Posts from Leonie in thread „Säkularer Buddhismus im Vergleich“

    Möge es jedem Praktizierenden selbst überlassen bleiben, wie er die Lehrreden versteht und ihre Essenz in seine Praxis einfließen lässt.

    Das funktioniert aber nicht - höchstens auf gut Glück, wie würfeln.


    Die Rede an die Kalamer wird ja sehr einseitig betont -


    Zitat

    Geht, Kālāmer, nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen, nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen, (*1) nicht nach dem Eindruck persönlicher Vorzüge, nicht nach der Autorität eines Meisters! Wenn ihr aber, Kālāmer, selber erkennt: 'Diese Dinge sind unheilsam, sind verwerflich, werden von Verständigen getadelt, und, wenn ausgeführt und unternommen, führen sie zu Unheil und Leiden', dann o Kālāmer, möget ihr sie aufgeben.


    Da steht also auch: nicht nach bloßen Vernunftgründen und logischen Schlüssen , nicht nach erdachten Theorien und bevorzugten Meinungen - da fasse ich die sogenannten wissenschaftlichen Meinungen drunter -

    und es ist die Rede von den Verständigen, die als Erfahrene gelten und die dann auch widersprechen, wenn die eigene Erfahrung falsch gedeutet wird.


    Also - Buddha stützte sich nicht auf sogenannte wissenschaftliche Ansichten - und er verwies auf erfahrene, edle Freunde. Und letztere sind sehr selten.

    aber die Heilsamkeit von Ritualen steht wohl außer Frage:

    Ebenso wie die Unheilsamkeit.


    Das, was einer da hinein gibt, das kommt da auch wieder heraus - da sind wir wieder beim "Rufen in den Wald".

    Das hängen an Riten und Regeln - ob nun positiv oder negativ - ist eines der vier upadana.

    upādāna


    Im allgemeinen wird dabei auf die "heilende" Wirkung gesehen, wenn es um Riten und Regeln geht, aber auch die Ablehnung oder die Betonung, dass das ja Unsinn sei, ist nur die andere Seite der Anhaftung.


    Riten und Regeln haben ihren Sinn und wenn es zu einer Gemeinschaft gehört, der man entweder als Gast oder als Mitglied angehört, dann nimmt man auch an deren Riten teil und hält sich an deren Regeln.

    Wo ist da denn das Problem?

    Das Glück der Loslösung darf aber zunächst einmal so richtig genossen werden:

    Das ist nicht der Punkt in den beiden Lehrreden.


    Im ersten Fall erinnert sich Buddha bei seiner Askese an eine Kindheitserfahrung unter dem Rosenapfelbaum. Und darauf bezog sich der Gedanke der Angst. Erhat sich dann aus der Askese lösen können.


    Im zweiten Fall geht es um die Abgeschiedenheit von Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen und wie jeder, der schon mal längere Retreats erlebt hat, wird das als sehr wohltuend erfahren, wenn man es schafft auch den Körper damit zu durchdringen und auf diese Weise den ganzen Schmerz in Knien und Rücken aufzulösen.

    Aber - dieses angenehme Gefühl dringt nicht in den Geist ein und bleibt nicht dort - sonst ist da noch ein Rest von Trieb über :)

    Und das bedeutet dann Leiden, wenn da noch ein Rest übrig ist?

    Wenn ein angenehmes Gefühl in den Geist eindringt - z.B. erinnert man sich an dieses Wohlgefühl - und wenn es dann noch bleibt - und man sich da immer noch nach Jahren dran erinnert, als man doch diese tolle Erfahrung mal hatte - dann ist bereits Leiden geworden - wieder geworden.

    Deshalb muss man sich auch von der Befreiung befreien.


    Mal was aus dem Zen -

    Ein Mönch kam zu Joshu und sagte - so, ich habe jetzt alles losgelassen - Joshu sagte, dann lass das los.

    Der Mönch antwortete: aber ich habe doch alles losgelassen.

    Joshu sagte: dann nimm es mit.


    Zwei andere Versionen dieses Falles finden sich

    ... Auch dieser Mensch hat gelitten, auch sein Leiden war eine Folge seiner Taten.


