Posts from crocus in thread „Missbrauch in einem Hamburger Karma Kagyü-Zentrum“

    Ich habe mich auch lange Zeit gefragt, was tantrische Praktiken mit den Lehren des Buddha aus dem Tripitaka zu tun haben sollen. Heute, nach vielen Jahren Praxis in allen drei Fahrzeugen, sehe ich den gemeinsamen Nenner in Folgendem:


    Die Versenkungsstufen, die der Buddha im Prozess seiner Nachtwachen zur Erleuchtung durchlief, sind immer mit einem Fallenlassen bestimmter geistiger Prozesse/Schleier verbunden. Am Ende der Versenkungsstufen stand ein Zustand, den wir als erleuchtet bezeichnen. Das hohe Tantra geht intensiver vor. Es visualisiert die Orte, an denen diese Prozesse/Schleier stattfinden, in den Chakren und Nadis. In der Vollendungsphase leitet man verschiedene Energien unseres psycho-physischen Körpers um, mit dem Ziel, die genannten Prozesse/Schleier 'mit der Hitze' dieser Energien zum Schmelzen zu bringen. (Das ist die Stelle, wo es gefährlich wird, wenn man ohne Einweihung und Anleitung drauflos doktort.) Gelingt die Sache durch enorme Beherrschung von Körper und Geist, steht nach der Auflösung der Schleier der gleiche Zustand, wie beim Buddha am Ende der Versenkungsstufen. Das heißt dann z.B. Mahamudra. Nur eben ohne x Wiedergeburten.


    Zur Sexualität: Welche Energien der Tantriker 'ins Feuer gießt', obliegt dem Praktizierenden. Eine der intensivsten ist Sexualität. Man kann, muss aber nicht. Die meisten tun es nicht. Ich kenne nur eine Handvoll lebende Menschen, von denen ich begründet annehme, dass sie das praktizieren. Man braucht eine ebenfalls eingeweihte (Anuttarayogatantra) Partner*in dazu, die auch Energiekanäle steuern kann. Und der alles entscheidende Unterschied zwischen normalem Sex und buddh. Tantra ist: du darfst keinen Org.... haben, denn dann verpufft die Energie, die du eigentlich umleiten wolltest. Das ist wie wenn jemand zum Brötchenkaufen fährt, aber ohne Geld und Brötchen wiederkommt, weil er das Geld bei einer Dame im Puff gelassen hat.


    Wer buddh. Tantra betreibt und auf schönen Sex hofft, sitzt im falschen Zug. Diese Informationen kann man heute auch alle im Internet recherchieren, und jede*r, die/der sich auf solche Praktiken einlässt, sollte sich vorher sachlich informieren. Nur dann kann man kritisch hinterfragen, was der Lama da fordert.

    ... Sondern dass das Aufgabe der DBU und ihrer Medienkanäle, unter anderem der Buddhismus Aktuell, ist. Da kam auch nichts. Auch sehr entäuschend.

    Ich denke, die haben sich an eine Zuordnung der Verantwortlichkeiten gehalten, die in Buddhismus-Aktuell Heft 3/2023 vorgestellt wurde:

    Wie sexuelles Fehlverhalten spirituelle Gemeinschaften erschüttert: Lektionen für Buddhistinnen und Buddhisten
    Die Autorinnen dieses Essays sind Gründungsmitglieder von An Olive Branch Associates LLC, einem (US-amerikanischen, red.) Beratungsunternehmen, das mit…
    buddhismus-aktuell.de

    Sie basiert auf Empfehlungen von "An Olive Branch Associates LLC", einem (US-amerikanischen, red.) Beratungsunternehmen, das mit Organisationen zusammenarbeitet, um sexuellem Fehlverhalten vorzubeugen oder, wenn bereits geschehen, dagegen anzugehen.

    Ich sehe es ähnlich wie void: man hat einen Kompromis gefunden, dessen Summe über alles noch den meisten Nutzen für alle Beteiligten bringt. Dass das geht und sinnvoll ist, hatte Shamarpa an einem anderen Fall vor etwa 15 Jahren geschildert. Sinngemäß sagte er:

    Wir finden in unserer Zeit immer weniger Lehrer, an denen es wirklich gar nichts auszusetzen gibt. Aber was beschwert ihr euch? Das sind die Zeiten, in die ihr hineingeboren wurdet, das ist euer Karma und entsprechend sind die Lehrer die ihr habt. Verbeißt euch nicht darin, was SIE falsch gemacht haben, sondern nehmt es zur Kenntnis und überlegt, wie IHR trotzdem von ihnen lernt, was sie Wertvolles zu lehren haben. Ihr meditiert auf den Buddhaaspekt im Lehrer, und nicht auf den Menschen.

    Leider kann ich das Originalzitat trotz jahrelanger Suche nicht mehr finden.

    Sätze wie "Zu einem Missbrauch gehören jedoch immer zwei Personen" verschieben Schuld vom Täter zum Opfer.

    Ja, zwar nicht die ganze Schuld, aber doch Teile. Es ist nicht der erste Fall dieser Art und es gibt inzwischen genug Stellungnahmen von buddhistischen Autoritäten, die klar sagen, dass man sich NICHT auszieht, bloß weil der Lehrer es sagt.

    Der erste Fall, den ich mitbekommen habe, war die Auseinandersetzung June Campbell und Kalu Rinpoche. Das ist inzwischen fast 30 Jahre her. Wer sich heute immer noch darauf beruft, er/sie sei unwissend in die Nummer hineingeraten, der muss sich tatsächlich fragen lassen, ob er vorher mal ein paar Forenbeiträge zum Thema Lehrer/Schüler-Beziehung gelesen hat. Der Dalai Lama, Yeshe Khandro, Shamarpa, Alex Berzin u.v.a. haben sich dazu klar positioniert. Und es ist auch klargestellt, dass eine solche Weigerung kein Bruch von Samaya ist.

    Die Frage der Mitschuld schließt natürlich nicht aus, das der Lehrer die Verantwortung trägt.