Beiträge von Helmut im Thema „Aus Lamrimschriften“

    Der dritte Punkt dieser Kontemplationen über den Tod besteht darin, sich zu verdeutlichen, welches Bewusstsein durch die Vergegenwärtigung des Todes hervorgebracht wird.


    "Bei denen, die ungeübt auf dem Pfad sind, zeigt sich die Angst vor dem Tode als Angst vor der Trennung von Angehörigen, diesbezügliche Sorge usw. Das ist es nicht, was hier geübt werden soll. Was also dann? Alle Körper, die unter dem Einfluss von Karma und Geistesplagen angenommen wurden, überdauern den Tod nicht. Das ist vorläufig nicht zu ändern, auch wenn es Angst macht. Jedoch ist der Tod vor allem deswegen zu fürchten, weil wir die Ursachen für die elenden Bereiche nicht getilgt und die Ursachen für höhere Bereiche und das letztlich Gute nicht verwirklicht haben. Wenn wir über die dadurch bedingte Angst nachdenken, können wir dafür sorgen, dass wir im Augenblick des Todes angstfrei sein werden, denn es besteht ja die Möglichkeit, die entsprechenden Ursachen zu verwirklichen. Setzen wir das jedoch nicht in die Tat um, so werden wir beim Sterben von Reue gepeinigt werden - aus Furcht, vom Daseinskreislauf allgemein nicht freizukommen und insbesondere davor, dass wir in die elenden Bereiche hinabfallen."


    Quelle: Je Tsongkapa, Der Mittlere Stufenweg, München 2007, S.110


    Nach diesen drei Kontemplationen, die Nachteile sich den Tod nicht zu vergegenwärtigen, die Vorteile sich diesen zu vergegenwärtigen und welches Bewusstsein durch die Vergegenwärtigung des Todes hervorgebracht wird, beginnt dann die Meditation über die Vergegenwärtigung des Todes anhand von drei Grundgedanken, die jeweils mit drei Gründen und einem Entschluss verbunden sind.

    Nachdem Gomchen Ngawang Dragpa kurz die Nachteile, die sich ergeben, wenn man nicht über den eigenen Tod meditiert, genannt hat, skizziert er den Nutzen, der sich aus der Meditation des eigenen Todes ergeben:


    "Sich des Todes bewusst zu sein, ist die Quelle alles Ausgezeichneten. Kurz, was alle Wesen ans Ziel bringen wird, das hast du jetzt gefunden. Sieh die Fehler darin, dich durch Essen und Trinken abzulenken, die Übung vor dich her zu schieben, in Schlaf und Dumpfheit zu verfallen oder in sinnloses Gerede. Wann ich sterbe kann niemand wissen. Lasse diesen Gedanken tief eindringen in dein Herz."

    "[1] welche Nachteile entstehen, wenn man sich den Tod nicht vergegenwärtigt;

    "Heute sterbe ich nicht - so denken wir Tag um Tag. In Gedanken allein an dieses Leben, trübt sich der Blick unseres Geistes. Unsere guten Handlungen haben wenig Kraft, die schlechten befallen unsere drei Tore. So kehren wir den Lehren den Rücken. Was gäbe es, das erschreckender wäre? Deshalb bewahre den Gedanken an den Tod im Herzen und sieh her - die Wege, im Leben Großes zu erreichen, entbehren eines tieferen Sinnes!


    Die Haltung, noch nicht zu sterben, öffnet Verfall Tür und Tor."


    Quelle: Gomchen Ngawang Dragpa, Das Herzstück aller vortrefflichen Lamrim-Lehren

    Zitat

    In den Unterweisungen heißt es, wir sollten uns an die Vergänglichkeit des Lebens und aller geschaffenen Phänomene erinnern. Da das Leben vergänglich ist, werden wir früher oder später unseren Körper verlassen müssen und mit ihm alle anderen Objekte. Das einzige, was wir im Moment unseres Todes mit uns nehmen können, ist das von uns geschaffene tugendhafte und untugendhafte Karma.

    Zitat

    Wir müssen darüber nachdenken, dass auch wir im Moment des Todes nichts mitnehmen können, weder unsere Kinder noch unseren Ehemann oder die Ehefrau und auch nicht unsere Verwandten oder das in diesem Leben angesammelte Vermögen. Wenn wir sterben, lassen wir alles zurück. In Zukunft werden wir nichts mehr von dem benutzen können, was wir im Laufe einer Existenz angesammelt haben - außer dem Karma, welches wir erzeugt haben.

