Posts from Hendrik in thread „Peter Riedl: „Buddhismus neu Denken““

    Na ja. Für "Bewußtsein" gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, es sei denn man zählt das Gerede der Leute zu "wissenschaftliche Evidenz".


    Das ist in der Wissenschaft aber schon lange kein Konsens mehr.

    Wir hatten eine ähnliche Diskussion vor einiger Zeit schon einmal und ich will das darum nicht neu entfachen. Nur in Kürze ein Zitat von H.P. Dürr


    Auf der begrifflichen Ebene gibt es innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses eine Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen darüber, was unter „Bewusstsein“ zu verstehen ist. Ein Beispiel ist etwa „Zugriffsbewusstsein“. Hier geht es um die globale Verfügbarkeit von Informationen für die rationale Handlungskontrolle, das Denken, oder die Aufmerksamkeit. Ein anderer Bewusstseinsbegriff ist „phänomenales Bewusstsein“.


    Während das funktionale Konzept des Zugriffsbewusstseins sich auf Informationen bezieht, beschreibt „phänomenales Bewusstsein“, wie sich das Erlebte anfühlt: Wie fühlt sich die Qualität der Rotheit als subjektives Erleben der Farbe Rot an? Wie fühlt es sich an, betrunken zu sein? Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein? In diesem Sinne verfügen auch viele Tiere über Bewusstsein.


    Ein weiteres Beispiel ist der Begriff „präreflexives Bewusstsein“, für den es diverse Bedeutungsnuancen gibt. Im Wesentlichen ist damit aber der Aspekt des Bewusstseins gemeint, dessen Inhalt oder Vollzug entweder noch nicht oder prinzipiell nicht reflektiert werden kann. Ein anderer Begriff, der dem vorigen nahezukommen scheint und dem Buddhismus eher vertraut sein dürfte, ist das „primordiale Bewusstsein“ oder „Urbewusstsein“, von dem angenommen wird, dass es der „Grund des Bewusstseins“ ist.


    All diesen Hypothesen über Bewusstsein ist aber gemeinsam, dass sie ohne materielle Grundlage nicht gedacht werden. Und Dürr war Physiker und nicht Bewustsseinsforscher. Seine, sagen wir mal, etwas exotischen Ansichten spielen im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs keine Rolle.

    Merkwürdig ist, dass du die Gelegenheit sofort nutzt für Vorwürfe, anstatt klarzustellen, dass Thorsten Hallscheidt nur ein Wort falsch gewählt hat: Buddha statt Buddhismus.

    Nun kann dein Buddhismus sein, was er will, wie jeder andere auch, wenn ihm diese Grundlage des Buddha entzogen wird, ist es tatsächlich nur noch Buddhismus.

    Thorsten hat mitnichten "nur ein Wort falsch gewählt". Es geht um das Postulat, es gäbe richigen Buddhismus, weil Buddha dies oder jenes gesagt habe, und es gäbe falschen Buddhismus. Das ist religions- und kulturwissenschaftlich nicht haltbar.


    "Buddha hat dies gesagt, Buddha hat das gesagt..." All das sind reine Annahmen, ja Spekulationen. Über Buddha wissen wir so gut wie nichts. Was wir wissen, ist, wie die Generationen nach ihm seine Lehren nach ihrem Verständnisses, im Kontext ihrer Kultur, interpretiert haben. Lesen wir Pali-Kanon, lesen wir nicht Buddhawort, sondern was Menschen 500 Jahre nach dem Tode des Religionsgründers dachten, was dieser wohl gemeint haben könnte (Herausgekommen sind mit der Zeit übrigens teilweise die bizarrsten und esoterischsten Lehren, die man sich nur denken kann – da ist das, was ein Nils H. hier in der Vergangenheit geschrieben hat, über das sich hier viele in der Vergangenheit aufgeregt haben, geradezu hoch vernünftig).


    Deshalb ist eine zeitgemäße Interpretation des Buddhadharma gleichwertig mit alten Interpretaionen. Beide haben gemeinsam, dass sie das Dharma nach ihrem Verständnis, im Kontext ihrer Kultur auslegen. Etwas anderes ist auch gar nicht möglich. Es gibt nichts Überzeitliches, nichts Unveränderbares. Gerade DAS sollten Buddhisten wissen. :) _()_

    Ein Geisteskontinuum bedeutet ja noch lange keine Wiedergeburt einer Person. Dass der Geist nur von Augenblick zu Augenblick existiert und sich in Abhängigkeit von Ursachen und Umstände unablässig wandelt, kann jeder selbst erfahren. Daher "stirbt" und "entsteht" er ständig neu. Es gibt aber ein Ungeborenes, Ungeschaffenes, das (nicht nur) der Buddha entdeckt hat, das einen Ausweg aus diesem Kreislauf des Werdens und Vergehens darstellt. DAS ist der Kern der Lehre des Buddha. (Quelle) Formuliert ist diese Möglichkeit in der dritten edlen Wahrheit.

