Ja, das leuchtet mir schon ein, dass der Lamrim als eine systematisierte Form der Lehre seine Vorteile hat. Wenn die Menschen im Westen verschiedene Versatzstücke der Lehre hier und dort mitbekommen, aber nicht wissen wie sie im gesamten Lehrgebäude einzuordnen sind, dann bringt das sicher Probleme mit sich. Mir ging es ja ähnlich mit der Tonglen Meditation. Als ich dann erfahren habe, dass sie im Stufenweg eher am Ende steht und für sehr fortgeschrittene Praktizierende vorgesehen ist, hatte ich eine andere Perspektive auf diese Praxis und habe mich weniger unter der Druck gesetzt.
Ich mache mal einen gewagten Vergleich. In der Schule gibt es in Mathematik einen Lehrplan, der vorsieht, dass bestimmte Themen in einer bestimmten Reihenfolge durchgearbeitet werden. Erst die Grundrechenarten, dann Flächenberechnung und dann der Satz des Pythagoras. Das ist als Lehrgebäude mit verschiedenen Ebenen / Plateaus mit Exposition von neuen Themen, Übungsphasen und Wiederholungen so festgelegt. Jetzt kommen aber die Reformpädagogen und sagen, ich mache schon in der fünften Klasse eine Unterrichtseinheit, in der die Kinder sich forschend mit dem Satz des Pythagoras auseinandersetzen. Das kann für einige Kinder das Verständnis für Geometrie vertiefen und ihre Begeisterung für Mathematik wecken. Aber die Lehrer, die nach dem Lehrplan vorgehen, schlagen wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammen und sagen, das könne man auf keinen Fall machen.