Posts from mukti in thread „Die Gelassenheit und die Ignoranz des Buddhismus“


    Da gibt es noch eine weitere Angst:


    Zitat

    Das glaube mir – so sagte er –

    Die Welt ist mir zuwider,

    Und wenn die Grübelei nicht wär,

    So schöß ich mich darnieder.

    Was aber wird nach diesem Knall

    Sich späterhin begeben?

    Warum ist mir mein Todesfall

    So eklig wie mein Leben?

    Mir wäre doch, potzsapperlot,

    Der ganze Spaß verdorben,

    Wenn man am Ende gar nicht tot,

    Nachdem daß man gestorben.

    Wilhelm Busch


    Di Mello hat mal sinngemäß geschrieben: Eigentlich sollte ich meine psychotherapeutische Praxis komplett aufgeben. [Im Gegensatz zu seiner buddhistischen Lehrtätigkeit] Die meisten Menschen möchten Linderung, keine Lösung. Durch die Linderung, die ich ihnen biete, verlängere ich ihre Leiden nur unnötig.

    Das kann wohl nicht bedeuten, dass man keine Linderung anbieten sollte, wenn das jemand will, wie auch bei einer körperlichen Krankheit oder einem Unfall. Man lässt ja z.B. auch nicht jemand mit gebrochenen Beinen im Straßengraben liegen, weil das Dasein nun mal mit Leiden verbunden ist und die Leiden nur verlängert werden wenn man sein Leben rettet.

    Nur wer alle Leiden endgültig beenden will, geht den buddhistischen Weg. Wenn jemand seine therapeutische Praxis aufgibt um nur für solche Fälle da zu sein, ist das aber auch nicht falsch.


    Ich suche regelmäßig einen Therapeuten auf, der zugleich Buddhist und Meditationslehrer ist. Dabei geht es immer nur um die buddhistische, endgültige Lösung. Nebenbei werden aber auch psychische Probleme gelöst, die Hindernisse sind auf dem Weg, der mit einem gesunden Geist sicher besser begangen werden kann.

    Das ist verwirrend für mich. Vielleicht hilft die Klärung dieses essentiellen Satzes, zitiere im Singular: "Das Ich ist eine abhängige Benennung mit der ich mich auf mich selber als Person beziehe, wenn ich z.B. sage Ich tue dies oder jenes." Eine abhängige Benennung bezieht sich auf sich selber als eine Person?

    Das Ich ist die Erfahrung "Ich bin". Die Frage was das Ich ist hängt demnach zusammen mit der Frage was eine Erfahrung ist. Sie besteht aus etwas das erfährt und etwas das erfahren wird. "Ich bin" ist etwas das erfahren wird, was ist dasjenige, das "Ich bin" erfährt? Wenn es das Ich ist, dann ist es zugleich das was erfährt und das was erfahren wird, es erfährt sich selber. Dann wäre es aber ein unabhängiges, eigenständiges Phänomen, was du verneinst. Wenn dasjenige das erfährt nicht das Ich ist, dann ist das Ich kein Erfahrender. Wie kann man sich dann, wie du sagst, deutlich machen dass das Ich ein Erfahrender ist?

    Nun man kann sich auf verschiedene Weise erklären was das Ich ist, oder man kann sich das direkt anschauen - was bin ich? Da scheint es mir nur möglich herauszufinden was man nicht ist. Was dann noch bleibt wenn das völlig durchschaut ist, lässt sich wohl begrifflich nicht mehr erfassen.


    Zitat

    Der Tathāgata ist von der Begrifflichkeit der Gestaltungen befreit, Vaccha, er ist tiefgründig, unermeßlich, schwer zu ergründen wie der Ozean.

    M.72

    Mit Leerheit unmittelbar wahrnehmen meine ich weder sehen, hören, riechen, tasten, schmecken noch denken. Es ist ein Wechsel im Bewusstsein.

    ...