    Es kann wie immer eben beides wahrsein. Man kann einen Rausch toll finden und unter den Folgen Leiden. Genau das ist das Problem mit den Illusionen.

    Aber gibt es denn dann gar nichts, was man toll finden kann, ohne danach deswegen an Folgen leiden zu müssen?


    Also wo die Annahme, dies sei jetzt toll und führt kein Leiden nach sich, eben keine Illusion ist.

    Die Vernichtung der Triebe meinst du möglicherweise nicht?

    Die Befreiung ist dabei ein angenehmes Gefühl und das führt auch zu keinem weiteren Leiden.


    Aber - dieses angenehme Gefühl dringt nicht in den Geist ein und bleibt nicht dort - sonst ist da noch ein Rest von Trieb über :)


    MN 36

    Zitat

    42. "Als mein konzentrierter Geist auf solche Weise geläutert, klar, makellos, der Unvollkommenheit ledig, gefügig, nutzbar, stetig und unerschütterlich war, richtete ich ihn auf das Wissen von der Vernichtung der Triebe. Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist Dukkha.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies sind die Triebe.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist der Ursprung der Triebe.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist das Aufhören der Triebe.' Ich erkannte unmittelbar der Wirklichkeit entsprechend: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören der Triebe führt.'"

    43. "Als ich so wußte und sah, war mein Geist vom Sinnestrieb befreit, vom Werdenstrieb und vom Unwissenheitstrieb. Als er so befreit war, kam das Wissen: 'Er ist befreit.' Ich erkannte unmittelbar: 'Geburt ist zu Ende gebracht, das heilige Leben ist gelebt, es ist getan, was getan werden mußte, darüber hinaus gibt es nichts mehr.'"

    44. "Dies war das dritte wahre Wissen, das ich zur dritten Nachtwache erlangte. Die Unwissenheit war vertrieben und wahres Wissen erschien, die Dunkelheit war vertrieben und Licht erschien, wie es in einem geschieht, der umsichtig, eifrig und entschlossen lebt. Aber jenes angenehme Gefühl, das in mir erschien, drang nicht in meinen Geist ein und blieb nicht dort."

    Ich verstehe nicht, weshalb hier nicht auf SN 44.9 verwiesen worden ist?


    Zitat

    'Dieser Pūrano Kassapo ist mit vielen Schülern und Anhängern der Meister einer Schar, ein wohlbekannter berühmter Furtbereiter, der bei den Leuten viel gilt. Wenn nun einer seiner Jünger abgeschieden, gestorben ist, dann erklärt er über dessen Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren'. Und auch von einem Jünger, der ein Übermensch ist, der höchste Mensch, der das Höchste erreicht hat, spricht er, wenn dieser abgeschieden, gestorben ist, über dessen Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren'.


    Und ebenso sprechen jeweils Makkhali Gosāla, der Freie Bruder Nātaputto, Sañjayo Belatthiputto, Pakudho Kaccāyano und Ajito Kesakambalo über ihre Jünger.


    Nun ist auch der Asket Gotama mit vielen Schülern und Anhängern der Meister einer Schar, ein wohlbekannter berühmter Furtbereiter, der bei den Leuten viel gilt. Wenn nun einer seiner Jünger abgeschieden, gestorben ist, dann erklärt er über dessen Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren'. Von einem Jünger aber, der Übermensch ist, höchster Mensch, der das Höchste erreicht hat, spricht er nicht von Wiedergeburt: 'Dort und dort ist dieser wiedergeboren, dort und dort ist dieser wiedergeboren', sondern er erklärt von ihm: 'Abgeschnitten hat er den Durst, gesprengt die Fessel, durch vollkommene Dünkeleroberung dem Leiden ein Ende gemacht'. Da sind mir nun, Herr Gotamo, Bedenken gekommen, Zweifel, wie die Lehre des Asketen Gotamo zu verstehen sei".


    "Recht hast du, Vaccha, da Bedenken und Zweifel. Bei bedenklichen Dingen ist dir, Vaccha, ein Zweifel aufgestiegen. Nur von dem, der noch ergreift, erkläre ich die Wiedergeburt, nicht von dem, der nicht mehr ergreift. Gleichwie etwa, Vaccha ein Feuer mit Nahrung brennt, nicht aber ohne Nahrung, ebenso nun auch erkläre ich die Wiedergeburt nur von dem, der noch ergreift, nicht von dem, der nicht mehr ergreift".


