Posts from Tai in thread „Missbrauch in einem Hamburger Karma Kagyü-Zentrum“

    Und hier nun unsere Stellungnahme zur Stellungnahme der DBU:


    https://www.ursachewirkung.com/blog/5037-stellungnahme

    Die Stellungnahme dieser drei Vorstandsmitglieder der DBU kommt mir in der Tat auch ein bisschen seltsam vor. Es ist ja durchaus positiv zu bewerten, dass die DBU den Interessenskonflikt erkannt hat (wenn auch überraschend spät, denn der lag ja wohl von Anfang an auf der Hand) und dass es dann zu einem Rückzug der Vertrauensperson gekommen ist. Leute bringen sich dort ehrenamtlich ein und da kann und darf es auch mal zu Fehlern kommen. Entscheidend ist, wie man danach damit umgeht.


    Das Zugeständnis, als DBU aus dem Fall gelernt zu haben, weist hier erstmal in eine gute Richtung: Die "Aufgaben und die Verantwortung der Vertrauenspersonen nochmals klarer" zu definieren und "eine Klärungsstelle einzurichten, die die Aufgabe haben wird, missbräuchliches Verhalten in buddhistischen Gemeinschaften zu untersuchen durch Gespräche mit allen Beteiligten und sich dann gemeinsam auf einen Weg der Heilung und Wiederherstellung von Sicherheit in dieser Gemeinschaft zu einigen" - sicher sinnvolle Maßnahmen.


    Was für mich allerdings überhaupt nicht dazu passt, ist das (wie es auf mich wirkt) reflexhafte und unsachliche Einschlagen auf den Verfasser des Artikels. Gerade wenn sie doch selber Fehler gesehen und für die Zukunft präventive Maßnahmen in die Wege geleitet haben, müsste ihre Reaktion doch eher etwas sein im Sinne von "ja stimmt, danke für die Hinweise, wir haben auch schon daraus gelernt und folgende Maßnahmen in Gang gesetzt ...". Das wäre seriös und würde die Aufarbeitung konstruktiv weiter abrunden.


    Stattdessen werfen sie Hendrik mangelhafte Recherche vor, obwohl in dem Artikel der kritische Punkt (Interessenkonflikt der Vertrauensperson, die als 2. Vorsitzende der Karma Kagyü Gemeinschaft Deutschland auch dem TTC vorsteht) doch klar herausgearbeitet wurde - ein Punkt wohlgemerkt, den sie dann selber vorbringen. Hier fehlt mir von Seiten der drei Vorstandsmitglieder der DBU auch eine sachliche Begründung dahingehend, an welchen Stelle die Recherche hier denn unzureichend sei.


    In der Frage des eigentlichen Missbrauchsvorwurfs gehen sie in ihrer Stellungnahme dann - zumindest soweit ich es verstehe - noch ein Stück weiter als Hendrik in seinem Artikel. Während Hendrik in dem Artikel nur die Vorwürfe widergibt sowie Vorgänge und Kontext erläutert, schreiben sie klar:

    Quote

    Wir sehen das Leid, das der betroffenen Frau durch das unethische Verhalten eines buddhistischen Lehrenden angetan wurde und verstehen ihren Zorn und ihre Unzufriedenheit angesichts der Entwicklung der Situation sehr gut. Ihr gilt unser ganzes Mitgefühl.

    Gerade vor dem Hintergrund dieser Einschätzung wäre es doch naheliegend, die journalistische Arbeit der U/W in diesem Fall anerkenned zu würdigen. Als quasi DIE buddhistische Dachorganisation im deutschsprachigen Raum steht es der DBU nach meinem Verständnis durchaus zu, Schutz und Aufklärung in Missbrauchsfragen (für die sie sich ja selbst zurecht erklärter Maßen einsetzt) zu loben und unterstützend hervorzuheben.


    Vielleicht ist hier in dem Versuch, (in einer für die DBU allgemein recht schwierigen Situation) Schaden vom Verband abzuhalten, eine Art reflexhafte Überreaktion entstanden. Ich habe allerdings den Eindruck, dass gerade durch diese unprofessionelle Reaktion ein viel schlechterer Eindruck und damit auch ein viel größerer Schaden entsteht (siehe etwa die doch sehr klare Reaktion Tenzin Peljors auf die Stellungnahme der BDU), als wenn man einfach zugegeben hätte: Ja. stimmt, sehen wir so ähnlich . Aber es ist ja für die DBU nicht zu spät, das alles noch einmal zu überdenken und ihre Haltung zu ändern.