    Quelle der beiden Zitate: Geshe Yeshe Tobden, Der Weg des sanften Kriegers - Kommentar zu Santidevas Bodhisattvacaryavatara, München 2003, S.346/347

    Der Praktizierende mit anfänglichen Fähigkeiten, der eine hohe Wiedergeburt als Mensch anstrebt, schult sich

    • erstens darin, sich von den unzuverlässigen Annehmlichkeiten dieses Lebens abzuwenden und
    • zweitens darin, die Ursachen für das Glück zukünftiger Leben anzusammeln.

    Der erste Punkt hat wiederum zwei Aspekte: "[1] Sich daran erinnern, dass man sterben wird, sowie überlegen, dass man nicht lange auf dieser Welt bleibt; [2] was in späteren Existenzen kommen wird: das Glück und Leid der zwei Arten von Wesen, die im Daseinskreislauf umherwandern."


    Man erinnert sich daran, dass man sterben wird und nicht lange auf dieser Welt bleibt indem man über vier Themen kontempliert und meditiert:

    "[1] welche Nachteile entstehen, wenn man sich den Tod nicht vergegenwärtigt; [2] welche Vorteile die Entwicklung dieser Vergegenwärtigung mit sich bringt; [3] welches Bewusstsein der Vergegenwärtigung des Todes hervorgebracht wird und [4] wie man die Vergegenwärtigung des Todes entwickelt."


    Zitate aus: Tsongkhapa, Der Mittlere Stufenweg, München 2007, S.106

    Die Übungen eines mittleren Praktizierenden bauen auf den Schulungen des Praktizierenden mit anfänglichen Fähigkeiten auf. Sich in den Übungen eines anfänglich Praktizierenden zu schulen, um eine Wiedergeburt als Mensch in der nächsten Existenz zu erlangen, ist ja wichtig. Ein Praktizierender mit mittleren Fähigkeiten erkennt, dass es zwar gut ist als Mensch wiedergeboren zu werden, aber die nächste menschliche Existenz nicht grundsätzlich besser sein wird als die jetzige. Deshalb strebt er eine Befreiung aus Samsara an.

    Die Übungen eines Praktizierenden mit höchsten Fähigkeiten bauen auf den Schulungen des mittleren Praktizierenden auf. Der höchste Praktizierende entwickelt Mahakaruna und Bodhicitta, um die Fähigkeiten zu erlangen, die es ihm ermöglichen, den anderen fühlenden Wesen den Weg aus Samsara entsprechend ihren Fähigkeiten aufzuzeigen und zu vermitteln.


    Bodhicitta kann man aber nur entwickeln, wenn man die eigene leidvolle Situation in Samsara erkannt hat. Man entwickelt Bodhicitta, weil man erkennt, dass die anderen fühlenden Wesen in derselben leidvollen Situation sind wie man selber und dies nicht ertragen kann.


    Zu dem Zusammenhang der Übungen der drei Arten von Praktizierenden aus dem Lam rim chen mo:

    • Kontempliere und meditiere zunächst wie ein Mensch mit Mindestbefähigungen [Praktizierender mit anfänglichen Fähigkeiten] aufgrund welcher Handlungen und wie intensiv dir in der langen Vergangenheit der Existenzen die Ursache für deine unzähligen Leiden widerfuhren
    • Auf dieser Basis erkenne meditativ wie ein Mensch mit mittleren Befähigungen, dass dir selbst in einem der glücklichen Daseinsbereiche - als Mensch oder als deva - unermessliche Leiden widerfahren, so dass du die scheinbar vorteilhaften Lebensweisen endgültig verlassen und Entsagen praktizieren willst
    • Auf Basis der heilsamen Haltung des Entsagens kannst du schließlich den Geisteszustand einer bedingungslosen Liebe und eines umfassenden Mitgefühls für alle fühlenden Wesen entwickeln, indem du etwa deine Empathie steigerst, sodass die Anderen dir so nahe sind wie du dir selbst. Hiervon ausgehend wirst du schließlich einen authentischen und handelnden Erleuchtungsgeist entwickeln, im Geist verankern und entsprechend agieren.

    (Die große Darlegung des Stufenweges auf dem Pfad zur Erleuchtung, dharma-univerity-press.org, 2019, S.157/158)

    Mabli ,


    man kann ja auf unterschiedliche Weise Zugang zum Dharma bekommen. Bei mir war es halt ein sechszehnmonatiger Kurs zum Lamrim am Tibetischen Zentrum Hamburg. Irgendwie brachte mich das Lesen verschiedener Bücher damals nicht mehr weiter.


