Hallo zusammen
Heute fand ich passend dazu folgenden Artikel in der NZZ:
Licht trat aus seiner Brust und erfüllte den ganzen Raum – ein italienischer Physiker glaubt, nach dem Tod sei nicht alles zu Ende
Federico Faggin war an der Erfindung des Personalcomputers beteiligt. Eines Nachts hatte er ein tiefgreifendes Erlebnis. Heute erforscht er das Bewusstsein, das für ihn realer ist als die Materie
Es gibt eigentlich nichts, was Federico Faggin aus der Ruhe bringt. Doch nun klingt seine Stimme scharf. «Siamo folli?», fragt er: Sind wir denn komplett verrückt geworden? Unser online geführtes Gespräch dreht sich gerade um die klassische Wissenschaft, in der das Gehirn dafür verantwortlich gemacht wird, dass es Bewusstsein gibt. «Absoluter Blödsinn», findet der 83-Jährige. «Wie schafft es Materie, die ja frei von Bewusstsein ist, Bewusstsein zu erschaffen? Unmöglich!»
Bald lächelt der Mann mit der randlosen Brille und dem sonnengebräunten Teint wieder Buddha-gleich. Denn der Physiker hat eines der grössten Rätsel der Menschheit gelöst, zumindest für sich. Nicht einmal die Huhn-oder-Ei-Frage interessiert ihn, denn: Das Bewusstsein war zuerst da! Aus diesem unsichtbaren wie unfassbaren «Stoff» heraus wird alles Weitere erschaffen, was sich unseren Augen zeigt: Berge, Seen, die Welt, das ganze Universum. Faggin ist zu diesem Schluss gekommen, nachdem er in den Weihnachtsferien 1990 ein tiefgreifendes Erlebnis hatte, das er als «Erwachen» bezeichnet.
Federico Faggin zählt zu den bedeutenden Erfindern unserer Zeit. Er hat für die kalifornische Tech-Firma Intel den Mikroprozessor entwickelt, der den Bau des modernen Personalcomputers ermöglichte. Auch der Touchscreen geht auf Faggins Konto. Als Erster arbeitete er an neuronalen Netzwerken, die heute die Basis von künstlicher Intelligenz bilden. Bill Gates hat gesagt, dass das Silicon Valley ohne Faggin ein Tal mit Blumenwiesen geblieben wäre. Als Barack Obama US-Präsident war, zeichnete er Faggin mit dem Orden für Technologie und Innovation aus.
«Ich war der Beobachter und das Beobachtete zugleich»
Faggin stammt aus einer reichen Familie in Vicenza. Gegen den Willen seines Vaters, eines renommierten Philosophieprofessors, machte er eine technische Ausbildung als Physiker. Bereits mit 18 entwickelte er neuartige Rechner für Olivetti. Nach einer steilen Karriere bei Intel gründete er sein eigenes Unternehmen.
Doch richtig glücklich war er nicht, ohne den Grund zu kennen. Irgendwann habe er auf den Tisch gehauen, so erzählt er, und sich gesagt: «Ich muss verstehen, warum dem so ist.»
Kurz darauf war Faggin mit seiner Familie in den Skiferien in Lake Tahoe. Während er eines Nachts wach im Bett lag, nahm er plötzlich ein weiss glitzerndes Lichtbündel wahr. «Es war eine enorm kraftvolle, reelle Energie, die aus meinem Körper trat. Nichts davon war eingebildet», erinnert er sich.
Danach sei die Energie explodiert und habe sich im Raum ausgebreitet. «Mein Bewusstsein ruhte nun auch in diesem schillernden Licht, das sich enorm gut anfühlte», sagt er. Er beschreibt es als potente Mischung aus «Liebe, Freude und Frieden». Seine Aufmerksamkeit habe sowohl im als auch ausserhalb des Körpers geruht: «Ich war der Beobachter und das Beobachtete zugleich.» Er war sich sicher, dass dieses Licht der höchst authentische Ausdruck dessen sei, was ihn ausmache. Mehr noch: «Mir wurde klar, dass es diese Substanz ist, aus der alles, was in diesem Universum existiert, erschaffen ist.» In einem Wort: Bewusstsein.
Wer Faggin zuhört, könnte versucht sein, ihn als Esoteriker abzutun, als Schwurbler und Spinner. Doch wenn seine Interpretation des Erlebnisses zutrifft, würde unsere Auffassung von «Realität» infrage gestellt. In Faggins Konzept ist der Körper dem Bewusstsein untergeordnet. Wenn wir alt werden und sterben, würde das nicht das Ende bedeuten. Faggin sagt: «Für das, was wir wirklich sind, ist der Tod lediglich ein Aufwachen in eine umfassendere Realität. Eine Realität, in der wir uns immer schon befunden haben und in der wir nach dem Tod fortbestehen.»
Wie kann er sicher sein, dass er in jener Nacht keiner Halluzination aufsass? Solche direkten Erfahrungen trügen den Beweis in sich, sagt er. «Es ist reales Empfinden, wie wenn man etwas isst und dabei die Konsistenz und den Geschmack wahrnimmt.»
Von Immanuel Kant bis Apostel Paulus
Bis Faggin das Erlebte für sich einordnen und es wissenschaftlich abstützen konnte, verging viel Zeit. Er begann sein Innenleben zu sezieren, lernte zu meditieren, studierte mystische Traditionen, befasste sich mit Immanuel Kant und Gottfried Wilhelm Leibniz, las die Schriften von Giordano Bruno oder dem Apostel Paulus. Gemeinsam mit dem italienischen Quantenphysiker Giacomo Mauro D’Ariano entwickelte er schliesslich ein neues physikalisches Modell der Wirklichkeit, in dem das Bewusstsein – und eben nicht die Materie – das fundamentale Prinzip der Realität ist und an der Basis jeder Form von Leben steht.
Dabei geht es vor allem darum, innere Prozesse fassbar zu machen. Es ist diese Verbindung zwischen «Innen» und «Aussen», zwischen Gefühlen und Alltagswelt, zwischen Spiritualität und Wissenschaft, die den Italiener interessiert und worüber er gerade ein Buch geschrieben hat.
Für die klassische Wissenschaft ist das Gehirn der Ort, an dem Bewusstsein erzeugt wird. Faggin dagegen geht in seiner Theorie von der Annahme aus, dass das Bewusstsein und der freie Wille unabhängig davon sind und als Grundvoraussetzung von Anfang an präsent sein müssen. Allein schon deshalb, weil sie auf keine Weise erklärt werden können. Wir Menschen kommen also mit diesen beiden Instrumenten zur Welt – und zwar mit dem Zweck, «durch einen Prozess der Selbst-Erkenntnis uns selbst erkennen zu können». Solange das Geheimnis der eigenen Existenz nicht gelüftet sei, bleibe ein Gefühl der Unzufriedenheit bestehen.
Das tut es für ihn. Das Problem an Faggins Theorie ist nur, dass sie sich nicht beweisen lässt. Deshalb will er weitere Experimente durchführen: «Wenn wir zeigen könnten, dass eine Pflanze über ein Bewusstsein verfügt, widerlegen wir sämtliche Theorien, die besagen, dass Bewusstsein an ein Hirn gekoppelt ist», sagt er. Denn Pflanzen haben kein Gehirn. Wie er das herausfinden will, sagt er nicht.