    Man muss aber auch sagen, dass es sich (zumindest in der Mehrheit der bekannt gewordenen Fälle) in den buddhistischen Schulen eher um erwachsene Opfer und in der katholischen Kirche wohl besonders auch um Kinder oder jugendliche Opfer gehandelt hat. Deswegen hinkt für mich auch dieser Vergleich, den Hingabe hier aufgemacht (absurder Weise verbunden mit dem Apell, das nicht zu vergleichen, obwohl es bis dahin doch gar keiner getan hatte).


    Schlimm genug, dass es in beiden Religionsgemeinschaften überhaupt zu Missbrauch kommen konnte!

    Das mit "den meisten" stimmt meines Erachtens nicht.

    Und da bist du natürlich eine viel glaubwürdigere Quelle als all die vielen Frauen (und Männer) die im Rahmen der MeToo-Debatte öffentlich machen, vor Jahren oder Jahrzehnten als Erwachsene sexuell missbraucht worden zu sein.


    Ich finde den ganzen Thread hier recht unglücklich. Fast keiner kennt die Fakten, hat mit den Betroffenen geredet. Wir können uns nur empören oder irgendeine Meinung zusammenfantasieren

    Genau das ist es, was hier in diesem Thread stattfindet, dass sich die Teilnehmer*innen "Meinungen" darüber "zusammenfantasieren", was genau zwischen dem Lama und der Betroffenen abgelaufen ist. Da hast du den Thead ja sehr gründlich und aufmerksam gelesen.


    Wem hilft das wirklich weiter?

    Natürlich niemandem (ebensowenig wie die MeToo-Debatte irgendwem weitergeholfen hat und immer noch hilft), weder dem vermeintlichen Opfer, das sich nicht genug gehört fühlte, noch potentiellen zukünftigen Opfern, die durch eine öffentliche Debatte davor gewarnt werden könnten, in eine ähnliche Lage zu kommen, noch den Institutionen, die zu einer konstruktiven Aufarbeitung angeregt werden, noch den verunsicherten anderen Sangha-Mitgliedern, die durch eine solche Aufarbeitung verlorenes Vertrauen zurückgewinnen könnten, noch der DBU, die überhaupt erst aufgrund solcher Debatten eine 'Freiwillige ethische Selbstverpflichtung' entwickelt und 'Vertrauenspersonen für Missbrauch' etabliert hat.


    Und falls die Betroffene hier tatsächlich mitliest, ist das nicht ein ständiges Rumrühren in ihren Wunden?

    Deswegen, weil sie nicht will, dass man über ihren Fall spricht, hat sie wahrscheinlich auch den Zettel an der Tür des TTC angebracht.

    ... Rigpa ...

    Auch das natürlich eine andere Dimension als im TTC. Aber vielleicht auch ein Beispiel für mögliche Formen einer nachträglichen Aufarbeitung: Zumindest haben sie eine unabhängige Untersuchungskommission beauftragt und das Ergebnis detailgetreu veröffentlicht. Sie haben umfassende Entschuldigungen ausgesprochen, sich einen Verhaltenskodex gegeben und ein aus "Meistern und Schüler*innen" bestehendes spirituelles Beratungsgremium eingesetzt, das "die Rigpa-Organisation in spirituellen Fragen leitet". (https://www.rigpa.de/category/…igpa-und-sogyal-rinpoche/).

    Sehr wichtige Fragen, finde ich.


    In der Regel stürzen solche Vorfälle andere Mitglieder der Sangha in einen gewaltigen Loyalitätskonflikt, unter dem ihre spirituelle Entwicklung und ihre Motivation geradezu zwangsläufig Schaden nehmen. Entweder, weil sie ihrem Leherer nicht mehr vertrauen können oder weil sich, nachdem sie sich entschlossen auf die Seite des Lehrers gestellt haben, mit der Zeit dann doch Zweifel, ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle gegenüber dem abservierten Opfer einstellen - sei es auch noch so subtil und uneingestanden. Unter den Teppich gekehrte Vorfälle haben eine solche Wirkung - sie kommen immer wieder hoch, ob man es will oder nicht.


