Beiträge von Sudhana im Thema „Die Irrlehre vom Elend der Welt ;-)“

    Das Herzsutra ganz erfassen ist ohne Worte

    Richtig, es ist ein Erfassen mit ganzem Herz/Geist, nāmarūpa. Worte sind da nur die den Atem begleitenden Geräusche, mit denen er Zwerchfell und Stimmbänder vibrieren lässt.

    Soto Zen - Heart Sutra / 曹洞宗大本山總持寺 - 般若波羅蜜多心經
    The Heart Sutra is a famous sutra in Mahāyāna Buddhism. The Heart Sutra is often cited as the best-known and most popular Buddhist scripture of all.The Hear...
    www.youtube.com

    Anschließend werden die alten Schwarten mal ausgelüftet ...

    Ansonsten -

    Solange auch nur ein Gedanke bewusst gedacht wird, ist Leiden nicht vollständig überwunden.

    Walter Freeman glaubte psychische Erkrankungen mit einer Lobotomie heilen zu können.


    Daran wollte ich bestimmt denken.

    Auch eine Form von Leiden befreit zu werden.

    Eine Methode mit äußerst zweifelhafter Effizienz. Wieauchimmer - Undenken (hishiryō, fei siliang 非思量) ist kein Nichtdenken (und natürlich auch kein Denken).

    Dachte ich bisher immer, dass sie historisch ernst zu nehmen sind. Du wolltest also damit sagen, dass wir nicht wissen, ob alles stimmt, was schriftlich überliefert wurde. Es könnte auch manches dazu gedichtet sein. Man könnte daran glauben, dass es stimmt.

    Ist das falsch, dumm ?

    Das ist ähnlich wie mit dem Jesus der Evangelien - das sind keine historischen Berichte (gerade die Geschichten über die Geburt und über die Hinrichtung stecken voller historischer Ungereimtheiten) sondern Erzählungen mit einer soterologischen Intention, die entsprechend konstruiert wurden. Nun ist der Abstand zwischen der Lebenszeit des galiläischen Rabbi Jeschua aus Nazareth einerseits und des Asketen Gautama aus dem unbedeutenden Gentilverband der Śākya um Kapilavastu andererseits und der Entstehung ihrer jeweiligen Lebensbeschreibungen bei Buddha um einiges größer, was an den erwähnten Anachronismen deutlich wird.


    Der "Palast" (angeblich sollen es gar drei gewesen sein, für Winter, Sommer und Regenzeit), in dem Buddha aufgewachsen sein soll, ist ein gutes Beispiel dafür. Geschichtlich sind wir hier in der Phase der frühen sog. 'zweiten Urbanisierung" Nordindiens (die erste war die der untergegangenen Indus- oder Harappazivilisation), mit Zentrum Magadha ('Greater Magadha', Bronkhorst). In diesem Gebiet lag Kapilavastu an der nordwestlichen Peripherie, als Zentrum der Oligarchie (gaṇasaṅgha) der Śākya, in der Buddhas Vater allenfalls gewählter primus inter pares war. Der "Palast"dürfte eher eine Art Gutshof gewesen sein. Das historische Kapilavastu wird von der Archäologie entweder im heutigen Tilaurakot oder in Pripahwa verortet. Reste eines Palastes fanden sich nicht; die in Piprahwa ausgegrabenen Grundmauern werden heute als Reste eines Vihāra ('Kloster') gedeutet.


    John Keay, India: A History:

    The Sakya state being one of those republican gana-sanghas, it had many rajas. And since their chief was elected, the 'Prince' Siddharta of later legend must be considered a fabrication. Moreover, Kapilavastu, the Sakya capital, was not a major political central. Just within the southern border of present-day Nepal, it may have served as a staging post on the uttarapatha. Trade and craftmanship were more the Buddha's milieu than royal ceremonial.

    Zitat

    Da der Sakya-Staat einer dieser republikanischen Gana-Sanghas war, hatte er viele Rajas. Und da ihr Oberhaupt gewählt wurde, muss der "Prinz" Siddharta der späteren Legende als eine Erfindung angesehen werden. Außerdem war Kapilavastu, die Hauptstadt der Sakya, kein wichtiges politisches Zentrum. Gerade an der südlichen Grenze des heutigen Nepal diente es möglicherweise als Zwischenstation auf der uttarapatha [Handelsroute in den Norden]. Handel und Handwerk waren eher das Milieu des Buddha als das königliche Zeremoniell.