    Andere lesen sich durch den Palikanon oder beschäftigen sich intensiv mit einzelnen Suttas wie zum Beispiel dem Sutta von den vier edlen Wahrheiten. Wieder andere finden ihren Zugang zur Lehre durch Sutra wie dem Lankavatarasutra, dem Lotossutra oder dem Diamantsutra. Meist kommen dann nach und nach weitere Schriften hinzu und das Bild rundet sich und kompletter.


    Wichtige Schriften sind für mich auch Santidevas Bodhicaryavatara, Candrakirtis Madhyamakavatara oder Nagarjunas Ratnavali. Jetzt steht wieder vermehrt der Lamrim im Mittelpunkt, da einer meiner Lehrer einen mehrjährigen Kurs zum Lam rim chen mo von Tsongkapa gibt.


    Ich denke, jeder muss entsprechend seinen Motivationen und Fähigkeiten den eigenen Zugang zum Dharma suchen und finden. Das ist nicht immer ein gradliniger Weg.

    Ich halte es für sinnvoll, sich aus verschiedenen Perspektiven mit dem Lamrim zu beschäftigen.


    Grundlegend ist natürlich erst einmal die Struktur des Lamrims. Sie ist geprägt durch die Einteilung der Praktizierenden in Praktizierende mit anfänglichen, mittleren und höchsten Fähigkeiten. Die Unterscheidung wird vorgenommen anhand der Motivation und Zielsetzung der Praktizierenden wie in den Versen 3-5 aus Atishas Die Lampe auf dem Weg. Entsprechend der Zielsetzung der Praktizierenden werden dann die Lehrreden Buddha Sakyamunis zugeordnet.


    Jeder Praktizierende kann sich selbst entsprechend der eigenen Zielsetzung einer dieser drei Stufen zuordnen und hat dann eine Orientierung bezüglich der Schulung.


    Es ist nützlich, diese Struktur beim Lesen der Lehrreden im Hinterkopf zu haben, weil man sich dann verdeutlichen kann, welcher Stufe eine Lehrrede zugeordnet werden kann. Das verringert die Gefahr, die Lehrreden des Buddha für widersprüchlich zu halten.


    Eine andere Perspektive ist es, den Lamrim als Schulungsweg aufzufassen. Dass der Lamrim ein Schulungsweg ist, ergibt sich ja auch aus Titeln von Lamrimschriften:

    • Atisha, Die Lampe auf dem Weg
    • Phagmodrupa, Wie man stufenweise in die Lehre Buddhas eintritt
    • Dje Tsong-kha-pa, Die große Darlegung des Stufenweges auf dem Pfad zur Erleuchtung

    So wie die drei Höheren Schulungen von Ethik, Konzentration und Weisheit aufeinander aufbauen so ist dies auch bei den drei Arten von Praktizierenden so.


    Die Übungen eines mittleren Praktizierenden bauen auf den Schulungen des Praktizierenden mit anfänglichen Fähigkeiten auf. Sich in den Übungen eines anfänglich Praktizierenden zu schulen, um eine Wiedergeburt als Mensch in der nächsten Existenz zu erlangen, ist ja wichtig. Ein Praktizierender mit mittleren Fähigkeiten erkennt, dass es zwar gut ist als Mensch wiedergeboren zu werden, aber die nächste menschliche Existenz nicht grundsätzlich besser sein wird als die jetzige. Deshalb strebt er eine Befreiung aus Samsara an. Um diese Befreiung erreichen zu können, ist eine menschliche Geburt erforderlich. Deshalb muss auch er sich in den Schulungen üben, die mit den anfänglichen Praktizierenden übereinstimmen. Aber macht dies mit einer anderen Motivation als der anfänglich Praktizierende.

    Die Lamrimschriften sind vom Inhalt her Mahayanaschriften. Dies wird bereits in Atishas Schrift Die Lampe auf dem Pfad deutlich.


    In dem 3./4. und 5.Versdefiniert er die drei Gruppen von Praktizierenden: Die Praktizierenden mit niedriger, mittlerer oder höherer Motivation.


    "(3) Denjenigen, der mit irgendwelchen Methoden den eigenen Vorteil nur im Glück des Samsara sucht, den erkenne als Menschen mit niedriger Motivation.


    (4) Denjenigen, der dem Glück des Samsara den Rücken kehrt und sich von schlechten Handlungen abwendet, jedoch nur den eigenen Frieden im Sinn hat, den nenne einen Menschen mit mittlerer Motivation.


