Posts from Elliot in thread „Säkularer Buddhismus im Vergleich“

    Stichwort "Rosinenpicking".


    Nach meiner Auffassung sind alle 152 Lehrreden des Majjhima Nikaya noch zu Lebzeiten des Buddha entstanden (auch MN 108) und von ihm bestätigt worden. (Und dass es auch gewollt ist, dass die oberen 50 Lehrreden 52 umfassen.)


    Zum Udana heißt es:


    Die Bedeutung des Wortes Udāna hält etwa die Mitte zwischen dem, was wir "Einfälle", "Aperçus" und "Aphorismen" nennen, also Sinnsprüche, die bei besonderen Gelegenheiten, Ereignissen, Erlebnissen oder Beobachtungen überraschend entstanden sind; ... Die Entstehungszeit des Udana als Sammlung setzt Seidenstücker auf 440 bis 245 vor Chr. an. Von den Erzählungen zu den Udānas, die nicht den älteren Schriften des Kanons entnommen sind, sondern nur im Udāna vorliegen,...


    Meine Form von Rosinenpicking sieht nun vor, erst einmal zu schauen, ob ein fraglicher Sinnspruch denn auch in den Lehrreden zu finden ist, idealerweise in denen des Majjhima Nikaya. Ist das nicht der Fall, aber es findet sich dort stattdessen eine Aussage der Art (MN 130):


    "...Aber diese deine üble Handlung wurde nicht von deiner Mutter oder deinem Vater begangen, oder von deinem Bruder oder deiner Schwester, oder von deinen Freunden und Gefährten, oder von deinen Verwandten und Angehörigen, oder von Mönchen und Brahmanen, oder von Göttern: diese üble Handlung wurde von dir selbst begangen, du selbst wirst ihre Folgen erfahren.'"


    ... dann gebe ich dieser Aussage im Zweifel den Vorrang gegenüber dem Sinnspruch aus dem Udana, wenn es darum geht, was der Buddha wohl gelehrt hat.

    Aus dem Vorwort zu den Texten:


    Udānas finden sich zerstreut an vielen Stellen der älteren und ältesten Teile des Pali-Kanons, so in Mahāvagga I.1, 2, 3, 20; V.13; VI.28; X.3, 4; Cullavagga VII.1, 3; IX.1; Dīgha-Nikāya 14.3; 16.1, 3, 4; Anguttara-Nikāya VIII.70; Samyutta-Nikāya III.1; XXI.6; XLI, 5; LI, 10; Sutta-Nipāta 661. Manche finden sich im Dhammapada: 42, 131, 132, 185, 306; in Theragāthā: 180, 191, 447; in Itivuttaka: 43, 48.


    Alle diese sind später gesammelt und mit den Prosa-Erzählungen, wo solche vorhanden waren, zu einem Buch, dem Udāna, zusammengestellt worden. Der Sammler hat noch andere, ihm bekannte, Udānas, die sich in den älteren Schriften nicht finden, hinzugefügt, einige mit der dazu überlieferten Prosa-Erzählung. Die übrigen, zu denen es anscheinend keine Erzählung gab, hat er aus eigener Phantasie mit einleitenden Erzählungen versehen...

    Deshalb finden wir in den alten Texten auch so oft die Schilderung, dass man nun, nachdem man den Pfad Buddhas zuende gegangen ist, nicht mehr wiedergeboren werde.

    In Bezug auf die Texte im Suttapiṭaka könnte ich dazu sagen:


    Indem man dem Pfad Buddhas folgt, lernt man all die Dinge kennen und zu überwinden, die zu einem erneuten Werden geführt hätten.

    Rosinenpickerei

    "egoistisches Bemühen, sich von etwas Bestimmtem nur die attraktivsten Teile zu sichern, um die eher unattraktiven anderen zu überlasssen"

    Von daher finde ich paßt dieses Wort dort nicht für das ehrliche und aufrichtige Bemühen innerhalb der Vielfalt buddhistischer Belehrungen Prioritäten zu setzen.


    Die Frage ist ja immer von wo genau die Kriterien für die Auswahl kommen.

    Da stimme ich Dir zu, egoistisches Bemühen wäre zu kurz gegriffen. Und es geht ja auch nicht darum, etwas gutes für sich zu behalten und anderen den schlechteren Rest zu überlassen.


    Es geht aus meiner Sicht eher darum, Dinge auszusondern, die einem besonders eingängig und wichtig erscheinen, diese in einem vermeintlich klareren Licht darzustellen, dabei oder dafür vielleicht noch etwas neues hinzuzufügen und dafür Dinge wegzulassen, die einem unwichtig oder abwegig erscheinen. Aber das ganze nicht in böser oder egoistischer Absicht. Wikipedia:


    Im späteren Verständnis ist der Abhidhammapitaka eine detaillierte und systematische Durchdringung und Darstellung all der Themen und Dinge, die im Suttapiṭaka verstreut zu finden sind.