    Also er hatte schon andere Einsichten/ Erkenntnisse als wir ( ich meine die meisten anderen zu der Zeit und heutzutage ) in so frühen Jahren. Dieses war dann wohl auch ein Ansporn / Anzünder um weiter zu graben.

    MN 36.31 ff

    Ich halte es - sorry wegen des Einwurfs - für abwegig, psychologische Profile von Buddhas Kindheit und Jugend zu erstellen. Was wir aus den āgamas/nikāyas wissen, gibt für eine Biographie bis kurz vor Aufnahme seiner Lehrtätigkeit herzlich wenig her. Von Interesse natürlich sein Bericht eines kindlichen 'Spontanerwachens' - aber sonst findet sich da wenig. Die bekannten Geschichten beruhen vor allem auf dem weitverbreiteten Epos Buddhacaritam von Aśvaghoṣa (nach 100 n.d.Z.) und dem gut ein Jahrhundert jüngeren Lalitavistara. Letzteres zwar ursprünglich eine Kompilation älterer Quellen (vermutlich der Sarvastivadin), aber auch nur in 'Überarbeitung' eines mahāyānischen Autors erhalten. Jedenfalls - diese Geschichten entstanden ca. ein halbes Jahrtausend nach Buddhas Lebenszeit.


    Der Bodhisattva Gautama ist eine literarische Figur; die genannten Texte sind Hagiographien, nicht historisch ernst zu nehmende Biographien. Man kann natürlich darüber debattieren, welche Botschaften mit der Metaphorik dieser Hagiographien vermittelt werden sollen - der Kindheit in einem Palast, wo ihm kein Wunsch unerfüllt blieb , nicht einmal der nach Frau und Kind. In die Lebenszeit Buddhas projiziert ist so ein Palastleben völlig anachronistisch. Dann der 'Familienkonflikt' mit Devadatta, der schon als Knabe den Schurken geben muss. Dann 'die drei Ausfahrten' - das klassische hagiographische Motiv der radikalen Umkehr, wie es auch aus christlichen Heiligenlegenden bekannt ist. Das ist offensichlich literarisch konstruiert; sicherlich um einem mit zunehmender Verbreitung des Buddhismus unter Laien auch zunehmendem Interesse an solchen frühen Beispielen von Boulevardjournalismus gerecht zu werden (sorry, wenn ich da religiöse Gefühle verletze).


    Jedenfalls - darüber zu disputieren, ob Klein-Buddha von seiner Amme vernachlässigt wurde oder im Sanskritunterricht wegen ADHS nicht so richtig mitkam, entbehrt zwar nicht der Komik. Aber bringt das sonst noch was?

    Ich habe das auch als humoristische Anspielung gelesen.

    Ja sicher - zumindest für Jeden, der an der Diskussion im Theravada-Thread teilgenommen hat, war das offensichtlich (und das sollte es auch sein, wie der Smiley im Titel andeutet). Ich interpretiere das als eine (mE durchaus akzeptable) Reaktion auf Deinen (zweifellos ebenso akzeptablen) 'Schachzug', die Diskussion des Themas auf den Kontext theravadischer Dogmatik zu begrenzen. Die theravadische Position wurde da mE recht präzise herausgearbeitet. Dass Thorsten Hallscheidt nun (im Threadtitel bewusst etwas provokant) an ein nicht-sektarisches ('sektarisch' völlig wertfrei gemeint, meinetwegen auch 'nicht-elitäres') Verständnis von Buddhadharma appellieren möchte, gestehe ich ihm gerne zu. Wobei ich ja im Theravada-Thread schon darauf hingewiesen habe, dass ich seine Sicht auch aus mahāyānischer Sicht für heterodox halte - void hat das ja in diesem Sinne auch klassifziert.


    Mein Eindruck ist, dass Thorsten Hallscheidt (sorry, wenn ich mit solchen Spekulationen eine Grenze überschreite) den Aspekt 'Freude' überbewertet bzw. falsch einordnet. Natürlich gibt es 'Freude', immer wieder - aber es ist nicht Freude an etwas sondern am Verlust von etwas. Von Fesseln, Trübungen der Sicht. Es ist so schön, wenn der Schmerz nachlässt ... mehr Freude ist, fürchte ich, nicht drin.