    (5) Derjenige, der alle Leidend er anderen vollständig und in jeder Hinsicht beenden möchte, weil ihre Leiden Bestandteil des eigenen Bewusstseinsstroms sind, der ist ein Mensch mit höherer Motivation."

    (Quelle: Atischa, die Lampe auf dem Weg, hrsg. vom Aryatara Institut 1985)


    Ab Vers 6 erklärt Atisha den Mahayanapfad, das Vollkommenheitsfahrzeug und das Tantrayana in 62 Versen:


    "Diesen hervorragenden Wesen, die die höchste Erleuchtung wünschen, werde ich die richtige Methode erklären, die mir von meinen Lehrern gezeigt worden ist."

    Mabli ,


    es scheint so zu sein, dass die acht weltlichen Dharmas auch in den ausführlichen Lamrimschriften nicht besonders behandelt werden, aber indirekt sind sie natürlich angesprochen, wenn es darum geht, was aufzugeben ist.


    Erklärungen zu den acht weltlichen Dharmas kenne ich auch nur in Zusammenhang mit Erklärungen zu anderen Schriften wie zum Beispiel zu Atishas Juwelengirlande der Bodhisattvas oder zu Geshe Langri Tankpas Acht Strophen des Geistestrainings.


    Die acht weltlichen Dharmas sind ein wesentliches Hindernis auf dem Pfad zur Befreiung und müssen auf jeden Fall durch die Geistesschulung überwunden werden. Und Lamrim ist Geistesschulung.


    Nicht nur die jeweiligen Aspekte eines Paares, sondern auch die vier Paare der acht weltlichen Dharmas hängen eng zusammen wie du es ja auch schreibst.


    Im Zusammenhang mit dem Zitat sprichst du von zwei Bedeutungen des Begriffs Dharma. Der Begriff Dharma hat aber noch eine Reihe weiterer Bedeutungen.

    Aryadeva schreibt dazu in Vierhundert Verse (Catuhsatakasastraknama):

    "Die Menschen halten zum größten Teil

    ganz einseitig an der unedlen Seite fest -"

    Dies trifft ja nicht nur für unsere jetzige Existenz zu, sondern war auch in den vielen vorherigen Existenzen die überwiegende Tendenz. Deshalb haben wir noch viele negative, unheilsame Prägungen in unserem Geisteskontinuum, die Ursachen für Geburten in den leidvollen Daseinsbereichen Samsaras sind.


    Deshalb schreibt Je Tsongkapa im Lam rim chen mo:


    "... dass fühlende Wesen in der Regel für viele Zeitalter in einem der elenden Daseinsbereiche

    Geburt annehmen, da entsprechende schädigend wirkende karmische Potenziale aufgrund leiderzeugender Handlungen im Laufe vieler Existenzen im Geistesstrom angesammelt wurden."


    Dies bezieht sich auch auf den Vergleich Buddhas aus Grundlagen zur Disziplin (vgl. Beitrag #19).

    Im letzten Beitrag ging es um zwei Vergleiche mit denen verdeutlicht wird, dass es schwer ist, ein kostbares Menschenleben mit seinen Freiheiten und Ausstattungen zu finden.


    Aryadeva schreibt dazu in Vierhundert Verse (Catuhsatakasastrakarikanama):

    "Die Menschen halten zum größten Teil

    ganz einseitig an der unedlen Seite fest -

    daher gehen gewöhnliche Wesen gewiss

    größtenteils in elende Bereiche ein."


    "So neigen viele Menschen ... meist einseitig zu den zehn unheilsamen Handlungen und dergleichen - folglich gehen sie dadurch dann auch in die elenden Bereiche ein."

    (Je Tsongkapa, Der Mittlere Stufenweg, München, 2007,S.88)

    Der dritte Aspekt der Erklärungen über das kostbare Menschenleben ist die Kontemplation darüber wie schwierig es ist, ein solches Menschenleben zu erlangen.

    Je Tsongkapa erwähnt zunächst einen Vergleich, den der Buddha in Grundlagen zur Disziplin (Vinaya-vastu) gegeben hat:


    "... das jene, die in einem leidvollen Daseinsbereich sterben und dort erneut eine Geburt annehmen, so zahlreich sind wie die Staubpartikel auf der Erde, während jene, die aus einem elendigen Daseinsbereich heraus in einem der glücklichen Daseinsbereiche Geburt annehmen, so wenige sind wie die Staubpartikel unter einem Fingernagel. Auch die Anzahl derjenigen, die aus beiden Daseinsbereichen kommend in einem der elendigen Daseinsbereiche Geburt annehmen, ist so groß wie die Staubpartikel auf der Erde, während jene, die in glücklichen Daseinsbereichen sterben und dort erneut Geburt annehmen, so wenige sind wie die Staubpartikel unter einem Fingernagel." (Lam rim chen mo, S.141; s. Beitrag #16)


    Ein anderer Vergleich mit dem dargestellt wird, wie schwierig es ist eine menschliche Existenz zu erlangen, besteht darin, dass man die Anzahl der Lebewesen in den anderen Daseinsbereichen mit der Anzahl der Menschen vergleicht.