    Dabei ist es gerade dieses vermeintliche "Verstreutsein" in den Lehrreden mit ihren Querbezügen untereinander, was die Themen und Dinge dort im richtigen Licht erscheinen lässt.

    Mit welchem Recht stehst du der Behandlung der klassischen Texte durch säkularen Buddhismus kritisch gegenüber, wenn du offenbar den Kanon als ganzes nicht anerkennst, sondern nur Teile von ihm.

    Weil nach meiner Auffassung bereits die Autoren des Abhidhamma Pitaka angefangen haben, sich Rosinen herauszupicken und eine eigene Lehre daraus zu basteln.

    Auch in den von dir favorisierten Mittleren Reden finden sich verschiedene Überlieferungsschichten.

    Das ist nicht verwunderlich, wenn sie über einen Zeitraum von Jahrzehnten hin entstandenen sind (MN 12):


    "... Ich bin jetzt alt, gealtert, gebeugt unter der Last der Jahre, in fortgeschrittenem Alter, und in den letzten Lebensabschnitt eingetreten: ich bin achtzig Jahre alt geworden..."

    Es gibt allerdings weit mehr Lehrreden als die 152 der Mittleren Sammlung. Wir wissen aus der Forschung heute auch, dass im PK die Lehrmeinungen einer ganzen Anzahl frühbuddhistischer Schulen dokumentiert sind, die sich zum Teil klar widersprechen. Die kann man gar nicht zusammenbringen.

    Ja, es gibt neben den Lehrreden tatsächlich Teile im Palikanon, die ich verwerfen würde oder so weit zurückstelle, dass es dem gleichkommt.


    Sei's drum.


    Meine Fragen zum säkularen Buddhismus wurden beantwortet.

    Na, also. Du - und wenn man genau hinsieht tun das alle - betreiben Rosinenpicking und nehmen aus den Texten, was sie wollen, was passt, was sie anspricht. Die Kriterien sind lediglich jeweils andere.

    Mein Anspruch ist tatsächlich, dass es mir gelingt, alle 152 Lehrreden des Majjhima Nikaya 'anzunehmen'. Oder wenigstens keine verwerfen zu müssen, sondern diejenigen, die mir nicht gut schmecken, bis auf Weiteres so stehen zu lassen. (Meine empirische Erfahrung ist, dass Geschmack im Laufe der Zeit sich verändern kann.)


    Gibt es denn unter den 152 Lehrreden eine besondere "Rosine" für Dich? Also eine, die Du vielleicht sogar 'für bare Münze' nehmen kannst, ohne sie abändern zu müssen oder umdeuten zu müssen oder Begriffe darin modalisieren zu müssen (also mit Anführungszeichen versehen, die da jetzt nicht sind)?

    Das sollte dann aber auch bedeuten, dass du säkulare Buddhisten nicht dafür kritisieren kannst, wenn sie MN 135 und MN 136 als Ausdruck metaphysischer Spekulationen stehen lassen und nicht für bare Münze nehmen.

    Ich hatte Dich so verstanden, dass Du MN 135 und MN 136 nicht stehen lassen möchtest, als möglichen Teil der Lehre des Buddha, der Dir nicht so gut gefällt oder der Dir nicht zugänglich ist oder belanglos erscheint.


    Sondern dass Du MN 135 und MN 136 verwerfen möchtest, als Texte mit einem Inhalt, der nach Deinem Verständnis nicht Teil der Lehre des Buddha sein kann.


    Ich sage, dass ich zum Beispiel MN 22 als Teil der Lehre des Buddha annehme. In dem Sinne, dass diese Lehrrede vielleicht sogar in seiner Gegenwart entstanden ist und von ihm gebilligt wurde. Und wenn darin steht, es gibt "...Lehrreden, Gedichte, Darlegungen, Verse, Ausrufe, Sprüche, Geburtsgeschichten, Wunder und Antworten auf Fragen...", dann könnte die von Dir erwähnte Geburtsgeschichte eben genau so eine Geburtsgeschichte sein, wie sie in MN 22 erwähnt wird. Damit kann sie dann auch Teil dessen sein, was ich als Lehre des Buddha annehmen kann, in dem Sinne, dass da auch Märchen dazugehören können, deren Inhalt nicht für bare Münze genommen werden muss.