    Die einzige Chance, den Schaden für die Sangha halbwegs gering zu halten, sind maximale Transparenz und Aufarbeitung von Seiten der leitenden Verantwortlichen. Nur aus einer solchen Aufarbeitung heraus können die gegenwärtigen (und zukünftige) Schüler ein nachhaltiges Vertrauen in den Lama als ihren Lehrer oder (je nach dem, was bei der Aufarbeitung herauskommt) wenigstens der Gruppe gegenüber langsam wieder aufbauen bzw. wahren.


    In den Nuller-Jahren praktizierten drei ehemalige Mitglieder der Mumon-Kai-Gruppe (über viele Jahre) in meiner Sangha. Als Männer hatten sie zwar keinen sexuellen Kontakt mit Dr.Zernickow haben müssen, aber sie berichteten, dass der Meister mit allen Frauen der Gruppe Sex gehabt hätte. Überdies berichteten sie von vielfachen anderen Demütigungen, psychischen Grausamkeiten und Machtspielen, denen die Frauen, aber auch sie selbst ausgesetzt gewesen waren und die ziemlich genau dem entsprachen, was Christopher in seiner Arbeit dann später detailiert herausgearbeitet hat.


    Das waren drei, die es irgendwie geschafft hatten, die Reißleine zu ziehen und die Mumon-Kai zu verlassen. Doch noch nach Jahren hingen sie gegenüber ihrem ehemaligen Lehrer in einem Loyalitätskonflikt fest. Sie verurteilten sein Verhalten, waren ihm aber auch irgendwie immer noch ergeben (und sei es nur durch einen anhaltenden inneren Kampf gegen ihn). Alle drei waren durch ihre Erfahrungen traumatisiert und auch nach Jahren noch keineswegs fertig mit dem, was sie dort erlebt hatten. Mit am Schlimmsten war für sie, dass sie über lange Zeiträume durch schweigendes Mitmachen das missbräuchliche System ihres ehemaligen Lehrers quasi mitgetragen hatten. Dieses schlechte Gewissen war genau das Ergebnis ihres vorhergegangenen jahrelangen Versuchs, die unhaltbaren Vorgänge vor sich und anderen zu rechtfertigen, als 'Schulungsmethoden' schönzureden oder zu verdrängen. Das Zitat in Beitrag #186 beleutchet einen anderen verzweifelten (und vermutlich auf lange Sicht erfolglosen) Versuch, sich einer solchen Situation durch Realitätsverweigerung zu entziehen.


    Wenn in einer Sangha missbräuchliches Verhalten von Seiten des Lehrers im Raum steht - und sei es auch nur als unbelegter Vorwurf - dann ist es gar nicht vorstellbar, dass die anderen Sangha-Mitglieder dadurch nicht in innere Konflikte geraten. Es ist daher nicht nur aus Verantwortung dem Opfer gegenüber, sondern auch den anderen Sangha-Mitgliedern und damit auch dem Lehrer gegenüber die Aufgabe der Zentrumsleitung, einen solchen Fall möglichst transparent aufzuarbeiten. (Diese Verantwortung gilt auch zukünftigen Mitgliedern gegenüber, denn auch die werden wahrscheinlich irgendwann von den unter den Teppich gekehrten Vorfällen/Vorwürfen erfahren und dadurch verunsichert werden.)


    Soweit es sich für mich darstellt, sind die Verantwortlichen des TTC dieser Aufgabe hier nicht besonders gut gerecht geworden. Vielleicht selbst jetzt noch könnten sie einiges von dem nachhaltigen Schaden, den ihre Sangha und der Ruf ihrer Institution genommen haben, durch eine offene, transparente Aufarbeitung unter Einbeziehung des Opfers von ihrem Zentrum abwenden. Aber dann müssten sie auch bereit sein, die jeweils gebotenen Konsequenzen zu ziehen. Welche das jeweils sind, müsste sich aus dem Mediationsprozess ergeben. Das jetzige Ergebnis (das Opfer hat Hausverbot, die Vorwürfe stehen immer noch im Raum, der Lama ist zurückgetreten und wurde stillschweigend wieder eingesetzt als Nicht-Mönch in Robe etc.) ist jedenfalls ein denkbar schlechtes für alle Beteiligten.