    Das sind zunächst erst einmal nur Vergleiche mit denen man sich der Fragestellung annähern kann. Es gibt aber auch inhaltliche Begründungen. Die kommen beim nächsten Mal.

    Weiter sagt Aryasura:


    "Jene, die ein menschliches Leben erlangt haben, das aufgrund der Ansammlung von Verdiensten über unzähligen Äonen möglich wurde und angefüllt ist mit heilsamen Potenzialen, die es aber aufgrund von ebenso vorhandenen karmischen Verwirrungen es versäumen, auch nur den kleinsten Schatz an Verdiensten anzuhäufen ..."


    Das zeigt, dass wir auch dann, wenn wir ein kostbares Menschenleben erlangt haben, noch nicht völlig frei sind von Hindernissen für die Praxis.

    Die Beschreibung des Übungspfades beginnt in den Lamrimschriften mit den Erklärungen zum kostbaren Menschenleben. Warum gibt es diese Erklärungen am Anfang?


    Es gibt sie, um sich klar zu machen, welche Umstände und Bedingungen erforderlich sind, um das Dharma lernen und praktizieren zu können.

    Der indische Meister Aryasura sagt hierzu:


    "Durch ein Leben als Mensch können karmisch heilsame Samen erzeugt werden, durch die man jenseits der leidvollen Daseinskreisläufe gelangen kann und die unübertroffenen Samen der glorreichen Erleuchtung sich entfalten können. Das menschliche Leben ist ein Fluss heilsamer Qualitäten, besser als jedes wunscherfüllende Juwel. Wer würde dieses Leben - einmal erreicht - sinnlos vergeuden."

    (Zitiert nach: Tsongkapa, Lam rim chen mo - Die große Darlegung des Stufenweges auf dem Pfad zur Erleuchtung, dharma-university-press.org, Band 1, 2019)

    Zum Thema Wert des kostbaren Menschenlebens noch ein Zitat aus einem Kommentar:


    " Das Beste, was wir tun können, um diesem Leben einen Sinn zu verleihen, ist: den Erleuchtungsgeist [Bodhicitta] entwickeln, die Selbstsucht verringern und diese schließlich ganz aufgeben." (1)


    Der Kommentator zitiert hierzu den tibetischen Meister Khädrup Dshe: "Wenn man über die große Bedeutung des Menschenlebens nachdenkt, ergibt sich automatisch das Gefühl des Verlustes angesichts der sinnlosen Handlungen, die man tut."

    ----------------------------------

    (1)Geshe Thubten Ngawang, Mit allem verbunden, München, 2005, S.51

    Zur Bedeutung des kostbaren Menschenlebens führt Namkha Päl ein weiteres Zitat von Asvagosa an:


    "Menschen, die reich an Heilsamen sind, haben das in zahllosen Zeitaltern erworben. Wenn sie nun in diesem Leben aus Verwirrung nicht zumindest ein wenig des Schatzes an Verdiensten ansammeln, werden sie in zukünftigen Existenzen an Orten voller unverträglicher Leiden wohnen. Sie sind wie Händler, die, zu einer Juweleninsel gelangt, mit leeren Händen nach Hause zurückgekehrt sind.


    Ohne den Weg der Zehn Heilsamen Handlungen wird man das Menschsein später nicht wieder erlangen. Wie könnte ein Glück ohne die Menschenexistenz überhaupt ein Glück sein - es ist Leiden selbst.


    Kein anderer könnte uns in größerem Ausmaß betrügen. Es gibt keine größere Dummheit als diese!"

    In den ausführlicheren Lamrimschriften wird das kostbare Menschenleben anhand von drei Aspekten erklärt. Der erste Aspekt besteht in den Merkmalen des kostbaren Menschenlebens, den acht Freiheiten und zehn Ausstattungen.