    Ja, das ist mir schon klar. So ein direktes Bewusstsein der Leerheit ist bei mir noch nicht eingetreten, höchstens kleine Annäherungen. Ob das überhaupt zeitweilig möglich ist weiß ich nicht und verstehe es als das Ziel, gleichbedeutend mit Nibbana. Zeitweiliges Samadhi ist möglich, aber wenn einmal die Verblendung vollkommen erloschen ist (Leerheit) entsteht sie nie wieder. Soweit ich das nach dem Theravada verstehe, von Zen habe ich keine Ahnung.

    So ein Vexierbild ist Form und Farbe, die Vorstellung lässt eine Vase oder Gesichter erscheinen. Wenn ich die Leerheit wahrnehme dann nicht unmittelbar, sondern als eine Vorstellung.

    Das soll keine Beurteilung deiner Wahrnehmung sein, bei mir ist es so.

    Das Ich ist nicht materiell, weil es keine Form und keine Farbe hat. Deshalb kann es nicht mit dem Körper identisch sein.

    Identisch nicht, aber braucht es nicht den Körper dazu?

    Das ist wohl die eigentliche Frage

    Das Ich ist wohl immer eine Identifikation - Dieses bin Ich. "Ich bin Körper/Geist" ist die Grundlage auf der alle möglichen Identitäten entstehen: Ich bin dick oder dünn, groß oder klein, gebildet oder ungebildet, Straßenkehrer, Politiker, Vater, Tochter, Sanguiniker, Choleriker, usw. Manche Identitäten sind nur kurz:, z.B. eben war ich schlecht gelaunt, jetzt bin ich fröhlich.

    Also das Ich ist nicht die Skandhas und nicht außerhalb davon, aber es existiert abhängig von den Skandhas. Was ist das nun, das da abhängig von den Skandhas existiert? Eine Benennung ist ja auch eine Funktion der Skandhas, ein Begriff, etwas als ein Ich begreifen. Das dürfe nicht nur auf der Grundlage der Skandhas geschehen, das Begreifen selber ist ein Faktor des Daseins.


    In einem Traum nimmt man z.B. eine Person wahr, die physisch nicht vorhanden ist. Im Geist ist sie aber vorhanden und man hinterfragt nicht ob sie da ist oder nicht, während des Traumes ist sie eine Realität. Wenn man nun dahinterkommt dass man soeben träumt, ist die Person noch da, aber man weiß jetzt dass sie vom Geist projiziert ist. Ebenso weiß ein Erwachter, dass das Ich nur ein geistiges Gebilde ist. Auf diese Art erkläre ich mir das.


    Lässt sich das Ich als Objekt betrachten? Wenn man es vor sich hinstellt und betrachtet, ist es ja im Betrachter selber und nicht im betrachteten Objekt. Mir scheint aber das was betrachtet ist kein Ich sondern das was alles erfährt, eine Bezeichnung dafür ist "Bewusstsein". Das Ich-Bewusstsein ist vergleichbar mit der Realität eines Traumes, mit dem Erwachen wird bewusst wie sie zustande gekommen ist.

    Meine bescheidene Meinung ist, dass sich die Leerheit nicht unmittelbar wahrnehmen lässt, ohne den gesamten achtfachen Pfad zu erfüllen. Nicht weil es ein Dogma wäre, aber ohne die Voraussetzungen dieser Sittlichkeit, Weisheit und Sammlung kann diese unmittelbare Wahrnehmung nicht entstehen. Ein Pfad hat einen Anfang und ein Ende, selbst wenn man denkt diese unmittelbare Wahrnehmung würde sich so schnell einstellen wie man einen Lichtschalter anknipst, ist es eine Voraussetzung den Schalter zu betätigen. Also wenn es bei jemandem so schnell geht, kann ich nur gratulieren.

    Aber du kannst dein Selbstbewusstsein einfach „wegdenken“?
    Das gibt es nicht?

    Was meinst du mit "mein Selbstbewusstsein"? Wer ist dieser "mein", der denkt er habe ein Selbstbewusstsein oder er habe keines?

    Selbst-Bewusstsein, Ich-Bewusstsein. Aber das war dir ja sowieso klar, was ich meinte.

    War mir nicht klar. Ich-Bewusstsein bedeutet "Ich bin", wenn ich denke dass ich nicht bin, höre ich deshalb nicht auf zu existieren. Ich kann nur bestimmte Vorstellungen von mir wegdenken, aber nicht die Grund-Erfahrung dass ich existiere.