    "Wo keine Lücke ist" - wo nicht zwischen 'gut und schlecht', 'groß und klein', 'Freude und Elend' unterschieden wird. Das ist der mittlere Weg, mit dem übereinzustimmen das Kennzeichen des Juwelenspiegel - Samādhi ist. Um Haaresbreite abgewichen und der Einklang ist zerstört und wird Geräusch. Das ist die 'spiegelgleiche Kognition' der Yogâcārin, wenn sich die Basis des ālaya wendet (āśraya-parāvṛtti), "der Boden aus dem Lackeimer fällt", wie es Hakuin ausdrückte. Und das ist das sukha, das nach theravadischer Lehre insbesondere das 2. jhana begleitet - mehr nicht.


    Nun ist āśraya-parāvṛtti, das 'Umwenden der Basis', sicher nicht dasselbe wie das 2. jhana. Entscheidend dabei ist das, was Dōgen "den Rückwärtsschritt des Umwendens des Lichts und des Zurückleuchtens" nennt, das Abfallen von Herz-Geist, nāmarūpa. So wohltuend diese Erfahrung ist - Freude an der Welt ist das eher nicht ... Aber es kuriert einen vom Gejammer über das Elend der Welt, das eh nix bringt.

    Ich denke der frühe Buddhismus hat sich recht bewußt so sparsam und so "negativ" ausgedrückt, eben genau weil Menschen dazu neigen, aus allem etwas zu "machen".

    Danke. Das ist auch mein Fazit, wenn ich mir die geistesgeschichtliche Entwicklung anschaue. Das ähnelt dem 'neti neti' des (freilich sehr viel späteren) Advaita Vedanta, das aus dem 'erfolgreichen' Zurückweisen von allem, was Nicht-Ich (anatman) ist - was Buddha immer wieder am Modell der skandha aufzeigte, "das ist nicht mein, das bin ich nicht, das ist nicht mein Selbst" - flugs einen atman macht. Das Gegenstück zur theología apophatikḗ und Eckharts geistiger Übung. Der klassische logische Fehlschluss ex negativo.

    Im späteren Buddhismus ist man weniger heikel darin sich auf das Heilsame positiver zu Beziehen. Es gibt z.B den Begriff der "Buddhanatur"

    Ja, eines der erfolgreichsten und populären upāya - was ich gar nicht tadeln will. Aber der "spätere Buddhismus" hatte immer auch differenzierteres anzubieten. Dass da dem Madhyamaka so ziemlich allgemein der Rang der höchsten mit Begriffen vermittelbaren Sichtweise zuerkannt wird, ist sicher bekannt. "Positiv" impliziert wie 'negativ' einseitige Sichtweisen (dṛṣṭi), keine mittlere.


    Gerade bei "Buddhanatur" ist es jedoch sinnvoll, sich da nicht eigene Vorstellungen zu machen, was das wohl sein mag. Da ist es besser, etwas genauer hinzuschauen, was zu dem Thema so alles zwischen Śrīmālādevī Siṃhanāda Sūtra und Shōbōgenzō Busshō gelehrt wurde. Und was es heisst, sich 'positiv' darauf zu beziehen. Nämlich sich eben nicht darauf zu beziehen, sondern jegliche Bezüge darauf fallen zu lassen.


    Das könnte ein wenig an die oben erwähnte 'negative Theologie' erinnern. Wenn man 'Buddhanatur' gründlich missversteht. In diesem Sinne: Wu!

    Allein die Tatsache, dass Du Zuflucht nehmen konntest, ist ein Grund zur Dankbarkeit

    Hatte ich doch geschrieben. Nun, nicht genau - nur, dass ich sonst wenig Gründe sehe.


    Ansonsten Danke für Dein psychologisches Gutachten - aber Du gehst von falschen Annahmen aus. Vielleicht liest Du noch einmal genau. Und nein, verbittert bin ich nicht, seit meiner Zuflucht. Zuflucht bedeutet Abkehr - und es gibt keinen Grund, über Dinge verbittert zu sein, von denen man sich abgekehrt, die man losgelassen hat. Nicht einmal mehr über die Schmerzen, die sie einem nach wie vor bereiten.