    Der zweite Aspekt ist der Wert des kostbaren Menschenlebens. Namkha Päl zitiert in seiner Schrift Sonnenstrahlen der Geistesschulung den indischen Meister Asvagosa:


    "Wer die kostbare Menschenexistenz erlangt hat, hat den Samen gelegt, um den Daseinskreislauf hinter sich zu lassen. Es ist der höchste Same für die wunderbare Erleuchtung. [...] Wer würde da die kostbare Menschenexistenz ohne Ergebnis vorübergehen lassen?"


    Es geht also darum, die Möglichkeiten, die uns ein kostbares Menschenleben bietet zu erkennen, und diese dann auch so gut wir können zu nutzen und sie nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.


    Anders formuliert, es geht darum, dieser Existenz einen Sinn zu verleihen. Es gibt drei Arten, auf der Grundlage des kostbaren Menschenlebens dieser Existenz, die wir jetzt haben, einen Sinn zu verleihen:

    • Durch die Übungen, die einem anfänglichen Praktizierenden entsprechen, erlangt man eine hohe Wiedergeburt als Mensch
    • Durch die Übungen, die einem mittleren Praktizierenden entsprechen, erlangt man die Befreiung aus Samsara und wird zum Arhat
    • Durch die Übungen des Praktizierenden mit höchsten Fähigkeiten erlangt man die Buddhaschaft

    Die Verse in den beiden Eingangsposts beschreiben Übungen eines Praktizierenden mit höchsten Fähigkeiten. Die Lamrim-Übungen beginnen natürlich mit den Übungen und Meditationen eines Praktizierenden mit anfänglichen Fähigkeiten. Ein Praktizierender mit anfänglich Fähigkeiten hat die Motivation, im nächsten Leben wieder eine hohe Wiedergeburt als Mensch zu erlangen.


    Er meditiert über (1) das kostbare Menschenleben, über (2) Tod und Vergänglichkeit, über (3) die Leiden der niederen Daseinsbereiche, sucht (4) Zuflucht bei den drei Juwelen Buddha, Dharma und Sangha und meditiert (5) über das Gesetz von Handlung und Wirkung.


    Zum Thema kostbares Menschenleben schreibt der Panchen Lama Losang Tschökyi Gyältsen nur kurz: "Segne mich, dass ich den tiefsten Gehalt von Muße und Ausstattung erfasse, die nur einmal gefunden werden, schwer zu erlangen sind und schnell vergehen, und dass ich mich nicht durch die bedeutungslosen Beschäftigungen ablenken lasse, die nur auf Ziele in diesem Leben gerichtet sind."


    In der Lamrimschrift "Das Herzstück aller vortrefflichen Lamrim-Lehren" von Gomchen Ngawang Dragpa schlüsselt der Autor das Thema etwas auf und verdeutlich, dass ein kostbares Menschenleben durch zwei Aspekte bestimmt ist: Freiheiten und Reichtum. Die Freiheiten entsprechen der Muße von der der Panchen Lama spricht, und der Reichtum entspricht dem was der Panchen Lama Ausstattungen nennt.


    Gomchen Ngawang Dragpa beschreibt die Freiheiten folgendermaßen: "In einer abgelegenen Region geboren zu sein, nicht im Besitz aller Sinneskräfte, mit verkehrten Ansichten oder dort zu leben, wo es die Lehre des Siegers nicht gibt - dies sind die vier unfreien Situationen der Menschen. Freiheit bedeutet, sich darin nicht zu befinden, noch in dem Bereich langlebiger Götter, noch in den drei Bereichen des elenden Daseins. Zusammen sind es acht Situationen."


    Die Reichtümer unterteilt der Autor in zwei Fünfergruppen: Der Reichtum, der einen selbst betrifft, und den Reichtum, der mit anderen in Verbindung steht.


    Zur ersten Gruppe schreibt der Autor: "Ein Mensch zu sein, in einer zentralen Region geboren und im Besitz aller Sinneskräfte; keine Handlungen begangen zu haben, die unmittelbar ins Elend führen; Vertrauen in die Drei Körbe der Lehre zu haben."


    Zur zweiten Fünfergruppe schreibt der Autor: "Ein Buddha kam; er hat gelehrt, und seine Lehre besteht noch; es gibt diejenige, die ihr folgen und Wesen, die anderen mitfühlende Liebe zeigen."


    Und wie der Panchen Lama schreibt, ist ein solches kostbares Menschenleben nur schwer zu erlangen und es vergeht auch wieder schnell. Deshalb ist es wichtig, das Potenzial eines solchen kostbaren Menschenlebens gut zu nutzen, wenn man es einmal erlangt hat. Der anfänglich Praktizierende nutzt so gut er kann das Potenzial dieses kostbaren Menschenlebens, um in der nächsten Existenz wieder ein Menschenleben zu erreichen, denn er will eine Existenz in den drei niederen Daseinsbereichen vermeiden.