    Wenn ich nicht Körper/Geist bin, dann ist es nur ein Glaube das zu sein, ein Gefühl, eine Vorstellung, eine Gestaltung. Erwachen bedeutet, darüber vollkommen bewusst zu sein. Würdest du dem zustimmen?

    Die Ansicht, das Ich ist identisch mit den Skandhas, ist eine verkehrte Ansicht, also eine Ansicht, die nicht mit der Realität übereinstimmt. Sie ist sogar ein Aspekt der Unwissenheit, der Wurzel des Samsaras. Das Erwachen, die Befreiung aus Samsara, bedeutet, dass die Unwissenheit und damit die Ansicht, das Ich sei identisch mit den Skandhas, überwunden ist.


    Um dies zu erreichen, reicht eine bewusste begriffliche Einsicht aber nicht aus.

    Meinst du das Ich ist nicht identisch mit irgendeinem Teil der Skandhas? Was ist es dann?

    Es ist auch eine Bezeichnung, aber ist es nicht noch mehr als das?

    mukti, ohne diese Bezeichnung wären wir nicht imstande, hier zu kommunizieren.

    Das ist wahr, aber nur weil wir darüber reden erwachen wir noch nicht.


    Ich denke, es kommt darauf an, wie man den Begriff "Erwachen" definieren sollte.
    Einen kleinen Scherz (oder nicht?) würde ich mir nicht verkneifen, so sagt dazu Fred von Allmen:


    Zitat

    Erwachen in einem buddhistischen Sinn bedeutet, mehr und mehr zu verstehen, wie unser Geist funktioniert. Das ist kein Flash, sondern ein kontinuierliches Erkennen und ein Verstehenlernen, wie wir uns das eigene Leiden selber erschaffen. Das geschieht innerhalb von dicht verwobenen Gewohnheiten, und die lassen sich nicht abstellen, bloss weil wir sie erkennen.

    Sehe ich auch so, die Gewohnheiten lassen sich nicht abstellen, bloss weil wir sie erkennen. Auf der Ebene der Bezeichnungen kann man den Buddhismus studieren ohne dass sich im eigenen Leben was ändert. Wenn man erkennt 'was ich da gerade mache fördert nicht das Erwachen', ist das schon viel besser und wenn man dann noch die Fähigkeit entwickelt damit aufzuhören und nur mehr heilsam zu handeln, beginnen sich die Geistestrübungen tatsächlich zu lichten bis die Wirklichkeit bewusst wird anstatt nur eine Idee oder logische Schlussfolgerung im Kopf zu sein.

    Es ist auch eine Bezeichnung, aber ist es nicht noch mehr als das? Es setzt ja nicht das Erwachen ein, indem man die Bezeichnung weglässt, einen Namen oder das Wort "Ich". "ich bin Körper/Geist", das ist auch nicht nur ein Gedanke. Man mag denken dass man das nicht ist, aber das löscht die existentielle Ich-Erfahrung nicht aus, die Triebe und Anhaftung. Es beginnt mit der Analyse und dem Verstehen und wird erst zu einer Erfahrung der Wirklichkeit wenn der achtfache Pfad erfolgreich beendet ist, soweit ich das sehe.

    Der Buddha sagt für alles Körperliche und Geistige gilt der Wirklichkeit gemäß "das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst". Das Ich existiert nicht aus sich selbst heraus ...

    Damit verneint der Buddha, unsere gewöhnliche, alltägliche, unreflektierte Auffassung von unserem Ich an die wir stark gewöhnt sind.


    Mit dieser Verneinung sagt Buddha aber nicht, dass es kein Ich gibt. Es gibt kein Ich, dass aus sich selbst heraus existiert, aufgrund eines innewohnenden Wesenskerns. Es gibt aber ein Ich. Buddha Sakyamuni hat dieses Wort ja auf sich selbst angewandt. Dieses Ich existiert aber nur als abhängige Benennung; in Abhängigkeit von den fünf Skandhas sprechen wir von einem Ich, fassen wir ein Ich auf.

