreit im Sinne des Dharma – reines Tun, von Augenblick zu Augenblick ohne Wollen dahinter? Wenn jemand wirklich im Sinne des buddhistischen Ideals vollkommen befreit ist, mag das Ergebnis seines "reinen" Tuns "für alle Wesen" einen Segen bedeuten. Möglicherweise halten die Lehrenden, die einfach von Augenblick zu Augenblick ihren Trieben und Wünschen lauschen, aber auch nur Selbstherrlichkeit und Egozentrik für Erleuchtung oder es wird ihnen von Kindheit an so beigebracht (was sollte ein hoch-verwirklichter reinkarnierter tibetischer Lama in seiner letzten Reinkarnation vor dem Nirwana schon noch lernen müssen)? Auf jeden Fall ist eine stabile ethische Basis unverzichtbar, wenn reines Tun nicht in Willkür und Missbrauch enden soll. Aber was heißt stabil in diesem Kontext? Es reicht längst nicht, die ethischen Regeln gut zu kennen und ihnen folgen zu wollen. Die Sila müssen so tief eingewoben sein, dass das Ergebnis reinen Tuns automatisch in jedem Moment ahimsa ist. Und das ist wahrscheinlich nur möglich, wenn die Geistesgifte wirklich vollkommen überwunden sind. Und bei welchem Popstar der Befreiungsindustrie jeglicher Traditionslinie kann man schon davon ausgehen? Wären sie Popstars, hätten sie alle Geistesgifte überwunden?
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Die OMT waren und sind öffentlich und damit grundsätzlich was anderes zu den geheimen "Spielen" von denen der DL redet.
Ich meine die Teilnahme daran als Statist*in oder Akteur*in.
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Der Schüler begibt sich in eine Kultur, die sich zur Aufgabe gemacht hat, den eigenen moralischen Kompass zu erschüttern. Wie soll ein Schüler urteilen, wenn seine Wahrnehmung von Richtig und Falsch angezweifelt wird? Es wird Glauben gefordert.
Im entsprechenden Kontext hat das ja auch durchaus seine Berechtigung. Nur ist dieses Mittel eben mit Sicherheit nicht für jeden geeignet. Wie der Dalai Lama in dem Interview sagte: Es sollte geheim bleiben (nicht an jede und jeden, der oder die gerade Bock darauf hat, weitergegeben werden) und nur unter entsprechenden Bedingungen angewandt werden. Auch die Orgien Mysterien Theater von Hermann Nitsch waren nicht für jeden geeignet. Aber sie sind oder waren geeignet, die blinden Flecken der inneren Landschaft aufzudecken, ähnlich wie die griechische Tragödie mit dem Element der Katharsis.
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Letzterer sollten doch ein Mindestmaß an ethischem Lebenswandel mitbringen.
Und ein Schüler sollte (unter Berücksichtigung der gegebenen kulturellen Unterschiede) einen Lehrer intensiv prüfen, ob dieses Mindestmaß vorhanden ist und nicht danach entscheiden, wie bekannt oder berühmt oder exotisch ein Lehrer ist. In keinem Fall jedoch sollten Schüler oder Schülerin vor lauter devoter Verzückung das Hirn und den eigenen Willen ausschalten. Das ist aber wohl – folgt man den Erfahrungen des einen oder anderen Lama – ein sehr westliches Phänomen.
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Ich hatte das ja bereits an anderer Stelle schon mal geschrieben, dass der Autor, Künstler, Schöpfer von seinem Werk nicht getrennt werden kann.
Gott behüte uns vor einer Zeit, in der nur gute, politisch korrekte, woke Künstler ohne einen Hang zu Perversion, Totalitarismus, Revolte, Gewalt, sexueller Ausschweifung und Wahnsinn rezipiert werden dürfen. Die Kunst wird aus all dem geschaffen, was Zutaten zum menschlichen Drama sind, ebenso wie das Erwachen.
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Ein Lehrer/eine Lehrerin kann nur so viel vermitteln, wie er oder sie selbst begriffen hat. Je weiter fortgeschritten die Lehre, desto dünner die Luft.
Aber vieles ist nicht weit fortgeschritten und dennoch als Grundlage entscheidend.
Manch einer mag Wirtschaftswissenschaften sehr gut vermitteln können, ohne selbst ein guter Kaufmann zu sein. Wichtiger ist: Um eine Lehre zu vermitteln, muss er oder sie ein guter Pädagoge und gute Pädagogin sein.