    "Zu einer Zeit aber, Herr Gotamo, wenn eine Flamme, durch den Wind angeblasen, weit geht, was sagt Herr Gotamo, da über das Ergreifen?"


    "Zu einer Zeit, Vaccha, wenn eine Flamme, durch den Wind angeblasen, weit geht, dann sag ich, ist sie vom Wind ergriffen, der Wind ist zu dieser Zeit das Ergreifen".


    "Wenn nun, Herr Gotama, ein Wesen in dieser Zeit den Körper ablegt und einen anderen Körper anlegt, was sagt da Herr Gotamo hinsichtlich des Ergreifens?"


    "Wenn da, Vaccha, ein Wesen in dieser Zeit den Körper ablegt und einen anderen Körper anlegt, dann erkläre ich es vom Durst ergriffen, der Durst ist zu dieser Zeit das Ergreifen".

    Nein, der Grund ist, dass sich in den Texten die Zeugen vieler der mehr als 18 frühbuddhistischen Schulen finden, die damals bereits sehr unterschiedliche Zugänge zum Dharma hatten. Die Versuche all dies in ein einheitliches System zu quetschen, sind zum Scheitern verurteilt.


    Säkularer Buddhismus ist auch eine Reformbewegung, wie es zum Beispiel auch Zen einmal war. Die Frage, die wir uns deshalb stellen, ist, was hat Buddha wohl wirklich gelehrt. Eine Antwort darauf: Es war sicher nicht eine Lehre, die von monokausalen Karmafolgen ausging.

    Das Studium der Frühschriften ist ja eine gute Sache für Wissenschaftler. Ob das frühere das bessere ist, sei da mal dahin gestellt.


    Säkularer Buddhismus ist mit dem Zen nicht vergleichbar. Zen hat einige Jahrhunderte gebraucht und sich in China mehrfach transformiert - dagegen ist der säkulare Buddhismus noch nicht mal 50 jahre alt. :)

    Allerdings hat der Zen wenig Neigung zum Spekulativen - und stimmt da auch mit dem Buddhadharma überein. Aber im Gegensatz zu Batchelor und dem säkularen Buddhismus kennt Zen Karma und Wiedergeburt.


    Als Beispiel ist hier Bodhidharma zu nennen und seine 'Zwei Eingänge und vier Übungen".

    Hier in Englisch


    Allerdings ist Bodhidharma legendär - d.h. die Chinesen nahmen es nie so historisch genau mit ihren großen Figuren - wie das eben auch für Rinzai gilt und gar manche andere Patriarchen.


    Und Sudhana hat mal auf seinem blog auch was zu Karma geschrieben:

    zensplitter

    Wie hat Buddha den Pfad zum Erwachen gefunden? Durch göttliche Offenbarung sicher nicht. Sondern durch Beobachtung. Das, was Buddha tat, nennen wir heute Empirie.

    Naja - das nannte man auch zur Zeit Buddhas Erfahrung und auch heute meint es Erfahrung. Erfahrung ist nicht nur Beobachtung, sondern auch Praxis. Die Beobachtung ist dabei nicht strukturlos, sondern wird durch Annahmen, also Theorien über den zu beobachteten Gegenstand geführt.

    Und Buddha hatte einige Lehrer und kannte sich mit den damaligen Lehren aus und knüpfte an verschiedene Lehren da auch an. Er war eben kein unbeschriebenes Blatt, aber er stützte sich letztlich auf sich selbst und seine Praxis und Erfahrung.


    Die Geschichte von Priestley ist nur ein Beispiel und will natürlich auch nicht nachweisen, dass die Handlungsnetze überschaubar wären. Dennoch ist jeder von uns ein Handlungsknoten und mit den anderen verknüpft und daher sind die Achtsamkeit auf Rede, Denken und Tun ein Voraussetzung für Befreiung. Da keiner weiß, was durch seine Taten letztlich auch mit bester Absicht ausgelöst werden kann, kommt es nicht darauf an, möglichst weit in die Zukunft zu gucken, sondern man fängt bei sich selbst an und achtet auf Denken, Reden und Tun.