    Geist/Bewusstsein setzt die Materialität eines Trägers voraus. Im Sinne eines naturalistischen Weltbildes lehne ich die Annahme eines immateriellen, von der Materie losgelösten Bewusstseins/Bewusstseinsstroms/Geistkontinuums ab. Für das Auftreten von Bewusstsein ist nach unserem heutigen Kenntnisstand eine materielle Grundlage notwendig. Bewusstsein ist ein sogenanntes emergentes Phänomen.


    Das Ungeborene, Ungeschaffene ist das aus der freien Entscheidung geborene Denken und Handeln im Hier und Jetzt. Der Kreislauf des Werdens in Bezug auf individuelles Bewustsein bezieht sich immer nur auf diese eine Existenz. Alles andere ist Religion.

    Der Buddhismus geht von einem Geisteskontinuum aus, das sich ständig wandelt, entsprechend der Ursachen und Umstände. Es ist kein fester Kern, aber es hat auch zugleich weder Anfang noch Ende. Es ist auch nicht in mir. Im Gegenteil: alles, was für mich ist, Körper, Welt, Gefühle, Gedanken (inkl. Ichgefühl und Bewusstsein) ist Teil des Geisteskontinuums.

    Dein Buddhismus. Meiner nicht. Eröffne doch nicht gleich eine dogmatische Ausernandersetzung.

    Mich irritierte Riedls Annahme, ein Ziel im Buddhismus sei eine (gute) Wiedergeburt in einem zukünftigen Leben - ich dachte eigentlich, das Ziel sei Nibbana/Nirvana (= KEINE Wiedergeburt mehr!)...

    Ich habe inzwischen sehr viele westliche Konvertiten kennengelernt, für die der Horror einer immer währenden Wiedergeburt durch ihre Angst vor Tod/Nicht-Existenz zur Hoffnung geworden ist. Und auch im asiatischen Volksbuddhismus ist das Ziel des gemeinen Menschen nicht unbedingt der Austritt aus dem Samsara – irgendwann vielleicht mal – aber zunächst, eine günstige weitere Existenz. Darauf bezieht sich Riedl hier auch.

    Vortrag: „Können wir alles, was wir über Buddha und den Buddhismus wissen, vergessen, und herauszufinden, was wirklich gelehrt wurde, ohne irgendetwas zu erfinden, ohne uns etwas auszudenken?


    Sind das die wesentlichen Fragen, die wir zu stellen haben, wenn wir über Buddhismus sprechen? Gemeinsame Diskussion der Begriffe: Was ist Leiden? Bedingte Entstehung, Wiedergeburt und Karma, Bewusstsein, Achtsamkeit und Erleuchtung, Was ist Nicht-Leiden?“


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    Peter Riedl ist 1943 in Hannover geboren, lebt seit 1946 in Wien. Verheiratet, drei erwachsene Söhne. Studium der Medizin, Universitätsprofessor für Radiologie. Er ist seit 1986 Buddhist, war 1989-2001 Vorstand der Buddhistischen Gemeinde Österreich (BGÖ) und Generalsekretär der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR); 2001-2006 Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft (ÖBR); 1991-2019 Herausgeber der buddhistischen Zeitschrift Ursache\Wirkung.


    Er gibt seit 1993 Meditations - und Achtsamkeitsseminare. 2004 Gründung W.I.S.D.O.M. - Wiener Schule der offenen Meditation; 2006 Gründung spirituelles Wohnheim Mandalahof in Wien. Publikationen auf Deutsch und Englisch, teilweise auch auf Griechisch und Arabisch: Auf ins Nirvana – Gespräche über Buddhismus; Möge die Übung gelingen; Achtsamkeit und Sexualität; Schlüssel zur Gelassenheit; Ein Weg in die Freiheit und neu: Das Geheimnis der Achtsamkeit – in Vorbereitung. Mehr Info unter: http://www.peterriedl.at