    Aber man sieht schon, wie problematisch es ist, an 'Dankbarkeit' und an 'Liebe zur Welt' (statt nur zu den leidenden Wesen) festzuhalten. Wenn es das nicht ist, dann muss es wohl das Gegenteil sein, also Verbitterung und Hass ... :roll:

    Das ist schade, denn diese Freude wäre ein Ausdruck von Dankbarkeit und Wertschätzung

    Sie wäre vor allem Ausdruck mangelnden Mitgefühls. Ansonsten - ich will hier nicht meine Biographie ausbreiten, aber mit Ausnahme meiner Begegnung mit den drei Juwelen gab es da wenig Anlass zu Dankbarkeit und Wertschätzung. Um so mehr zur Zufluchtnahme.


    "Dankbarkeit" - auch wieder so ein Begriff wie "Liebe", der sich nicht sinnvoll ohne ein Objekt eines liebenden und/oder dankbaren Subjekts denken lässt; weswegen diese Begriffe auch bei Theisten so beliebt sind. Ein Subjekt, das sich von anderen, mehr oder weniger liebevollen und dankbaren Subjekten mit mehr oder weniger Anlass zu Liebe und Dankbarkeit unterscheidet. Eine Unterscheidung, die man 'Ich' nennt. Wenn schon das Subjekt, wie es immer wieder schmerzhaft erfährt, kein Gott ist, dann soll wenigstens sein Objekt göttlich sein.

    Es ist hilfreich, gelegentlich in die Morgenzeitung zu schauen um zu sehen, wie prächtig es uns trotz aller größeren und kleineren Beschwerden geht. Verglichen mit den Hungernden, den Sklaven, den Verrückten, die sich in offenen und verdeckten Kriegen nicht nur gegenseitig foltern und ermorden und den noch Verrückteren, die sie bewaffnen und aufhetzen. So richtig darüber 'freuen', wie toll es mir geht, kann ich mich allerdings nicht. Allenfalls darüber, dass mein Körper es wieder zulässt, mich nach der Lektüre ein paar Stunden in den Wald zurückzuziehen, außer Sicht- und Rufweite anderer Menschen. Dann geht's wieder ...

    Das Angenehme als solches annehmen und gehen zu lassen wie es kommt und geht - es, so lange es währt, in Gemütsruhe zu genießen - funktioniert nur, wenn auch das Unangenehme als solches ohne Widerstand angenommen und losgelassen werden kann, wie es kommt und geht. Es so lange es währt, in Gemütsruhe erleidet. Gleiches gilt für das Neutrale.


    Angemessen handeln mit Denken, Sprache und Körper heisst sicher, Angenehmes anzustreben und Unangenehmes zu vermeiden. Es heisst aber auch, die Grenzen, die diesem Streben gesetzt sind, zu erkennen und vorbehaltlos zu akzeptieren. Es sind die Grenzen des Ich - und die sind sehr eng gezogen.


    Sind sie einmal aufgebrochen, wird das 'Annehmen und Loslassen' ohne Zögern zur Natur des Gehens auf dem mittleren Weg. Dann entfällt die sinnlos gewordene Unterscheidung von Angenehmem und Unangenehmem. 'Ein Geschmack'. Für 'Liebe' wie für 'Elend' ist da kein Bedarf. Et kütt wie et kütt :clown:

    void : Ein wenig differenzierter wird das schon gelehrt. Das lakṣaṇa ('Merkmal') anātman gilt für alle dharmas ('Seinsmomente'), die beiden lakṣaṇa anitya und duḥkha hingegen lediglich für bedingte dharmas ('zusammengesetzte', saṃskṛtadharma). Ein (bzw. das) asaṃskṛtadharma (also nicht-bedingtes dharma) ist im Theravada nibbana. Andere 'alte' Schulen nahmen z.B. auch den Raum als ein asaṃskṛtadharma an oder unterschieden das 'fixierte nirvāṇa' (parinirvāṇa) vom 'nirvāṇa mit (skandha-)Resten' (sopadhiśeṣanirvāṇa) des lebenden Buddha oder Arahat als verschiedene nicht-bedingte dharmas.