Posts from Amdap in thread „Meditierende sind wie Löwen“

    Ich fühle mich beim Meditieren meist eher wie ein Schaf...

    Haha, das geht mir ganz genau so! Schon lange hat es keiner mehr so für mich auf den Punkt gebracht wie Du hier.


    Allerdings: ein echter Herzblut-Schäfer würde nichts auf seine Schafe kommen lassen. Es sind für ihn die klügsten Wesen der Welt.

    Bei uns gibt es viele Schafe. Deich-Schafe. Und inzwischen viele Wölfe, die haben einen reich gedeckten Tisch. Der Fall, als vor ein paar Wochen über 50 Schafe auf einmal gerissen wurden, ist mindestens in ganz Deutschland bekannt geworden.


    Jedoch kann man beim Meditieren auch leicht zum Wolf im Schafspelz werden.

    Seid achtsam!

    Damals hatte man nicht den Vergleich, wie man es heute mit der modernen Arbeitswelt und entsprechendem Stress zu tun hat. Die Mühle, in der man sich im Arbeitsleben teilweise befindet, scheint mir viel heftiger als früher. Ich kann mich auch erinnern, dass die Menschen sich um einen gewissen Grad gemächlicher bewegten, als ich noch ein Kind war. Den Beweis liefern alte Filme, die das Arbeitsleben zeigen. Ich habe auch ein Foto, als mein Vater (Jahrgang 1909) noch relativ jung war. Als Maschinenbauer arbeitete er im zweiten Weltkrieg in einer Munitionsfabrik (heute ein verfallenes Gelände). Er und seine Kollegen haben sich aufgebaut hinter einem im Vordergrund erkennbaren Tisch, worauf eine lange Reihe von Granaten liegen.

    Aber es geht mir jetzt nicht um die Munition, das nur nebenbei. Vielmehr erstaunlich ist, wie die Männer alle gutgelaunt beieinander stehen und fast jeder eine Pfeife in der Hand hat, auch mein Vater. Sie haben also während der Arbeit Pfeife geraucht, was darauf schließen lässt, dass sie sich während der Arbeit sehr gemütlich fühlten. Nach heutigem Ermessen fast schockierend. Sowas ist heute völlig ausgeschlossen!

    Ich selbst habe als Med.-Techn.-Assistentin im Krankenhauslabor gearbeitet, man musste uneingeschränkt die vorgeschriebenen Diensteinsätze mitmachen. Das heißt, in unregelmäßiger Reihenfolge auch Nachtdienste absolvieren, ganz anders als bei den Schichten in der Pflege auf einer Krankenstation. Das war extrem stressig, ganz extrem.

    Dazu hatte ich noch eine zunehmend demente Mutter.

    Insgesamt fühlte ich mich psychisch gefoltert und körperlich relativ angeschlagen, es war eine Tretmühle, aus der ich nicht richtig herauskam; trotzdem wollte ich meditieren, bis es gar nicht mehr ging und ich das vor sieben Jahren aufgab. Im Nachhinein gesehen, war Meditation für mich eher eine ebenso stressige Pflichtübung. Das habe ich damals aber nicht richtig erkannt.


    Heute bin ich froh, nicht mehr zu meditieren, obwohl mein gesamtes Umfeld und mein Tagesablauf dafür günstiger denn je wären.

    Nein, vielmehr wende ich mich dem Leben zu und bin viel aufmerksamer geworden. Ich kann mich viel besser konzentrieren und habe ein erstaunlich gutes Gedächtnis entwickelt, obwohl ich bald auf die 70 zugehe. Ich bin total entspannt, kann sehr gut schlafen und mich sogar an meine Träume erinnern, was ich für sehr wertvoll halte.

    Ich bin keine echte Meditierende, ganz im Gegenteil, sondern erst jetzt, nach Aufgabe der Meditation, zum Löwen geworden. Jeder hat zwar eine Schwäche, dem er/sie hinterherjagt, egal ob es nun eine Sammelleidenschaft, ein hartnäckiger Tick oder eine Schwäche für Schokolade ist. Auch ich habe das, und ich habe noch keinen Menschen gesehen, der das nicht hat, egal, ob der nun meditiert oder nicht. Also, in gewisser Weise sind wir alle Hunde, die einem Stöckchen mehr oder weniger nachjagen.

    Man sollte die Meditation nicht überbewerten. Und man sollte die Menschen nicht einteilen in Meditierende und Nicht-Meditierende. Denn wenn wir solches tun, werden wir unweigerlich - nach einer Bemerkung Albert Einsteins - zu Menschen mit einem Horizont mit Radius Null, den sie dann auch noch ihren Standpunkt nennen.


    Die Aussage Milarepas war sicherlich sehr sinnvoll zu seiner Zeit.

    Aber es waren ganz andere Zeiten.

    Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, sich aufmerksam dem Leben zuzuwenden. Wenn man sich feste Zeiten einplant, in denen man sich auf ein Kissen setzt, um zu meditieren, kann es schnell passieren, dass man unterscheidet zwischen der Meditationszeit und dem restlichen Leben*). Aber da gibt es keinen Unterschied. So, wie man meditiert, so lebt man, und wie man lebt, so meditiert man.

    Dass es da aber keinen Unterschied gibt, das merken die Meisten nicht.

    Da muss man wohl erstmal eine lange Auszeit von der Meditation leben.

    Aber für mich ist es keine Auszeit, sondern eine Haltung für immer, für den Rest meines Lebens.



    *) Daraus (aus künstlichen Unterscheidungen und Einteilungen) können sich manchmal die schlimmsten Folgen entwickeln, wie z. B. die unfassbare Kluft zwischen Palästinensern und Israelis. Es gibt da auch Ansätze, aufeinander zuzugehen, wie etwa die Bildung eines gemeinsamen Orchesters West-Eastern Divan Orchestra – Wikipedia . Aber dazu war und ist Meditation nicht zwingend erforderlich. Für niemanden und für keine Herausforderung ist sie das. Das bilden wir uns nur ein.