    In den Dharma-Traditionen haben sich ja unterschiedliche Meditationssysteme entwickelt. Im Kontext des Lamrim ist die Kontemplation kein Brainstorming wie Noreply es in Bezug zu Dzogchen erläutert hat.


    Im Kontext des Lamrims ist Kontemplation ein vertiefendes Nachdenken über das was man vorher gelernt hat; sei es durch Lesen der Schriften oder sei es durch Erklärungen der Lehrer / Lehrerinnen.


    Durch das Lernen entsteht eine Weisheit. Diese Weisheit vertieft man durch die Kontemplation und mit der Weisheit, die durch diese Kontemplation entstanden ist, geht man dann in die Meditation. Dadurch entsteht eine noch tiefergehende Weisheit.


    Durch die aufeinander aufbauenden Meditation des Lamrim entwickelt man die Weisheit, die das eigentliche Gegenmittel gegen unsere Unwissenheit ist, die uns an Samsara fesselt.

    Mabli ,


    sowohl die analytische als auch die konzentrative Meditation sind mit begrifflichem Denken verbunden. Bei der analytischen Meditation wird mittels Begriffen ein Meditationsobjekt untersucht. Die konzentrative Meditation ist aber auch auf ein begriffliches Konzept ausgerichtet. Sie hat ein begriffliches Konzept als Objekt. Bei der Meditation über die Gewissheit des Todes ist es ja der Entschluss, Dharma praktizieren zu wollen.


    Auch wenn A.Berzins Vokabular etwas anders ist als das, das ich gewohnt bin, denke ich doch, dass es zutreffend ist. Das was ich im Zusammenhang mit der Meditation über die Gewissheit des Todes als konzentrative Meditation bezeichnet habe und Berzins Begriff der stabilisierenden Meditation widersprechen sich ja nicht. Berzin betont mit stabilisierender Meditation die Funktion der konzentrativen Meditation, nämlich das Meditationsobjekt stabil im Bewusstsein zu verankern. Dazu bedarf es allerdings mehr als nur eine Meditationssitzung.


    Was Bhikshuni Tenzin Metok konzeptlose Wahrnehmung nennt ist meines Erachtens kein philosophisches Konzept, sondern bedeutet nur eine unmittelbare, nicht-begriffliche Wahrnehmung. Das ist allerdings eine Wahrnehmung des geistigen Bewusstseins und nicht der Sinnesbewusstseine.

    Die hauptsächlichen Meditationen sind auch im tibetischen Buddhismus die analytische und konzentrative Meditation wie wir sie auch aus dem indischen Buddhismus kennen.

    Die analytische Meditation kannte ich bis jetzt eher als Kontemplation. Shamata und Vypashyana fallen dann beide unter konzentrative Meditation nehme ich an, oder ? Gerade hier im Westen bei den säkularen Meditationsangeboten spielt Kontemplation meiner Erfahrung nach in der Regel eine untergeordnete Rolle, wenn sie denn überhaupt eine Rolle spielt. Beim Lamrim scheint sie sehr zentral zu sein. Wird dann die konzentrative Mediation in der Regel vor der analytischen Meditation als Vorbereitung gemacht oder anders herum?

    Die Kontemplation ist eine Stufe vor der Meditation. In indo-tibetischen Buddhismus wird der Lernprozess meist in drei Schritte eingeteilt: (1) Hören, Lernen, Studieren; (2) Kontemplation und (3) Meditation. Der erste Schritt dient dazu, erst einmal etwas zu lernen, zu verstehen. Der zweite Schritt stellt ein vertieftes Nachdenken über das Gelernte dar. Es ist also noch mit begrifflich-analytischen Denken verbunden. Die Meditation dient dann als dritter Schritt dazu, das Gelernte zu vertiefen, zu verinnerlichen. Es geht dabei darum, es vom Kopf ins Herz rutschen zu lassen, so dass man die meditierten Inhalte stets präsent hat.


    Samatha ist eine konzentrative Meditation, die zu geistiger Ruhe führt, während Vipasyana eine analytische Meditation ist, bei der es um die Vertiefung der Einsicht geht.


    Samatha und Vipasyana wird im Kontext des Lamrim - zumindest in der Gelug-Tradition nach Je Tsongkapa - getrennt voneinander geübt. Entweder man übt Samatha oder Vipasyana in einer Meditationssitzung, aber nicht beide nacheinander in einer Meditationssitzung. Erst wenn man sowohl Samatha als auch Vipasyana verwirklicht hat, werden sie miteinander verbunden.


