Hallo Amdap -
meine Frage ging einfach in die Richtung "Wenn noch dieser [Mißbrauchs-] Sache ein Vorspiegeln eines tantrischen Kontextes hinzugefügt gewesen sein sollte(...)" - und ich möchte aber nur aufgrund unser hiesigen Konversation nicht einfach in Tatsachenannahmen hineinrutschen. Meine Frage sollte natürlich das Faß nicht noch weiter aufreißen und ich kann mich hier gerne wieder zurücknehmen...
Ich kann mir vorstellen, dass es Protest hervorruft, wenn ich hier sage, dass ich von dem Vorspiegeln eines tantrischen Kontextes überzeugt bin.
Schließlich bin ich ja nicht dabeigewesen. Aber mit diesem Aufschrei kann ich leben, falls er denn kommt.
Man muss sich mal die Situation vor Augen halten: der Lama ist der spirituelle Chef des Zentrums und muss daher ein vorbildliches Leben führen. Er muss zeigen, dass er es nicht nur der Vorschrift nach führt, sondern dass er es auch innerlich lebt und schon mehr verwirklicht hat als die langjährigen Mitglieder des Zentrums. Andernfalls könnte er dort ja nicht der Guru sein.
Jedenfalls, in seiner Situation kann er nur noch die Flucht nach vorn antreten: er dreht sich das so zurecht, dass er denkt, es muss wohl seinen Sinn haben (Karma), dass er so weit gekommen ist, die Ehre zu haben nach Deutschland geschickt zu werden, um ein Zentrum zu leiten. Und da er bedingungsloses Vertrauen in seine Obergurus hat - denn dazu wird man dort von Klein auf erzogen - ist er von seiner spirituellen Überlegenheit überzeugt, denn das leitet er davon ab. Die Meisten kommen ja als kleine Jungs ins Kloster und lernen nichts anderes kennen. In dieser Blase lebt so ein Mönch permanent, und die nimmt er auch mit, wenn er umzieht, während er nach außen hin sich jedoch äußerst bescheiden und demütig verhält. Letzteres passt dann umso besser in den gesamten Kontext.
Auf dieser Grundlage ist es nun ganz leicht, sein Vergehen vor sich selbst zu rechtfertigen. Und die ganze Sache der Betroffenen schmackhaft zu machen, indem er ihr suggeriert, dass sie mit ihm praktizieren dürfe, indem sie etwas ganz Besonderes sei (ein tantrisches Talent etwa). Zudem habe er persönlich das erkannt, dass sie etwas ganz Besonderes sei. Daher sei es nun angemessen und förderlich für beiderseitigen spirituellen Fortschritt, miteinander "zu praktizieren".
Geht sie dann darauf ein, weil sie unterbewusst sexuell getriggert ist, aber auf jeden Fall den Rat des Lehrers nicht ausschlagen will, und ist sie inzwischen so weit darin gefangen, dass ein Entkommen umso schwieriger ist aus diesem Filz, dann lässt er sozusagen die Sau raus, was man "Verrückte Weisheit" nennt. Lest mal, was Sogyal Rinpoche auf diesem Gebiet alles angestellt hat (man glaubt es kaum, es macht fassungslos!) und wie das da eskalierte.
Nun will ich aber Lama Dawa nicht mit Sogyal Rinpoche vergleichen, denn SR war ein Extremfall.
Jeder einzelne Fall in dieser Art hat seine eigene Färbung und Dynamik, schließlich tickt jeder Mensch anders.
Tatsache ist aber, dass Lama Dawa mindestens in jener Zeit, als das geschah, offensichtlich auf so einem Trip war, Verrückte Weisheit anzuwenden und Mitglieder zu beleidigen. Dieses mit Sicherheit nicht vor der Gruppe, aber unter vier Augen. Ich habe das selbst erleben müssen, als ich ihm per E-Mail auf Englisch (was mir sehr schwerfällt, ich hatte in der Zeit extrem viel Stress in Beruf und Familie und dieser Brief kostete mich viel Zeit und Kraft) eine Fachfrage betreffs Qualität der Meditation stellte, und die Antwort auf meine Frage wäre mir sehr wichtig gewesen. Ich habe über mehrere Jahre mehreren Lehrern dieselbe Frage gestellt, aber diese, von allen dümmste, Antwort kam von ihm: ich solle gefälligst praktizieren und nicht solche dumme Frage stellen.
Ich ahnte damals ja noch nicht, was da abgeht; fühlte mich zunächst nur schwer verletzt und beleidigt.
Hinzufügen möchte ich noch:
Hier wurde inzwischen mehrmals das Thema "Lügen" angesprochen. Forscher haben herausgefunden, dass jeder Mensch im Durchschnitt pro Tag 200 Mal lügt. Aber auch bewusst lügen wir, was normalerweise harmlose Notlügen sind. Beispielsweise ist jemand schon am Nachmittag erschöpft, und ausgerechnet nun ruft eine Nervensäge an, die stundenlang von ihren Krankheiten erzählt. Der Angerufene weiß sich nicht anders zu helfen als zu sagen, du, ich habe gerade Besuch, es passt jetzt nicht. Oder die Notlüge steht im Zusammenhang mit einem Weihnachtsgeschenk, das, würde man die Wahrheit sagen, vorzeitig kein Geheimnis mehr wäre. Man kann auch mit seinem Verhalten lügen, indem man so tut als ob, weil man damit etwas herausfinden will. Oder weil man unter Zeitdruck steht - egal, was auch immer. Jedenfalls: würde man solche harmlosen praktischen Notlügen nicht anwenden, könnte das Leben äußerst beschwerlich, und wahrscheinlich auch sehr seltsam vonstatten gehen.
Allerdings: dass der Lama bewusst gelogen hat, das sehe ich mit Einschränkung. Ich sehe es schon so, dass er sich selbst belogen hat, aber dass es mehr reflexhaft war, aus diesem Kontext seiner Erziehung und Selbsttäuschung. Möglicherweise ist er unfähig, das, was sich in ihm abspult, objektiv zu analysieren und Punkt für Punkt zu eliminieren.
Darum ist er auch hier die Flucht nach vorn angetreten: er reiste zu seinen Oberlamas und gab sich unterwürfig, winselte ihnen vor, dass es im gegenseitigen Einvernehmen geschah, und erhielt die Absolution, ohne dass die Geschädigte überhaupt in diesen Vorgang mit einbezogen war. Frauen gelten ja sowieso nichts in diesem Klientel (sie mögen das Gegenteil behaupten, um sich modern zu geben - das ändert aber nichts an der Tatsache).
Nun, und die Kernmitglieder befeuern das, indem sie alles mit dem Mäntelchen der Harmlosigkeit zudecken. Zurück bleibt eine schwere dunkle Wolke, die zäh als eine Art "Geschmäckle" in der Luft hängen bleibt. Aus meiner Sicht ist es sogar nicht nur eine Wolke, sondern ein Damoklesschwert, denn früher oder später rächt sich das. Ich habe schon viel erlebt, und meine Ahnung wird sich bestätigen.