    Es ist aber auch nicht schwarz/weiß. Es gibt auch Geschichten, die zwischen Märchen und Wirklichkeit angesiedelt sind, zum Beispiel in MN 83:


    "So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Mithilā im Makhādeva Mango-Hain auf. Da lächelte der Erhabene an einer bestimmten Stelle. Dem ehrwürdigen Ānanda fiel auf: "Was ist der Grund, was ist die Bedingung für das Lächeln des Erhabenen? Tathāgatas lächeln nicht ohne Grund." Also rückte er seine obere Robe auf einer Schulter zurecht, streckte seine zusammengelegten Hände ehrerbietig grüßend in Richtung des Erhabenen und fragte ihn: "Ehrwürdiger Herr, was ist der Grund, was ist die Bedingung für das Lächeln des Erhabenen? Tathāgatas lächeln nicht ohne Grund." " Ānanda, in eben diesem Mithilā gab es einmal einen König namens Makhādeva..."

    Nehmen wir als Beispiel MN 60. Über weite Strecken wird nach dem Prinzip argumentiert: Wenn es eine andere Welt gibt, hat derjenige einen doppelt guten Wurf gemacht, wenn seine Absichten auf die Ansicht 'Es gibt eine andere Welt' bauen. Wenn es keine andere Welt gibt, hat er damit trotzdem einen guten Wurf gemacht, weil er damit für gewöhnlich auch im Diesseits gut fährt.


    Es gibt in MN 60 aber eben auch die Aussage "Da es tatsächlich eine andere Welt gibt...". Und da muss man sich dann entscheiden für annehmen, verwerfen oder erstmal so stehen lassen und weiterschauen, ob sich dazu noch eine neue Erkenntnis ergibt. Und wenn man sich für Verwerfen entscheidet, wie viel dann verworfen werden soll. Nur dieser Absatz mit "Da es tatsächlich eine andere Welt gibt..."?

    Nun, dann erkläre doch bitte, nach welchen Kriterien du etwas aus den Texte. annimmst oder verwirfst.

    Ich möchte ja nichts verwerfen.


    Wenn mir etwas nicht gefällt, gehe ich dem nach, was mir daran nicht gefällt. Wenn mir etwas belanglos erscheint, lasse ich es stehen und vielleicht entdecke ich irgendwann etwas für mich von Belang darin. Wenn ich etwas nicht verstehe, lasse ich es stehen, bis sich vielleicht eine neue Erkenntnis ergibt, die es erklärt.

    Du hättest schreiben können:


    Zu MN. 41 ist zu sagen, dass ich nur hoffen kann, dass du kein Verkehr mit einem Mädchen oder (...)


    Dann ist klar, dass Du von woanders zitierst und wenn ich da nachschauen wollte, würde ich feststellen, dass Du Mädchen als Abkürzung für Frauen, die unter der Obhut.. verwendet hast und Verkehr als Abkürzung für Geschlechtsverkehr. Ok.


    Aber diese zusätzlichen Anführungszeichen fasse ich als Relativierung auf:


    Zu MN. 41 ist zu sagen, dass ich nur hoffen kann, dass du kein „Verkehr“ mit einem „Mädchen“ oder (...)


    So, als sei da zu hinterfragen, ob es sich wirklich um Verkehr handelt und um ein Mädchen, oder ob das vielleicht nur Interpretationssache ist oder im Auge des Betrachters liegt.

    Nein. Ich verwende Anführungszeichen nicht um etwas hervorzuheben, sondern um anzuzeigen, dass das nicht meine Worte sind, sondern die eines anderen.

    Wenn man nachschaut, steht da in MN 41:


    "...Er übt Fehlverhalten bei Sinnesvergnügen; er hat Geschlechtsverkehr mit Frauen, die unter der Obhut der Mutter, des Vaters, von Mutter und Vater, des Bruders, der Schwester oder der Verwandten stehen, mit Frauen, die einen Ehemann haben, die vom Gesetz geschützt sind, und sogar mit jenen, die den Schmuck der Verlobten tragen."


    Das erschließt sich mir nicht, warum bei Dir Geschlechtsverkehr zu "Verkehr" modalisiert geworden ist. Oder Frauen, die unter der Obhut... zu "Mädchen" modalisiert wurde. (Danke, Anna Panna-Sati, für den Verweis.)

    ... kein „Verkehr“ mit einem „Mädchen“ oder gar „blumengeschmückten Tänzerin...

    Wenn jemand sich die Mühe macht, Anführungszeichen zu verwenden, dann möchte er damit ja etwas vom direkten Verständnis abweichendes sagen, etwas suggerieren.


    Wenn jemand sagt 'da war zwar ein Stoppschild, aber ich bin trotzdem weitergefahren...', dann ist das für mich eine direkt zu verstehende Aussage.