    Ich hatte noch nie Probleme mit der Frage, ob die Lehrreden authentisch sind oder nicht. Das kenne ich von meiner Beschäftigung mit den christlichen Lehren. Ich finde es gut, dass auch im Buddhismus so etwas wie textkritische Debatten statt finden, aber die Ergebnisse lösen ja nicht das tiefer liegende Problem. Der Weg ist zu gehen, sagte Buddha - und ich praktiziere ja Zen, so dass ich noch einen ganz anderen Lehrkanon kenne, bei dem es um Unmittelbarkeit der Erfahrung geht:Triffst du Buddha, töte ihn. Triffst du einen Patriarchen, jage ihn fort - ....

    Hinsichtlich der Ausgangsfrage wie es sich mit den Auswirkungen von guten und schlechten Taten verhält, hilft dann der gesunde Menschenverstand weiter - wie auch sonst oft: Alles, was wir tun hat eine Auswirkung manchmal auch weit über unsere individuelle Existenz hinaus. Diese ist aber weder kontrollierbar noch moralisch.


    Das bedeutet, im Unterschied zu religiösen Vorstellungen, haben gute Taten nicht automatisch gute Auswirkungen und böse Taten nicht automatisch schlechte Auswirkungen. So ein naives religiöses Konzept finden wir in MN 135. Dort wird behauptet, dass auf bestimmte Taten im Hier und Jetzt in einer nachfolgenden Existenz zwingend bestimmte Auswirkungen erfolgen.


    Solche Vorstellungen machen nicht nur keinen Sinn, sie sind destruktiv bis toxisch. Oder um es buddhistisch zu sagen, unheilsam. Deshalb sind sie nach dem schon zitierten Kalama Sutta abzulehnen.

    Das ist genau die Schwachstelle.

    Auf den gesunden Menschenverstand würde ich nicht zurück greifen - denn genau der ist im Buddhismus nicht hilfreich.

    Bei der Frage von heilsamen/unheilsamen oder guten/schlechten Taten ist zunächst ja zu fragen - für wen sind die heilsam etc. Und da geht es im Buddhismus zunächst um die individuelle Existenz und dort ist es kontrollierbar und nach moralischen Kriterien bewertbar. Daher der Hinweis auf die Rede an die Kalamer.

    Solange Gier, Hass und Verblendung wesentlich vorherrschen ist aber der sogenannte Verstand davon bestimmt und keineswegs "gesund", sondern getrübt.


    Ich hatte vor einigen Jahren mal John Boynton Priestley "An Inspector Calls" gelesen und da wird dann gezeigt, wie kleine Handlungen sich zu Katastrophen ausweiten - z.B. jemand beschwert sich über die Bedienung - diese wird gekündigt - und das führt dann durch weitere Verkettungen zum Tod. Allen Handlungen gemeinsam ist die Motivation - Gier, Hass und Verblendung. Seit ich dies gelesen hatte, habe ich eine Hemmung, mich wegen Kleinigkeiten zu beschweren.

    Aber vor allem erkenne ich die unmittelbare miese Wirkung auf mich selbst, wenn ich eine miese Handlung begehe. Deshalb - aus meiner Erfahrung - haben gute Taten unmittelbar gute Wirkungen und böse Taten ebenso. Eine Wirkung ist z.B. die Befreiung - eine gute Tat führt zur Lösung aus der Situation. Schlechte Taten verhaften dich mit der Situation - über das Gedächtnis, den Eindruck, den eine solche Tat, je nach schwere hinterlässt - uvm.


    Die Lehrrede MN 135 sollte man dann aber auch etwas gründlicher lesen, bevor man sie mal so abtut - und auch die Lehrrede MN 136.

    Man sollte dabei auch den Adressaten der Lehrrede nicht vernachlässigen - der Schüler Subha ist ja ein Brahmanen-Schüler. Und die Frage von Subha zielt auf die Aussage, dass die Menschen Eigner ihrer Taten sind. Und dass frühere Taten sich auf gegenwärtige Taten und damit auch auf spätere Taten auswirken. Da muss man noch nicht einmal den Tod dazwischen schalten, es reicht wenn man sich an Gestern, Heute und Morgen hält.