    Aber bei den Meditationen, die man auf den einzelnen Stufen des Lamrim durchführt, kann man in einer Meditationssitzung sowohl konzentrative als auch analytische Meditationen durchführen.


    Nehmen wir als Beispiel die Meditation über Tod und Vergänglichkeit:

    (1) Zu Beginn der Meditation kann man zunächst eine Atembetrachtung durchführen. Sie ist eine Art von konzentrativer Meditation, die dazu dient, den flatterhaften Geist zu beruhigen, indem man sich auf die Atemzüge konzentriert.

    (2) Dann führt man eine analytischen Meditation durch indem man sich mit verschiedenen Argumenten die Gewissheit des eigenen Todes verdeutlich, Rein intellektuell wissen wir, dass wir irgendwann sterben werden, aber hier geht es darum, dies tief zu verinnerlichen, so dass wir diese Gewissheit des Todes stets präsent haben. Am Ende dieser analytischen Meditation fassen wir den Entschluss, dass es notwendig ist, den Dharma zu praktizieren.

    (3) Nun kann man sich auf diesen Entschluss konzentrieren ohne weiter zu analysieren und den eigenen Geist mit diesem Entschluss verbinden. Dies wäre dann wiederum eine konzentrative Meditation.


    So kann man zum Beispiel in einer Meditationssitzung nacheinander, abwechselnd sowohl konzentrative als auch analytische Meditationen durchführen. Diese beiden Meditationsarten verstärken sich gegenseitig.

    Mabli ,


    so wie wir aus dem indischen Buddhismus die Einteilung in die höheren Schulungen der Ethik, Konzentration und Weisheit kennen, so hat sich im Rahmen der zweiten Übertragung des Dharma von Indien nach Tibet die ebenfalls dreiteilige Strukturierung der Dharma in Form des Lamrim entwickelt; allerdings ist die Perspektive etwas anders. Die Perspektive geht von den Fähigkeiten und Zielsetzungen der Praktizierenden aus.


    Man unterscheidet zwischen Praktizierenden mit anfänglichen, mittleren und höchsten Fähigkeiten. Der anfänglich Praktizierende ist jemand, der eine hohe Wiedergeburt als Mensch in der nächsten Existenz anstrebt. Der mittlere Praktizierende ist jemand, der die Befreiung aus Samsara anstrebt, also ein Arhat werden will. Der höchste Praktizierende ist jemand, der den Bodhisattvapfad verwirklichen will, um Buddhaschaft zu erlangen. Entsprechend dieser Zielsetzungen werden die Übungen den Praktizierenden zugeordnet.


    Ein anfänglich Praktizierender zum Beispiel meditiert über das kostbare Menschenleben, Tod und Vergänglichkeit, die Leiden der niederen Daseinsbereiche, Zuflucht zu den drei Juwelen und das Gesetz von Handlung und Wirkung.


    Inhaltlich unterscheidet sich der tibetische Buddhismus kaum vom indischen Buddhismus. Seine Quellen sind Sutras des Sanskritkanons sowie Schriften / Kommentare von indischen Meistern wie Vasubandhu, Asanga, Dharmakirti, Nagarjuna, Candrakirti, Santideva oder Kamalashila; um nur einige zu nennen.


    Die hauptsächlichen Meditationen sind auch im tibetischen Buddhismus die analytische und konzentrative Meditation wie wir sie auch aus dem indischen Buddhismus kennen. Spezifische Unterschiede ergeben sich erst, wenn man sich tiefer mit den vier Hauptlehren des tibetischen Buddhismus beschäftigt.


    Nach dieser langen Vorrede nun zu deiner Frage nach Literatur. Es sind inzwischen schon viele Lamrimtexte ins Deutsche übersetzt worden. Ich persönliche bevorzuge die Lamrimschriften Dshe Tsongkapas.


    Für einen Einstieg ist meiner Meinung nach folgendes Buch besser geeignet: Dagyap Rinpoche, Achtsamkeit und Versenkung, München, 2001, ISBN 3-7205-2264-4.


    Hilfreich finde auch: Die Struktur des Lamrim - Ein Arbeitsheft, zusammengestellt von C. Weishaar-Günter und R. Leisner. Erhältlich ist es im Tibethaus Frankfurt.


    Dagyab Rinpoche ist der spirituelle Leiter des Tibethauses Frankfurt.