    Wenn jemand sagt 'da war zwar ein "Stoppschild", aber ich bin trotzdem weitergefahren...', dann ist das für mich keine direkt zu verstehende Aussage.


    War da zwar ein Stoppschild, aber derjenige möchte die Bedeutung des Schildes, die ihm durchaus bewusst ist, relativieren? Oder war da zwar kein Stoppschild, aber etwas anderes, was als Äquivalent hätte aufgefasst werden können, zum Beispiel die Bremslichter des vorausfahrenden Autos?

    Diese Diskussion ist müssig, weil du die klassischen Texte offensichtlich wörtlich liest, wie ein evangelikaler Christ seine Bibel. Kann man schon machen. Aber dann bitte konsequent! Du glaubst dann ja wohl auch daran, dass Buddha nicht aus dem dafür vorgesehenen Organ seiner Mutter geboren wurde, sondern aus ihrer Seite - mit einem ganzen Hofstaat, wie die Schriften berichten.

    Mir ist durchaus bewusst, dass nicht alles für bare Münze genommen werden darf und auch nicht genommen werden soll, was da geschrieben steht.


    Es gibt Unterschiedliches (MN 22):


    "...Lehrreden, Gedichte, Darlegungen, Verse, Ausrufe, Sprüche, Geburtsgeschichten, Wunder und Antworten auf Fragen..."

    was willst Du eigentlich wissen?

    Das wird durch die endlose Diskussion m.M. nicht klar.

    Ausgangspunkte war meine Frage, wie der säkulare Buddhismus Frucht und Ergebnis guter und schlechter Taten beschreibt.


    Da ich mir das für den nicht-säkularen Buddhismus recht einfach vorstellen kann, für den säkularen dagegen nicht so einfach.


    Trotzdem hatte ich da eine Antwort für mich erhalten. Danke!

    Es würde mich wundern, wenn ein säkularer Buddhist das Dukkha aus MN 141 eins zu eins in seine Ansichten übernehmen kann.


    Vielleicht darf im säkularen Buddhismus jeder sein eigenes Verständnis von "dukkha" haben. Und dementsprechend gibt es dann auch individuelle "achtfache Pfade". Könnte ich mit dem oben skizzierten zweifachen Pfad, der sicher auch ein "achtfacher Pfad" ist, ein säkularer Buddhist sein?


    Das Prinzip 'wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus' gilt ja universell.

    Tatsächlich? Also für mich ist "dukkha" ein derartig zentraler Begriff im Buddhismus, dass es für mich unabdingbar ist, sich mit Inhalt intensiv auseinanderzusetzen,

    Also, mich interessiert ehrlich gesagt nicht was Du persönlich unter "dukkha" oder "achtfachen Pfad" verstehst oder Dir zusammenreimst oder Dir andere dazu erzählt haben.


    Was Dukkha und achtfachen Pfad betrifft, ist für mich MN 141 ausschlaggebend.:


    "Bei Bārāṇasī, ihr Bhikkhus, im Hirschpark bei Isipatana setzte der Tathāgata, der Verwirklichte und vollständig Erleuchtete das unübertreffliche Rad des Dhamma in Gang, das von keinem Mönch oder Brahmanen oder Gott oder Māra oder Brahmā oder sonst jemandem in der Welt aufgehalten werden kann - und zwar mit dem Verkünden, Lehren, Beschreiben, Verankern, Enthüllen, Darlegen und Darstellen der vier Edlen Wahrheiten. Welcher vier?"...


    Und ich sehe keinen Grund, dieses Rad neu erfinden zu müssen.

    Und ich nehme diese Antwort als Indiz dafür, dass du immer noch nicht begriffen hast, was mit "dukkha" gemeint ist.

    Bei "dukkha" würde ich keinen Buddhismus konsultieren, nicht mal säkularen. Da würde ich mir meinen zweifachen Pfad selber schustern: Empirische Erkenntnis und vernünftige Lebensweise.


    Empirische Erkenntnis: 'Kein Leben ist ohne "dukkha" (Ob es umgekehrt auch so ist, wäre Spekulation). Allerdings kommt es in den allermeisten Fällen schon auf die Lebesweise an, ob da mehr oder weniger "dukkha" ist.'


    Vernüftige Lebensweise: Eine meinem säkular-empirischen Verstand entsprechende Lebensweise, die "dukkha" unterm Strich möglichst vermeidet und trotzdem Lebensfreude mit sich bringt.


    Ergibt:


    1. Weisheit: Empirische Erkenntnis

    2. Sittlichkeit: Vernünftige Lebensweise

    3. Geistessammlung: (entfällt)