    ... nicht das Fehlen der Strafanzeige, sondern das Fehlen der gesetzlichen Grundlage liegt doch hier vor.


    Ja, nach meinem Verständnis vor allem deswegen, weil die Schulung in einem buddhistischen Zentrum nicht als klassisches Bildungs- oder Ausbildungsverhältnis verstanden wird und buddhistische Schüler*innen daher nicht den Schutzstatus erwachsener Schutzbefohlener genießen. Solange nicht körperlich ausgeübter Zwang vorliegt, wird nach deutschem Recht in solchen Situationen eben einfach davon ausgegangen, dass Erwachsene freiwillig sexuellen Kontakt miteinander haben.


    Eine Vielzahl von Fällen z.B. unter Sogyal Rinpoche, Eido T. Shimano, Dr. Klaus Zernickow u.a. zeigt aber, dass es im Rahmen von spritueller Abhängigkeit und buddhistischem Lehrer-Schüler-Gehorsam immer wieder zu missbräuchlichen Handlungen kommen konnte - sexuellen und anderen - auch wenn diese nach deutschem Recht weitgehend nicht strafbar sind. Je weniger hier unser StGB greift (auch weil übernommene Konventionen aus den buddhistischen Herkunftländern wie Idolisierung der Lehrer*innen, bedingungsloser Gehorsam als Mittel zur Überwindung eigener Ego-Anhaftung, Crazy Wisdom usw, noch keinen Eingang in deutsche Rechtsprechung gefunden haben) desto wichtiger sind offene Diskussionen zum Thema innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft. Numisatojama 's verzweifelter und zum Glück erfolgloser Versuch, das Thema hier mit aggresiven Anwürfen, Drohungen und dem Hinweis auf das deutsche Strafrecht abzuwürgen, finde ich daher auch besonders fehlgeleitet.


    Ob im hier besprochenen Fall wirklich ein sexueller Missbrauch z.B. im Sinne von sexueller Nötigung vorliegt oder nicht, dürfte niemand von uns mit Sicherheit sagen können. Und auch Hendrik maßt sich in seinem Artikel darüber ja kein Urteil an. Wie aber mit den Beteiligten umgegangen wurde und dass spiritueller Vertrauensbruch und emotionaler Missbrauch in solche Situationen mit hineinspielen, kann sehr wohl nachgezeichnet und kritisch hinterfragt bzw. dikutiert werden.


    Was bleibt ist der emotionale Missbrauch


    Genau. Dieses Thema auf rein sexuellen Missbrauch reduzieren zu wollen, kann der Sache nicht gerecht werden. Wenn sexueller Missbrauch vorliegt, findet im Rahmen eines Lehrer-Schüler-Abhängigkeitsverhältnis zwangsläufig auch emotionaler Missbrauch statt. Wenn es zwischen einem zölibatär lebendedem Lama und einer ihm ergebenen Schülerin zu sexuellen Handlungen (inklusive Vorwurf der sexuellen Nötigung) kommt, dann ist da auf jeden Fall einiges aus dem Ruder gelaufen - ganz unabhängig von Frage, ob nun sexueller Missbrauch vorliegt oder nicht. Und darüber, Numisatojama , darf ein Journalist natürlich auch berichten.

    Dem spirituellen Leiter eines buddhistischen Zentrums wurde sexueller Missbrauch einer Frau vorgeworfen. Die Strafanzeige geht ins Leere. Eine Rückschau auf das Geschehen und die Frage, ob mit den Vorwürfen richtig umgegangen worden ist.


    Hier geht es weiter:

    https://www.ursachewirkung.com…/5023-129-missbrauch-lama

    Danke Hendrik für die Recherche und den Artikel, den ich als sachlich und ausgewogen empfinde. Beteiligte, die bereit waren sich zu äußern, kommen zu Wort. Ich sehe nicht, wo du dir in dem Artikel ein Urteil über den Kernvorwurf des Missbrauchs angemaßt hättest. Abläufe zu schildern, Statements wiederzugeben und Kontext zu erklären ist legitimer Jornalismus und erfüllt im Sinne des Opferschutzes eine wichtige Funktion. Auch dein Versuch einer allgemeinen Einordnung am Ende des Artikels ist für mich gut nachvollziebar.