    Wenn ich nicht Körper/Geist bin, dann ist es nur ein Glaube das zu sein, ein Gefühl, eine Vorstellung, eine Gestaltung. Erwachen bedeutet, darüber vollkommen bewusst zu sein. Würdest du dem zustimmen?

    Der Buddha sagt für alles Körperliche und Geistige gilt der Wirklichkeit gemäß "das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das ist nicht mein Selbst". Das Ich existiert nicht aus sich selbst heraus sondern man hat das Gefühl Körper und Geist zu sein. Die körperlichen und geistigen Phänomene erscheinen im Bewusstsein und der mit Verblendung verbundene Daseinsdurst greift darauf zu: 'Das bin ich'.


    Das ist ein sehr tiefgründiges Thema das mit der ganzen Lehre zusammenhängt und erst mit dem vollkommenen Erwachen ganz klar wird. Da haben wohl alle einen individuellen Zugang dazu und ein bestimmtes Verständnis davon.


    Vermutlich habe ich es schon geschrieben, hat man früher diskutiert oder debattiert, gibt es jetzt häufig so eine Polarisierung, dass zwei verschiedene Standpunkte so trennen, dass Hass entsteht.

    Da fehlt es wohl wieder an Gelassenheit, das Zulassen anderer Meinungen. Das ist überhaupt eine Quelle der Leiden, dass man die Dinge anders haben will als sie sind. Die Welt ist aber wie sie ist und nicht so wie wir sie gerne hätten.


    Alles ist mit Dukkha verbunden, wir wollen uns aber eine künstliche Insel des Glücks schaffen, mit Mauern drumherum wo nichts und niemand eindringen darf. Aber wie sehr wir unser Plätzchen auch verteidigen, Dukkha ist bereits darin und wir sind machtlos gegen das Naturgesetz der Vergänglichkeit und des ständigen Wandels. Nicht einmal unser allerwertestes Ich bleibt so wie wir es wollen, einmal sind wir stark, dann hilflos, einmal glücklich, dann unglücklich, alles ist instabil und unsicher.


    Hat man endgültig genug davon beginnt man loszulassen, alles sein zu lassen wie es ist. Man findet Ruhe indem man die Welt in Ruhe lässt, sich selber und andere nicht mehr mit Begehren, Hass und dünkelhaften Vorstellungen quält und allen Wesen mit Güte und Wohlwollen begegnet.

    mukti

    Unsere Kultur wird rasch verschwinden, es ist Endzeit - Punkt. Du wirst es viel rascher erleben als du es glaubst. Wobei ich damit nicht provozieren will, ich denke wirklich so, vor allem bei dem Wahnsinn der jeden Tag geschieht, nur eine Frage der Zeit, außerdem hätte Buddha das Wort Unwissenheit nicht besser definieren können als für die Vorgänge in der heutigen Welt.

    Eine Endzeit wird kommen, wann das auch immer sein wird. Wir werden alle sterben und alles andere wird ebenfalls untergehen. Manches besteht lange Zeit, manches kurz, aber alles vergeht.

    Das Leben ist stets bedroht, in diesem und jedem Moment sterben viele Menschen die nicht damit gerechnet haben, vielleicht kann ich nicht einmal diesen Satz zu Ende schreiben. Na hat ja geklappt, wie lange noch weiß ich nicht. Wie lange es noch die Menschheit gibt weiß ich auch nicht, jederzeit können Menschen oder Naturereignisse alles Leben auslöschen, oder vielleicht besteht es noch so lange wie dieser Planet.


    Bei bestimmten individuellen oder globalen Anomalien entsteht Todesangst - 'mit mir oder mit der ganzen Welt könnte es bald vorbei sein'. Vielleicht kann aber der Patient durch Anpassung oder Gesundung noch lange weiterleben und der vermeintliche Weltuntergang ist auch schon oft prophezeit worden.


    Gegen die Vergänglichkeit können wir nichts machen, aber das beste Mittel gegen die Angst ist meines Erachtens tiefe Einsicht in die drei Daseinsmerkmale Dukkha, Anicca und Anatta. Im Unbeständigen ist kein beständiges Glück zu finden, aber durch das Beenden der Verblendung lässt sich innerer Frieden finden.